Kriegsgefangene und Geiseln

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NikolausVonRumore

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Moin, ich habe mich kürzlich mit der Schlacht um Towton aus den Rosenkriegen auseinandergesetzt und war überrascht, dass man sich dort offenbar bei vorhergehenden Verhandlungen nicht einig wurde wie mit Kriegsgefangenen umgegangen werden sollte. Das Resultat der Uneinigkeit war ein unglaublicher Blutzoll unter den unterlegenen Streitkräften, da eben bis zum Tod gekämpft wurde und niemand mit Gnade zu rechnen hatte. Bisher habe ich es, zumindest unter christlichen Heeren, für eher wahrscheinlich gehalten, dass zumindest Adligen Pardon gewährt wurde und diese dann gegen Lösegeld wieder freigelassen wurden. Das gemeine Fußvolk hatte ja tragischerweise schon immer einen unverhältnismäßig größeren Blutzoll zu zahlen - auch bzw. insbesondere nach der Niederlage des Gefechts und der Flucht vom Schlachtfeld. Hat jemand vergleichbare Berichte über andere Schlachten oder Belagerungen, in denen man vorab Verhandlungen darüber führte, ob und wie Kriegsgefangene zu behandeln sind?
 
Wikipedia hat ein Paar Zahlen: Kreuzzüge: Iconium, 18.Mai 1190, 100000- Kreuzfahrer verloren etwa 20000 Mann, 65000 Seldschucken verloren 45000 Arsuf, 7.Sept 1191, 2000 Kreuzfahrer verloren 700 Mann, 50000+ Ayyubiden verloren 7000 30-Jähriger Krieg: Breitenfeld am 07.Sept(Jul)/17.Sept(Greg) 1631 endete auf Tillies Seite mit 7000 Gefangenen und 6000 Toten (von 32000), auf Gustaf Adolfs Seite mit 4000 Toten (von 38000) Lützen, 6.Nov(Jul)/16.Nov(Greg) 1632, endete für Wallenstein und Pappenheim (der letztere fiel) mit zwischen 3 und 5000 Toten und Verwundeten (von 23000).Bei G.A. mit 3400 Toten und 1600 Vermissten, sowie dem Toten G.A. (von 19000) Nördingen, 5.&6. Nov 1634 endete mit 7500 Toten und 2500 Gefangenen von 25600 für die Schweden und 2000 Toten oder Verwundeten von 33000 Katholiken.
 
Hi, danke für die Infos, aber mir ging es nicht um Verlustzahlen- die sind sowieso immer oder meist sehr häufig unsicher... Je nachdem welche Seite die Berichte verfasst hat und welcher Chronist welcher Partei wohl gesonnen war. Ich bin mehr auf der Suche nach Berichten über Verhandlungen, die vorher geführt wurden und sich auf die Behandlung von Gefangenen beziehen, ob Gnade gewährt wird, oder nicht und wie mit verletzten Gegnern umgegangen wurde. Z.B. haben die schweizer Eidgenossen ja relativ früh beschlossen, dass bei Gefechten keine Gefangenen gemacht werden, (Quelle Dellbrück - Geschichte der Kriegskunst) was im Umkehrschluss aber auch bedeutet, dass der Gegner wohl ebenso keine Gefangenen genommen hat. Mir ist wohl bewusst, dass man sich zu dieser Zeit noch weit entfernt von Begriffen wie einer Hager Landskriegsordnung, einem Kriegsvölkerrecht oder einer Genfer Konvention befindet, aber man könnte annehmen, dass eine gewisser "moralische" und eventuell religiös motivierte Auffassung herrschte, die für besiegte und leicht verletzte Gegner galt und wie diese zu behandeln sind.
 
Ich kann Dir leider keine genauen Angaben mehr machen um welche Schlacht es sich gehandelt hat (hab's leider vergeßen), glaube mich aber erinnern zu können, daß es eine in Frankreich war, bei der die Engländer gewonnen haben. Vielleicht weiß aixlibris da mehr. Auf jeden Fall hat es Kriegsgefangene gegeben, aber nur Adlige, sehr hochgestellte Ritter. Alle anderen durften keinen Pardon erwarten und blieben da wo man sie erwischte, auf dem Schlachtfeld oder wurden nach der Schlacht zusammengetrieben und abgeschlachtet. Vielleicht fällts mir ja noch ein wann und wo das war. Die englische Seite hat soweit ich weiß auch garnicht versucht darüber Verhandlungen zu führen, sondern gleich kurzen Prozeß gemacht. Martin
 
...Vielleicht weiß aixlibris da mehr...
Ich denke schon... ;) es war die Schlacht von Agincourt.... ^^ Also, der absolute "Klassiker" zur Behandlung von Kriegsgefangenen und "ritterlicher Ehre" ist die Schlacht von Agincourt im Jahre 1415. Hier befahl der englische König Henry V, da er einen französischen Angriff in seinem ungeschützten Rücken vermutete, alle französischen Kriegsgefangenen , bis auf die wichtigsten, zu töten. Interessant ist, daß dieser Tötungsbefehl zunächst durch seine entsetzten, adeligen, Untergebenen verweigert wurde. letztendlich übenahm einer von ihnen mit 200 Bogenschützen doch diesen Tötungsauftrag. Die Fachwelt diskutierte damals, aber auch noch heute über die strategische Rechtmäßigkeit dieses "barbarischen " Aktes ... Seither sind aber auf englischer Seite so einige Bedenken bzgl. der Behandlung von Menschenleben während der Schlachten schon etwas weniger geworden... Zu den "Kollateralschäden" anderer Schlachten verweise ich mal auf einen anderen Thread: Die Belagerung von Ostende im Jahre 1604 Quelle: MAF
 
Also bei Breitenfeld (o.G., Tilly vs. Gustaf Adolf) Wurden die von den Schweden gefangenen konsequent rekrutiert.
 
Eigentlich ist das Thema :"Verhandlung vor der Schlacht" Mir fällt da nur die Geschichte einer Belagerung mit drohender Erstürmung ein, in der vor der Erstürmung Frauen und Kindern freies Geleit zugesichert wurde. Die Frauen sollten aber nur das Nötigste/ihnen Liebste mitnehmen .... Woraufhin sie ihre Männer schulterten und abziehen durften ... Vor Jahrzehnten gelesen, und als eibne Art "Geschichte von der Yuccapalme" abgehakt. Aber vielleicht weiß einer mehr darüber
 
Die Geschichte mit den Männern, die von ihren Frauen abtransportiert wurden, beansprucht mittlerweile fast jede zweite Burg wohl für sich. :whistling: In Herzberg war das wohl auch mal ein Thema auf einem MA-Event. Viel interessanter finde ich da die Geschichten um den 3. Kreuzzug, z. Bsp. bei der Schlacht von Akkon im Jahre 1191:
Am 12. Juli wurde die Stadt mit Einverständnis Saladins an die Kreuzfahrer übergeben. Für die muslimischen Bewohner wurde zudem ein hohes Lösegeld ausgehandelt...... Als sich die Zahlung des Lösegeld für die muslimischen Gefangenen verzögerte, ließ Richard Ende August 1191 ca. 2.700 muslimische Gefangene enthaupten. Durch die Hinrichtung der Gefangenen entzog Richard solchen Intrigen die Grundlage und demonstrierte drastisch seine Entschlossenheit.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Dritter_Kreuzzug Nachsatz:
Eine Änderung des Status der Kriegsgefangenen erfolgte, als das Dritte Laterankonzil im Jahre 1179 den Verkauf von Christen in die Versklavung verbot. Dadurch war es nicht mehr rentabel, viele Gefangene zu machen: Gefangenes Fußvolk wurde auf dem Schlachtfeld niedergemacht oder einfach laufengelassen.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Kriegsgefangene
 
Hallo, eine weitere bekannte Schlacht - die auf dem Lechfeld zwischen Otto I. und Horca Bulcsu, zeigt ebenso ein ziemlich makaberes Ende. Nachdem die Ungarn geschlagen wurden, verfolgte man die flüchtenden Kontingente und lauerte später Gruppen an Furten auf, die offenbar ohne Ausnahme niedergemacht wurden. (Zitat Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_auf_dem_Lechfeld ) Die Schlacht bei Tannenberg war ebenso hart und blutig, wie die auf dem Lechfeld - allerdings nahmen die polnischen und littauischen Streitkräfte hier einige adlige Gefangene, die wohl später gegen Lösegeld freigekauft werden konnten. Über die "gemeinen" Gefangenen wird jedoch nichts (zumindest einer Quelle nach) berichtet. Entweder hat man sie also, in Anbetracht des großen Sieges, laufen lassen, mitgeführt oder anderweitig verbracht... Ein eher unbekannter Konflikt spielte sich im Jahr 1315 zwischen der Grafschaft Holstein und Dithmarschen ab. Hier mal der Link dazu: Schlacht bei Wöhrden Hier scheint es jedoch ziemlich eindeutig, dass man keine Verhandlungen führte und auch keine Gefangenen machte. Dies beruht wohl darauf, dass die "Holsteiner" gezielt Gräul verübten, was zu entsprechenden Folgereaktionen führte. Eine weitere Episode ist die Schlacht von Halidon Hill , in der Eduard III. 100 Gefangene nach dem Gefecht hinrichten ließ. Warum er das tat ist jedoch unklar. Alles in Allem zeichnet sich also ein eher unsicher Bild davon, was man als Besiegter im Mittelalter zu erwarten. Einzig ein Titel schien hier einigermaßen zu schützen.
 
Natürlich ist die Historie voll von Ereignissen, wo man Gnade gegenüber den Besiegten walten ließ, aber auch von "unverständlichen" Grausamkeiten gegenüber den Besiegten. Um einmal definitiv auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Mir ist bis dato kein echter Fall bekannt, wo vor der Schlacht ein besonderer Umgang mit den Kriegsgefangenen ausgemacht wurde ( ...was ja auch rein strategisch gesehen absoluter Mumpitz wäre...), sondern nur eher die Variante: " Tötet sie alle und schont keinen..." Wenn, dann handelte es sich immer um Absprachen nach einer Schlacht/Belagerung. Recht häufig findet man nämlich in den Chroniken, daß nach der Schlacht/Belagerung, der Sieger Milde gestimmt war/wurde und dann , wenn überhaupt, nur die Rädelsführer bestraft wurden. Hier z.B. der Aufsstand der Kölner gegen Erzbischof Anno von Köln im Jahre 1074, aber auch der Erwerb der Reliquien der 3 Könige für das Erzbistum Köln durch den Reichskanzler und Erzbischof Rainald von Dassel ist so ein mittelalterlicher Fall. Aus der Spätzeit, v.a. aus dem 30 jährigen Krieg, sind ebenfalls zahlreiche Beispiele bekannt, wie z.b. der "Meistertrunk" des Rothenburger Bürgermeister Nusch oder die "Kinderlore" von Dinkelsbühl.... Diese Anekdötchen und vieles mehr, kann man prima im "Theatrum Europäum" , also der " Bild-Zeitung" des 17. Jhd. nachlesen.... :D
 
Die Geschichte mit den Männern, die von ihren Frauen abtransportiert wurden, beansprucht mittlerweile fast jede zweite Burg wohl für sich. :whistling:
Stimmt wohl. Ein enger Zusamenhang zur Romantik besteht wohl. Ich würde meinen aber sofort schultern. :love: :wiki2 :wiki4
 
Georges Duby schriebt zu dem Thema einiges. Es war wohl durchaus üblich adlige Gefangenzunehmen und erst gegen Lösegeld zu entlassen. Duby hat in den kleinen aber ständig auftretenden Konflikten Nordfrankreichts mal die Opferzahlen untersucht und kam bei Adligen auf unfassbar niedrige Zahlen. Scheinbar war der Wert eines Ritters eine gute Lebensversicherung. Umso verständliche die ehftige Reaktion auf Heinrichs Befehlt bei Azincourt.
 
Ich meine, daß in den Kriegen der mittelalterlichen Staaten ( Städten, Grafschaftenusw.... ) untereinander zumindest bei den Adligen und Rittern Gnade erwartet und gewärt wurde ( Man war verwandt, verschwägert ................ und die Gefangenen brachten reichlich Lösegeld ). Ein einfacher Soldat konnte sich mit der Gefangennahme eines Gegners, je nach Rang, reich machen. Bei Agincourt machten die zahlenmäßig weit unterlegenen Engländer so viele Gefangene, daß Henry V befürchtete, diese könnten sich wieder in die Kampfhandlungen einmischen. Also der Befehl diese zu töten. Dies führte bei seinen Leuten, nicht aus Nächstenliebe sondern wegen der zu erwarteten Lösegeldzahlungen, zu Protesten. In den Kriegen gegen Ungarn ( zur Zeit Ottos keine Christen und nur auf Raub aus ) wurde halt getötet um diese "Plage " zu beseitigen. Als Saladin nach der Schlacht bei den Hörnern von Hattin, bei der der Großteil der christlichen Kämpfer getötet oder in die Sklaverei verkauft wurden, vor Jerusalem erschien wurde verhandelt und die christliche Bevölkerung konnte sich freikaufen und unbehelligt abziehen.
 
Über die frühesten Slawen (6. JH) steht im Maurikios Strategikon: "Den Fremden gegenüber sind sie sanft und freundlich und geleiten sie abwechselnd von Ort zu Ort, wohin sie es wünschen. Die Gefangenen halten sie nicht wie die anderen Völker unbegrenzte Zeit in Knechtschaft, sondern setzen ihnen eine verabredete Zeit fest stellen ihnen frei, ob sie gegen Zahlung nach Hause zurückkehren oder als freie Freunde dort bleiben wollen." Neben der verstärkten Rückkehr zur Agrarkultur und dem wenig gestuften Sozialsystem, das große Anreize auf die Steuer- und Katastrophengeplagte oströmischen Provinzialbevölkerung ausübte (bis zur "Desertation" der römischen Kultur), dürfte dieses Verhalten ein wichtiger Faktor der wahrhaft explosiven Ausbreitung der frühesten, slawischen Kultur innerhalb weniger Jahrzehnte von der Karpathenukraine und der Dobruschda aus nach Norden bis zur Ostsee, Süden bis zum Peloponnes, Osten bis zum Dnejpr und Westen bis Osttirol gewesen sein.
 
Noch ein Nachtrag: Die Behandlung der Besiegten hat sich in den Rosenkriegen drastisch gewandelt. Jetzt wurden die gegnerischen Anführer und Adlige nicht mehr gegen Lösegeld freigelassen sondern getötet. Der besiegte und gefangene einfache Soldat konnte als gefragter Kämpfer auf Anstellung beim Sieger hoffen. Quelle: Der fliegende Tod Gruß René
 
hab da auch noch was: im 30 j. krieg wurden die einfachen gefangenen normal vom sieger "angeworben" um für ihn zu kämpfen oder durften machmal mit dem was sie am leib hatten abziehen. gefangen adlige und offiziere wurden festgesetz und gegen lösegeld freigelassen oder ausgetauscht. städte, festungen und dergleichen konnten accord ( lösegeld, nahrungsmittel und machtübergabe) anbieten, dadurch wurden sie im großen und ganzen verschont, die besatzung wüde meist in das eigene heer eingegliedert oder sie erhielten freies geleit.
 

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