Fellimitat aus Haithabu

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Tordis

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In Haithabu wurden Besätze gefunden, welche recht locker gewebt waren und danach so bearbeitet wurden, dass es wie Fell aussah (Arme-Leute-Fell :D ;) ) Jetzt brauche ich mal einen Tipp von jemanden, der sich mit dem Weben und der geeigneten Wolle an sich so auskennt, oder das schon mal ausprobiert hat: 1. Welche Art Wolle würdet ihr für so ein Fellimitat empfehlen, wenn hinterher die Fasern oder der Flor wieder herausgekratzt werden? (Das Gewebe soll ja trotzdem stabil bleiben und nicht auseinanderfallen) Und 2. : Womit kratzt man diese Fasern/Flor wieder hinaus? Mit einem normalen Webkamm? Also, wer kann mir da weiterhelfen? :)
 
In einem englischen Buch (Daily Life of The Vikings - Kirsten Wolf - http://books.google.co.uk/books/about/Daily_Life_of_the_Vikings.html?id=lLHBckH-ga4C ) habe ich einen Nebensatz gesehen, der etwas in die Richtung beschrieb. Dort wurde, wenn ich es richtig verstanden habe, gesagt, dass wohl zum Teil extra Fäden eingelegt wurden um dicke oder einen fülligeren Stoff zu bekommen. Könnte das etwas in die Richtung gewesen sein?
 
Genau, Friethjoph, das ist das was ich meine/suche/herstellen möchte. :) Allerdigs bin ich aus Frau Häggs Beschreibungen nicht so ganz schlau geworden, weil sie einmal schreibt, dass es ein Gewebe war, aus welchem die Fasern/Flor wieder herausgekämmt werden (so habe ich das interpretiert) und ein anderes Mal schreibt sie, dass da zusätzlich Fäden eingelegt waren, wobei ich mir aber immer vorgestellt habe, dass die eher wie bei einem Hochflorteppich eingewebt werden und nicht flächig... ?( Aber vielleicht klärt dein Link mich dahingehend noch etwas mehr auf :love: EDIT: Ah, wahrscheinlich eher der Weg in die Landesbibliothek... :D
 
Diese Decken sind im MA in Island gut belegt, sowohl archäologisch als auch schriftlich. Hier zwei nachgearbeitete: http://www.google.is/imgres?q=röggv...w=111&start=0&ndsp=32&ved=1t:429,r:0,s:0,i:81 http://www.thingborg.net/?page_id=540 Die beiden Handwerkerinnen haben auf dem Gewichtswebstuhl gewebt. Ich glaube einen 2/2 Twill, also 'vaðmál', die gängigste Bindung. Bei jedem Schuss wird eine Deckhaarflocke togin einer Art Ryaknoten mit eingeknotet. Ich verstehe nicht, was du hiermit meinst:
1. Welche Art Wolle würdet ihr für so ein Fellimitat empfehlen, wenn hinterher die Fasern oder der Flor wieder herausgekratzt werden? (Das Gewebe soll ja trotzdem stabil bleiben und nicht auseinanderfallen) Und 2. : Womit kratzt man diese Fasern/Flor wieder hinaus? Mit einem normalen Webkamm?
Da wird nichts rausgekratzt, da werden Flocken eingeknotet, damit es wärmer ist. Diese Decken waren im MA isländische Exportware, also begehrt. Oder meinst du, wie man die Deckhaarflocken aus dem Vlies herauskriegt? Das macht man allerdings mit Wollkämmen. Das mit Fellimitat für arme Leute trifft die Sache nicht. Wenn man so will, waren alle arm, denn die allermeisten waren Bauern und Fischer, also knochenhart arbeitende Leute. Das Gerben hat hier aus irgendwelchen Gründen keine rechte Tradition wie in Skandinavien. Die Decken waren bei Fischern und Bauern gleicherweise beliebt. Kveðja iðunn
 
Im Buch "woven into the earth" ist ein ähnliches Gewebe. Ab Seite 72 ist ein Artikel mit dem Thema Pile Weave mit zwei Bildern von Fragmenten und einer schematischen Zeichnung. Mein Englisch ist allerdings Grotte und reicht allerdings nicht für Fachtexte. Was ich auf dem Bild erkenne ist, das das Haarbüschel in einer Schlaufe ins Gewebe eingelegt ist. http://www.amazon.de/Woven-into-Ear...9357/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1355120251&sr=8-1 Quelle Amazon @Idunn danke für die Bilder, dieses Gewebefragment im Buch, hat mir Rätsel aufgegeben, ich konnte mir so gar nix drunter vorstellen - jetzt schon.
 
Da wird nichts rausgekratzt, da werden Flocken eingeknotet, damit es wärmer ist. Diese Decken waren im MA isländische Exportware, also begehrt.
Iðunn, du bist ein Schatz! So gehts natürlich auch. :) Danke für die Info und die Bilder, ich bin stark beeindruckt.
Das mit Fellimitat für arme Leute trifft die Sache nicht. Wenn man so will, waren alle arm, denn die allermeisten waren Bauern und Fischer, also knochenhart arbeitende Leute. Das Gerben hat hier aus irgendwelchen Gründen keine rechte Tradition wie in Skandinavien. Die Decken waren bei Fischern und Bauern gleicherweise beliebt.
Das mag für die Decken wohl stimmen. Mir ging es aber um die Besätz und die Fellimitate finden sich in den Gräbern oder Textilresten dort, wo bei den Prunkgräbern echte Felle verwendet wurden. Mir ist aber schon bewusst, dass "Arme-Leute-Fellbesatz" nicht zu 100% zutrifft. :)
 
Oh ja sorry, du hattest ja gar nicht nach Decken gefragt, sondern nach Besätzen. Aber jetzt ist klargeworden, wie man's macht, gelle? Jólakveðja Iðunn
 
Na klaro! :thumbsup: Jetzt wird das theoretische Wissen in die Praxis umgesetzt - mal sehen, was es wird. Ergebnisse werden dann natürlich gezeigt! :D
 
Also werte helfende Damen (und Friethjoph)... ich habe das jetzt mal im Kleinen ausprobiert, um zu sehen, wie das wirkt. Hier die Bilder: http://www.bildercache.de/minibild/20130107-202338-100.jpg http://www.bildercache.de/minibild/20130107-202717-706.jpg http://www.bildercache.de/minibild/20130107-202808-991.jpg Es sieht aus wie, eben wie aus gesponnener Schurwolle wieder ein Schafsfell gemacht... ;) Nichts desto trotz hat mir das Ganze nicht so wirklich losgelassen und so habe ich doch nochmal in der Literatur gewälzt und bin auch fündig geworden:
Die haarigen, gerauhten Gewebe sind von echten Pelzen oft kaum zu unterscheiden, da die aus dem Stoff gezogenen langen, glänzenden Fasern, dem äußeren Eindruck nach , der durch das naturfarbenen Material, zuweilen in rötlicher Tönung, noch verstärkt wird, wie ein Tierfell aussehen. Es ist wohl ziemlich unwahrscheinlich, dass dieser Stoff allein aus praktischen Gründen getragen wurde. H. Falk (1918, S. 177) hält diese Gewebe denn auch für eine Nachahmung natürlicher Pelze. [...] Wo jedoch Fellkleidung zur Standestracht gehörte und das Pelzhemd ein Merkmal des vornehmen Kriegers war, sind ähnlich ausgestattete Gewänder aus einfacherem Material auch in den niedrigeren Bevlkerungsschichten zu erwarten. (Hägg, I.: Textilfunde aus dem Hafen von Haithabu, S. 184-185
Weiterhin führt Hägg aus, dass die gerauhten Gewebe nicht rauh werden durch eingewebte Wollfasern oder Wollbüschel, sondern indem man lange Fasern im gesponnenen Garn wieder aus dem Gewebe gezogen hat. Dadurch entsteht ein "gleichmäßiger plüschartiger Faserflor". Das ist zwar nicht der Besatz-Fund, den ich eigentlich meinte als ich das Thema erstellte, aber vom Prinzip das Selbe. Also nochmal die Frage: Was für gesponnene! Wolle nehmen und womit am besten das Gewebe anrauhen? :)
 
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Um eine plüschartige Oberfläche an gewebten Wollstoffen zu bekommen, wurde und wird heute noch die Kardendistel genommen. Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Weber-Karde Hier gibt es übrigens noch schöne bilder dazu: Wikipedia Aufrauhen im Mittelalter Ich habe bei Stoffen auch mangels Karden mit einer Metallbürste vorsichtig gearbeitet, eine normale Bürste mit Kunstborsten ist zu weich. Übrigens ist dein vorgestelltes Band beeindrucken! marled
 
OH NA KLAR! An meine Kardendistelbürste habe ich gar nicht mehr gedacht! :schock1 Danke marled für die Erinnerung und besondrs den zweiten Link! Ich hätte die Karden jetzt wohl rigoros über das Gewebe gezogen und nicht gerollt... :D
 
Verzeih meine lange Leitung (ich wohn ja auch ein Stück weit weg...) - jetzt versteh ich deinen Post 3, Tordis
Allerdigs bin ich aus Frau Häggs Beschreibungen nicht so ganz schlau geworden, weil sie einmal schreibt, dass es ein Gewebe war, aus welchem die Fasern/Flor wieder herausgekämmt werden (so habe ich das interpretiert) und ein anderes Mal schreibt sie, dass da zusätzlich Fäden eingelegt waren, wobei ich mir aber immer vorgestellt habe, dass die eher wie bei einem Hochflorteppich eingewebt werden und nicht flächig...
Es gab also einerseits gerauhte Stoffe, (Tuche), und andererseits röggvarfeldur, also Stoff mit eingewebten Locken. Und dann gab's in Haithabu u.a. vermutlich auch noch das sog. pallium fresonicum, einen sehr feinen Twillstoff (Berichte über die Ausgrabungen in Haithabu, Inga Hägg, S. 15) Ob der gerauht war, weiss ich jetzt grad nicht. Das Band sieht richtig gut aus! Gruss Iðunn
 
Man sollte halt immer gleich den Fund zitieren... mea culpa! :love: Na, ich probiere das mit dem gerauhten Gewebe jetzt als nächstes aus und dann schaue ich, welches besser aussieht und häufiger als Besatz belegt ist. Das nehme ich dann für meine Obertunika. :) Bilder gibts natürlich dann - und wenn ich mich nicht entscheiden kann, weil es beides sehr gut aussieht, dann gibts ne Abstimmung :D ;)
 
Ich war fleißig gewesen und bin mit meinem Besatz so gut wie fertig. Also wird es Zeit für einen Zwischenstand. :) Ausgangslage ist das Kapitel 3.6 Besätze aus dem Buch Die Textilfunde aus der Siedlung und aus den Gräbern von Haithabu von I. Hägg. Für die, die das Buch nicht vorliegen haben, seien entsprechende Stellen zitiert:
Fragment S 5 Gewebe in stark gerauhten, grobem Gleichgratköper 2/2 [...]. Die Schussfäden sind filzartig und dick, die Kettfäden dünn. Durch ungewöhnlich harte Rauhung sind auf einer der Oberflächen lange, zottenartige Fasern aus den Webfäden gezogen. [...] (Textilfunde Siedlung, S.60)
Fragment S 46 Gewebrest aus leichtem, flauschigen (wenigstens?) auf einer Seite gerauhtem Gleichgratköper 2/1. Der Stoff gehört zu den Gleichgratköpern mit groben, filzartigen Schussfäden. [...] (Textilfunde Siedlung, S.60)
[...] Typisch für alle diese Fragmente sind die groben, filzartigen Schussfäden, die ursprünglich von einem langen Faserflor überdeckt waren. (Textilfunde Siedlung S. 61)
Mein Versuch: Fellimitat / gerauhter Besatz aus Haithabu Als Erstes muss ich sagen, dass ich das Band in Brettchenwebtechnik gewebt habe. Deswegen sind auch die stärken der Schuss- und Kettfäden vertauscht. :whistling: Meine Kettfäden seht ihr links und rechts nebem dem Band. Der dunkle Faden besteht aus vier Einzelfäden und ist mittelmäßig-stark verfilzt. Der weiße Faden besteht aus zwei handgesponnenen weißen, verzwirnten und leicht verfilzten Fäden. Der nicht abgebildete Schussfaden ist dünner als der weiße Faden. Beim Aufrauhen ist mir aufgefallen, dass eine andere Webart als Köper fast nicht in Frage kommt, da die zuoberst liegenden Fäden doch mehr oder weniger stark "beschädigt" werden. Bei einer normalen Tuchbindung kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Stabilität des Gewebes arg in mittleidenschaft gezogen wird durch die Nachbehandlung. :thumbdown: Es hat sich außerdem gezeigt, dass die braunen Fäden viel besser zu rauhen sind als die weißen, die sehr schnell ganz zerreißen 8| - sei es, weil sie weniger stark verfilzt sind oder nur einfach verzwirnt. Eine flauschige Oberfläche habe ich mit dieser Methode hinbekommen, aber von "langen, zottenartigen Fasern" die aus dem Gewebe gezogen werden, kann keine Rede sein. Hat jemand von euch einen Tipp, wie man das hinbekommen könnte? :) Ich vermute, es liegt am falschen Wollgarn. Aber was könnte man dann für Wolle nehmen?
 
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Hmmmm .... wieder nur so ein Gedanke, aber wenn man vielleicht so ein Gewebe, wie Du gemacht hast, eine Weile trägt, der Witterung aussetzt, wäscht usw ... dann sieht das vielleicht auch aus wie Inga Hägg es beschreibt. Denn Wollfrasern verfilzten bei starker Beanspruchung zu längeren Fasern. So ähnlich wie bei manchen Wollpullis ... :huh:
 
Das wäre eine Idee - aber dazu muss ich das erst ein paar Mal durch Winter, Schnee und Regen tragen :D Angeblich gibt es aus Schleswig ein paar gut erhaltene Vergleichsfunde. Leider habe ich dazu keine Abbildungen/Beschreibungen... gefunden. Hat jemand von euch da vielleicht etwas zur Hand? Das würde zumindest klären, wie soetwas nach ein "paar" Jahren aussieht ;) :)
 

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