"Die Burg war nicht die einzige Form der feudalen Wohnung. Wenn die großen Herren unterwegs waren und nicht damit rechnen konnten, jeden Tag bei befreundeten Standesgenossen ein Quartier zu finden, dann wohnten sie in Zelten. Man bediente sich der mobilen Wohnungen auf Kriegszügen und auf Pilgerreisen, auf Turnierfahrten und auf dem Weg zu großen Fürstentagen. [...] Seit der Eneit von Heinrich von Veldeke gibt es Zeltbeschreibungen in der höfischen Epik, und diese Beschreibungen zeigen, daß man das Zelt als eine mobile Burg betrachtete. [es folgen Vergleiche einiger Zelte mit Burgen]. Das Zeltdach, der huot, und die Seitenwände, die winde, bestanden manchmal aus kostbaren orientalischen Seidenstoffen und waren mit dem Wappen des Zeltherren oder mit figürlichen Darstellungen geschmückt. 'Die Zeltwand bestand aus vier Teilen; sie war hoch und weit.' [es folgt eine Berschreibung der Seiten: Eine aus Samit, von besserer Qualität als alle Seidenstoffe Griechenlands, die andere aus Triblatseide, der Saum aus Gold, die dritte Seite aus rotem Baragan, die vierte aus weißem Fischhaar.] Wie sehr die Zelte als Teil der adligen Luxuskultur angesehen waren, verrät auch die Terminologie. Neben dem Gattungsnamen zelt, gezelt gab es nur noch ein deutsches Zeltwort, und zwar für die kleineren dachförmigen Zelte der Dienerschaft und der einfachen Krieger: hütte. Die großen Prunkzelte wurden meistens mit dem französischen Wort pavilun, poulun benannt, das zum ersten Mal in Hartmanns Erec bezeugt ist. Im 'Willehalm' kommen die Zeltwörter preimerun, ekub, treif und tulant vor, die alle aus dem Französischem stammen (tulant ist ungeklärt).Prunkzelte mit unglaublich reicher Ausstattung hat es tatsächlich gegeben. Im Jahr 1157 schickte König Heinrich II. von England an Kaiser Friedrich I., zusammen mit anderen Geschenken, 'ein riesiges prachtvolles Zelt. Wenn du nach seiner Größe fragst: Es konnte nur mit Maschinen und Werkzeugen aller Art und mit Stützen gehoben werden; wenn du nach seiner Beschaffenheit fragst: ich glaube, es kann weder im Material noch in der Ausführung jemals von irgendeinem Gerät dieser Art übertroffen werden.' Gunther von Pairis hat diese Angaben Rahewins über 'das durch seinen wundervollen Schmuck sehenswerte Zelt', durch Einzelheiten ergänzt: 'Du fragst nach dem Material? Es soll ein Gewebe aus fremdländischem Faden gewesen sein....'"