Schnittmuster Herrenbekleidung Ende 14. Jahrhundert gesucht

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LotlBotl

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Vielleicht stelle ich mich beim Suchen nur zu dumm an, aber ich habe hier im Forum jetzt kein Thema gefunden das mir weiterhilft. Da ich eventuell mit meiner Rüstung doch günstiger wegkomme als befürchtet, möchte ich mich nebenher auch an der passenden Zivilkleidung versuchen. Da mein neuer historischer Charakter von Jugend an bis 1380 mehrfach mit dem Kaiser durch Italien gezogen ist, möchte ich mich modisch auch gerne an Italien orientieren. Gut gefallen tut mir dabei die Kleidung die in dieser Bildquelle vorwiegend zu sehen ist: http://manuscriptminiatures.com/media/cache/manuscriptminiatures.com/original/124-73_large.jpg (gefunden auf manuscriptminiatures.com) Das sieht zwar verdächtig nach Kapuzensweatshirts aus, ist aber sicherlich eine farblich passende Kombination aus einer zugeknöpften Jacke und einer Gugel mit Gollerketten bzw eher Bändern. Dazu Enge Beinlinge oder doch schon eine frühe Hose? Eine Gugel krieg ich hin, auch in der Optik. Bleiben aber immernoch die Jacke und die Beinkleider. Dass die Jacke Cotehardie heißt habe ich inzwischen rausgefunden und dass sie wie mein neuer Gambeson an den Ärmeln geschnürt oder geknöpft wird um eng am Unterarm anzuliegen auch. Die Ärmel müssen also mit Armkugel und Naht hinten gefertigt werden, das habe ich bei einer Cotte schonmal gemacht. Aber wie bringe ich den Torso auf Passform? Mit einem vierteiligen Aufbau mit Rückennaht vielleicht? Hat dazu vielleicht irgendwer ein Schnittmuster das er mir zur Verfügung stellen könnte? Die Beinkleider sind auch ein Problem. Ist das schon eine Hose oder sind das noch Beinlinge? Wie weit gehen die hoch und wie werden sie oben befestigt? Ich hatte mit einem Ähnlichen Schnitt wie für Trachtenlederhosen geliebäugelt, also oben geschnürt und dann mit Schamlatz vornen verschlossen. Wäre das vertretbar? Bin für jede Hilfe diesbezüglich dankbar
 
Hmmmm ... waren im 14. nicht noch Beinlinge aktuell. Kenn mich da nicht so aus, aber ich glaube schon. Obwohl das hier doch ziemlich nach Hose aussieht, da das "Jäckchen" ja doch ziemlich kurz ist. Vielleicht ist es aber auch künstlerische Freiheit, die die Kleidung viel enger dargestellt hat, als sie denn wirklich war? Ansonsten frag mal Firiel oder Rotschopf und ihre Truppe, das sind doch hier DIE Spezialisten für das 14. Jahrhundert
 
Hier ein Originalschnitt der dazu passt: http://www.personal.utulsa.edu/~marc-carlson/cloth/blois.html Die Gugeln sind vermutlich mit schulterriemen http://deventerburgerscap.blogspot.co.at/2014/10/a-tight-fitting-hood-with-armpit-straps.html diese form der lappenärmel hab ich aber auch noch nicht gesehn. Sieht so aus, als wären die an der Gugel angemacht. In der Zeit sind wir glaubich noch ganz knapp mit Beinlingen dabei, die gehen klarerweise bis ganz oben und werden dann auch am pourpoint/cotehardie festgemacht. Besonders wichtig ist, dass deine Buchse schmal ist, also keine Boxershorts mehr sondern sehr schmal und kurz ohne großen umschlag oben und nur noch mit bändel im tunnelzug. Übrigens wirst du in der Zeit etwas für drunter brauchen, also entweder du benutzt ein stark gefüttertes oberteil, das du in der Taille per Schnürung zuerst zuziehst und dann drüber knöpfe wie bei einer winterjacke quasi, 2 verschlussschichten oder ein separates taillenmieder, in jedem fall muss die Taille reduziert werden. Ich würd mich da auf jeden Fall mal an Herren aus der Darstellung richten, wie die das lösen, denn dazu gibts glaubich keine ausreichende Belegslage
 
Erstmal Danke an Lisabeth für den Expertenstatus! Und dann das was in solchen Fällen am hilfreichsten ist: Experten die sich deutlich widersprechen! ;-) Die Mode zu der gewünschten Zeit ist eine sehr schwierige, weil man so gut wie nie die Unterkonstruktionen sieht. man kann aber davon ausgehen, dass man die Beinlinge NICHT am Pourpoint/Schecke/Rock festgemacht hat. Das geht technisch gar nicht, da der Rock ja bis an die Schenkel geht. Viel mehr trug man darunter schon das Wams, an dem man die bis zur Taillie gehenden "hosen" annestelte. Die bruoch war schon recht eng und auch in der Länge stark reduziert, ähnelte aber immer noch (auf den meisten Bildern zu mindestens) einer eng anliegenden kurzen Leinenhose. Während die 2 Hosen nämlich bereits das ganze Bein bedecken, bleibt der Schritt noch frei. Trotzdem ähnelt die Mode bereits deutlich mehr der Mode des 15. als noch des 13.. Man trägt also: Brouch aus Leinen ähnlicher einer modernen "pant", alo kurz und eng. Ein kurzes Hemd aus Leinen kam dazu, darüber dann ein körperformendes Wams aus Leinen an dessen Unterkante man die Hosen annesteln konnte die bis zur Hüfte und in den Schritt hinaufgingen. Darüber dann die Schecke/Pourpoint/.. also den Rock.
 
Vielen Dank für die guten Hinweise! Fürs Bloßfechten plane ich nämlich auch eine Klamotte zu der Zeit und kann es daher ebenfalls gebrauchen. Was das das Annesteln der "Hosen" betrifft: Sind da auf dem verlinkten Schnittmuster nicht Nestellöcher an den Schößen eingezeichnet? Ich habe das schon mal gesehen, dass die Schnüre in Taillenhöhe innen angesetzt waren und die Schöße diese dann überdecken und somit "unsichtbar" machen. Einen Beleg habe ich dafür aber noch icht gefunden. Die Zeichnung würde aber sprechen.
 
Das Problem an dem verlinkten Schnittmuster ist vielleicht auch, dass das ein Rüstwams ist. Der Schnitt mag also der selbe sein und mir damit auch definitiv weiterhelfen, die Nestelschnüre könnten aber für etwas ganz anderes gedacht sein, zum Beispiel für die Oberschenkelpanzerung, die ja doch mehr wiegt als Beinlinge, aber noch einen separaten Schließmechanismus hat. Und soweit ich weiß gilt genau dieses Rüstwams als der absolute Höhepunkt des hauteng zuschneidens, aber nicht als körperformend. Wobei körperformend ja wieder das Gewicht der Rüstung mit auf die Hüfte verteilt, was insgesamt den Rücken entlasten würde. Ich denke bei vielen Bildquellen aus der Zeit auch immer eher an die Kirche des Bizeps, das sieht teilweise aus wie Bodybuilder in Kapuzensweatshirts, was bei Rittern vielleicht ein garnicht so abwegiger Gedanke wäre. Das einzige Bild das ich kenne auf dem eine geeignete Unterkonstruktion zu sehen ist zeigt eine breite Leibbinde über dem Unterhemd an dem eventuell auch die klassischen Beinlinge angenestelt sind, man könnte es auch für einen Gewichthebergürtel halten(womit wir wieder bei der Kirche des Bizeps wären). Dieser Gürtel sitzt sogar exakt an der Stelle, an der die aufgeknöpfte Jacke tailliert ist, allerdings ist das Gemälde erst von 1411. Mit so etwas könnte man allerdings auch die Beinlinge sehr hoch ziehen, wodurch der von Ewaldt angesprochene Effekt eintreten würde. Außerdem fällt mir noch eine englische Schriftquelle aus dem Jahr 1387 ein in der vermutlich von Schamlatzen in MiParti die Rede ist, durch die sich die ganze Männlichkeit abzeichnet, was den Autor ziemlich aufregt. Halt leider England. Wenn in Deutschen oder italienischen Bildquellen um 1380 mal ein Hintern zu sehen ist dann oft in der gleichen Farbe wie die Beine, das heißt aber nicht dass die Beinlinge hinten zusammengenäht sein müssen, aber vielleicht gehen sie zumindest bis ganz hinten rum? Jetzt frage ich mich also, wie konstruiere ich am besten den oberen Teil der Beinlinge? Ist es legitim hierfür eine alte Jeans aufzuschneiden? Und wo kommt die Naht hin, innen oder hinten? Ob nun Wams oder Gürtel, um eine Taillierung zu erreichen muss dieses Kleidungsstück doch nicht dehnbar sein und mit Schnürung auf Zug verschlossen werden, also aus Leinen? Die Bruche hätte ich spontan der Art des Beinkleids angepasst, wie das Unterhemd in der Länge ja dem Oberhemd angepasst werden muss. Also Wickelbruche für die klassischen Beinlinge mit Windelhintern, für Hohe Beinlinge Boxershortsschnitt und für zusammengefügte Beinlinge bzw frühe Hosen in Slip Form. Ist der Gedanke so richtig? Bei diesen Fellstreifen an der Schulter gehe ich eigentlich davon aus, dass sie zur Gugel gehören, weil sie aus dem gleichen Material bestehen wie die Befestigung unter den Armen. In der Bildquelle werden Gugeln mit und ohne solche Streifen gezeigt, welche Bedeutung sie haben ist mir allerdings nicht klar. Wenn man von reinem modischem Schnickschnack ausgehen kann würde ich sie vermutlich eher weglassen. Die Gugeln haben teilweise Knöpfe, die Bänder unter dem Arm sehen aber eher fest aus, ich vermute mal dass sich das so gut an und ausziehen lassen dürfte?
 
Oh du hast da eine bildquelle zu dem herrenmieder?? Die würd mich brennend interessiern! Kenn da auch nur reenactortheorien dazu. Würdest du mir die raussuchen? Was den modischen schnickschnack angeht,grade der macht die klamotte ja typisch italienisch.ohne diese lappen und die spezielle gugelform ist die klamotte genauso auch für england,frankreich oder böhmen zu gebrauchen. Ich würd das auf jeden fall so einbaun. und zivilkleidung darf ja auch mal etwas unpraktischer sein.
 
Habs auf dem PC gefunden. [url]http://fs2.directupload.net/images/150104/p959jx8v.jpg [/url] Der Trunkenbold ungefähr in der Bildmitte. Was genau das jetzt wirklich ist weiß ich nicht, aber es sieht eben aus wie ein breiter Stoffgürtel(ist beige wie das Unterhemd) und es hängen zwei Beutel dran. Die Positionierung könnte jedenfalls passen, wenn man von der Benutzung von Miedern ausgeht.
 
interessantes bild, in jeder hinsicht, find auch die handwerksabbildungen super und die marktszenen drauf. Also ich glaub, wenn man das Mieder als separaten Teil rekonstruiert, würd ich es auch eher als breiten gürtel rekonstruieren, nicht zu hoch, 2 oder 3 Lagen Leinen, ordentlich abgesteppt für mehr halt und mit schnürverschluss seitlich oder vorne, eventuell sogar mit seitlicher taillierung im schnitt. das verhindert, dass sich das ding irgendwann vertikal zusammenknüllt und zu drücken anfängt.
 
Ich finde den Aufbau etwas merkwürdig für Zivilkleidung. Zum Einen wegen diesen eingenähten Nestelschnüren, die einen Zweck haben müssen, jedoch, wie Niklas sagt, nicht unbedingt geeignet scheinen normale Beinlinge dort anzunesteln. Zum Anderen aber die verschiedenen Schichten aus Seide und Rohbaumwolle, die für Zivilkleidung meiner persönlichen Meinung nach etwas übertrieben wären, allerdings auch den meisten Quellen für Textilpanzer verschiedener Regionen und Zeiten entsprechen, also den geforderten Schutz bieten würden. Rein von der Optik her könnte es natürlich beides sein, da gibts für zivil und militärisch Bildquellen.
 
naja pourpoint im sinne von gestepptem kleidungsstück sagt ja per se nichts über die funktion. Die Nestelfunktion am Stück von Blois sitzen genau da wo ich Beinlinge enden lassen würde zu der zeit. Die sitzen ja nicht am unteren Saum. Der "pourpoint" de Blois ist funktionell durchaus ein Wams. Zu etwaiger Trageweise als Sichtkleidungsstück mag sich jeder selbst Gedanken machen. Also Seide und Schichtung ist übertrieben für zivil aber militärisch passend? Das ist, mit Verlaub, Unsinn. Die Schichtungen dienen ja gerade erst der Körpermodellierung, die mit dem de blois Schnitt ganz hervorragend funktioniert, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann als 110 Kg Mann der sich und seinem 90 kg Bruder wunderbar gotische Taillen modelliert hat dadurch ;) Davon abgesehen, zu aufwändig kann es für die Elite des fanzösischen Adels aus Blois oder dem Hause Valois gar nicht sein. Das Militärische Wämser zu dieser Zeit durchaus gleich/ähnlich konstruiert waren tut ja nichts zur Sache, jedoch finden sich am de Blois Stück ja besispielsweise keinerlei nachweise für nestelmöglichkeiten des armzeugs (zeitlich deutlich später: http://s444.photobucket.com/user/mkbergstrom/media/WMA and History/Arming Coat/1435-1445KingSyphaxfol2825vIstitutoalGabinettoRome.jpg.html?sort=3&o=6). Eine evtl. militärische Verwendung prunkvoller Steppwämser möchte ich nicht ausschließen, aber beim de blois Stück unkritisch von einem zu sprechen halte ich für gewagt
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo LotlBotl, ich habe dir hier auch noch mal ein paar Schnittmuster verlinkt. Auch die Trageweise kann man in zahlreichen Fotos ganz gut sehen. Laut Übersetzung sollen die Schnitte aus den "späten 1300 tern sein", müsste also passen. Einfach mal durchklicken: http://www.alternaliv.se/histvarld/draekter/1300bskytt/1300_bskytt_skjorta.html http://www.alternaliv.se/histvarld/draekter/1300sladel/1300sladel_pourpointoskjorta.html Übersicht: http://www.alternaliv.se/histvarld/draekter/draekter.html (Quelle Historiska Världar)
 
von Junningen, wenn das nicht zu unverschämt ist, kannst du uns das mal zeigen mit dem Taillenreduzieren, ich hab bis jetzt immer nur Bilder von eingeschnürten Herren gesehen, nicht wirklich den Unterschied, den man erreichen kann und so ein paar Erfahrungen fänd ich auch höchst interessant, wies so is mit Drücken und der Vertikalversteifung und so. Ich kenn mich mit Damenkorsetts ganz gut aus, aber bei so alten Modellen und dann auch noch Herren, das interessiert mich brennend.
 
der de blois modelliert ja weniger durch einschnüren als durch auspolstern. Hatte vorher noch keine erfahrung mit abgesteppten, ausgepolsterten Stücken, aber sofern man(n) keine absolute Hühnerbrust hat, wirkt die ausgepolsterte Brust extrem gut. Natürlich muss man da das idealisierte ideal kritisch im Hinterkopf behalten. Bei vermeintlich extrem gewichtigen Herren wie beispielsweise derer von erbach kann die Silouhette wohl verändert werden und dem modischen Ideal angepasst, aber nciht in einem korsett-sinn zusammengeschnürt und in gänzlich form gepresst werden. ein wirklich stark übergewichtiger wird das auch blieben nur in der gänze der Sanduhrform entsprechen.(Konrad von Erbach z.B. :D) Auch wenn cih die Korsett idee reizvoll finde, weißt dui noch anhand welcher Anhaltspunkte die Diskussion verlief, oder tatsächlich eine reine Überlegung zwecks der Silhouette? also ich habe mit maßen von 112 110 110 sicherlich keine optimalen voraussetzungen aber über eine ausgeposlterte Brust und die nach dem de blois schnitt ausgestellte taillen partie kommt man dann doch euf eine zufriedenstellende Sanduhrform
 
also ich denk in der zeit kann man definitiv noch nicht von großartiger reduzierung sprechen, das stimmt, nur von einer "umformung, quasi das Schaffen einer Delle an genau der richtigen stelle. http://www.wintertreecrafts.com/images/sizing/armingclothes1.jpg So würde ich auch die Bilder aus der Zeit interpretieren, quasi die "Massen" nach oben und unten drücken. Das wäre bei Damenkorsetts heute zB der Zweck eines Taillenkorsetts bzw Unterbrustkorsetts. Nicht wegdrücken sondern nur formen. Man müsste ja nur das Bäuchlein und die Taille ein bisschen reindrücken, die Brust kommt so automatisch durch eine andere Haltung nach oben und die Hüfte wird breiter. Das Charles de Blois hat aber schon eine krasse Form, da ist ja direkt der raum unterm brustkorb weggedrückt. Mit einem viellagigen, richtig geschnittenen oberteil kann ich mir das schon gut vorstellen, dass man da mit ein bisschen Zug so einen Effekt erreichen kann (zumindest innerhalb bestimmter Kleidergrößen). Man sieht das zB auch bei Regency-Damenstays, die sind oft nicht arg verstärkt sondern nur mehrlagig und abgesteppt und bringen schon bemerkenswerte Effekte in der Formung.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Absolut. Wie gesagt meiner erfahrung nach genügt jedoch schon ein ordentlich gemachter Pourpoint mit Aufpolsterung an der richtigen Stelle für die nötige Modellierung. Die ärmellosen Westen ziehen sich ja nciht nur durch die spät 15. Szene sondern auch durch die spät 14. Allerdings sind mir nur Umzeichnungen eines Manuskripts bekannt die angeblich solche zeigen, die dann gerne genutzt werden zur Aufhängung von Beinlingen und Beinzeug. Das Originalmanuskript konnten mir diejenigen mit der Umzeichnung jedoch nciht zeigen, deshalb bin ich da skeptisch ob dieser Ärmellosen Westenvariante. Oder hast du da evtl. den ursprünglichen Beleg zu?
 

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