Grundlagen des Schmiedens

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Xerxes

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Hi, da sich hier in letzter Zeit ja einiges zum Thema Schmieden getan hat, hab ich schon vor einer Weile angefangen mal ein paar Grundlagen zusammenzufassen. Es richtet sich an alle, die mit dem Schmieden von Messern/Schwertern beginnen wollen und ihr handwerk mit etwas Theoriewissen verfeinern wollen. Vielleicht hilft es ja auch dem ein oder anderen, der schon eine Weile schmiedet. Dies ist als reiner Infothread gedacht. Ich möchte es bitte vermeiden, das die einzelnen Artikel durch Diskussionen und Anmerkungen oder Kritik auseinandergerissen werden. Daher hab ich einen Diskussionsthread zu diesem eingerichtet. Diskussionsthread! Jetzt geht es los: 1 – Eine kleine Stahlkunde: Jede metallische Legierung, deren Hauptanteil Eisen ist und die einen Kohlenstoffgehalt zwischen ca. 0,02% und 2,0% hat, kann als Stahl bezeichnet werden. Wenn ein Stahl mehr als ca. 2,0% Kohlenstoff hat liegt dieser bereits im sog. ledeburitischen Bereich und wird somit als Gusseisen bezeichnet und ist so nicht mehr schmiedbar. Allerdings haben schon Stähle mit 1,6% Kohlenstoff ledeburitische Anteile und sind nicht unproblematisch zum Schmieden. Im reinsten Fall bestehen besteht Stahl also nur aus Eisen und Kohlenstoff. Moderne Stähle enthalten allerdings immer noch andere Legierungselemente. Auch die „reinen“ Kohlenstoffstähle haben gewisse Anteile Mangan und Silizium. Neben diesen Hauptelementen können noch eine ganze Reihe verschiedener Legierungselemente wie Chrom, Vanadium, Wolfram usw. beigemischt sein, die sich stark auf die physikalischen Eigenschaften des Stahls auswirken. Für Klingenstähle ist der Kohlenstoff mit Abstand das wichtigste Element. Der Kohlenstoff macht den Stahl überhaupt erst härtbar und damit für Messer/Schwerter brauchbar. Um gehärtet werden zu können, braucht ein "reiner" Kohlenstoffstahl mindestens 0,35 Massenprozent Kohlenstoff. Zum Härten später mehr. Je höher der Kohlenstoffgehalt, um so härter und verschleißfester kann ein Stahl gehärtet werden. Um so härter ein Stahl wird, um so mehr verliert er aber auch seine Zähigkeit und wird spröder. Diese Sprödigkeit kann man in etwa mit einem Feuerstein vergleichen. Dieser Stein ist einer der härtesten Steine der Welt. Bei starken Schlägen zersplittert er allerdings, ebenso, wie ein zu harter und spröder Stahl bei starker Belastung zersplittern würde. Bei Stählen spricht man dann von einer sog. Glashärte. Bei einem Kohlenstoffgehalt von 0,8% hat ein „reiner“ Kohlenstoffstahl sein sog. Eutektikum erreicht. Das bedeutet, dass er gesättigt ist. Im gehärteten Zustand ist im Idealfall der gesamte Kohlenstoff mit dem gesamten Eisen eine Verbindung eingegangen und hat das sog. Martensit gebildet. Martensit ist der Gefügezustand von Eisen und Kohlenstoff, den wir als Härte spüren (dazu später mehr). Hat ein Stahl weniger als 0,8% Kohlenstoff, so reicht der Kohlenstoffgehalt nicht für eine vollständige martensitische Umwandlung aus und im gehärteten Stahl bleiben neben dem entstandenen Martensit noch Reste von nicht gehärteten Eisen und Kohlenstoff (je nach Abkühlgeschwindigkeit kann das Ferrit, Perlit oder Bainit etc. sein. Nicht so wichtig!). Diese Kombination aus nicht gehärteten Eisen/Kohlenstoff und Martensit macht den Stahl besonders Zäh, weshalb Stähle mit zwischen 0,5% und 0,75% Kohlenstoff gerne als Federstähle verwendet werden. Solche Stähle mit weniger als 0,8% Kohlenstoff sind untereutektoide Stähle. Hat ein Stahl mehr als 0,8% Kohlenstoff, so bleibt nach der vollständigen martensitischen Umwandlung beim Härten noch überschüssiger Kohlenstoff vorhanden, der sich im Gefüge des Stahls neben dem Martensit anordnet. Dieser Kohlenstoff liegt dort nicht in Reinform sondern ist selbst eine Verbindung aus Kohlenstoff und Eisen mit erhöhtem Kohlenstoffgehalt. Mann nennt diese Art der Verbindungen, in denen sich Eisen oder Legierungselemente mit Kohlenstoff zu harten „Partikeln“ verbinden Karbide, in diesem Fall also ein Eisenkarbid, das sogenannte Zementit. Wenn Zementit im gehärteten Stahl vorliegt, macht es diesen sehr hart und verschleißfest, gleichzeitig reduziert er allerdings auch die Zähigkeit. Deshalb werden hoch-kohlenstoffhaltige Stähle z.B. für Schneidmesser und Feilen benutzt, die eine hohe Schärfe, Schnitthaltigkeit und Standzeit brauchen, die aber keinen starken mechanischen Belastungen ausgesetzt werden. Solche Stähle sind z.B. für feine Küchenmesser besonders interessant. Kohlenstoffstähle mit mehr als 0,8% Kohlenstoff nennt man übereutektoide Stähle. Neben dem Kohlenstoff haben auch die Legierungselemente gravierende Auswirkungen auf die Eigenschaften sowie die richtige Wärmebehandlung der Stähle. Wie bereits beschrieben enthalten moderne Stähle, auch reine Kohlenstoffstähle, immer geringe Anteile an Mangan und Silizium. In der Regel zwischen 0,3% und 0,5%. Besonders Mangan steigert die Durchhärtbarkeit und senkt die Umwandlungsfreudigkeit der Stähle (außerdem steigert es die Zähigkeit und Schweißbarkeit), was dazu führt, dass sich der Bereich der maximalen und minimalen Abkühlgeschwindigkeit der Stähle beim Härten verschiebt (dazu mehr beim Thema Härten). Das hat die Konsequenz, dass alle modernen Stähle die wir fürs Messermachen verwenden in Öl statt in Wasser gehärtet werden sollten. Das trifft auch auf Stähle zu, die explizit als „Wasserhärter“ ausgezeichnet sind. Diese Angaben beziehen sich in der Regel auf Probewürfel mit einer Kantenlänge von 20-25mm. Bei solchen Querschnitten wäre eine Wasserhärtung angebracht, um eine ausreichende Einhärtung zu erreichen. Bei den geringen Querschnitten, wie sie bei der Herstellung von Messern und Schwertern vorliegen, wäre eine Wasserhärtung jedoch fatal. Die Abschreckung glühender Stähle in Wasser ist um ein vielfaches schneller und schroffer als in Öl. Wenn Stähle jedoch schneller als die jeweilige maximale Abkühlgeschwindigkeit es zulässt, abgekühlt werden, neigen sie extrem zu Rissbildung. Ihr könnt mir da entweder vertrauen oder eure eigenen Versuche mit Wasserhärtung machen. Aber nehmt besser nicht eure besten Rohlinge dafür und jammert nachher nicht rum;-) Wer etwas mehr Erfahrung mit dem Härten hat, kann sich mit einer „fraktionierten“ Härtung, erst in Wasser, dann in Öl, versuchen. Dazu später mehr… Kurze Anmerkung, historische Rennstähle enthalten, anders als moderne Stähle, in der Regel neben Kohlenstoff so gut wie keine anderen Legierungselemente (von Phosphor und Schwefel mal abgesehen, die sind nochmal ne ganz eigene Sache). Das macht diese Stähle sehr „umwandlungsfreudig“ was wiederum zur Folge hat, dass diese Stähle sehr sehr schnell abgekühlt werden müssen damit sie vollständig härten. Bei solchen Stählen ist auch bei dünneren Querschnitten eine Wasserhärtung notwendig. Aber eben nicht bei modernen Stählen… Das Silizium hat einen ähnlichen Effekt wie Mangan, wobei es besonders stark die Zähigkeit und die Federeigenschaften der Stähle begünstigt. Daher wird Silizium vielen Federstählen in höheren Mengen zugesetzt. Zusätzlich hat Si als sog. Karbidbildner noch die Eigenschaft, erst bei höheren Temperaturen in Lösung zu gehen, wodurch die Härtetemperatur von siliziumlegierten Stählen in der Regel höher liegt als die von „reinen“ Kohlenstoffstählen. Was es mit diesen Karbiden und der Löslichkeit auf sich hat kommt später… Außerdem verhindert Si ab einer gewissen Konzentration die sog. Blausprödigkeit… Neben Si und Mg, die in allen modernen Stählen in geringen Mengen vorhanden sind, gibt es noch eine ganze Reihe anderer Legierungselemente. Die Wichtigsten sind Chrom, Vanadium, Wolfram, Nickel, Molybdän, Niob, Titan, Tantal, Kobalt. Auch diese Legierungselemente können mit Kohlenstoff Verbindungen eingehen und ihrerseits Karbide bilden. Das können z.B. Chromkarbide, Vanadiumkarbide, Wolframkarbide etc. sein. Dazu aber mehr unter Wärmebehandlung… Gruß Jannis
 
Grundlagen der Warmformgebung:​
Auf versch. Techniken wie das Strecken, Stauchen, Abschroten etc. gehe ich hier nicht weiter ein. Das kann man sich mit ein bisschen Geduld auch selber beibringen. Ich gebe hier ein paar Theoretische Grundlagen zur richtigen Behandlung der Stähle.​
Je höher der Kohlenstoffgehalt eines Stahls, um so niedriger liegt der Schmelzpunkt des Stahls. Bei einem Stahl mit 1,5% Kohlenstoff haben wir schon bei ca. 1250 Grad die ersten Schmelzanteile im Stahl. Zum Vergleich, bei 0,4% Kohlenstoff passiert das erst bei knapp 1500 Grad. Das hat zur Folge, dass mit steigendem Kohlenstoffgehalt die maximale Schmiedetemperatur sinkt, da der Stahl bei zu hohen Temperaturen Schaden nimmt.​
Gleichzeitig erhöht sich die Kaltfestigkeit des Stahls mit steigendem Kohlenstoffgehalt. Fast reines Eisen kann man auch im kalten Zustand sehr gut umformen/schmieden. Es lässt sich sehr leicht verformen und verfestigt sich nur wenig. Bei einem Stahl mit hohem Kohlenstoffgehalt ist das nicht so einfach. Erstens ist er kalt wesentlich fester und zweitens verfestigt er sich beim Kaltverformen stark. Die Kaltverfestigung hat allerdings ihre Grenzen, sie liegt für einen Stahl mit 1,0% Kohlenstoff irgendwo um die 10-20% wenn ich mich richtig erinnere. Wenn ein Stahl dann noch weiter kaltverformt wird, bekommt er Risse. Das heißt, je mehr Kohlenstoff ein Stahl hat, um so weniger verträgt er das Kaltschmieden.​
Das hat folgende Konsequenzen: Je höher der Kohlenstoffgehalt ist, um so kleiner ist der Temperaturbereich, in dem ein Stahl ohne Schaden zu nehmen geschmiedet werden kann. Denn wenn man mit der Temperatur zu hoch geht, wird das Gefüge des Stahls massiv geschädigt. Man erkennt es z.B. an dem verbrennenden Kohlenstoff in den Randschichten des Stahls, der bei zu hohen Temperaturen anfängt Funken zu sprühen. Das sollte man aber tunlichst vermeiden, denn wenn der Stahl Funken sprüht, ist es meistens schon zu spät. Wird der Stahl beim Schmieden zu kalt und weiter umgeformt, kann er schnell Risse bekommen.​
Prinzipiell sollte man beim Schmieden so vorgehen. Man erhitzt den Stahl auf hohe Temperaturen, meistens ein helles Gelb (nicht gelb-weiß), und beginnt ihn zu schmieden. Man sollte mit kräftigen Schlägen und großer Umformung beginnen. Je mehr der Stahl unter dem Hammer abkühlt, um so höher sollte die Schlagfrequenz werden. Die Schläge an sich sollten nun aber schwächer werden und die Umformung sollte immer geringer werden je mehr der Stahl abkühlt. Das verhindert einerseits Risse, die bei zu starker Umformung im erkalteten Stahl entstehen können, andererseits wirkt sich dieser Vorgang positiv auf das Gefüge des Stahls aus. Mehr dazu unter Wärmebehandlung. Spätestens wenn der Stahl zu einem dunklen Rot abgekühlt ist, wird es Zeit den Stahl wieder zu erhitzen. Der Stahl sollte prinzipiell nur so lange wie absolut nötig in der Esse bleiben und mit möglichst wenig Wärmen (Aufwärmphasen) in Form geschmiedet werden.​
Ich gehe dabei folgendermaßen vor: Ich versuche mein Werkstück mit möglichst wenig Aufwärmphasen und mit starker Umformung grob in Form zu schmieden. Dabei schmiede ich in einem relativ hohen Temperaturbereich zwischen hellgelb/gelb und orange. Wenn ich die grobe Form herausgearbeitet habe, beginne ich, bei niedrigeren Schmiedetemperaturen und mit schnelleren aber weniger kräftigen Schlägen, das Stück in seine Endform zu bringen. Der Stahl sollte sich bei diesem feinen Ausschmieden nicht über ein Orange aufwärmen, besser ist ein sattes kirschrot. Das bedeutet natürlich auch, dass man öfter wieder aufwärmen muss.​
Das ist auch deshalb zu empfehlen, weil der Stahl bei diesem Vorgehen nach dem Schmieden bereits ein günstiges Ausgangsgefüge hat und unnötiges Grobkorn vermieden wird…​
Die Stähle sollten während des Schmiedeprozesses nicht in Wasser abgeschreckt werden. Dabei ist es egal ob man dies von hohen oder relativ niedrigen Temperaturen tut. Durch eine schroffe Abkühlung steigt das Risiko einer Rissbildung gewaltig. Wenn man das Stück unbedingt schneller abkühlen will, sollte man es in Öl tun.​
Wenn man mit Fettnuss oder Koks schmiedet, sollte man das Werkstück nur ins Feuer legen, wenn die Kohlen im Innern des Feuers schon komplett durchgeglüht sind. Diese Brennstoffe enthalten nämlich viel Schwefel und Phosphor und wenn man frische Kohlen zum Stahl ins Feuer gibt, können Schwefel und Phosphor über die Verbrennungsgase in die äußeren Schichten des Werkstückt migrieren und das Gefüge schädigen. Diese Gefahr sollte man nicht unterschätzen, besonders wenn man mit hochwertigen Stählen arbeitet und im oberen Bereich des Feuers arbeitet, wo die Atmosphäre reduzierend ist. Gruß Jannis​
 
Wärmebehandlung:​
So, jetzt zur Wärmebehandlung: Dieser Bereich ist mindestens genau so wichtig, wie das Schmieden und die richtige Stahlwahl. Wenn nicht sogar noch wichtiger. Denn durch eine schlechte Wärmebehandlung kann man auch den besten Stahl ruinieren. Andersrum kann man auch aus einfachen Stählen viel Leistung herausholen, wenn man eine ideale Wärmebehandlung durchführt.​
Theoretische Grundlagen:​
Reines Eisen liegt bei Temperaturen unter 911 Grad als sog. Alpha-Eisen vor. Alpha-Eisen bezeichnet im Grunde die Ausrichtung und Anordnung der Atome im Eisen. Bei reinem Eisen nennt man diese Gefügeart Ferrit. Erhitzt man reines Eisen über 911 Grad, so verändert sich die Anordnung der Atome und es bildet sich das sog. Gamma-Eisen. Dieses Gamma-Eisen nennt man Austenit. Reines Eisen ist allerdings aufgrund seiner Affinität zu anderen Elementen nur sehr schwer herzustellen und in der Regel haben alle Bau- und Werkzeugstähle einen gewissen Anteil anderer Legierungselemente. Schon ab einem Kohlenstoffgehalt von 0,02% verändern sich die Eigenschaften des Stahls. Mit dem Vorhandensein von Kohlenstoff liegt der Umwandlungspunkt, in dem sich das Alpha- in Gamma-Eisen umwandelt bei 723 Grad. Dieser Umwandlungspunkt wird Ac1 genannt und ist für die Wärmebehandlung von Stählen besonders wichtig. Ferrit kann nur sehr geringe Mengen Kohlenstoff lösen/aufnehmen. Der Wert liegt irgendwo einige Stellen hinter dem Komma. In einem ungehärteten Stahl liegt der Kohlenstoff daher in Form von Karbiden vor. Diese Eisenkarbide, das sog. Zementit, sind Verbindungen aus Eisen und Kohlenstoff. Da Kohlenstoff nicht in unbeschränkten Mengen im Stahl vorliegen geht auch nie das ganze Eisen mit dem Kohlenstoff eine Verbindung ein. Das bedeutet, dass in ungehärteten Stählen sowohl Zementit als auch Ferrit nebeneinander vorliegen. Dieses Gefüge, in dem sowohl Zementit als auch Ferrit vorhanden sind, wird Perlit genannt. Wenn ich nun einen Stahl erhitze, lösen sich die Eisenkarbide (Zementit) mit steigender Temperatur auf. Ab einer bestimmten Temperatur liegen nun Eisen und Kohlenstoffatome völlig voneinander getrennt vor und sind nicht mehr als feste Verbindungen vorhanden. Die genaue Temperatur der vollständigen Lösung ist bei jedem Stahl etwas unterschiedlich. Besonders wichtig ist allerdings folgender Richtwert. Ein Stahl mit 0,8% Kohlenstoff ist genau bei 723 Grad vollständig in Lösung gegangen. Wir können also sagen, dass alle reinen Kohlenstoffstähle mit einem Kohlenstoffgehalt bis max. 0,8% bei 723 Grad vollständig in Lösung gegangen sind. Bei höheren Kohlenstoffgehalten findet die vollständige Lösung dementsprechend erst bei höheren Temperaturen statt. Gruß Jannis​
 
Härten:​
Wie eben beschrieben, klappt bei einer Temperatur von 723 Grad das Alpha-Eisen in Gamma-Eisen um. Der Einfachheit halber spreche ich ab jetzt nur noch von Perlit (Alpha-Eisen) und Austenit (Gamma-Eisen). Diese Temperatur von 723 Grad bleibt bei allen reinen Kohlenstoffstählen konstant, unabhängig vom Kohlenstoffgehalt. Wenn ich eben davon gesprochen habe, dass sich der Zementit bei bestimmten Temperaturen auflöst und Eisen und Kohlenstoff dann voneinander getrennt vorliegen, so war das nur halb richtig. Denn das Austenit, welches bei Temperaturen über 723 Grad entsteht, ist in der Lage eine gewisse Menge Kohlenstoff zu lösen. Das liegt daran, dass sich die Anordnung der Eisenatome ändert und zwischen ihnen mehr Platz entsteht, in den die Kohlenstoffatome hinein wandern können. Und das tun sie auch;-) Also, bei einer Temperatur von 723 Grad klappt das Perlit in Austenit um, die Karbide haben sich entweder vollständig oder doch größtenteils gelöst und der so frei gewordene Kohlenstoff ist nun im Austenit gelöst. Wenn ich nun einen Kohlenstoffstahl aus einer Temperatur über 723 Grad schnell abkühle, klappt das Austenit (Gamma-Eisen) wieder ins Alpha-Eisen um. Wir erinnern uns, Alpha-Eisen kann eigentlich nur sehr sehr wenig Kohlenstoff lösen. Nun müsste sich ja eigentlich der Kohlenstoff wieder aus dem Austenit lösen und es müssten sich erneut Eisenkarbide bilden. Genau das würde auch passieren, wenn man den Stahl langsam abkühlen lässt. Da der Kohlenstoff allerdings etwas träge ist und so seine Zeit braucht, um sich aus dem Austenit wieder zu befreien, schafft er es bei einer schnellen Abkühlung nicht mehr sich aus dem Austenit zu lösen und erneut Karbide (Zementit) zu bilden. Der Kohlenstoff wird dann sozusagen im Gefüge eingeklemmt. Wir haben also dann Alpha-Eisen, in dessen Gefüge die Kohlenstoffatome gefangen sind. Durch den gefangenen Kohlenstoff verzerrt sich das Gefüge und es entsteht eine neue Gefügeart, die sich Martensit nennt. Gerade diese Verzerrung oder Verspannung ist es, die wir als Härte des Stahls spüren. Also, wenn wir einen Stahl aus einer Temperatur oberhalb von 723 Grad schnell abkühlen, bildet sich eine neue Gefügeart, das Martensit, und der Stahl wird gehärtet.​
Oben habe ich schon mal angesprochen, dass besonders reine Stähle auch besonders umwandlungsfreudig sind. Das ist allerdings etwas missverständlich. Dieser Begriff bedeutet nämlich nicht, wie es anzunehmen wäre, dass diese Stähle besonders leicht zu härten sind, sondern genau das Gegenteil. Bei einem sehr umwandlungsfreudigen Stahl kann sich der Kohlenstoff beim abkühlen besonders schnell wieder aus dem Austenit lösen und erneut Eisenkarbide bilden. Das bedeutet, dass man sehr reine und damit umwandlungsfreudige Stähle besonders schnell abschrecken muss, damit der Kohlenstoff im Gefüge eingefangen wird und sich Martensit bildet. Solche sehr reinen Stähle sind z.B. historische Rennstähle, da sie herstellungsbedingt nur sehr geringe Spuren an Legierungselemente enthalten. Diese Stähle müssen wie beschrieben in Wasser gehärtet werden. Die modernen Werkzeugstähle sollten aber, wie oben beschrieben, in Öl gehärtet werden.​
So, wie wir schon festgestellt haben, geht ein Stahl mit bis zu 0,8% Kohlenstoff bei 723 Grad vollständig in Lösung. Da man allerdings häufig auch Stähle verwendet, die deutlich mehr als 0,8% Kohlenstoff enthalten (übereutektoide Stähle), sei das hier auch nochmal kurz beschrieben. Je höher der Kohlenstoffgehalt, um so höher müsste man mit der Temperatur gehen, um sämtliche Karbide aufzulösen. Bei einem Stahl mit ca. 1,4% Kohlenstoff (wie z.B. bei alten Feilen) wäre die vollständige Lösung erst bei knapp 1000 Grad erreicht. Solche Temperaturen sind aus versch. Gründen (die ich hier nicht auch noch aufführen werde) jedoch viel zu hoch zu Härten. Man bleibt daher bei Stählen mit mehr als 0,8% Kohlenstoff deutlich unter der Temperatur der vollständigen Lösung. Bei reinen Kohlenstoffstählen liegt diese Temperatur in der Regel zwischen 790 und 830 Grad. Bei diesen Temperaturen losen sich allerdings nicht alle Karbide auf. Da sich bei 723 Grad 0,8% Kohlenstoff gelöst hat, hat sich bei der durchschnittlichen Härtetemperatur von ca. 800 Grad ungefähr 1,0% Kohlenstoff gelöst. Das bedeutet, dass 0,4% Kohlenstoff noch in Form von Karbiden vorliegen. Härte ich diesen Stahl nun (z.B. in Öl), bilden natürlich nur die 1,0% Kohlenstoff, die auch in Lösung gegangen sind, das Martensit. Die restlichen 0,4% Kohlenstoff, die nicht gelöst wurden, verändern ihren Zustand beim Härten nicht. Das bedeutet, dass gehärtete übereutektoide Stähle aus einem Gemisch aus Martensit und Eisenkarbid (Zementit) bestehen. Diese Zementiteinlagerungen im Martensit machen den Stahl besonders hart, verschleißfest und schnitthaltig aber eben auch weniger zäh…​
Die versch. Legierungselemente wie Chrom, Vanadium, Wolfram etc. haben ganz besondere Auswirkungen auf die Stähle. Diese Elemente haben eine starke Affinität zu Kohlenstoff und gehen, ähnlich wie Eisen, mit Kohlenstoff eine Verbindung ein und bilden Karbide. Das können dann z.B. Chromkarbide, Vanadiumkarbide usw. sein. Diese Karbide haben versch. Eigenschaften. Erstens lösen sich diese Karbide erst bei höheren Temperaturen vollständig auf und dann brauchen sie auch mehr Zeit um sich zu lösen. Und als Drittes blockieren sie quasi den im Austenit gelösten Kohlenstoff, so dass dieser wesentlich mehr Zeit braucht, um sich beim Abkühlen aus dem Austenit zu lösen. Das bedeutet, je höher die Konzentration an Legierungselementen ist, um so weniger umwandlungsfreudig ist ein Stahl und um so weniger schnell muss er abgeschreckt werden, um vollständig zu härten. Dass kann so weit gehen, das Stähle zu sog. Lufthärtern werden. Bei diesen Stählen ist selbst die Abkühlung an der Luft schnell genug, dass sie vollständig härten. Außerdem setzen diese Legierungselemente den Umwandlungspunkt Ac1 herauf. Das bedeutet, bei legierten Stählen kann es sein, dass das Perlit erst bei z.B. 750 Grad (oder noch höheren Temperaturen) in Austenit umklappt. Also, niedriglegierte Stähle haben in der Regel höhere Härtetemperaturen. Welche genau, entnehmt ihr dem jeweiligen Datenblatt der Stähle eine Auflistung einiger Stähle findet ihr z.B. hier!​
Gruß Jannis
 
Soviel zur Theorie des Härtens, jetzt zur Praxis:
Die Klinge wird vor dem Härten weitestgehend in Form geschliffen. Dabei muss man folgendes beachten. Beim Härten dehnt sich der Stahl aus. Bei einem Messer ist der Rücken in der Regel wesentlich dicker als die Schneide. Das bedeutet auch, dass der Rücken sich stärker ausdehnt als die Schneide, einfach weil dort mehr Masse ist. Der Rücken drückt nach dem Härten quasi gegen die Schneide. Wenn die Schneide vor dem Härten zu dünn ausgeschliffen ist, kann das zu unangenehmen Verzug führen. Die Klinge kann sich, quasi als Ausweichbewegung, wie ein Korkenzieher verdrehen oder die Schneide kann sich wellen. Mit etwas Glück biegt sich auch die gesamte Klinge gleichmäßig nach Vorne. Da muss man aber schon sehr sauber vorgearbeitet haben und zusätzlich noch Glück haben. Einen solchen Verzug kann man aber weitestgehend vermeiden.​
Je länger die Klingen, um so mehr Material schiebt von hinten gegen die Schneide. Außerdem sind sehr hohe und insgesamt dünne Klingen auch nicht unproblematisch. Hier ist die Schneide einfach über eine lange Strecke sehr dünn, so dass wenig Material da ist, welches den Spannungen beim Härten standhalten könnte. Also, je größer und höher ein Messer ist, um so dicker muss die Schneide beim Härten sein. Da kann man leider nicht wirklich konkrete Werte nennen, da der Verzug noch von weiteren Faktoren abhängt. Aber mal so als kleiner Richtwert. Die Schneide einer Messerklinge mit 80mm Länge, einer Höhe von 25mm und einer Dicke von 2,5mm kann ich an der Schneide auf 0,1-0,2mm Dicke ausschleifen, ohne das es problematischen Verzug gibt. Bei einem größeren Kochmesser mit einer Klingenlänge von 200mm, einer Klingenhöhe von 45mm und einer Dicke von 3mm muss ich aber locker 0,3-0,5mm an der Schneide stehen lassen, damit es keinen schlimmen Verzug gibt…​
Also, die Klinge (weitestgehend auf Endform geschmiedet und geschliffen), wird nun gleichmäßig auf Härtetemperatur gebracht. Dass kann z.B. im Kohlenfeuer mit stark reduzierter Luftzufuhr passieren. Man muss dabei sehr sorgfältig vorgehen, damit sich die Klinge wirklich gleichmäßig erhitzt. Es sollte vermieden werden, dass sich die Klinge stärker als die Härtetemperatur erhitzt. Besonders die dünnen Spitzen neigen dazu, sich sehr schnell zu überhitzen. Bei den meisten reinen Kohlenstoffstählen sollte man eine Temperatur von ca. 800 Grad anstreben. Das ist ein sattes Kirschrot, eine Glühfarbentabelle findet ihr z.B. bei Tante Wiki. Dunkelt den Raum dabei unbedingt ab, wenn es zu hell in der Schmiede ist, kann man die Glühfarbe nicht richtig einschätzen und die Klinge wird meistens zu heiß. Bei niedriglegierten Stählen, also Stählen mit versch. Legierungselementen wie Chrom, Wolfram etc., können die Härtetemperaturen deutlich höher liegen. Außerdem muss man einiger dieser Stähle eine gewisse zeit auf Temperatur halten, damit eine vollständige Härtung stattfinden kann. Man sollte sich also bei dem jeweiligen Stahl genau informieren, welche Härtetemperatur etc. er hat.​
Die gleichmäßig glühende Klinge wird nun in 60-80 Grad heißem Speiseöl abgekühlt. Nehmt einfach das billigste Rapsöl aus dem Supermarkt. Es ist wichtig, dass man die Klinge direkt aus der Glut ins Öl gibt, ohne dass sie sich an der Luft abkühlt. Man schwenkt die Klinge nun vorsichtig auf und ab (nicht seitlich), bis sie sich bis auf Öltemperatur abgekühlt hat. Dann nimmt man die Klinge aus dem Öl und lässt sie an der Luft bis auf Raumtemperatur abkühlen. Direkt nachdem man die Klinge aus dem Öl genommen hat, hat man noch ca. 30 Sekunden um sie vorsichtig zu richten. Denn nach dem Abschrecken dauert es noch eine gewisse Zeit, bis sich das Martensit vollständig gebildet hat. In dieser Zeit kann man die Klinge noch vorsichtig verformen. Das kann man entweder von Hand (also mit Handschuhen oder Lappen, Vorsicht, Klinge ist noch heiß) oder mit vorsichtigen Schlägen mit einem Holz- oder Kunststoffhammer machen. Sobald die Klinge sich auf Raumtemperatur abgekühlt hat, muss sie umgehend in den Backofen zum anlassen. Maximal dürfen 30 Minuten zwischen Härten und Anlassen verstreichen. Das ist aber nicht optimal, wesentlich besser ist es direkt nach dem Härten.So, die Tage gibt es den Rest zum Härten und Infos zum Normalisieren, Weichglühen und Anlassen.​
Gruß Jannis
 
Weiter gehts:Zwei Sachen gibt es noch, die beim Härten zu beachten sind. Das erste bezieht sich auf den Umwandlungspunkt Ac1. Dieser liegt normalerweise bei 723 Grad. Dieser Wert bezieht sich allerdings auf Stähle, die langsam aufgeheizt oder abgekühlt werden. Wenn dieses Aufheizen oder Abkühlen schnell passiert, so verschiebt sich der Umwandlungspunkt. Beim Aufheizen verschiebt er sich nach oben, beim Abkühlen nach unten. Für das Aufheizen von Kohlenstoffstählen kann man dieses Phänomen vernachlässigen. Wenn ich einen Stahl z.B. in einem Induktionsofen sehr schnell auf Härtetemperatur bringe, kann es sein, dass das Gefüge trotz Erreichen der Härtetemperatur noch nicht ist Austenitische umgeklappt ist, weil sich der Umwandlungspunkt nach oben verschonen hat. Bei dem Erhitzen im Schmiedefeuer oder in konventionellen Härteofen hat man das aber eigentlich nicht zu befürchten, da die Aufheizung in der Regel nicht ganz so schnell abläuft.​
Beim Abschrecken verschiebt sich der Umwandlungspunkt, bei dem das austenitische Gefüge ins perlitische Gefüge umklappt, nach unten. Das kann je nach Stahl und Abschreckgeschwindigkeit sogar bis auf Temperaturen um die 400 Grad runtergehen. Also deutlich unter den eigentlichen 723 Grad. Der Punkt, bei dem das Gefüge umklappt entscheidet aber darüber, ob der Stahl vollständig gehärtet wird oder nicht. Um den Kohlenstoff im Gefüge einzufangen, muss dieser Punkt in ausreichender Geschwindigkeit durchlaufen werden. Dieser Punkt wird übrigens auch als die „Perlitnadel“ bezeichnet. Das bedeutet, dass die Klinge, sobald sie ins Öl gehalten wird, vollständig bis auf eine Temperatur von ca. 200 Grad (besser bis auf Öltemperatur) abgekühlt werden muss. Ein kurzes Eintauchen bis die Glühfarbe verschwunden ist, reicht also nicht zum Härten. Außerdem ist es wichtig, die Klinge beim Abschrecken vorsichtig im Öl zu schwenken. Denn wenn man die Klinge einfach nur ruhig im Öl hält, bildet sich um die Klinge eine sehr stark erhitzte „Ölschicht“, die die Klinge isoliert und langsamer abkühlen lässt. Das kann die Abkühlung so sehr verlangsamen, dass keine vollständige Härtung stattfindet.​
Die zweite Sache ist folgendes. Man muss bedenken, dass sich eine Messerklinge im Öl nie gleichmäßig abkühlt. Die dünne Schneide und Spitze kühlt in der Regel wesentlich schneller ab als der Rücken. Dadurch bildet sich auch das Martensit in der Klinge unregelmäßig. Dass kann zusätzlich zu Verzug führen. Um dem vorzubeugen empfiehlt es sich, die Klinge waagerecht mit dem Rücken zuerst ins Öl zu tauchen. Trotzdem erreicht man es nicht, dass die Klinge ganz gleichmäßig abgekühlt wird und sich das Martensit gleichmäßig bildet. Das bedeutet, dass sich in der Klinge direkt nach dem Härten teilweise große Spannungen gebildet haben. Diese Spannungen beeinflussen die Mechanischen Eigenschaften des Stahls negativ und sollten daher nach dem Härten weitestgehend beseitigt werden. Das passiert unter Anderen beim Anlassen.​
 
Anlassen:​
So, jetzt gehe ich nochmal kurz auf ein paar wichtige Prozesse beim Härten ein. Wie wir festgestellt haben, entsteht die Härte eines Stahls dann, wenn ein Stahl aus einer Temperatur oberhalb des Umwandlungspunktes Ac1 (723 Grad), in dem das austenitische Gefüge vorliegt, schnell abgekühlt wird. Dabei klappt das Austenit (Gamma-Eisen) wieder ins Alpha-Eisen um und klemmt den Kohlenstoff quasi ein, wodurch sich das Gefüge verzerrt und eine neue Gefügeart entsteht. Diese neue Gefügeart nennt man Martensit. Nun ist es allerdings so, dass sich bei einer schnellen Abkühlung nicht dass Gesamte Austenit in Martensit umwandelt. Es bleiben im gehärteten Stahl nämlich noch Reste des austenitischen Gefüges vorhanden. Das sog. Restaustenit. Restaustenit macht den Stahl allerdings spröde und gibt ihm allgemein schlechte mechanische Eigenschaften und muss daher nach dem Härten beseitigt werden. Dazu gleich mehr. Am wenigsten Restaustenit bleibt im Stahl übrig, wenn der Stahl aus der Härtetemperatur möglichst tief abgekühlt wird. Also, wenn wir einen Stahl aus der Härtetemperatur im Abschreckmedium direkt bis auf Raumtemperatur abkühlen bleibt weniger Restaustenit übrig, als wenn wir den Stahl bei höheren Temperaturen aus dem Abschreckmedium nehmen (man kann den Stahl auch nach dem Abschrecken auf Temperaturen unter -70 Grad tiefkühlen, wodurch noch weniger Restaustenit übrig bleibt). Jetzt könnte man meinen, dass es besser wäre, den Stahl immer im Abschreckmedium bis auf Raumtemperatur abzukühlen. Das ist allerdings nicht unbedingt so, denn dadurch wird das Risiko des Verzugs größer und man beraubt sich der Möglichkeit die Klinge noch zu richten. Denn wenn die Klinge vollständig im Abschreckmedium bis auf Raumtemperatur abgekühlt wird, hat sich beim Herausnehmen bereits so viel Martensit gebildet, dass man die Klinge nicht mehr ohne großes Bruchrisiko richten kann.​
Es gibt nun zwei Möglichkeiten, den Restaustenit zu beseitigen. Die erste wurde gerade schon kurz angesprochen. Wenn man den Stahl nach dem Abschrecken tiefkühlt (unter -70 Grad), reduziert sich der Restaustenit drastisch. Der Restaustenit wandelt sich bei diesem Prozess in Martensit um. Dieses „Tiefkühlmartensit“ hat allerdings schlechtere mechanische Eigenschaften als das „Härtemartensit“. Daher ist eine ausschließliche Tiefkühlbehandlung nach dem Härten auch nicht ideal. Die zweite Möglichkeit ist das erhitzen auf höhere Temperaturen die allerdings noch unter dem Umwandlungspunkt Ac1 (723 Grad) liegen. Dabei gibt es nun zwei Effekte. Einerseits beginnt der Restaustenit sich mit steigenden Temperaturen aufzulösen und sich in Ferrit und Zementit umzuwandeln. Andererseits beginnt auch das Martensit sich in Ferrit und Zementit umzuwandeln. Das geht natürlich mit einem Härteverlust einher. Gleichzeitig gewinnt der Stahl aber auch enorm an Zähigkeit. Das bedeutet, dass man durch ein erneutes Erhitzen des Stahls nach dem Härten, dessen Härte und Zähigkeit gezielt einstellen kann. Je höher man dabei mit der Temperatur geht, um so weicher und zäher wird der Stahl. Dieses erneute Erhitzen nach dem Härten nennt man Anlassen. Allerdings hängt diese Umwandlung nicht bloß von der Temperatur sondern auch von der Zeit ab. Denn der Umwandlungsprozess ist nicht schlagartig beim Erreichen einer Temperatur abgeschlossen sondern schreitet weiter voran. Als Beispiel: Wir gehen von zwei identischen Stücken Stahl aus, die aus dem gleichen Stahl bestehen und beide direkt nach dem identischen Härten eine Härte von 65hrc haben. Der eine Stahl kann im Anschluss an das Anlassen bei einer Anlasstemperatur von z.B. 180 Grad und zwei Stunden Haltezeit eine geringere Härte aufweisen, als das zweite Stück, welches nur eine halbe Stunde bei 220 Grad angelassen wurde. Prinzip verstanden? Im Grunde kann man also nach dem Härten durch das Anlassen eine fast beliebige Härte und Zähigkeit einstellen und die Klingen somit an die jeweiligen Anforderungen anpassen. Hohe Anlasstemperaturen für Klingen die sehr stark belastet werden, niedrigere Anlasstemperaturen für Klingen die weniger starke mechanische Belastungen aushalten müssen aber dafür maximale Härte und Schnitthaltigkeit haben sollen. Das ist allerdings nur bedingt richtig, denn es gibt einige Temperaturbereiche, die man beim Anlassen vermeiden muss. Als erstes ist zu beachten, dass Anlasstemperaturen unter 160 Grad wenig sinnvoll sind, da sich ausreichende Mengen Restaustenit bei Temperaturen unter 160 Grad nur nach sehr langen Anlasszeiten auflösen würden. Außerdem ist der Temperaturbereich von 220-360 Grad zu meiden. Dies ist der Bereich der sog. „Blausprödigkeit“, in dem versch. Ausscheidungsprozesse dazu führen, dass der Stahl sowohl an Härte als auch an Zähigkeit verliert. Der Zähigkeitsverlust ist so gravierend, das der Stahl bei ca. 250 Grad wieder genau so spröde sein kann wie direkt nach dem Härten. Gleichzeitig hat ein Stahl bei diesen Temperaturen aber schon ordentlich an Härte verloren. Stähle mit höherem Siliziumgehalt sind allerdings nicht anfällig für die Blausprödigkeit. Der nächste problematische Temperaturbereich liegt zwischen 450 und 530 Grad. Da liegt man im Bereich der sog. Anlassversprödung, in dem erneut gewisse Ausscheidungsprozesse zu einem erheblichen Zähigkeitsverlust führen. Besonders anfällig dafür sind stark manganhaltige Stähle. Durch Zulegieren von Molybdän kann diese Versprödung allerdings verhindert werden. Diese Versprödung wird noch verstärkt, wenn man die Stähle aus der Anlasstemperatur langsam abkühlen lässt. Man kann die Anlassversprödung also reduzieren, indem man die Stähle direkt aus der Anlasstemperatur schnell abschreckt. Bei hohen Temperaturen zwischen 450 und 530 Grad ist das jedoch nicht unproblematisch, da sich durch das schroffe Abschrecken erneut starke Spannungen im Stahl bilden können. Es ist übrigens prinzipiell ratsam, die Stähle aus der Anlasstemperatur schnell abzukühlen. Bei Anlasstemperaturen bis ca. 400 Grad kann man das auch noch relativ sicher in Wasser machen. Die Temperaturbereiche in denen Klingen also ohne negative Nebeneffekte angelassen werden können liegen zwischen 160 und 220 Grad und zwischen360 und 450 Grad.​
 
So, nun zur praktischen Durchführung des Anlassen:​
Man kann die Anlasstemperatur zwar auch einigermaßen durch die Anlassfarbe einstellen (das ist besonders beim historischen Schmieden interessant), es bedarf aber einiges an Erfahrung, das gleichmäßig und effektiv durchzuführen. Daher empfehle ich das Anlassen im Backofen. Dabei hat man sichere und reproduzierbare Ergebnisse​
Also, der Stahl wird direkt nach dem Härten (sobald der Stahl auf Raumtemperatur ist) für eine Stunde in einen vorgeheizten Backofen mit einer Temperatur zwischen 160 und 220 Grad gelegt. Ich empfehle jedoch eine Temperatur zwischen 180 und 200 Grad. Da ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Nach einer Stunde wird der Rohling im handwarmen Wasser abgeschreckt und dann erneut für eine Stunde in den Backofen gelegt. Anschließend wieder in Wasser abschrecken und fertig ist das Anlassen. Nun ist es wichtig, dass man das Messer nach dem anlassen nicht mehr erhitzt. Vor allem darf man die Klingen nicht mehr aus ungekühlten und schnelldrehenden Schleifmaschinen bearbeiten. Dass kann zu einem enormen Härteverlust der Oberfläche und Schneide und zu üblen Spannungen führen. Also, die Klinge entweder von Hand mit Schmirgelpapier oder Natursteinen Schleifen oder es an einer wassergekühlten Schleifmaschine (z.B. Tormek) machen…​
Wenn man bei Temperaturen zwischen 360 und 450 Grad anlassen will, ist man entweder auf einen richtigen Anlassofen oder auf das „Anlassen nach Anlassfarbe“ angewiesen. Wenn einer von euch einen Backofen hat, der diese Temperaturen erreicht, bitte bei mir melden;-)​
Bald mehr zum Normalisieren und Weichglühen…​
 

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