Immer vergoren?

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selena

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gerade bin ich mittem im saftrausch unser Birnbaum hat diese jahr rekord getragen. und da frage ich mich doch während ich darauf warte das die ersten tropfen rinnen ob vergehren im MA die einziege Möglichkeit war Säfte haltbar zu machen. ich weis dämlich frage.
 
So dämlich find ich die Frage net. Wenn man den Saft kocht, heiß abfüllt und feste zukorkt, hält er sich nämlich auch. Korken hattense im MA, (Ton)Flaschen auch und Feuer sowieso. Trotzdem ist man meines Wissens nach erst spät in der Neuzeit darauf gekommen, Säfte oder überhaupt Speisen so haltbar zu machen. Es war der französische Chemiker und Mikrobiologe Luis Pasteur, der im 19. Jahrhundert durch Experimente erkannte, dass Gärung durch hitzeeinwirkung gestopppt wird, dass die "Gärungskeime" auch über die Luft in Flüssigkeiten eingetragen werden können und dass Flüssigkeiten nach hoher Erhitzung und Luftabschluss nicht mehr weitergären oder verderben. Zu dieser zeit hatten einige Wissenschaftler schon Mikroorganismen unter dem Mikroskop gesehen und stritten sich nun um die Frage, ob diese Keime Lebewesen seien, die Gärung, Fäulnis, Krankheit auslösten oder ob diese Prozesse in der Zelle selbst auf chemischem Wege entstanden. Relativ bald nach Pasteurs beweis entstanden die ersten fabriken, in denen Milch, Säfte etc. "pasteurisiert" wurden. Vorher war man nicht auf diesen gedanken gekommen. Es mag auch damit zusammenhängen, dass auch das gefäß, in welchem die gekochte und damit sterile Flüssigkeit eingebracht wird, steril sein muss. Das geht mit glasflaschen recht einfach durch Ausspülen mit kochendem Wasser. bei Tongefäßen ist dies kaum zu bewerkstelligen, weil der Ton zu porös ist. Wenn also eine Hausfrau im MA auf den Gedanken gekommen wär, die Apfelsaftausbeute zu kochen und in Flaschen zu füllen, wäre sie gescheitert, weil das Gefäß nicht steril zu kriegen war.
 
Diese "Gärungskeime" nennen sich Hefebakterien ;) Selbige sind aber sicher nicht dafür verantwortlich, dass eine Speise verdirbt.
 
Ich weiß, wie die "Gärungskeime" heißen. Die Leute früher wussten es aber nicht, deshalb steh's in Gänsefüßchen. Weil es eben eine Imschreibung des eigentlichen Begriffes ist. Der eigentliche Verderb wird durch unterschiedlichste Mikroorganismen ausgelöst. Das ist aber fürs prinzip der Pasteurisierung unerheblich, da auch von deren Existenz die Menschen nichts wussten und auch ihre Vermehrung in der Flüssigkeit durch das Kochen verhindert wird. Von daher kann man das Prinzip der Pasteurisierung sehr gut an der Gärung (bzw. nicht erfolgenden Gärung) zeigen. Genau das tat Pasteur.
 
Es ist tendenziell davon auszugehen dass Obst nur gegessen oder zu Weinen weiterverarbeitet wurde. Im Allgemeinen wurden Weine allerdings auch schon wesentlich früher getrunken als heute üblich. Das ist etwa vergleichbar mit heutigem Federweißer, der ist anfangs auch süß, wird im Laufe der zeit immer saurer, bis er irgendwann schmeckt wie Desinfektionsmittel und nach einer weiteren Weile wird er irgendwann wieder genießbar und wir nennen ihn Wein. Selbstverständlich hätte man Saft auch pasteurisieren können, aber das hätte am Ende nur alles schlimmer gemacht. Die Hefe die für die Vergärung notwendig ist, befindet sich schon auf der Frucht die vergoren werden soll. Pasteurisiert man den Saft, ist diese Hefe fürs erste tot. Und nun kommt eben dazu, dass man früher, wie Morgan richtig bemerkt hat, Gefäße schlecht sterilisieren und abdichten konnte. Der süße Saft ist nun einer Vielzahl Mikroorganismen hilflos ausgesetzt, das kann im besten Fall eine andere Hefe sein, in weniger guten Fällen stirbst du am Ergebnis. Wichtig für die mikrobiologische Stabilität eines Getränkes ist vor Allem der pH-Wert, dieser muss unter 4,5 liegen. Bei sehr süßen und säurearmen Früchten ist das nicht unbedingt gegeben, der perfekte Nährboden für Mikroorganismen, der Zucker ist auch die perfekte Nahrung. Hefe ist nun allerdings ein furchtbar dominanter Organismus. Das geht so weit, dass man seine Gärbottiche garnicht unbedingt putzen muss, man lässt den Bodensatz einfach drin und gießt wieder Saft nach, dann verläuft die nächste Gärung noch viel besser. Natürlich ist Alkohol ein Gift, weswegen ab einer bestimmten Konzentration auch die Hefe stirbt. Diese Konzentration ist nun allerdings so hoch, dass auch andere Mikroorganismen nicht überleben können. Für uns als Menschen ist eine 2-14%ige Alkohollösung allerdings nicht tödlich, da wir nicht darin leben, sondern nur ein wenig davon trinken. Das wusste damals selbstverständlich alles niemand. Man hat Saft gepresst, der Saft hat angefangen zu blubbern und man ist nichtmal davon gestorben wenn man ihn erst zwei Jahre später trinkt. Wein ist also ein Getränk, das man sich in den Keller stellen kann. Wasser oder Milch lassen sich dagegen nicht lagern, weil der pH-Wert einfach zu hoch ist. Hefe war im Mittelalter etwas göttliches, man kannte es nicht, aber aus irgendeinem Grund wurden Säfte haltbar und lecker, wenn man sie nur stehen ließ. Das muss also heißen, dass Gott möchte, dass du immer etwas zu trinken hast. Honigwasser ließe sich übrigens gut lagern weil antiseptisch, allerdings gehören Bienen mitsamt dem Wald dem König und für den wurde das Honigwasser wohl eher extra in gebrauchte Bierfässer gefüllt damit es trotzdem gärt. Sogar Fencheltee wurde vergoren. Also zur ursprünglichen frage: Ja, immer vergoren, es sei denn, der Saft ist wirklich frisch aus der Presse. Fürs Reenactment hieße das also, Säfte aus saisonalen Früchten wären OK, aber ganz ehrlich, welcher Besucher schnüffelt denn bitte in deinen Becher? Am geschichtsnähesten wäre es dennoch, den ganzen Tag auf Pegel zu sein.
 

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