Eisen oder Stahl

This site may earn a commission from merchant affiliate links, including eBay, Amazon, and others.

Glimmlampe

Well-known member
Registriert
06. Sep. 2011
Beiträge
348
Reaktionspunkte
22
Ort
71636 Ludwigsburg
nachdem ich gerade einen kurzen artikel über plattnerhandwerk in so einer mittelalter-zeitung gelesen habe der von begriffen wie "eiserne rüstung", "eiserne beinschienen" oder "eiserne armpanzer" nur so gewimmelt hat, kam mir eine alte frage wieder hoch: macht der begriff "eisen" in einer verarbeiteten form, ausser bei gußeisen, überhaupt sinn? durch das schmieden im (holz-)kohlefeuer wird das eisenerz ja mit kohlenstoff angereichert bis es (optimalerweise) den gewünschten kohlenstoffanteil hat. solange also keiner über einem vulkan schmiedet dürfte da ja immer stahl bei rauskommen? und weil ich gerade dabei bin, etwas mystischeres: in märchen, primär über feen, werden ab und an waffen aus kaltem oder kaltgeschmiedetem eisen erwähnt gegen die feenvolk besonders empfindlich sein soll. was ist denn darunter zu verstehen? reineisen (bspw. aus meteoren) das kalt in form gehämmert wurde? quasi ein relikt aus einer zeit als kupfer und bronze "in" waren und eine eisenwaffe sich als direkt magisch hervorgehoben hat?
 
Moin, Eisen kommt in reiner Form auf der Erde nicht natürlich vor, lediglich als Meteoreisen kann es gefunden werden (industriell wird heute allerdings Reineisen hergestellt). Daher handelt es sich vom fachlichen Standpunkt stets um Stahl, also eine Eisenlegierung. Das (im mittelalterlichen Kontext) häufigste Legierungselement ist Kohlenstoff. Umgangssprachlich wird der Unterschied zwischen Eisen und Stahl häufig über die Härtbarkeit definiert. Stahl ist ab einem Kohlenstoffgehalt von ca. 0,4% härtbar und bis zu einem Kohlenstoffgehalt von ca. 2% schmiedbar. Wenn also von 'Eisen' gesprochen wird, ist quasi immer eine Eisenlegierung (also Stahl ) gemeint, die nicht härtbar ist. In der Regel ist der Kohlenstoffgehalt des Stahl bereits über die Verhüttung eingestellt, auch wenn es durchaus die Möglichkeit der Aufkohlung gibt. Unter anderem kann dies auch in der Schmiedeesse erfogen, jedoch ist dazu eine besondere Zone mit Kohlenstoffüberschuss notwendig. Im normalen Schmiedebetrieb besteht meist eher die Gefahr der Entkohlung. Beides ist eien Frage der Feuerführung. Was deine zweite Frage anbetrifft kann ich dir den mythologischen Ursprung leider nicht erklären. Jedoch kann ich bestätigen, dass eine gewisse Härtung durch Kaltschmieden erfolgen kann. Ein klassisches Beispiel für diesen Effekt, bei dem schlicht erklärt eine Verspannung der kristalinen Struktur erfolgt, ist das Dengeln von Sensen. Gruß, Timm
 
Hmpf, da war Timm wieder mal schneller:D Wenn du es etwas ausführlicher haben willst, guckst du hier ! Metallurgisch spricht man ab einem Kohlenstoffgehalt von 0,02% von Stahl. Das hat nichts mit der "Härtbarkeit" zu tun, sondern mit der Umwandlung ins austenitische Gefüge, die bei Eisen mit weniger als 0,02% Kohlenstoff bei 911 Grad stattfindet und bei allen Stählen mit 0,02-2,06% Kohlenstoff bei 723 Grad. Ganz reines Eisen kann man auch im Rennofen herstellen. Hab viele, auch viele früh-eisenzeitliche, Analyseergebnisse gelesen, bei denen der Eisengehalt unter 0,02% lag. Es hängt von der Athmosphäre im Ofen und dem Erz ab, wie stark die Aufkohlung ist. Manche manganhaltigen Erze neigen dazu, dem Eisen/Stahl Kohlenstoff zuzuführen. Ganz "reines" Eisen ist prinzipiell sehr weich und gut plastisch verformbar, daher gut für Plattnerarbeiten geeignet (eine gute Raffination vorausgesetzt). Außerdem hab ich selbst häufig erlebt, das weiches und zähes Material für Plattenrüstungen/Helme etc. besser ist, weil es durch Verformung die Schlagkraft absorbiert. Z.B. bei einem gehärteten Helm geht fast die ganze Schlagenergie in den Kopf. Das mit dem Aufkohlen beim Schmieden im Kohlenfeuer hat Timm ja schon dargestellt. Man kann Eisen im Feuer aufkohlen, dazu muss man aber eine bestimmte Athmosphäre einstellen. Eher wahrscheinlich ist aber das Gegenteil, das man den Stahl abkohlt. Es gibt einige Belege für keltische "Eisenschwerter" sowie sehr frühe eisenzeitliche Blankwaffen, die tatsächlich durch Kaltverfestigung (Kaltschmieden) "gehärtet" wurden. Das scheint besonders in der frühen Phase der Eisenverhüttung, als noch vorwiegend selbstziehende Ofen verwendet wurden, die meist einen niedriger gekohlten Stahl ergaben, üblich gewesen zu sein. Hoffe ich konnte helfen Gruß Jannis
 
Nachteil von so "weichen und nachgiebigen" Helmen dürfte dann aber sein, das man sie nach einer kräftigen Mechanischen Einwirkung nicht mehr vom Kopf bekommt.
 
Metallurgisch spricht man ab einem Kohlenstoffgehalt von 0,02% von Stahl. Das hat nichts mit der "Härtbarkeit" zu tun, sondern mit der Umwandlung ins austenitische Gefüge, die bei Eisen mit weniger als 0,02% Kohlenstoff bei 911 Grad stattfindet und bei allen Stählen mit 0,02-2,06% Kohlenstoff bei 723 Grad. Ganz reines Eisen kann man auch im Rennofen herstellen. Hab viele, auch viele früh-eisenzeitliche, Analyseergebnisse gelesen, bei denen der Eisengehalt unter 0,02% lag.
Moin Jannis, danke für die Ergänzung, da müssen wir beim nächsten Treffen bei 'ner Hopfenkaltschale mal näher drüber plauschen. Analysen durchgehn sollten wir eh mal. 8) Gruß, Timm
 
Nun, meinen Vorredner sei Dank, bleibt nur noch die Sage vom "Himmelseisen" , Meteoreisen. Da es sich hier auch nicht um reines Eisen handelt, ist das auch Stahl. Ansonsten Eisen gibt s in der Apotheke und Chemikalienhandel, Stahl beim Schmied und Stahlhändler. Beim Eisenwarenhändler gibts bekanntlich auch Buntmetallwaren. Umgangssprachlich darfst Du aber Deinen eisernen Kessel weiter so nennen, stählerner hört sich so gewöhnungsbedürftig an :).
 
perfekt, vielen dank für die infos! ein bischen was war noch aus grauer vorzeit und der vorlesung "werkstoffkunde" im hinterkopf, aber wenn mans nicht mehr benutzt versickert das :)
 

Neueste Beiträge

Oben