Dachbodenfund: ist das Flachs? Und wenn ja: was nun?

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Gerda

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Ich brauche mal das geübte Auge der Flachs-/LeinenspinnerInnen unter euch. Als der alte Bauernhof meiner Schwiegergroßeltern aufgelöst wurde, fand ich in einer Truhe auf dem Dachboden eine realtiv große Menge (mindestens 2kg) von etwas, was ich im dämmrigen Dachbodenlicht für Flachs oder Werg hielt. Ich konnte es in dem Moment nicht ans buchstäbliche Tageslicht zerren, bat aber meine Schwiegermutter, die Faser, was immer es auch genau sei, beim späteren Ausräumen für mich aufzubewahren, falls nicht gerade Motten oder Mäuse ein neues Zuhause darin gefunden hätten. Erstaunlicherweise ist das Zeug weder schimmelig noch von irgendwelchem Getier angefressen oder verschmutzt. Es ist staubig und voller kratziger Pflanzenteilchen, aber eigentlich in sehr gutem Zustand, wenn man bedenkt, dass es schätzungsweise schon seit knapp 100 jahren auf diesem Dachboden liegen könnte. Allerdings konnte ich immer noch nicht ganz ausmachen, worum es sich eigentlich handelt. Könnte sich wer das Foto angucken (die Stecknadel dient zum Größenvergleich) und mir sagen, ob es tatsächlich Flachs ist? Die einzelnen Fasern haben ungefähr die Dicke eines menschlichen (kräftigen) Haares, sind gelblich grau, sehr lang und haben sich teilweise zu dickeren Strähnen zusammengebündelt. Flachs? Angenommen, es ist Flachs: ich bin eine leidlich erfahrene Spinnerin, wenn es um Wolle geht, habe aber bisher nur einmal Leinen/Flachs verarbeitet, als gefärbten Kammzug. Die hier gefundene Faser ist wie gesagt nicht wirklich verschmutzt, aber staubig und teilweise mit Pflanzenteilen durchsetzt. Wenn ich das verspinnen will, wie bereite ich die Faser am besten vor? Ausschütteln und hoffen, dass das meiste an VM beim Spinnen raus fällt? Waschen? kardieren? Ich habe da so gar keine Erfahrungswerte. Vielleicht kann mir jemand von euch helfen! Vielen Dank Gerda
 
Sieht nach Flachs oder Hanf aus. Wenn die Fasern so um 60-80 cm lang sind sollte es Flachs sein. Die Faser ist, wenn sie trocken gelagert wird sehr haltbar, auch über mehrere hundert Jahre hinweg. So auf Deinem Bild scheint es sich nicht um Werk, sondern um die Langfasern zu handeln. Verarbeitung, wenn die holzigen Spelzen(Reste der Stengelhülle) noch in dem Flachs sind, muss er vor der Weiterverarbeitung gehechelt (ausgekämmt) werden. Dazu brauchst Du dann eigentlich eine Hechel. Schau mal auf unsere Homepage [url]http://www.dieblidenbauer.de/Frameset_Leinenherstellung.html[/url] (Quelle: www.die Blidenbauer.de) Spontan fällt mir dazu allerdings gerade kein Ersatz ein. Der gehechelten Flachs muss auf einen Rocken gebunden und kann dann versponnen werden.
 
Ah, Martina, auf dich hatte ich ein bisschen gehofft, ich habe eure Homepage nämlich schon mit großem Interesse gelesen :D Nee, ein Ersatz für eine Hechel würde mir auch nicht einfallen. Handkarden für Wolle sind ja nicht wirklich eine Option, oder? Da würde ich bei den langen Fasern auch lahme Arme kruegen. Na mal gucken, ob ich da vielleicht was basteln kann. Vielen Dank für deine Antwort!
 
Handkarden für Wolle sind ja nicht wirklich eine Option, oder?
Handkarden eher schlecht, vor allem da die Metallstifte gebogen sind. Spontan eine Drahtbürste irgendwo befestigen. Allerdings ist die Fläche der Bürste sehr klein und die Enden der Drahtstifte dürfen nicht mit Kunsstoff überzogen sein. Könnte vielleicht einen Versuch wert sein.
 
hm, also von der farbe her würd ich eher sagen hanf. die fasern sind auch recht lang und regelmäßig. man erkennt das meist auch am geruch. hanf riecht so ein bisschen nach verbranntem holz oder pferdeschweiß, säuerlich und ziemlich intensiv, flachs dagegen ist fast geruchslos bzw eher so wie heu.
 
Flachs schwankt farblich, hängt auch von der Röste ab; da gibt es von bis. Tauröste kann schon mal gelblich sein. Bei meinem Sohn kann ich immer wieder sehr schön das Flachsblond nachvollziehen http://www.dieblidenbauer.de/Galerie/Nienover2012/slides/P1040128.html (dieblidenbauer.de) ;) . Da muss man dann auch im Original sehen, da die Farben im Netz dunkler oder auch heller(wie auf meinem Bild) wiedergegeben werden. Länge der Fasern käme auch noch hin, wenn sie nicht viel länger sind, wie auf dem Bild zu erkennen.
 
Ich tippe auch eher auf Hanf. Mache einmal ein Stück nass und rieche daran. Wenn es dann sehr intensiv so riecht, wie Rotschopf es beschrieben hat, kann es fast nur Hanf sein. Hanf wurde/wird zum Abdichten von Verschraubungen der Wasserrohre und Wasserhähnen verwendet und gehört/e fast zur Standartausstattung von landwirtschaftlichen Betrieben.
 
Nägel durch ein Brett schlagen in einem schraubstock einspannen und los hecheln. Oder schleudern daraus flechten.
 
Vielen Dank für eure Antworten! Nachdem ich die fragliche Faser gestern Abend langwierig gewogen, langgezogen, untersucht und im trockenen und nassen Zustand berochen habe (*haptschi*) kam der Mann an meiner Seite dann auf die naheliegende Idee: "Frag doch mal Oma, ob die noch weiß, was das sein kann!" :kopfhau Hätte man drauf kommen können. Oma ist sich sicher, dass es Flachs ist. Aus der Familie des dazugehörigen Opas. Da dessen Mutter schon kein Leinen mehr gesponnen hat, muss es also mindestens von deren Mutter sein und damit locker über 100 Jahre alt. Omas Diagnose deckt sich zumindest mit der Geruchsprobe: trocken riecht es nach Dachboden und hundert jahre altem Staub :D Nass riecht es gar nicht, bzw etwa nach nassem hundertjährigem Staub. Aber keinesfalls so intensiv wie hier beschrieben. Aber ganz interessant war es doch. Ich habe zum ersten Mal die ganze Menge aus der Tüte gehoben, um mal zu wiegen, wievie ich da eigentlich habe und habe folgendes herausgefunden: - es sind über 4 Kilo 8| - jeweils in Bündeln zu ca 230-300g. FlachsbündelDas waren vielleicht mal Zöpfe o.ä., die über die Genrationen etwas ihre Form verloren haben, aber es ist noch erkenntlich, wo sie zusammengedreht worden sind. Flachszopf 1 Flachszopf 2 - der Dreck, der sich darin noch findet sind wohl weniger Spelzen vom Flachs als viel mehr ganz profaner Dachbodendreck bzw der Bodensatz der Truhe. "Dreckanalyse" Neben kleinen Putzbröckchen, Staub und Sand habe ich auch kleinste Papierfetzen gefunden. Liegt wohl wirklich schon ne Weile da ;-) Zeitzeugnis - die Farben und Haptik der einzelnen Stränge unterscheidet sich teilweise. Hier mal links ein hellerer und weicherer Strang, daneben ein gelblicherer, der sich auch gröber anfasst. unterschiedliche Flachsqualitäten Jetzt überlege ich, wie ich das am besten verwende. Martina gab ja den Tip mit dem Hecheln. Aber ich bin mir jetzt unsicher, ob ich damit nicht verschlimmbessere: In den einzelnen Bündeln liegen die Fasern schon allergrößtenteils in eine Richtung und waren ja zu diesen Schlaufen gedreht. Ich lese das als Hinweis darauf, dass die Faser schon gehechelt wurde und jetzt nachträglich durch die Lagerung wieder verschmutzt ist, oder? Ich habe jetzt die Befürchtung, dass, wenn ich die Bündel -auch noch sehr leienhaft- nochmal hechle, ich mit einem großen unordentlichen Haufen ohne Staub ende, wo vorher -mehr oder weniger- ordentliche Stränge mit Staub waren. Oder habe ich da ein ganz falsches Bild? Wie gesagt: ich habe noch nie Flachs verarbeitet, vielleicht ziehe ich da auch die falschen Schlüsse. Wenn mir noch mal jemand guten Rat geben könnte, wäre ich sehr dankbar!
 
Also falls der Flachs tatsächlich 100 Jahre alt ist, ist das zwar ein toller Fund, allerdings würd ich schaun, ob er überhaupt noch verarbeitet werden kann, über die Zeit können die Fasern da brüchig und spröde werden und sind vielleicht nicht mehr gut zu verarbeiten. Aber so vom Bild-Material her sieht das fertig zum Verspinnen aus, das musst du nicht mehr hecheln oder kardieren. Ich würd mal versuchen, sie einfach zu verspinnen und wenn er nicht bricht, Glückwunsch, das kostet sonst schon was, 4 kg Flachs zu kaufen und du hast das jetz umsonst :).
 
Im Gegensatz zu tierischen Fasern kann man Flachs tatsächlich auch nach so langer Zeit noch weiterverarbeiten. Ich habe hier selber über hundert Jahre alten Flachs liegen, super feine weiche Fasern, die leider mangels Zeit größten Teils immer noch auf das Verspinnen warten. Allerdings habe ich meinen kaufen müssen. Ansonsten verarbeite ich gerade Schwiegermamas alte Schätze, alte Leinenballen und ca. 20 alte Bettlaken, die alle noch handgesponnen, handgwebt und handgenäht von der Aussteuer ihrer Mutter stammen. Die Leinenlaken sind auch nach fast hundert Jahren und oft benutzt fast unkaputbar. Flachs ist einfach eine tolle Faser. Wenn Du den Flachs erneut hechelst, geht natürlich wieder einiges von den Fasern verloren, zumindest kannst Du den Ausschuss nur noch als Werk verarbeiten. Daher versuche mal, den Flachs vorsichtig aufzumachen, auszuschütteln und zu glätten. Es handelt sich übrigens tatsächlich um Spelzen, also die Bruchstücke der Stengelhülle. Wenn Du einen Rocken bindest, kann auch beim Spinnen noch einiges von der Hülle entfernt werden. Eigentlich sind die "guten" Fasern, zu denen auch meine alten Flachszöpfe gehören ohne Spelzen. Von daher hast Du dort wahrscheinlich gröberes Material, oder es wurde noch nicht durch die feine Hechel gezogen. Häufig hat man nämlich erst eine grobe und dann eine feine Hechel genommen. Der hellere feinere Flachs links auf dem Bild scheint mir allerdings schon besser verarbeitet.
 
Ja, ein klasse Fund, oder? 8o Nicht nur wegen der Geldersparnis, sondern auch, weil es einen Bezug zur Familie hat (also zu seiner, nicht zu meiner, aber da werde ich jetzt nicht kleinlich :D ) Ich konnte es natürlich nicht abwarten und habe mal eine halbe Handvoll aus einem Bündel gezupft, grob auf dem Balkon ausgeschüttelt (falls ihr euch über größere Staubwolken über Berlin-Neukölln gewundert habt: das war dann wohl ich :D ) und fix versucht, es mit einer Handspindel zu verspinnen. Das ging erstaunlich gut! Vom Wolle spinnen bin ich ja so lange Fasern nicht gewohnt, ich habe auf Anhieb einen sehr dünnen Faden hingekriegt. Noch etwas fusselig, aber ich hab ihn auch mit trockenen Fingern versponnen, nur um's mal auszuprobieren. Wie ich das dann genau mache, also mit dem Rad oder auf der Spindel, und wie ich mir das ganze zu einem Wocken binde, muss ich mir noch in Ruhe überlegen. Beim Wickeln zum Rocken muss ich die Zöpfe ja eh aufmachen, da wir noch mal einiges an Dreck rausfallen, denke ich. In John Seymoures "Das große Buch vom Leben auf dem Lande" gibt es irgendwo eine Anleitung, wie man einen Wocken bindet. Die werde ich mir dann wohl noch mal raussuchen
 
Edit: Martina, da haben wir uns überschnitten ;-) Aber wohl ähnliche Ideen geabt :)
 
Da warst Du schneller :D Aber super, dass es geklappt hat. da wünsche ich Dir viel Freude mit dem schönen Material! Wie man einen Wocken/Rocken bindet habe ich hier in einem Buch gut beschrieben. Wenn Du im Netz nichts findest, kopiere ich Dir das gerne (Kann nur mit dem Finden ein paar Tage dauern)
 
In John Seymoures "Das große Buch vom Leben auf dem Lande" gibt es irgendwo eine Anleitung, wie man einen Wocken bindet. Die werde ich mir dann wohl noch mal raussuchen
Das Buch habe ich hier. Ich habe das allerdings noch nie ausprobiert, daher weiß ich nicht, ob es eine gute Beschreibung ist. Wenn ich dran verzweifle, melde ich mich noch mal bei dir ;-) danke für das Angebot!
 

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