Fundlücke geschlosse: Lederne Beinlige aus dem 13. Jahrhundert

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Essem

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31141 Hildesheim
Bei Sicherungsarbeiten an alten Stollensystemen wurden in Niederpöbel (Sachsen) Beinlige aus Leder gefunden. Das Schnittmuster entspricht den gängigen Formen aus Stoff dieser Zeitstellung. An den beiden Befestigungslöcher für die Nestelschnüre wurden Gebrauchsspuren nachgewiesen die die mechanische Belastung in diesem Bereich belegen. Diese Beinlinge wurden ausgiebig getragen. Durch diese Löcher konnte eindeutig belegt werden das die Beinlige tatsächlich "Ledersen" sind und eben keine hohen Stiefel. Zeitlich datiert wurden die Ledersen in das letzte Viertel des 13. Jahrhunderts. Es sind bislang die einzigen Ledersen die während einer Grabung gefunden wurden. Die Ledersen sind 70cm hoch. Die Ferse weist eine Verstärkung auf, ähnlich wie bei Schuhen und Stiefeln dieser Zeit. Im Vorderfußbereich fand sich ein eingesetztes Vorderblatt. Leider wird auf die Sohle nicht näher eingegangen. Sie wurde nur in Fragmenten aufgefunden. Der Fund dieser Ledersen im Zusammenhang mit dem Bergbau sind momentan die ältesten Belege für Beinlinge eines Bergmannes. Es ist eindeutig Arbeitsbekleidung die auch eindeutig die Verwendung von Leder für Beinlinge belegt. Für die Ledersen werden in der Literatur neben Lederse auch die Begriffe Lersen oder Leerse verwendet. Archäologie in Deutschland 4/2015 S.46
 
Spannend ! Danke Dir. Aber das jetzt auf die breite Bevölkerung umlegen, würde ich nicht, eher auf Berufsbekleidung tippen.
 
Danke für die Information. Lederne Beinlinge im Bergbau erscheinen mir sehr sinnvoll. In den entsprechenden Regionen ist "Bergmann" eine interessante Darstellung. Habe noch nie einen gesehen, der das für die Zeit macht.
 
Ich habe die Darstellung Bergmann 13. Jahrhundert in der Planung. Schließlich liegt der Harz mit Goslar und dem Rammelsberg fast um die Ecke. Die Nachricht in der Fachzeitschrift kam genau richtig. Jetzt habe ich einen Punkt wo ich anfangen kann. Für die breite Bevölkerung waren sie mit ziemlicher Sicherheit nicht gemacht worden. Berufsbekleidung trifft es wohl genau.
 
Guck mal da gibt es noch was, sind 2 dicke Bände, da bemüht man am Besten die Fernleihe : http://www.amazon.de/Altenberg-Eine-Bergbausiedlung-Jahrhunderts-Siegerland/dp/3774928320 (Quelle Amazon) Ein ganzer Fundkomplex mit lauter ausgefallen Stücken wie etwa Wendeschuhe mit doppelten Sohlen, damit man auf den Leitern nicht wegrutscht, Gürteltasche für Naschwerk und einige Textilien. Einen der Stoffe aus dem Fundkomplex plane ich in Bälde nach zu weben. Wenn alles klappt kann ich den im Herbst in Minden vorstellen.
 
In der Sonderausstellung die noch in Hildesheim läuft sind auch ein Paar Fundstücke vom Rammelsberg ausgestellt. Ansonsten finde ich das eine sehr gute Idee. Besonders auch in Hinblick auf die Harzer Wasserkünste. Vielleicht hat ja auch das Bergwerksmuseum in Clausthal noch Material.
 
Nicht öffentlicht - das wäre mir aufgefallen Heinrich.
 
Clausthal im Harz, Bergbaumuseum, und das Museum von der Wasserwirtschaft. Allerdings ist das 4 Jahre her, das ich da war. Auch in Goslar (das Museum neben dem Zinnfigurenmuseum) ist nichts Textiles zu dieser Zeit. Im Museum neben der Kaiserpfalz war ich nicht drin.
 
Ja das erinnere ich genauso. Ich habe nachgesehen in der Sonderausstellung in Hildesheim sind u.a. eine Keilhaue (Halde d. 13ten Jh.) und ein Schuhfragment ausgesttellt. Beides Leihstücke der "Montanarchäologie Goslar". In Clausthal müsste gem. Katalog ein mittelalterlich datierter Frosch (Bergmannsgeleucht) aus einer Halde bei Nordhausen zu sehen sein. Allgemein sind sowohl das Schaubergwerk in Clausthal wie auch die Stollen in Goslar sehenswert. Diese Stollen sind natürlich nicht hochmittelalterlich aber für eine angedachte Bergmannsdarstellung auf jeden Fall ein guter Hintergrund. In Clausthal sehenswert ist für Textiler auf jeden Fall das Taufgewand eines Bergmannsjungen. Eine Komplette Montur für ein Kleinkind einschließlich Arschleder, Haue, Frosch etc. Leider erst 1702
 
Vorgeschrieben und doch was vergessen. Wedel ich würde mal Goslar und Clausthal anschreiben ob da noch was in den Arsenalen liegt und wad die für Deine Zeit so an Fundberichten haben.
 
Uff. Kleinkind im Bergbau! Ich wusste das ja, aber so etwas zu sehen, und dann vielleicht auch als Living History-Darstellung (ohne dass es niedlich aussieht, als ob man das nur zum Spaß so ausstatten würde) , das wäre doch sehr beeindruckend!
 
Ergänzung für thematisch interessierte im Süden: Im Silbertal im Montafon (Österreich) gibt es historisches Museumsbergwerk (St. Bartholomäberg), das man noch besichtigen kann. Habe ich erst vor vier Wochen gemacht: - Bergau nach diversen Erzen ist dort seit der Keltenzeit nachgewiesen und wurde erst gegen 1500 das erste mal aufgegeben (Alle Wälder waren abgeholzt...) - Die Führung dort und auf dem Knappenpfad auf dem Kristberg werden von engagierten Rentnern durchgeführt, die allerdings in ihren Erzählungen viel Mythen und Selbstinterpretiertes mit einbauen. Fazit: Um einen Eindruck zu bekommen, in welchen Höhen und unter welchen Bedingungen damals Bergbau betrieben wurde interessant, leider mangelt es ein wenig an wissenschaftlicher Aufarbeitung. Dafür ist es ein toller Wanderweg, den man dort machen kann. Kindertauglich, aber festes Schuhwerk erforderlich.
 
@Rhonwen Um es nochmal karzustellen. Es handelt sich um ein Taufgewand in der Form einer Paradeuniform. War wohl daher für ein Kind gehobener Bergleute. Leider muss man auch feststellen das grade im Bergbau auch sehr viele Kinder eingesetzt wurden.
 
Gerade auch für den Rammelsberg ist Kinderarbeit sehr gut belegbar. In der Aufbereitung der Erze wurden Kinder eingesetzt um sie auf diese Weise für den Abbau von Erzen zu schulen. So lernten sie bei der Sortierung von Erz und tauben Gestein, sowie beim Abklopfen von Erzanteilen vom tauben Gestein welche Gesteine "höfig" (erzhaltig) waren. Später Untertage eingesetzt konnten sie so erkennen welche Gesteinsbrocken für die Förderung lohnend waren und welche unter Tage bleiben sollten, bzw. ob sich ein Vortrieb des Stollens überhaubt lohnte. Das es keine Bohrungen zum Aufspüren von Erzlagerstätten gab, mussten sogenannte Suchstollen angelegt werde. Hierbei wurde nicht die volle Höhe und vor allem Breite eines Förderstollens angelegt. Vielmehr waren es Gänge in denen sich ein heutiger Erwachsener nur stark gebückt vorwärts bewegen kann. Ein Umdrehen in diesen Stollen ist wegen der Enge teilweise sehr schwierig. Die Annahme ist also berechtigt wenn man von Kindern spricht die diese Gänge gehauen haben. Wobei man davon ausgehen kann das es Heranwachsende waren die aus der Erzaufbereitung "herausgewachsen" waren. Das schlägt sich wiederum in der kurzen Lebenserwartung nieder die Bergleute im Mittelalter bis hinein in die Neuzeit hatten.
 
Kleines Schmakerl zur Mythenbildung i.v. Kinderarbeit: Durch den Einsatz unter Tageslichtsabschluss wird das Wachstum dieser Heranwachsenden gehemmt. Um unter Tage bei gebückter Haltung eine "Fühlung" nach oben, also an die Stollendecke zu halten wurden die Gugeln mit einer Spitze nicht nach hinten sondern eher nach oben geschnitten und mit Stroh ausgestopft. Was haben wir? Kleine Wesen mit spitzen Mützen, die in den Bergen nach Erz suchen. Der Wahre Kern hinter den Zwergengeschichten...
 
Was haben wir? Kleine Wesen mit spitzen Mützen, die in den Bergen nach Erz suchen. Der Wahre Kern hinter den Zwergengeschichten...
Wobei die sicher net so lustig und gut gelaunt waren Hey Ho... Hey Ho.... Zum Thema: Man geht immer davon aus, das Leder teuer war. Und je qualitativ hochwertiger, bzw. stabiler um so teurer. Auch das Anfertigen ist wesentlich aufwendiger (sind ja Schuhe unten dran). Und als Überverdiener (ironisch gemeint) konnten sich Bergmänner komplette Lederbeinlinge leisten ??? mhm.... ich weiss net so recht. Irgendwie widersprüchlich.
 
Das täuscht Johann. Die Stofffunde zeigen ein sehr farbenfrohes Spektrum. Nix einheitsgraues Sackleinen. Wer sich solche Stoffe leisten kann hat sicherlich auch Geld für langlebige "Stiefel". Das Bild des armen Bergmanns in unseren Köpfen, der gerade genug für sich und seine Familie zu Essen hat, stammt aus der Zeit der Industrialisierung. In Goslar wurde die erste Krankenversicherung von Bergleuten gegründet, die Zahl habe ich gerade nicht parat. Bergmann war wohl zu dieser Zeit ein angesehener Beruf. Kinderarbeit war zu dieser Zeit in anderen Branchen üblich, eigentlich wurden die Kinder überall mit eingebunden. Wenn ich das recht in Erinnerung habe, hat man in den Stollen sogar Spielzeuge gefunden.
 
Im Silbertal hatten sie ein paar Seiten aus einem Rechnungsbuch einer Mine von 14xx als Scan ausgestellt. Die Knappen hatten in der Tat verhältnismäßig ansehliche Gehälter. Dementsprechend wertvoll sind auch die Figuren/Madonnen in den Kapellen dort. Sicher nicht von den Bergbauern bezahlt... Komplette gebrauchsfertige waren trotz allem wahrscheinlich eher Festtagsgewand. Wenn ich mich nicht irre hat die Bergmannstracht heute auch noch einen Lederschurz für den Hintern, mit dem man sich abstützte oder auf dem man saß. Das war wohl im Alltag eher nutzbar und ohne viel Arbeit austauschbar bei Verschleiß. und zum Ansehen: das war so hoch, dass die Kanppen eine eigene Gerichtsbarkeit hatten.
 

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