Helmpolsterung im Hochmittelalter? Was sind eure Erfahrungen/Meinungen dazu?

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Thomas W.

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Guten Morgen zusammen. Von einer Diskussion inspiriert, möchte ich zu diesem Thema nach euren Meinungen/Erfahrungen fragen? Meines Wissens stammen die ersten einigermassen eindeutigen "Funde/Belege" für eine Art Helminnenfütterung bzw. Polsterung aus dem Spätmittelalter (siehe der Prankh Helm aus Wien z.B.) und der frühen Neuzeit. Die separaten Stechhauben für die Turnierhelme zähle ich hier nicht dazu. Für das Hochmittelalter sind (mir) keine Belege bekannt. Hier muss „gemutmasst“ werden. Es gibt ein paar Abbildungen, die „Wülste“ an den Köpfen bzw. Kettenhauben zeigen. Diese waren wohl zur Schlagdämpfung und für den festen Sitz des Helmes zuständig. Dann gibt es Abbildungen, die diese Wulst nicht aufzeigen. Diese Krieger haben dann vermutlich etwas anderes zur Schlagdämpfung genutzt. Die Fundlage an hochmittelalterlichen Nasalhelmen ist sehr sehr dünn. Neben einigen früheren Funden, verfügen der „Typ Olmütz“ und der Typ Posen“ über zahlreiche Löcher am unteren Kalottenrand (ringsherum). An diesen konnte vermutlich ein Kettengeflecht befestigt werden. Zeitgleich wäre hier aber auch ein Befestigung eines Leinen-Wollpolsters oder eben der Einsatz eines Leders möglich und denkbar. Das ist ohne grossen Aufwand möglich. Es gibt ein Beispielbild in Lehnart’s „Kleidung & Waffen der Früh- und Hochgotik 1150-1320“ auf S.79 dazu. Ein Beleg ist das natürlich nicht. Hierbei handelt es sich nur um meine Überlegungen zu dem Thema. Ich nutze bei meinen Helmen unterschiedliche Varianten zur Schlagdämpfung/Polsterung. Eine davon ist eben der Einsatz einer solchen Lederspinne, dann noch die eines Leinen-Wollpolsters (fest im Helm angebracht und auch als extra Haube).
  • Wie polstert ihr euren (z.B.) Nasalhelm/frühen Topfhelm?
  • Welche Art der Polsterung hat eurer Meinung nach die bessere schlagdämpfende Wirkung (und warum)?
  • Oder polstert ihr ihn gar nicht?
Schon jetzt bedanke ich mich für Erfahrungen und Meinungen zu diesem Thema! :thumbup: :trink02
 
ich habe zwar keinen Nasalhelm oder frühen Topfhelm, aber meine Hirnhaube hat innen nur ein Verstellbares Leder-inlet, und da ich meine Polster- und Kettenhaube drunter trage, ist das imho auch völlig ausreichend.
 
Für das 13. sieht man eigentlich immer Polsterringe über der Kettenhaube, manchmal auch eine Bundhaube in Kombination mit einem solchen Polsterring über der Kettenhaube.
Wells%20Cathedral%20effigy%201240%20631.JPG
Quelle Wells Cathedral Datiert:1240
 
Es wurde ein Eisenhut um 1300 gefunden, der im Inneren Stoff/Filzreste hatte. 1300 passt ja zum HoMi.. Heißt, die haben ihn damit ausgepolstert!!! ist sogar ein Foto vom Innenleben dabei... Einfach blanker Stahl auf die Polsterhaube? MMmmh. http://www.lda-lsa.de/landesmuseum_fuer_vorgeschichte/fund_des_monats/2005/oktober/ Vierter Absatz: " Um die „Eisenhüte“ bequemer tragen zu können und um die Einwirkung der gegnerischen Waffen abzudämpfen, hatten sie unter dem eisernen Äußeren ein Innenfutter aus organischen Materialien wie Leder, Wolle oder Flechtwerk. Auch bei unserem Helm haben sich im Inneren Spuren organischen Materiales erhalten, die bei weiteren Untersuchungen wichtige Informationen über die Konstruktion mittelalterlicher Helme liefern können."
 
Im Endeffekt dürfte es doch so sein wie im Spätmittelalter, als Turnierhelme groß und dick gepolstert, Kriegshelme aber eher eng und wenig gepolstert waren, nur dass spezielle Turnierrüstungen noch eher selten gewsen sind. Soll einem ja nicht ununterbrochen jemand draufprügeln und die Masse näher am Schädel zu behalten schont gewaltig das Genick und während wir heute so einen Helm recht kurz aufhaben, konnte das im Mittelalter auch mal der ganze Tag sein. Die Donuts müssen nicht unbedingt gebräuchlich gewesen sein, immerhin hat sich jemand die Mühe gemacht, das an eine Statue zu meißeln, könnte also was besonderes, optionales sein. So wie die Donuts aus dem 14. Jahrhundert, die man über dem Helm trug und die quasi gar keinen Zweck erfüllten außer hübsch auszusehen. Funktionieren tun die natürlich, die Haube für meinen Topfhelm ist ähnlich konstruiert, allerdings ist die ganze Haube gepolstert, nicht nur der Donut. Im Mauricius von Craûn ist das einzige erwähnte Polster ein Streifen Filz, den er sich um die Knie wickelt, sein Wams aus Buckram dürfte eher eine Art Scheuerschutzhemd darstellen, der Helm wird nur von Außen beschrieben. Interessant ist aber die erwähnte Hirnhaube. Die sitzt so eng um die Stirn, dass ihm niemand mit einem Messer die Haut anritzen könnte. Das funktioniert natürlich nur ohne oder mit ganz minimalem Polster. Danach zieht er das Kettenhemd an, also Kettenhaube über die Hirnhaube. Darüber dann der Helm, der dann festgebunden wird, also auch ein Beleg für den Kinnriemen. Eine separate Polsterhaube wird definitiv nicht erwähnt, wenn, dann war der Helm selbst gepolstert.
 
Was polstert/dämpft eurer Meinung nach besser Schläge/Treffer ab? Die Lederspinne oder ein textiles Polster?
 
Du bringst ein paar Helme mit zum Treffen und ich ein paar Keulen
:D Wenn du die Helme aufsetzt und ich mit der Keule draufhauen darf.... gerne. Ich hab zum Thema "wackeln" und "Dämpfung" bisher die Erfahrungen gesammelt (im Gespräch mit HoMi-Darstellern), dass mit auf den Kopf massangefertigten Helmen (auch mit Lederpinne) und der zusätzlichen Verwendung einer leichten Polsterhaube unter der Ringpanzercoif auch eine hervorrande Dämpfung erzielt werden kann. Das gleiche gilt natürlich auch für massangertigte Helme mit textilem Polster (das dann aber nicht zu dick sein darf). Es wackelte wenig bis nichts und die Halswirbel blieben bisher auch alle dort wo sie hingehören. Die Bewegung kommt meist nur vor, wenn der Helm zu gross ist und die Polsterung (welche auch immer) zuviel Raum ausfüllen muss. Übrigens: Es ist zwar kein HoMi mehr, aber es existiert ein Grabmal im Elsass des 14. Jhs., dass eine aus Leder oder Textil bestehende Spinne in einem Helm (glaub es war ein Kübelhelm) relativ eindeutig zeigt. Ich finde gerade leider die Bildquelle nicht...
 
Ich habe immer eine Polsterhaube getragen und dann Wollstoffreste von Innen in den Helm geklebt. So wie früher halt auch. Du passt das dann Lagenweise an, bis der Helm sich "festsaugt". Geht super! Der Helm hielt sogar ohne Kinnriemen. Polsterwirkung A+++
 
So wie früher halt auch
und
Polsterwirkung A+++
soll vermutlich heissen das es belegbar ist - dann wäre die frage wodurch und für wann und wo ("früher" ist ein äusserst dehnbarer begriff ;) )? Polsterhaube ist eh klar (gibts zb. in der Kreuzfahrerbibel), aber Wollstoffreste von innen an dem Helm?? LG, Singa
 
Gebt bei Pinterest einfach mal die Suchbegriffe "Medieval Helmet Liner" ein, da finden sich auch einige Originale Schaller, Beckenhauben und Eisenhüte aus dem 15. Jahrhundert, eben die spätmittelalterlichen Helme von denen ich gesprochen hatte. Die Polsterung ist im Regelfall sehr dünn und liegt nicht direkt innen am Metall an, bzw ist gleich als Helmspinne ausgeführt. Es ist natürlich schwer sowas im Hochmittelalter zu belegen, mangels alternativen oder Belege aus dem Frühmittelalter an die man sich annähern könnte, ist das aber vielleicht die sicherste Variante. Es gibt auch Kappen aus Seil, die manche für Unterkappen halten, nach Bildquellen halte ich die allerdings eher für etwas eigenständiges, was ein übereinanderziehen natürlich nicht ausschließt.
 
Ich stimme Ritter Erasco in allen Punkten zu. Beim Madeln-Helm wurden unter den Nieten über den Sehschlitzen Lederreste gefunden. Könnte zwar ein Lederband gewesen sein, an dem ein Stoffpolster angenäht war, könnte aber auch durchaus eine Lederspinne gewesen sein, so wie hier ausgeführt: http://www.die-ameninger.com/bauberichte/helm-i-von-madeln/ (ganz nach unten scrollen) Ich halte letztere Variante für wahrscheinlicher, denn ein Stoffpolster lässt sich mit viel weniger Aufwand einbinden, beispielsweise wie bei meinem Maciejowski-Helm. Der hat einen überdimensionalen Donut, bestehend aus gerolltem Wollstoff mit Leinenüberzug, eingebunden, dem hier abgebildeten gleicht: http://www.die-ameninger.com/bauanleitungen/topfhelm-ad-1200/ Die Polsterhaube, die ich dazu trage, ist eher dünn, dann kommt noch die Ringpanzerhaube dazwischen. Ich habe mit dieser Kombination wirklich schwere Kopftreffer von oben problemlos weggesteckt. Ohne irgendwelche Spätfolgen, ehrlich! Gehen tut beides, rein gefühlsmässig würde ich die Lederspinne vorziehen bei stark konischen Helmglocken von Kampfhelmen, bei denen es leicht passieren kann, dass zu wenig Platz für ein Stoffpolster ist. Also der Madeln-Helm oder die späteren Kübelhelme. Turnierhelme klammere ich hier ausdrücklich aus, das ist eine andere Liga.
... und dann Wollstoffreste von Innen in den Helm geklebt. So wie früher halt auch.
Ich schliesse mich Singa an: Was lässt Dich vermuten, dass früher Wollreste eingeklebt wurden? Sprechen wir noch vom Mittelalter? Freundliche Grüsse Gerald von Ameningen
 
Rein praktisches Feedback von mir: Ich trage unter dem Nasal (Darstellung 11. Jhd.) eine eher dünne Polsterhaube, darüber Kette (mit Kinnlatz). Der Helm hat zusätzlich eine verstellbare Lederspinne. Die Schutzwirkung ist damit sehr gut, der Helm sitzt sehr fest und wackelt und drückt nicht. Direkte Kopftreffer von oben z.B. mit Axt sind kein Problem. Viele Grüße, Wolfgang
 
hier ein Video welches Ian Laspina vor kurzem veröffentlicht hat, vielleicht ganz interessant für den ein oder anderen für euch, auch wenn es kein Homi mehr ist: [media]https://www.youtube.com/watch?v=itO64ZBX1jU[/media] (quelle: YouTube): Da gibts noh mehr (Matt Easton hat da glaube ich auch mal was drüber gemacht), aber dashier fasst Imho alles ganz gut zusammen.
 
Der Marslebener Eisenhut wurde ja schon erwähnt, ich glaube aber mich zu erinnern, dass im Wilnsdorfer Eisenhut ebenfalls Filz oder Ähnliches als Rückstand gefunden wurde.
 

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