Experimentelle Archäologie

This site may earn a commission from merchant affiliate links, including eBay, Amazon, and others.

Úlfar

Well-known member
Registriert
16. Feb. 2010
Beiträge
158
Reaktionspunkte
0
Ort
88255 Baienfurt
Hallöle Da das Thema hier ja immer mal wieder am Rande auftaucht und scheinbar nicht alle wissen, wobei es sich bei der experimentellen Archäologie handelt, poste ich hier einfach mal einen Text über das Thema. Ich gebe dabei zu bedenken, dass ich das zu Beginn meines Studiums verfasst habe, habe aber grade keine Lust, den ganzen Text nochmal zu überarbeiten, ich hoffe es geht auch so;) Als Grundlage diente übrigens folgender Text: [font='Arial, sans-serif']Richter, P. 2005: Experimentelle Archäologie: Ziele, Methoden, Aussagemöglichkeiten. In: Von der Altsteinzeit über „Ötzi“ bis zum Mittelalter. Ausgewählte Beiträge zur Experimentellen Archäologie in Europa von 1990-2003. Experimentelle Archäologie in Europa Sonderband 1. Oldenburg 2005, 95-128.[/font] [font='Arial, sans-serif']Definition „Experiment“[/font]
  1. „Experiment [size][/font][/size][/font]
[font='Times New Roman, serif'][font='Arial, sans-serif']Diese allgemeinen Defintionsversuche bestehen im Wesentlichen aus 2 Teilen. Erstens wird bei einem Experiment von Seiten des Experimentators eingegriffen und lässt sich somit von der passiven Beobachtung abgrenzen. Zweitens ist das Ziel die Erkenntnisgewinnung.[/font][/font] [font='Arial, sans-serif']Für die experimentelle Archäologie ist sicher die 2. Definition sinnvoller, jedoch sollte der Begriff künstlich nicht so verstanden werden, dass kontrollierte Beobachtungsbedingungen vorliegen. Daher sollte man vielleicht eher von einer „künstlichen Herbeiführung und/oder Abwandlung (möglichst) kontrollierter Beobachtungsbedingungen“ sprechen.[/font] Zielsetzung [font='Arial, sans-serif']Zur allgemeinen Zielsetzung der experimentellen Archäologie lässt sich nur sagen, dass sie zur Erkenntnissgewinnung beitragen soll. Neben der Erkenntnissgewinnung erfüllt die experimentelle Archäologie auch noch rein didaktische Funktionen, so dient das Experiment oder sinnvollerweise eher als Demonstration bezeichnet, oftmals dazu, einem breiten Publikum Forschungsinteressen und Ergebnisse zugänglich zu machen. Auch wenn dies innerhalb der Archäologie von großer Bedeutung ist, bleibt dieser Aspekt hier unbeachtet, da die Verbindung beider Ziele, sprich die Klärung einer wissenschaftliche Fragestellung im Beisein der Öffentlichkeit sehr problematisch ist und dem Experimentator in den seltensten Fällen gelingt, da der Experimentator sowohl den Ansprüchen einer wissenschaftlichen Experimentdurchführung genügen muss, als auch auf die Bedürfnisse des Publikums eingehen muss. Da dies im Regelfall scheitert, wäre eine strikte Trennung sicherlich für beide Bereiche vorteilhaft.[/font] Grundlagen der experimentellen Archäologie [font='Arial, sans-serif']Erstmal sind die Experimente in drei Hauptgruppen einzuteilen:[/font]
  1. [font='Arial, sans-serif']Grundlagen erforschende Experimente[/font]
  2. [font='Arial, sans-serif']Experimente zur Rekonstruktion vergangener Prozesse und/oder Aktivitäten[/font]
  3. [font='Arial, sans-serif']Relevanztests von Methoden und Techniken[/font]
[font='Arial, sans-serif']Grundlagen erforschende Experimente:[/font] [font='Times New Roman, serif'][font='Arial, sans-serif']Experimente dieser Kategorie befassen sich mit den physikalischen und/oder chemischen Eigenschaften von Materialien, die in der Prähistorie bzw. Historie von Bedeutung waren und in der heutigen Gesellschaft kaum oder nur wenig genutzt werden. Als Beispiele wären hier z.B. die Bruchmechanik von Flint oder Obsidian oder relevanten Materialeigenschaften von Knochen, Horn, Geweih oder verschiedener Metalllegierungen zu nennen.[/font][/font] [font='Arial, sans-serif']Experimente zur Rekonstruktion vergangener Prozesse und/oder Aktivitäten[/font] [font='Arial, sans-serif']Innerhalb dieser Kategorie sollen vier Gruppen unterschieden werden:[/font]
  1. [font='Arial, sans-serif']Experimente zur Rekonstruktion natürlicher Einflussfaktoren bei der Entstehung archäologischer Quellen[/font]
  2. [font='Arial, sans-serif']Experimente zur Rekonstruktion anthropogener Einflussfaktoren bei der Entstehung archäologischer Quellen[/font]
  3. [font='Arial, sans-serif']Experimente zur Rekonstruktion menschlichen Verhaltens[/font]
  4. [font='Arial, sans-serif']Experimente zur Rekonstruktion von Kulturentwicklungen[/font]
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Experimente zur Rekonstruktion natürlicher Einflussfaktoren bei der Entstehung archäologischer Quellen Bei Experimenten dieser Gruppe versucht man, die Auswirkung der am Entstehungsprozess archäologischer Quellen beteiligten Naturphänomene zu untersuchen. Potentielle Einflussfaktoren sind z.B. Wasser, Eis, Frost, Wind und die Bodenchemie. Experimente zur Rekonstruktion anthropogener Einflussfaktoren bei der Entstehung archäologischer Quellen [font='Arial, sans-serif']Experimente dieser Gruppe versuchen, den ehemaligen Gebrauch insbesondere von Artefakten zu rekonstruieren.[/font] [font='Arial, sans-serif']Experimente zur Rekonstruktion menschlichen Verhaltens[/font] [font='Arial, sans-serif']Experimente dieser Gruppe orientieren sich nicht wie die meisten anderen an den archäologischen Quellen. Allerdings sind Experimente zum menschlichen Verhalten innerhalb der experimentellen Archäologie sicher nur dann sinnvoll, wenn dies in Bereichen geschieht, in denen sich das beobachtete Verhalten im materiellen Gut niederschlagen könnte.[/font] [font='Arial, sans-serif']Experimente zur Rekonstruktion von Kulturentwicklungen[/font] [font='Arial, sans-serif']Hier wird versucht, Entwicklungsabläufe innerhalb einer bestimmten Region und Zeit zu rekonstruieren, was meist über den Weg der Computersimulation abläuft.[/font] [font='Arial, sans-serif']Relevanztests von Methoden und Techniken[/font] Die Brauchbarkeit oder Relevanz von Methoden und Techniken, die in der archäologischen Forschung angewandt werden, wird hier getestet. So z.B. wurde getestet, ob es sich lohnt, das Erdreich einer ausgegrabenen Fläche nachträglich noch zu sieben oder ob das Material beim Ausgraben hinreichend erfasst wird. [font='Arial, sans-serif']Herstellung von Ausstellungsstücken[/font] [font='Times New Roman, serif'][font='Arial, sans-serif']Diese „Experimentgruppe“ hat nichts mit experimenteller Archäologie zu tun. Trotzdem wird der Begriff der experimentellen Archäologie oftmals auch für diese Tätigkeit benutzt. Gerade in der „Reenactmentszene“ wird dieser Begriff häufig verwendet, da hier oftmals Artefakte rekonstruiert werden. Da dies allerdings nie unter dem Gesichtspunkt einer Fragestellung geschieht, kann man hier nicht von experimenteller Archäologie sprechen, Auch sollte man sich im Klaren sein, dass bei der experimentellen Archäologie nicht die Rekonstruktion eines Objektes, sondern die Rekonstruktion des Herstellungsprozesses das Ziel ist.[/font][/font]
 
Formale Struktur von Fragestellungen und ihr Verhältnis zu Hypothesen [font='Times New Roman, serif'][font='Arial, sans-serif']Erwerb von Wissen hängt von der Kunst der Fragestellung ab – id est die Kunst, die richtigen Fragen zu stellen, um die erforderlichen Informationen zu gewinnen -, somit auch davon, dass die Fragen so weit analysiert und gegliedert werden, bis sie einer Bearbeitung und Beantwortung zugänglich sind“ (Frerichs 1981, 12)[/font][/font] [font='Arial, sans-serif']Was bedeutet dieser Satz nun für die experimentelle Archäologie, wie müssen Fragen nun formuliert werden, um für eine experimentelle Bearbeitung und Beantwortung geeignet zu sein?[/font] [font='Arial, sans-serif']Hier werden nun 2 Gruppen von Fragesätzen unterschieden: 1. Die Entscheidungsfragen oder Ob-Fragen.[/font] [font='Arial, sans-serif']Sie sind dadurch charakterisiert, dass man sie sinnvoll mit „ja“ oder „nein“ beantwortet[/font] [font='Arial, sans-serif']Beispiel: „ Ist dieses Gefäß (dieser Gefäßtyp) zum Kochen brauchbar?“ „Ja.“ 2. Die Ergänzungsfragen oder W-Fragen (wo, wann, wer, warum etc.).[/font] [font='Arial, sans-serif']Sie sind dadurch charakterisiert, dass man sie sinnvoll mit einer ergänzenden Information beantwortet.[/font] [font='Arial, sans-serif']Beispiel: „Wozu ist dieses Gefäß (dieser Gefäßtyp) brauchbar?“ „Zum Kochen.“[/font] [font='Arial, sans-serif']Es ist ohne weiteres möglich, die Entscheidungsfrage zu einer Hypothese umzuformen, in diesem Beispiel entsprechend: „Dieses Gefäß ist zum Kochen brauchbar.“[/font] [font='Times New Roman, serif'][font='Arial, sans-serif']Die Ergänzungsfrage hingegen enthält keine Hypothese. Hier hilft sich der Experimentator, indem er die Frage durch eine möglichst große Anzahl an Hypothesen ergänzt, z.B. „zum Kochen“, „zum Aufbewahren von Lebensmitteln“ etc.[/font][/font] [font='Arial, sans-serif']Doch trotz der Beantwortung aller Hypothesen, kann nicht die Ergänzungsfrage selbst beantwortet werden. Das liegt daran, dass es nicht möglich ist, alle Hypothesen der Funktionalität des Gefäßes betreffend aufzustellen.[/font] [font='Arial, sans-serif']Auf die experimentelle Überprüfung der Entscheidungsfragen wird an anderer Stelle noch weiter eingegangen.[/font] Zur Planung und Durchführung archäologischer Experimente [font='Arial, sans-serif']Problem des Wissenschaftlichkeitsanspruches[/font] Die experimentelle Archäologie sieht sich immer wieder mit dem Problem konfrontiert, dass ihre Wissenschaftlichkeit in Frage gestellt wird. Dies liegt vor allem darin begründet, dass im Rahmen der Experimentpublikationen unzureichende Informationen vorgelegt werden. [font='Arial, sans-serif']Man muss ich darüber im Klaren sein, dass es nicht ausreicht, lediglich die Ergebnisse vorzulegen, da solche Experimente weder nachvollziehbar noch überprüfbar sind. Auch können so gewonnene Ergebnisse nicht als Grundlage für weiterführende Experimente herangezogen werden. Dadurch kann es sein, dass ein und dasselbe Experiment von mehreren Experimentatoren immer wieder durchgeführt werden muss. Somit sollte deutlich sein, dass lückenhaft vorgelegte Experimente keinen wesentlichen Beitrag im Erkenntnisprozess liefern können, da es nicht möglich ist, auf diesen Ergebnissen aufbauend, weitergehende Fragestellungen zu bearbeiten.[/font] [font='Arial, sans-serif']Hier sollte man bei der Veröffentlichung experimenteller Daten vielleicht gleiche Maßstäbe wie z.B. bei Befunddokumentationen einführen, da eben die aus Experimenten gewonnenen Informationen gleichermaßen zur Beantwortung archäologischer Fragestellungen bzw. Überprüfung von Hypothesen dienen wie archäologische Funde bzw. Befunde.[/font] [font='Arial, sans-serif']Hypothesenbildung[/font] [font='Times New Roman, serif'][font='Arial, sans-serif']Wenn bisher versucht wurde, die wissenschaftlichen Grundlagen der experimentellen Archäologie so explizit zu formulieren und zu systematisieren, so muss hier dann doch gesagt werden, dass diesem Vorhaben Grenzen gesetzt sind.[/font][/font] [font='Times New Roman, serif'][font='Arial, sans-serif']Denn eine nicht zu unterschätzende Bedeutung im Bezug auf die experimentelle Archäologie und Archäologie im Allgemeinen kommt der Intuition zu, vor allem dann, wenn es darum geht, diskussionswürdige Hypothesen aufzustellen.[/font][/font] [font='Times New Roman, serif'][font='Arial, sans-serif']Da ohne Ideen und Phantasie Fortschritte innerhalb der wissenschaftlichen Disziplinen undenkbar wären, ist die Intuition zur Hypothesenbildung sicher ein legitimes Mittel[/font][/font]
 
[font='Times New Roman, serif'][font='Arial, sans-serif']Dann ist es auch sinnvoll, zwischen Hypothesen bildenden und Hypothesen testenden Experimenten zu unterscheiden. Erstgenannte Gruppe dient dazu, aus einem Spektrum möglicher Hypothesen eine Vorauswahl zu treffen, während die 2. Gruppe dann eben diese Hypothesen überprüft.[/font][/font] [font='Times New Roman, serif'][font='Arial, sans-serif']Natürlich können bei Hypothesen bildenden Experimenten nicht die gleichen hohen Maßstäbe wie bei Hypothesen testenden Experimenten angesetzt werden, jedoch sind sie dadurch sicher keineswegs weniger bedeutsam.[/font][/font] Hypothesentest [font='Arial, sans-serif'] Die statische Durchführungsform[/font] [font='Arial, sans-serif']In diesem Teil soll nun die Festlegung des experimentellen Rahmens näher betrachtet werden.[/font] [font='Arial, sans-serif']Dieser Schritt gehört zu den schwierigsten, aber auch wichtigsten Schritten bei der Planung und Durchführung eines archäologischen Experiments.[/font] [font='Arial, sans-serif']Das Ziel archäologischer Untersuchungen liegt in der Erfassung möglichst vieler potentiell relevanter Hypothesen und deren Eingrenzung. Daher wird der Experimentator zunächst prüfen, ob die Hypothesen in der jeweils vorliegenden Form überhaupt testbar sind. Falls nicht, muss er weitere Hypothesen, auf einem niedrigeren Abstraktionsniveau finden.[/font] [font='Arial, sans-serif']Um auf das weiter Oben genannte Beispiel zurückzukommen, stellt sich nun z.B. die Frage, ob die Hypothese „dieses Gefäß ist zum Kochen geeignet“ in der Form testen lässt.[/font] [font='Times New Roman, serif'][font='Arial, sans-serif']Dies ist allerdings so nicht weiter möglich, da verschiedene Faktoren nicht weiter präzisiert wurden, z.B. müssten die zu kochenden Substanzen festgelegt werden. Wenn nun z.B. als Flüssigkeit Wasser gewählt wird und das ganze direkt über dem Feuer zum kochen gebracht wird, bringt uns das nicht weiter, da das Ziel nicht sein sollte, zu demonstrieren, dass irgendetwas funktioniert, sondern das Spektrum möglicher Funktionen einzugrenzen.[/font][/font] [font='Arial, sans-serif']Somit ist es folglich nötig, Hypothesen auf einem niedrigeren Abstraktionsniveau zu formulieren.[/font] A: Für alle statischen Experimente gilt, dass ihr Versuchsaufbau von Anfang an feststeht. Charakteristisch für Versuche der Durchführungsform A ist, dass die Ergebnisse ohne Vergleichsgrundlage bleiben, d.h., dass das Untersuchungsobjekt keine messbaren Merkmale aufweist. Ein Beispiel wäre z.B. ein Experiment, bei dem der Herstellungsprozess südafrikanischer Felsmalereien rekonstruiert werden sollte, das genaue Interesse lag hierbei bei dem verwendeten Bindemittel B: Diese Durchführungsform ist in verschiedener Hinsicht mit der Form A vergleichbar, nur besitzen die Untersuchungsobjekte hier Merkmale, an denen die experimentellen Ergebnisse gemessen werden können. C: Diese Durchführungsform lässt sich mit den vorherigen Vorgehensweisen nur insofern zu vergleich, als dass auch hier zu Beginn der Versuchsaufbau präzise festgelegt wird. Hier werden vor allem Daten aus Experimenten miteinander verglichen um so die Relevanz archäologischer Techniken und Methoden zu überprüfen. Hierbei werden einfach zwei Datengruppen gegenübergestellt und dann verglichen. Die dynamische Durchführungsform Für alle dynamischen ist vor allem charakteristisch, dass sie ein ganz bestimmtes Ziel verfolgen (z.B. die Reproduktion eines bestimmten Befundes) ohne dabei den Anspruch zu haben, sämtliche Möglichkeiten die zu dem Ergebnis führen können herauszufinden. Die Rahmenbedingungen werden während des Experiments laufend verändert und angepasst, bis das gewünschte Ziel erreicht ist. Weitere Wege können dann möglicherweise in einem zweiten dynamischen Durchlauf überprüft werden. Der Versuchsaufbau ist hier nicht vorab festgelegt, wie dies bei der statischen Durchführungsform der Fall ist. Auch muss die Festlegung des experimentellen Rahmens immer wieder neu erfolgen. Welche Faktoren dabei verändert werden, hängt zumeist von den vorher gemachten Beobachtungen ab. Beispiel: Bei Ausgrabungsarbeiten sind in der Sahara Schlacken gefunden worden, deren genauer Ursprung ermittelt werden sollte. Da in der Gegend Eisenfunde bekannt waren, wurden zunächst Verhüttungsversuche mit Eisenschlacken unternommen, diese blieben jedoch ohne Erfolg. Danach wurde die Hypothese aufgestellt, dass es sich bei den Schlacken um Reste der Salzgewinnung handle. Daraufhin wurden Salzkrusten verbrannt und das Ergebnis mit den Grabungsbefunden verglichen. Nachdem der Experimentaufbau mehrfach modifiziert wurde, erhielt man ein Ergebnis, welches eine hohe Übereinstimmung des experimentellen Ergebnisses mit dem archäologischen Befund aufzeigte.
 
Das primäre Ziel der statischen Experimente ist die schrittweise Eingrenzung möglicher Hypothesen, wobei alle potentiell relevanten Hypothesen formuliert, differenziert und getestet. Hierbei ist vor allem der starre Versuchsaufbau das wichtigste Kriterium. Das Hauptanliegen der dynamischen Experimente hingegen liegt im Erreichen eines ganz bestimmten Zieles, bei dem es vor allem erstmal wichtig ist, einen Weg zum Ziel zu finden. Erst wenn dies gelungen ist, werden möglicherweise weiter Möglichkeiten getestet. Bei beiden Durchführungsformen handelt es sich natürlich um idealisierte Formen, d.h., dass es natürlich auch Experimente gibt, die zwischen beiden Formen wechseln können. Doch welche Durchführungsform bietet sich nun für welche Experimentgruppen an? Für die „Grundlagen erforschenden Experimente“ sowie die „Relevanztests von Methoden und Techniken“ wird der statische Versuchsaufbau genutzt, bei den „rekonstruierenden Experimenten“ ist hingegen prinzipiell beides möglich, allerdings ist die dynamische Form auch hier nur in bestimmten Fällen sinnvoll. Auf die dynamische Vorgehensweise hingegen begrenzt sind die Simulationen von Entwicklungsabläufen. Hier zur Verdeutlichung nun nochmal eine Zusammenfassung der Vor- und Nachteile: Die statischen Experimente eignen sich vor allem dann, wenn wir einen begrenzten Untersuchungsgegenstand haben, d.h. eine geringe Anzahl einzubeziehender Variablen und gute Isolierbarkeit derselben, bei komplexen Untersuchungsgegenständen, d.h. eine große Anzahl einzubeziehender Faktoren bei schlechter Isolierbarkeit, eignet sich der dynamische Versuchsaufbau besser. Der Vorteil statischer Experimente ist ganz klar, dass man ein möglichst großes Gesamtspektrum an Hypothesen hat und diese schrittweise eingrenzt. Sie ist in der Regel nur bei einfachen Objekten anwendbar. Die dynamische Form hingegen bietet sich vor allem bei komplexeren Untersuchungsobjekten an – vor allem Befunde. Auch wenn hier längst nicht alle Wege zum Ergebnis ermittelt werden können, ist ihre Bedeutung doch nicht zu unterschätzen, da ihre Aussagekraft doch recht hoch ist, da die Wahrscheinlichkeit einen komplexen Befund, an dessen Entstehung eine Vielzahl an Faktoren beteiligt war, zu reproduzieren doch sehr gering ist. Trotzdem sollte auch hier versucht werden, eventuell vorhandene alternative Wege zum Ziel zu suchen und zu testen. Natürlich ist auch mit dem dynamischen Aufbau die Bearbeitung einfacherer Untersuchungsgegenstände möglich, jedoch wird hier der Experimentator leicht dazu verleitet, bei einem gefundenen Ergebnis das Experiment vorzeitig zu beenden.
 
Aussage-Möglichkeiten der experimentellen Archäologie
  1. Sind archäologische Experimente immer dazu bestimmt, historische Aussagen zu treffen?
  2. Von welchen Prämissen gehen Experimente aus, die historische Aussagen vornehmen?
  3. Was lässt sich allgemein zu den Aussage-Möglichkeiten der experimentellen Archäologie feststellen?
Die erste Frage lässt sich damit beantworten, dass ein Großteil der archäologischen Experimente keineswegs direkte Aussagen zur Historie liefert. Hier wären vor allem Grundlagen erforschende Experimente und Relevanztests von Methoden und Techniken zu nennen. Bezüglich der der Experimente zur Rekonstruktion vergangener Prozesse muss eine Differenzierung vorgenommen werden, denn Fragestellungen, die den Test alternativer Hypothesen erfordern liefern grundsätzlich eher eine historische Aussage als solche, die von vornherein begrenzt sind. Erbringt z.B. ein Experimentator den Nachweis, dass ein bestimmtes Ergebnis auf dem von ihm gewählten Weg erzielt werden kann, so kann er dadurch noch keine Rekonstruktion eines vergangenen Prozesses ableiten. Allerdings liefern diese Versuche indirekte Beiträge, da prinzipiell jederzeit unterschiedliche Experimente zu demselben Themenkomplex durchgeführt wurden, zusammengefasst und auf die historische Aussage-Möglichkeit hin ausgewertet werden können. Zur Beantwortung der zweiten Frage soll erstmal der Weg von einer historisch orientierten Problemstellung zu einer entsprechenden Aussage dargestellt werden. Ausgehend von einer direkt auf die Vergangenheit bezogenen Fragestellung – beispielsweise „wie ist x hergestellt worden?“ -, muss zuerst eine Aktualisierung vorgenommen werden, in diesem Beispiel würde die Frage dann „wie ist x herstellbar?“. Es wird also die historische Ebene zugunsten einer aktuellen Ebene verlassen. Dies ist nötig, da niemals getestet wird was „war“, sonder was „ist“. Nach der Aktualisierung der Fragestellung kann nun das Experiment durchgeführt werden, wobei man davon ausgeht, das heute gültige Gesetze und Regeln auch in der Vergangenheit galten. Nachdem das Experiment dann durchgeführt wurde, findet der sogenannte Analogieschluss statt, d.h., dass erneut ein Wechsel zurück auf die historische Ebene stattfindet. Die Ergebnisse werden dabei auf die historische Ebene zurückgeführt und zu einer historischen Aussage umformuliert. Zu den Aussage-Möglichkeiten lässt sich feststellen, dass sie keinerlei Beweischarakter haben, es handelt sich um reine Wahrscheinlichkeitsaussagen. Hier liegt auch die Grenze der experimentellen Archäologie, sie liefert Aussagen mit einem mehr oder weniger hohen Wahrscheinlichkeitsgrad! Dieser wiederum ist abhängig von der Anzahl der getesteten Hypothesen, mit steigernder Anzahl experimentell untersuchter Alternativhypothesen mit verschiedenen Abstraktionsniveaus nimmt auch die Aussagewahrscheinlichkeit zu. Allerdings liegt hier das Problem vor, dass die meisten Experimente eine zu komplexe Fragestellung aufweisen, um von einer einzigen Person durchgeführt zu werden, somit konzentrieren sich die Experimentatoren zumeist auf eine Untersucheng überschaubarer Probleme. Diesem Missstand könnte mit der Kooperation mehrerer Experimentatoren begegnet werden, was sich allerdings aus logistischer Hinsicht als schwierig erweist.
 
So, ich hoffe das ganze ist jetzt einigermaßen verständlich (jnd auch komplett...) und auch richtig formatiert, ging leider nicht ganz mit copy and paste. Ein Fazit spare ich mir jetzt genau so wie eine Aufzählung was nun Exp. Arch. ist und was nicht, sondern hoffe drauf, dass andere vllt ein paar Beispiele einbringen (also für beide Seiten). Vielleicht kann dieser Thread ja dadurch ein wenig zum Verständnis der Exp. Arch. beitragen und dafür sorgen, dass sich nicht mehr jeder damit rühmt, diese anzuwenden;) Mit besten Grüßen, Úlfar
 
Danke für diesen echt genialen Beitrag! Hast du vielleicht noch eine kleine Abgrenzung zur Archäotechnik (vielleicht sollten Darsteller/Reenactment eher von Archäotechnik sprechen, wenn sie Handwerk darstellen) oder gibt es in der Archäologie gar eine geläufige Definition von Archäotechnik? Das wäre klasse :)
 
Das ist ein guter Beitrag ! (Hab eben noch an Dich gedacht Ulfar ;) ) Evtl sollten wir das mit der Archäotechnik in einem neuen Beitrag klären. Und einem wiederum Neuen - wo Handwerk überhaupt anfängt,nicht jeder der irgendetwas dahin klöppelt führt automatisch ein Handwerk vor,sondern klöppelt gerade da hin,egal wie genial das Ergebnis ist,ist ein Handwerk doch etwas von der Pike auf erlerntes. Ich glaube all diese Begriffe werden viel zu schnell und zu oft benutzt,in diesem Sinne DANKE für die Erklärungen Ulfar !
 
Archäotechnik ist erstmal eine Ausbildung. Und zwar handelt es sich dabei um ein Teilgebiet der Grabungstechnik. http://www.urgeschichte.uni-tuebingen.de/index.php?id=110 Der Begriff kam mit Rudolf Gantenbrink auf, der mit seinem Roboter Upuaut die Cheopspyramide erforscht hat. Der im Hobby gebrauchte Begriff Archäotechnik ist eine künstliche Wortschöpfung, die zur Abrenzung dient und kann nur deswegen benutzt werden weil, der oben genannte Ausbildungsberuf noch nicht anerkannt ist und die Bezeichnung dadurch noch nicht geschützt. Diese Anerkennung soll aber bereits laufen... Archäotechniker kann sich also jeder nennen und es hat keinerlei Aussagekraft über Qualität und Qualifikation.
 
Eins ist gewiss Archäotechnik ist bald zu abgenutzt, wie „Authentisch“, „Reenactment“& „Cerealien“ Ja genau Cerealien, eine Erfindung sich abzusetzen von anderen Mitbewerbern.
 
Der im Hobby gebrauchte Begriff Archäotechnik ist eine künstliche Wortschöpfung, die zur Abrenzung dient und kann nur deswegen benutzt werden weil, der oben genannte Ausbildungsberuf noch nicht anerkannt ist und die Bezeichnung dadurch noch nicht geschützt. Diese Anerkennung soll aber bereits laufen... Archäotechniker kann sich also jeder nennen und es hat keinerlei Aussagekraft über Qualität und Qualifikation.
Und was soll die Eintragung bringen ? Manche nennen sich Doktor und sind keine weil sie ihre Arbeit nicht selbst gemacht haben ?. Manche Schlosser nennen sich Kunstschmiede und scheißen irgendwas Industrie gemachtes zusammen ?. Manche sind vom Volk gewählte Vertreter aber was machen unsere ?. Was eine Bezeichnung ausmacht ist der Mensch dahinter,die Bezeichnung wird nur durch seine Arbeit Klassifiziert,mich interessiert sie nicht,sondern der Mensch der dahinter steht. Habe für mich jetzt einen Ausgrabungstechniker gefunden,der nicht nur ausbuttelt sondern das gefundene auch versucht zu Reproduzieren und dabei helfe ich im noch. Gruß Maik
 
Gehts in diesem Thread nicht eigentlich um was völlig anderes? Back to topic?
 
experimentelle archlogie ist von der sache was feines wenn mans sich nicht vorstellen kann macht mans einfach nach und hinterher ist man schlauer ich denke es reicht nich nur thesen auf zustellen sondern ewas mal auzuprobieren z,b wie man baute oder handwerkliche tätigkeiten. :thumbsup:
 
Naja, in Grenzen kann die experimentelle Archäologie eben zeigen, das die Historiker und Archäologen mit ihren Thesen wohl daneben liegen. Auf der anderen Seite nicht ganz ungefährlich, wenn das Experiment von Leuten durchgeführt wird, die vom angewandten Verfahren ebenfalls keine Ahnung haben. Oder noch existierende Techniken einfach nicht kennen ! Man sehe sich nur die abenteuerlichen Konstruktionen und Essenformen der MA-Marktschmiede und versch. Reenaktoren an. Beide, Experimentator und Ausführender "Handwerker" sollten da schon "frei im Geiste" sein, d.i. ergebnisoffen.
 
Hallo, Auf der anderen Seite nicht ganz ungefährlich, wenn das Experiment von Leuten durchgeführt wird, die vom angewandten Verfahren ebenfalls keine Ahnung haben. So hatte ich das jetzt auch verstanden. Das "Experimentelle Archäologie" eben nicht bedeutet, dass man einfach mal ausprobiert wie etwas funktionieren könnte und einfach so lange herumpfuscht bis irgendwas dabei herauskommt. Oder das man gewandet an irgendwelchen Lagern teilnimmt um da dann ein Wochenende "wie im Mittelalter" zu verbringen. Genau das ist es, was doch viele als Experimentelle Archäologie bezeichnen. Ich denke, es geht dabei wirklich um einen wissenschaftlichen Ansatz. Wie eben auch in der "echten" Archäologie. Und kann demzufolge auch nur von oder unter Anleitung von entsprechend geschultem Fachpersonal durchgeführt werden. Und dazu gehört dann eben auch das aufstellen einer konkreten These. Und es geht dabei auch nicht darum zu zeigen, ob irgendwer mit irgendwas falsch oder richtig liegt, sondern einfach darum herauszufinden, wie etwas wirklich hätte stattfinden können. Ohne den Gedanken des "naja, blöd waren die ja damals nicht..." Das "frei im Geiste" spielt da auch eine große Rolle. Bei der experimentellen Archäologie ist sicherlich auch kein Ergebnis ein Ergebnis. Ich glaube, man sollte Abstand davon nehmen, nur weil man handwerklich selbst etwas herstellt den Prozess als experimentelle Archäologie zu bezeichnen. grüße, Brad
 
Ich stimme Bradwar voll zu. In experimenteller Archäologie steckt das Wort Experiment, d.h. es ist wichtig, dass man bei einem Experiment eine exakte Fragestellung hat, und dann ein Experiment dokumentiert und reproduzierbar ausführt. Sonst hat das mit Wissenschaft wenig zu tun. Und ja, kein Ergebnis ist auch ein Ergebnis, wenn man so will.
 

Neueste Beiträge

Oben