Friseur im Frühmittelalter

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Ulrich

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Als meine Süsse heute morgen aus der Dusche gestolpert ist, meinte sie plötzlich, dass es im Frühmittelalter sicherlich schon Friseure gab, die die Haartracht der Frauen richteten und die langen Haare geflochten haben. Was folgte war einer unserer berühmt, berüchtigten Frühstücksdiskussionen. Bei sehr vielen Gräbern des frühen Mittelalters (vornehmlich männliche Gräber) wurden Knochenkämme, Pinzette oder auch Ohrlöffelchen gefunden. Das ist ein klarer Beleg dafür, dass man damals auf sein Äußeres sehr viel Wert gelegt hat. Vereinzelt sind auch Klappmesser gefunden worden, die allerdings nicht unbedingt als Rasiermesser angesprochen werden können. Bei einigen Grablegungen können wir zweifelsfrei anhand der Beigaben auf den Beruf oder Tätigkeitsbereich des Bestatteten Rückschlüsse ziehen. Ein Grab, das als Grab eines Friseurs angesehen werden kann ist mir allerdings bisher noch nicht bekannt. "Da ja die Bevölkerung zu "unserer Zeit" zu 90% aus "Landbevölkerung" bestand und überwiegend in kleinen Ansiedlungen oder Gehöften mit 20- 30 Menschen lebte, wäre es ja möglich, dass da einer dieser Personen zusätzlich zu seiner Tätigkeit auf dem Acker noch als Friseur für die Frauen gearbeitet hat. Vielleicht war so jemand auch für die Rasur der Männer zuständig." - Soweit die Theorie - Nun zu meiner Frage. Ist jemanden ein frühmittelalterliches Grab bekannt, dass den Bestatteten als Friseur/Barbier ausweist? Gibt es Funde von Rasiermessern aus dem 6. bis 9. Jahrhundert? Was meint ihr dazu?
 
Also mit Funden kann ich dir jetzt nicht helfen, aber ich kann dir als Frau mit langen Haaren sagen, dass auch aufwändigste Flechtfrisuren an einem selbst kein Problem sind, wenn man sie seit der Kindheit gelernt hat, ich bin jetzt erst ein paar Jahre wirklich langhaarig und kann schon ein paar kleinere Kunststücke mit denen verüben. Und wer keine Lust hat, sich dafür die Arme zu verrenken, oder sich zu gut dafür is, es selbst zu machen, der lässt das eben die Mama, die Tochter oder das Gesinde machen. Mal davon abgesehn, glaube ich als 14. Jhdt Frau nicht, dass mein Mann sehr erfreut darüber wäre, wenn ich jemand außerhalb der Familie mein langes offenes Haar präsentieren würde ;) Keine Ahnung, ob das bei euch auch so streng ist? Was Rasuren und Haareschneiden angeht, fände ich auch interessant zu wissen, ob man sowas schon beruflich gemacht hat.
 
Ich sehe und lese gerade das im 14 Jahrhundert die Frauen auch mit offenen Haaren auf die Straße gingen,man trug zwar noch Kopfbedeckungen und Schleier aber als Schmuck und nicht mit zwang oder aus Politischen Gründen. Friseur in dem Sinne wie heute gab es nicht deswegen trugen auch fast alle die Haare lang oder man verpasste ihnen einen sogenannten Pottschnitt. Die Frauen die Hochfrisuren trugen waren auch so reich das sie sich extra eine Frau leisten konnten oder wie gesagt die Familie. Jetzt muß ich erst mal weiterlesen. :allah
 
Friseur in dem Sinne wie heute gab es nicht deswegen trugen auch fast alle die Haare lang
Das möchte ich für das Hoch- bzw. Spätmittelalter anzweifeln. Ab wann gab es denn den Beruf des Barbiers? Laut Wikipedia ist dieser Beruf 1397 erstmalig in Köln in einem Amtsbrief erwähnt. Mir ging es hier aber um das Frühmittelalter. In Rullstorf wurde eine Art Haarnetz gefunden, das schon mehrfach rekonstruiert wurde. Mein Schatz trägt hin und wieder auch so ein Teil.
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Die frühen karolingischen Buchmalereien zeigen überwiegend Männer mit kurzen oder halblangen Haaren, meine ich. Und die Merowingerkönige waren durch ihre lange Haarpracht kenntlich. Das wäre ja nichts Auffallendes gewesen, wenn das jeder gehabt hätte. Eine belegte Antwort auf deine Frage kann ich dir auch nicht geben, Ulrich. Außer das zu bestätigen, was Rotschopf schon gesagt hat. Für so'n simplen Haarknoten braucht frau keine professionelle Hilfe ^^. Etwas Anderes wäre es bei aufwendigen Frisuren à la römische Kaiserzeit. Aber vornehme Damen, die sowas wollten, hatten mit Sicherheit ohnehin Dutzende Mägde. Generell scheint mir gerade das Frisieren eher eine Tätigkeit für Leute von niedrigerem sozialem Status zu sein. Obwohl ich hier vielleicht auch Verhältnisse aus sehr viel späteren Epochen übertrage. Ich überlege gerade, ob du dir die Antwort nicht zum Teil schon selbst gibst: bei 30 Leuten in einem Gehöft, wieviele kriegten da bei ihrem Tod Grabbeigaben? Vielleicht ein Drittel? Halt die, die zur Herrschaft gehörten. Dein gesuchter Barbier läge dann wahrscheinlich in einem der vielen beigabenlosen Gräber bei den anderen Hörigen.
 
@Perchta: Es ging mir ja nicht explizit um diesen Haarknoten oder um das Haare flechten alleine. Sicher bekommen das die Frauen auch alleine hin. :rolleyes: Mir ging es um die Frage, ob es den Beruf eines Friseurs gegeben hat. Also, ob jemand dieses beruflich oder nebenbei gemacht hat um etwas Geld oder Ansehen zu verdienen. Wenn bei den Männern keine Rasiermesser gefunden worden sind, sie aber dennoch bartlos und kurzhaarig gewesen sind, dann müssen sie sich ja wohl irgendwie entweder selbst rasiert haben, oder sie haben es eben machen lassen. Wilfried hatte mich darauf gebracht, dass in Wolfenbüttel eine Haar- Bartzange aus einem Kriegergrab aus dem 6. Jahrhunderts liegt. Ich habe mal meine unzählichen Fotos von diesem Museumsbesuch durchgesehen und festgestellt, dass ich davon sogar ein Bild habe. Aber diesen Krieger kann ich deswegen leider nicht als Friseur bezeichnen.
 
Also soweit ich weiß gibt es schon einige relativ frühe Funde mit Rasiermessern in den Männergräbern. Da ich umzugsbedingt an das entsprechende Buch momentan nicht herankomme, kann ich die Belege leider erst später nachreichen. Aber ich denke mal, dass die Männer sich schon selbst um ihren Bart gekümmert haben. Genauso denke ich, dass typische Frisuren, wie etwa der Suebenknoten einem bestimmten Familienmitglied beigebracht wurden, das dieses Wissen dann immer weitergab und damit dann quasi als Friseur fungierte. Das wäre zumindest meine Theorie ! Bei uns im Lager läuft das auch so ! :D
 
Also soweit ich weiß gibt es schon einige relativ frühe Funde mit Rasiermessern in den Männergräbern. Da ich umzugsbedingt an das entsprechende Buch momentan nicht herankomme, kann ich die Belege leider erst später nachreichen. Aber ich denke mal, dass die Männer sich schon selbst um ihren Bart gekümmert haben. Genauso denke ich, dass typische Frisuren, wie etwa der Suebenknoten einem bestimmten Familienmitglied beigebracht wurden, das dieses Wissen dann immer weitergab und damit dann quasi als Friseur fungierte. Das wäre zumindest meine Theorie ! Bei uns im Lager läuft das auch so ! :D
Das klingt schon mal recht gut. Dann erst mal "frohen Umzug" und ich freue mich schon jetzt auf die nachgereichten Belege :p
 
Neugierdehalber: Ist der Suebenknoten fürs Frühmittelalter überhaupt noch nachgewiesen? Ich hätte den jetzt intuitiv zwei bis drei Jahrhunderte früher angesetzt? Für Klettham-Altenerding (Bajuwaren, Belegzeit des Gräberfelds ca. 450-670) könnte ich dir ein paar Rasiermesser anbieten, Ulrich:
Identifikation von Rasiermessern gelang für die Klingen mit an der Spitze mehr oder weniger stark hochgeschwungenem Rücken der neun Männergräber [..., Anm: es folgen die Grabnummern, die dir ohne Katalog nichts helfen werden?] Bis auf die Bestattungen 795 und 955 war zusätzlich jeweils ein weiteres großes Messer vorhanden. Nicht selten lagen sie in Kopfnähe, was die Deutung als Rasiermesser unterstreicht. [...] Ursprünglich war die Zahl der Rasiermesser höher, jedoch ist bei vielen gerade die Spitze schlecht erhalten oder abgebrochen. An den Klingen der Bestattungen [...(Grabnummern)] hafteten beidseits beträchtliche Reste eines Handtuchs in Leinenbindung an, in welches das Messer eingewickelt war. [...] Das früheste Beispiel aus Grab 652 datiert noch in das 5.Jahrhundert, die übrigen Stücke gehören in das 6. und das frühe 7. Jahrhundert.
Quelle: Losert/Pleterski, Altenerding in Oberbayern. Band 1: Das frühmittelalterliche Gräberfeld und die "Ethnogenese" der Bajuwaren, scripvaz Verlag 2003, S.380 f. Hilft dir das bei deiner Frage irgendwie weiter?
 
Ist der Suebenknoten fürs Frühmittelalter überhaupt noch nachgewiesen? Ich hätte den jetzt intuitiv zwei bis drei Jahrhunderte früher angesetzt?
Das ist richtig! Die waren etwas früher dran. :p
Hilft dir das bei deiner Frage irgendwie weiter?
Spitze!!! Vielen lieben Dank !! :p
 
Nö, Frühmi ab 500, danach ist im Kreis Wolfenbüttel/Halberstadt (Suebengo)noch einer so begraben worden
 
Ich sehe und lese gerade das im 14 Jahrhundert die Frauen auch mit offenen Haaren auf die Straße gingen,man trug zwar noch Kopfbedeckungen und Schleier aber als Schmuck und nicht mit zwang oder aus Politischen Gründen.
Also da ich keine Abbildung einer erwachsenen Frau mit offenem Haar kenne, möchte ich das stark bezweifeln. Es mag eine Sache sein, dass man für etwas nicht verhaftet wird. Fürs nackt durch die Straßen laufen kannst du heute auch nicht direkt belangt werden. Es ist nicht verboten. Es ist allerdings mehr als nur anstößig, es zu tun. Und man kann deshalb heute auch wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses belangt werden. Weil man bei anderen ein starkes Ärgerniss damit erzeugt. Unbedecktes Haar gehört sich nicht zu dieser Zeit und unbedecktes, offenes schon gar nicht, besonders wenn man vergeben ist.
 
Kann sein,wir können ja nur sagen was wir lesen oder sehen das kommt dann immer darauf an wer es geschrieben hat. Also ich war damals nicht dabei,ob die Frauen jetzt die Haare offen trugen oder nicht weiß ich nicht ich kann nur zitieren. ;)
 
@Tyro: Ich der Geschichte der Friseure scheint es eine "kleine" Lücke in der Zeit zwischen 490 v. Chr. und dem 12. Jahrhundert n. Chr. zu geben :D
 
Hallo Ulrich Habe mich anderweitig schlau gemacht,das hätte ich jetzt nicht gedacht das es sie schon vor Chr.gab. Es gab auch extra Hoffriseure. :knuddel
 
Kann sein Ulrich hab noch nicht alles durchgelesen. Muß mich mal erst richtig schlau machen ;)
 
Mich stört in dieser Friseurstory auch ein bißchen folgender Satz:
Im Jahre 490 v. Chr. wurden dann die ersten richtigen Friseurschulen in Perikles gegründet.
In Perikles? Gibt es wirklich einen Ort, der genauso heißt wie der berühmteste Staatsmann von Athen? Und P.S.: Gern geschehen, Ulrich. Losert schreibt zu dem Thema noch viel mehr (der Eintrag ist fast eine ganze Spalte lang), ich hab nur die Infos rausgezogen, die mir am prägnantesten vorkamen. Sag, wenn ich noch nach was schauen soll ^^.
 

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