Es ist tendenziell davon auszugehen dass Obst nur gegessen oder zu Weinen weiterverarbeitet wurde. Im Allgemeinen wurden Weine allerdings auch schon wesentlich früher getrunken als heute üblich. Das ist etwa vergleichbar mit heutigem Federweißer, der ist anfangs auch süß, wird im Laufe der zeit immer saurer, bis er irgendwann schmeckt wie Desinfektionsmittel und nach einer weiteren Weile wird er irgendwann wieder genießbar und wir nennen ihn Wein. Selbstverständlich hätte man Saft auch pasteurisieren können, aber das hätte am Ende nur alles schlimmer gemacht. Die Hefe die für die Vergärung notwendig ist, befindet sich schon auf der Frucht die vergoren werden soll. Pasteurisiert man den Saft, ist diese Hefe fürs erste tot. Und nun kommt eben dazu, dass man früher, wie Morgan richtig bemerkt hat, Gefäße schlecht sterilisieren und abdichten konnte. Der süße Saft ist nun einer Vielzahl Mikroorganismen hilflos ausgesetzt, das kann im besten Fall eine andere Hefe sein, in weniger guten Fällen stirbst du am Ergebnis. Wichtig für die mikrobiologische Stabilität eines Getränkes ist vor Allem der pH-Wert, dieser muss unter 4,5 liegen. Bei sehr süßen und säurearmen Früchten ist das nicht unbedingt gegeben, der perfekte Nährboden für Mikroorganismen, der Zucker ist auch die perfekte Nahrung. Hefe ist nun allerdings ein furchtbar dominanter Organismus. Das geht so weit, dass man seine Gärbottiche garnicht unbedingt putzen muss, man lässt den Bodensatz einfach drin und gießt wieder Saft nach, dann verläuft die nächste Gärung noch viel besser. Natürlich ist Alkohol ein Gift, weswegen ab einer bestimmten Konzentration auch die Hefe stirbt. Diese Konzentration ist nun allerdings so hoch, dass auch andere Mikroorganismen nicht überleben können. Für uns als Menschen ist eine 2-14%ige Alkohollösung allerdings nicht tödlich, da wir nicht darin leben, sondern nur ein wenig davon trinken. Das wusste damals selbstverständlich alles niemand. Man hat Saft gepresst, der Saft hat angefangen zu blubbern und man ist nichtmal davon gestorben wenn man ihn erst zwei Jahre später trinkt. Wein ist also ein Getränk, das man sich in den Keller stellen kann. Wasser oder Milch lassen sich dagegen nicht lagern, weil der pH-Wert einfach zu hoch ist. Hefe war im Mittelalter etwas göttliches, man kannte es nicht, aber aus irgendeinem Grund wurden Säfte haltbar und lecker, wenn man sie nur stehen ließ. Das muss also heißen, dass Gott möchte, dass du immer etwas zu trinken hast. Honigwasser ließe sich übrigens gut lagern weil antiseptisch, allerdings gehören Bienen mitsamt dem Wald dem König und für den wurde das Honigwasser wohl eher extra in gebrauchte Bierfässer gefüllt damit es trotzdem gärt. Sogar Fencheltee wurde vergoren. Also zur ursprünglichen frage: Ja, immer vergoren, es sei denn, der Saft ist wirklich frisch aus der Presse. Fürs Reenactment hieße das also, Säfte aus saisonalen Früchten wären OK, aber ganz ehrlich, welcher Besucher schnüffelt denn bitte in deinen Becher? Am geschichtsnähesten wäre es dennoch, den ganzen Tag auf Pegel zu sein.