Kommt man, wie ich, in Perugia mit dem Zug an, dann sieht man erstmal nicht viel von einer historischen Stadt. Auf der Fahrt erhascht man vielleicht einen recht kurzen Blick auf einen Berg aus Häusern, aber sobald man den Bahnhof verlässt, dann steht man erstmal in einer normalen hässlichen italienischen Stadt. Der McDonalds ist nur fünfzig Meter weiter auf der anderen Straßenseite im Untergeschoss eines 80er Jahre Großbaus. Will man in die Altstadt hat man drei Möglichkeiten: Man kann sich von mitleidig guckenden Italienern den Weg beschreiben lassen. Ich rate dringend davon ab diese Möglichkeit zu nehmen, denn die Rolltreppen fangen erst im oberen Drittel an und Perugia ist nicht etwa ein Berg aus Häusern, sondern Häuser auf (und um, und in) einem Berg, der Höhenunterschied zwischen Bahnhof und mittelalterlichem Hauptplatz soll angeblich über 150 Meter betragen.. Man kann sich am Kiosk oder dem Bahnhofscafé ein Biglietto für die Busse kaufen (Fahrkarten gelten nicht nach Fahrtstrecke/-linie, sondern auf Zeit. Meist eine halbe oder dreiviertel Stunde nach dem abstempeln im Bus) und in eine passende Linie steigen. Sollte man wie ich bei meinem ersten Besuch übermüdet und dehydriert sein - oder einfach einen empfindlichen Magen haben, dann wird einem nach dieser halsbrecherischen Fahrt durch italienischen Verkehr, Serpentinenstraßen und viel zu enge vollgeparkte Altstadtgassen ordentlich schlecht sein. Oder man nutzt die MiniMetro. Das ist die erste Sehenswürdigkeit, wenn sie auch garnicht mittelalterlich ist. Eine Kabinenseilbahn, bei der das Zugseil zwischen Schienen läuft, die im Tal auf Betonpfeilern wie eine Hochbahn verlaufen und dann in einem Tunnel direkt in den Stadtberg hineinführen. Man muss diese Konstruktion nicht lieben (wahrscheinlich besonders dann nicht, wenn es die eigenen Steuergelder waren, die dafür drauf gingen), aber sie unbestreitbar innovativ und bisher in ihrer alltäglichen Nutzung einzigartig. Die Fahrt ist ihre 1,50€ zumindest einmal wert. [media]http://www.youtube.com/watch?v=zA8jP_Vic_g&feature=player_detailpage[/media] Die eigentliche Altstadt von Perugia, das centro storico erstreckt sich auf der länglichen mittleren Kuppe, während sich an den Ausläufern des Hügels/Bergs die mittelalterlichen Vorstädte oder borghi anschließen. (Eine gute Karte gibt es
hier .) Die Minimetro bringt einen direkt an die Flanke der Breitseite und man erreicht schnell das innere Zentrum, dass im wesentlichen aus dem Domplatz (Piazza del IV. Novembre), dem Platz auf der alten Papstfeste (Piazza italia) und der breiten Prachtstraße Corso Vannucci zwischen beiden besteht. Hier stehen die großen spätmittelalterlichen Palazzos, der eher uninteressante Dom, und der unscheinbare Tordurchgang hinter dem ein Gang zu einer etruskischen Zisterne führt. Corso Vannucci bei Februarregen und an einem Septembertag jeweils in die andere Richtung fotografiert:
Was man als Mittelalterfreudn anschauen sollte (und was auch nichts kostet) erkennt ihr schon auf dem zweiten Bild rechts. Der Palazzo dei Priori, eine Mischung aus Patrizierpalast und Rathaus kann mit reichlich Skulptur aus dem 13./14. Jh. aufwarten, der Zeit als Perugia eine mächtige und unabhängige Kommune war. Natürlich findet sich das Wappentier der Stadt, der Greif besonder präsentiert: Was auf dem ersten Bild so grünlich über dem Tor an der Schmalseite schwebt sind die Kopien, auf dem rechten Bild die Originale. Löwe und Greif jeweils fast drei Meter lang.
Aber auch der Torbogen an der Breitseite hat seine Figuren:
Wer die Treppe hoch zum Tor an der Schmalseite geht, kann dort einen Blick in den spätmittelalterlich ausgemalten Ratssaal werfen.
Und auf dem Domplatz direkt vor dieser Treppe (an deren oberen Ende übrigens eine nette "Kanzel" für das Reden zum Volk ist) steht dann noch so ein Brunnen genannt
Fontana maggiore ...
Auf den Platten des unteren Beckens befindet sich ein Bildzyklus von 1278, der auf 50 Platten die Monate, Geschehnisse aus dem Alten Testament, die "praktischen" und die sieben freien Künste abbildet. Und das obere Becken hat reichlich Eckfiguren aus derselben Zeit. Obendrauf steht im Bronzebecken dann noch die Allegorie der Stadt selbst.
Im Palazzo dei Priori befindet sich auch die Nationalgallerie von Umbrien mit haufenweise Kunst. Eingang ist das reichlich verzierte Tor an der Breitseite. Es herrscht Fotoverbot und ein hervorragendes Sicherheitssystem, aber wer unter der Woche da ist kann mit einer Stunde Zeit und zumindest gebrochenem Italienisch in den obersten Stock in die Museumsverwaltung gehen, dort eine Erklärung beantragen sowie unterschreiben, dass er nur zu privaten oder wissenschaftlichen Zwecken fotografiert (und nicht veröffentlicht), und schon kann's losgehen. Leider hatte ich kein Stativ dabei, weshalb ich kein einziges unverschwommenes Foto habe. Aber die Galleria nazionale hat von 1250 bis in die Renaissance reichlich Malerei. Zeittypisch halt leider fast nur von Heiligen. Ein Raum umfasst wunderbare Elfenbeinschnitzereien und Goldschmiedearbeiten - aber auch noch weniger Licht. Im nächsten Teil geht es dann in die unterirdische Stadt, das archäologische Museum und auf den Aussichtspunkt.