Bundschuhe im Mittelalter? Warum nicht?

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BernarddeNoyer

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Ich wollte mal ein paar Meinungen zu Bundschuhen hören. Wie ich im Anfängerfred gelesen habe, gehen Bundschuhe nur für eine kleine Zeitspanne im MA. Da ich als Zweitdarstellung noch als Jakobit im 18. Jahrhundert herumturne, habe ich mich outfittechnisch von einem schottischen Reenactor beraten lassen. Die niedereren Stände trugen demzufolge damals die sog. Ghillie Brogues, die zumeist aus Rohhaut gefertigt waren. Siehe Bild unter: http://www.spencersmercantile.com/Sewing patterns/Smoke & Fire/SF Brogues lg.jpg Wie erklärt Ihr euch, dass sich in einem kleinen Teil Europas die Bundschuhe bis ins 18./19. Jahrhundert erhalten haben, aber im restlichen Europa sollen sie schon ca. 1000 Jahre vorher nicht mehr getragen worden sein? Ich hoffe auf Erleuchtung Eurerseits. ?( LG
 
Ich kenne die Bundschuhe bisher nur für die Eisenzeit (insbesonders Hallstadt) und habe Gerüchte über die Verwendung in Nordeuropa während der Vendelzeit vernommen. Erklären tu' ich mir das gar nicht. Die tauchen im Fundgut des Mittelalters einfach nicht auf, sehr wohl aber andere Schuhformen, die davor nicht aufgetaucht sind. Ein Beispiel für das Wiederauftauchen von Konstruktionsweisen die für mehrere Jahrhunderte ausser Gebrauch waren sind die Blockhäuser in Nordamerika. Der Alpenraum wurde mit dieser Bauweise erschlossen, die in ganz Europa verbreitet war. Im Mittelalter hat man dann aufgehört so zu bauen (bis auf Almhütten) und bei der Besiedelung des neu entdeckten Kontinents taucht diese Bauart plötzlich wieder auf und ist in weiten Teilen des Landes die dominierende Bauart.
 
Erklären tu' ich mir das gar nicht. Die tauchen im Fundgut des Mittelalters einfach nicht auf, sehr wohl aber andere Schuhformen, die davor nicht aufgetaucht sind.
Sehr richtiger Satz, wenn es gar keine Funde gäbe, würd ich sagen, sie sind einfach nicht erhalten geblieben, aber wir reden hier von aberhunderten Schuhfragmenten in ganz Europa, die keinen einzigen Bundschuh, sehr wohl aber viele wendegenähte Lederschuhe beinhalten. Man kann hier leider nicht rückschließen, gerade in so entfernten, einsamen Gegenden von Europa hielten sich viele Dinge länger, habe gehört dass man dort bis ins Mittelalter noch Peplos trug. Ich würde dafür einen höchstwissenschaftlichen Begriff verwenden: Arsch der Welt :D
 
Also oft haben bestimmte Dinge auch einfach andere Namen bekommen. Wenn sie dann auftauchen im fundgut und anders genannt werden, findet man sie einfach nicht mehr. So liegen zum Beispiel im waldenburger HeimatMuseum ein paar bundschuhe. Diese sollen aus der Region stammen und wenn ich nicht irre aus dem 12 sein. Ob das aber stimmt lässt sich schwer überprüfen, da es eine alte privatsammlung ist. Aber auch andere Gegenstände tauchen im fundgut gar nicht auf, dafür aber in ausführlichen Beschreibungen. So zum Beispiel eine bestimmte Form des kürass. Diese wird von Eschenbach zwar ausführlich beschrieben, aber wirklich erhalten sind sie aber deutlich später. Willst Du also auf der sicheren Seite sein halte dich an das was man vorliegen hat.trotzdem sollte man sich mal etwas locker machen und viele Dinge nicht einfach ausschließen. Ich bezweifle nämlich stark, das es hier im Forum jemand gibt, der alle Schuh Funde Europas kennt und zur Hand hat.
 
Nein, sicher hat niemand alle Schuhfunde Europas in Übersicht zu Hause, aber ein Überblick über viele, viele Schuhfunde in ganz Europa besagt dass man sehr viele verschiedene Schuhformen gefunden hat ... Nur eben bisher keine, die den handelsüblichen Bundschuhen entspricht.
 
Im Übergang Antike in FrüMi gibt es sehr wohl Funde, aber das ist wohl nicht das Mittelalter, das ihr meint :whistling: ... - der Mann von Obenaltendorf 3. Jahrhundert Kehdinger Moor bei Cuxhaven ( ähnliche Schuhe trage ich für meine Varisker-Darstellung ) oder der Bundschuh von Uetersen und auch für Damen : - Amcotts Moor Woman , Moorleiche in die späte Römische Kaiserzeit, etwa um 300 n. Chr, Lincolnshire England ... und sicher noch viele mehr ... :bye01
 
Bundschuhfunde 6 Jhd. H.Dannheimer, "Auf den Spuren der Bajuwaren", Ludwig Verlag 1987 ISBN 3-7787-2089-9
 
Einen sehr guten Überblick über die Schuhmode nicht nur im Mittelalter bietet auch Olaf Gaubitz, "Stepping through time". Das müssste so ziemlich das umfassenste Werk sein. Auch dort könnte ich mich nicht erinnern Bundschuhe in die Zeit des Mittelalters eingeordnet gesehen zu haben. Und wie Rotschopf schon schrieb, bei der großen Anzahl an Schuhfunden wäre es schon merkwürdig, wenn sämtliche Bundschuhe verschwunden wären, aber alles andere erhalten geblieben.
 
Man sollte bei dieser Überlegung von der klassischen "Römersandale" vielleicht weg gehen. In der Geschichte tauchen immer wieder Schuhe auf die als Bundschuhe bezeichnet werden. Ein Beispiel dafür ist die Bundschuhbewegung aus dem 15. und 16.Jh. Wenn man so an die Sache rangeht vielleicht findet man da eher eine Verbindung. Es könnte aber auch eine einfache Modeerscheinung sei, weil man etwas aus der Vergangenheit wieder gut, praktisch und günstig fand.
 
Schuhe aus Rohhaut stelle ich mir ziemlich unbequem vor. Kann der schottische Reenactor keine eindeutigeren Quellen benennen als dieses Foto? Es gibt auch einen Fund, ich meine sogar aus dem 11., könnte aber auch ein wenig früher sein, bei dem ein "Lederstück" mittels binden auf dem Füßrücken verschlossen wird. Komplett andere Form, aber halt auch das "Bindesytem". Ich weiß leider gerade keine Quelle dazu (ich weiß, weiter oben frage ich nach Quellen). Lieben Gruß Ollie
 
...war es nich in Oberflacht in einem Frauengrab? (6. Jhdt.)
 
Funde zu den einfachen BS gibt´s also nicht... der Bundschuh der gleichnamigen Bewegung war ein wendegenähter Schuh. Spannend bei Tante Wiki: Ein bereits 1423 dokumentierter Familienname "Bundschuh"... also müssen Bundschuhe bekannt gewesen sein. da die Familiennamenbildung erst mit Aufkommen der Städte begann (mit Übernamen, Berufsnamen, Ortsnamen, Herkunfstnamen... zum bis dato ausreichenden Rufnamen), könnte man hingeheimnissen: Es gab Bundschuhe im Mittelalter. Ob die so aussahen, wie auf dem verlinkten Bild im Post Nr.1???
 
Ja, soar mein Zahnarzt heißt Bundschuh. Da die Nachnamen ja jüngeren Datums sind, denke ich auch es müsste den Bundschuh sehr lange gegeben haben. Der Hintergrund meiner Frage ist eigentlich der, dass bei uns in der Gruppe viele Kinder sind und so ein Bundschuh ist doch recht schnell und günstig hergestellt. Reicht doch schon, dass ich mir die Finger beim nähen der Wendeschuhe für die Erwachsenen am Schusterdraht verschandele. Und je größer ein Wendeschuh um so leichter lässt er sich drehen.
 
Schuhe aus Rohhaut stelle ich mir ziemlich unbequem vor. Kann der schottische Reenactor keine eindeutigeren Quellen benennen als dieses Foto?
Ich werde Ihn auf jeden Fall nochmal dazu kontaktieren. Aber wenn Du dir die heutigen Ghillie Brogues, die zum Kilt getragen werden anschaust, wirst Du erkennen, dass die aus dem Bundschuh/Ghillie Brogue hervorgegangen sind. http://www.google.de/imgres?imgurl=...JOKi0QXrrIDAAg&sqi=2&ved=0CFQQ9QEwAA&dur=4164 Sobald ich Antwort von John Roy habe werde ich sie hier posten. LG
 
naja...wenn man es mal ganz naiv betrachtet, könnte mit "bundschuh" als bezeichnung auch einfach nur ein "zugebundener" schuh gemeint sein...oder? im sinne eines "schnürschuh`s "......und da gibbet ja auch zig verschiedene varianten..... ich trage für anfang 14. z.b. flache schuhe die mit ner schnalle verschlossen sind, parallel gibt's für die zeit aber auch knebelknöpfe und schnürvarianten.... ich würde mich da auch eher an die aktuell bekannte fundlage halten, wie oben schon mehrfach erläutert, und den (sog.) Bundschuh fürs mittelalter eher als verschlussvarianten einordnen......
 
naja...wenn man es mal ganz naiv betrachtet, könnte mit "bundschuh" als bezeichnung auch einfach nur ein "zugebundener" schuh gemeint sein...oder? im sinne eines "schnürschuh`s "......und da gibbet ja auch zig verschiedene varianten.....
das fände ich auch weit plausibler. Nur weil jemand in der Moderne Bundschuh heißt, bedeutet das nicht, dass der Name mit Bundschuhen im heutigen Sinn in Verbindung stand. Sehr viele Schuhe werden gebunden und geschnürt. Gerade im Spätmittelalter gibt es viele Varianten mit Schnürungen, Riemen etc.
 
Ganz nebenbei: Was haltet Ihr von Bundschuhen für Kinder um 1200. Wie gesagt, diese sind schnell und günstig angefertigt und die Kinder verwachsen die Dinger halt recht schnell. Ich spreche jetzt nicht von meinen eigenen, die tragen bereits Wendeschuhe, weil ausgewachsen. Darf man da Abstriche machen? Oder gilt man dann gleich als GroMi?
 
Aber wenn Du dir die heutigen Ghillie Brogues, die zum Kilt getragen werden anschaust, wirst Du erkennen, dass die aus dem Bundschuh/Ghillie Brogue hervorgegangen sind.
Der Turnschuh den ich gerade anhabe ist auch so geschnürt. Trotzdem würde ich ihn nicht als Weiterentwicklung des eisenzeitlichen Bundschuhs sehen sondern einfach mal davon ausgehen, dass eine solche Schnürung nun mal eine gute Möglichkeit ist, einen Schuh an den Fuß anzupassen. Manchmal ist eine gute Schnürung einfach nur eine gute Schnürung und braucht keine lückenlose 2000jährige Ahnenreihe. Ohne Fundkette einer solchen "Ahnenreihe" ist ein solchen "Hervorgehen" nur ein Verdacht. Wobei das Fehlen von Funden ja kein Beweis für die Nichtexistenz ist, sondern nur fürs Nichtgefundenhaben. Hat sich eigentlich schon mal jemand den Spass erlaubt und eine Statistikrechnung mit Wahrscheinlichkeitsbewertung auf Funde angewendet? In den Naturwissenschaften macht man das ja auch dauernd (in der Chemie und beim Wetter immer) - dann könnte man auf Basis der bisherigen Funde auch sagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmter Gegenstand für eine bestimmte Zeit/Region auftauchen kann. :D Zur Namensableitung: Kann sich der Familienname auch von gefärbten Schuhen ableiten - also "Buntschuh" als besonderes Merkmal gemeint gewesen sein? Oder gar beides - ein gebundener bunter Schuh? Die Sprache geht ja zuweilen seltsame Wege, beispielsweise hat mein Herkunftsort ein Hendl im Wappen, weil die ortsunkundigen Schreiber des Kaisers "Höhendorf" als "Henndorf" notierten, weil's im Dialekt (den sie nicht kannten) gleich klingt...
 
Zur Namensableitung: Kann sich der Familienname auch von gefärbten Schuhen ableiten - also "Buntschuh" als besonderes Merkmal gemeint gewesen sein? Oder gar beides - ein gebundener bunter Schuh? Die Sprache geht ja zuweilen seltsame Wege,
absolut...
 

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