Wadenwickel vs. Beinlinge, ca. 1250 franko-normannisch

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Aga78

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Hallo zusammen! Kurze Frage zu einer Franko-normannischen Söldner-Darstellung um 1250 ^^ : Was war zeitgemäß(er): Beinlinge und (Halb)Schuhe oder Halb-/einfache Schuhe und Wadenwickel, oder hielt sich der "normannische Einschlag" und man kann beide Varianten als zeitgemäß betrachten (bliebe also dem Geschmack des einzelnen Darstellers überlassen). Insbesondere je nach Witterung wäre eine Kombination durchaus denkbar. Danke!
 
Für 1250 würde ich auf jeden Fall zu Beinlingen (mit Fussteil) und Bruche raten. Belege für Wadenwickel zu dieser Zeit sind mir zumindest keine bekannt.
 
Ja, bildlich fällt mir da auch wenig ein. Man liest aber immer wieder, dass diese Art der Beinbekleidung bis ins 15Jh getragen worden sein soll, je nach Stand und Landstrich. Ggf. wäre ja durch den normannischen Hintergrund ein Tragen von Wadenwickeln noch i.O.. Vielleicht hat ja noch jemand Hinweise/Belege dazu. ^^
 
Und da sind wir beim Kern der Sache. Wage Aussagen von dritt und viertquellen. Solange da nix wirklich Greifbares dabei ist,halte dich an das was gesichert ist. Und das sind Beinlinge mit Fußteil. Wenn du Hilfe beim Schnittmuster brauchst, meld dich. Wir wohnen ja nicht so weit auseinander.
 
Ich weis nicht inwiefern der Sachsenspiegel übertragbar ist aber dort gibt es noch Wadenwickel in den Abbildungen. Zudem Scheint es auch auf den Stand anzukommen.
 
Welche Ausgabe des Sachsenspiegels meinst Du? Ohne so ein Bild gesehen zu haben ist das schwer zu beurteilen. Wenn Du die Querstriche auf den Beinen des Hirten auf diesem Bild hier: http://mittelaltergazette.de/mag/wp...64-fol-008v-landrecht-zweites-buch-hirten.jpg (Quelle: mittelaltergazette.de) meinst, das sieht mir eher nach einer Schuhschnürung aus als nach Wadenwickeln, da die Striche nicht die gesamte Wade bedecken sonder nur etwas oberhalb des Knöchelbereichs gehen. Die Illustration stammt übrigens aus einer Sachsenspiegel-Ausgabe von Anfang des 14. Jhdt.
 
Das Bild würde mich auch interessieren und der Sachsenspiegel ist immer mit Vorsicht zu betrachten. Es ist ein Rechtsbuch und zeigt in der Kleidung auch die Zusammengehörigkeit von Leuten.
 
Was du im Sachsenspiegel an (Mehr)- farbigkeit und Streifen sfindest ist vor allem dazu gedacht die einzelnen Personen im Handlungsstrang zu verdeutlichen. Als Beleg für Kleidung ist der Sachsenspiegel in jeder Ausgabe die ich kenne quasi untauglich.
Wenn Du die Querstriche auf den Beinen des Hirten auf diesem Bild hier: mittelaltergazette.de/mag/wp-c…t-zweites-buch-hirten.jpg (Quelle: mittelaltergazette.de) meinst, das sieht mir eher nach einer Schuhschnürung aus als nach Wadenwickeln, da die Striche nicht die gesamte Wade bedecken sonder nur etwas oberhalb des Knöchelbereichs gehen. Die Illustration stammt übrigens aus einer Sachsenspiegel-Ausgabe von Anfang des 14. Jhdt.
Das sieht für mich nach dem Heidelberger Sachsenspiegel aus, die Uni Bib gibt den auch mit Anfang 14. Jhd an, ich habe aber in der Reprint Ausgabe die ich daheim habe meine ich eine andere Datierung ?( ?( ?( Muss ich nochmal nachlesen, ich hatte den auch auf "um 1250" datiert im Kopf.
Und das sind Beinlinge mit Fußteil.
Mit Steg geht meine ich auch (z.B. Rutland Psalter 1260 England) da hatte @Manuela mal Bilder
 
Beinwickel um 1250 ist nicht ganz meine Zeit. Aber ich kenne den von @Wolfram von der Oerz verlinkten Bericht auch schon länger und habe daraufhin für meine ländliche Darstellung Ende des 12ten auch in dieser Richtung recherchiert. Der Sachsenspiegel auf den hier jetzt mehrfach verwiesen worden ist, ist der sog. "Heidelberger". Er ist nach meiner Kenntnis um 1300 geschrieben worden. In ihm werden die sächsischen Bauern mit diesen weißen, durch schmale schwarze Querstreifen unterbrochenen, unteren Wadenbereiche gekennzeichnet. Nur aus dieser Quelle auf Wadenbinden zu schließen hielte ich auch für gewagt. Aber es gibt da z.B. noch das Goslarer Evangeliar (1240, Fol 10v). In diesem ist einer der Heiligen 3 Könige mit Wadenbinden dargestellt. http://images.google.de/imgres?imgu...1&docid=0HRiLawo2NPHoM&ei=shV_WJHwDouvswHUwbD Quelle: adeva.com Auch im ArenbergpsaIter (Hildesheim / um 1230-1240) ist ein Mann, der jemanden mit einem Speer tötet mit weißen Wickeln um die Unterschenkel abgebildet. Leider kein Online Bild gefunden. Ich habe es aus dem Katalog "Heinrich der Löwe und seine Zeit", der mir jetzt beim Schreiben leider nicht vorliegt.. Im Zusammenhang mit diesen Bildern könnte man die Bauerkleidung aus dem Heidelberger Sachsenspiegel in Richtung von Wadenbinden interpretieren. Auffallend an allen 3 betrachteten Quellen ist die Farbe und die Länge der Wickel. Sie sind alle weiß und gehen nur bis zur Hälfte des Unterschenkels. Eine solche Trageweise funktioniert, ich trage sie so. Außerdem hätte ich da noch: Die Hirtenszene aus dem Winchester Psalter (engl. 1150-75) (leider kein Link zur Hand) Die Drei heiligen Könige aus dem Facimile des Hortus Deliciarum 1818/ Ende12Jh (1175 oder kurz danach)- http://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:The_three_Magi_(Balthasar,_Caspar,_Melchior).jpg. Quelle: Wikimedia Die Schräg gestreiften Bein(ling)e der Slawen / Wenden im Sachsenspiegel weisen eher auf diagonal zum Faden lauf zugeschnittene Beinlinge hin. Wie immer bei bildlichen Darstellungen weiß man natürlich nicht inwieweit sie ältere Bilder tradieren.
 
Die heiligen drei Könige, werden oft mit den Verrücktesten Kleidungsstücken dargestellt, eben um die Fremdartigkeit zu betonen. Ob das wirklich ein Bild der Wirklichkeit wieder gibt, sollte kritisch betrachtet werden.
 
Wadenwickel finde ich jetzt nicht so verrückt.
 
Ok erst mal, vielen Dank so weit. Hat mir schon enorm weitergeholfen und meine "Befürchtung" bestätigt. Hatte mich schon irgendwie an meine Wadenwickel gewöhnt. Wobei aus rein praktischen Erwägungen nichts dagegensprechen dürfte, an richtig kalten Tagen die Beinlinge um Wadenwickel zu ergänzen. Danke für die sachliche Hilfe, man ist da ja einiges gewohnt in der MA-Szene. Dieses Forum macht auf mich einen sehr netten, sachlichen und kompetenten Eindruck.
 
Da hier alle nur von Beinlingen mit Fußteil sprechen möchte ich darauf hinweisen das es auch einige Bildbelege für Beinlinge mit Steg gibt. http://pin.it/6l86CXz Psalter aus Belgien Mitte 13 Jhd. Quelle: Pinterest.com http://pin.it/vvm_q8N Rutland Psalter ca. 1260. Quelle: Pinterest.com Funde erhaltener Originale mit Steg kenne ich nicht, nur mit Fußteil.
 
Wadenwickel finde ich jetzt nicht so verrückt.
Hosen mit Schlag sind auch nicht soo verrückt, die waren in meiner Teenagerzeit schwer angesagt, aber geh heute mal damit auf die Straße. Mit kritisch sehen, meine ich, so lange das der einzige Beleg ist, würde ich den außer Acht lassen. Wenn die seit 100 Jahren out waren (eher mehr), dann sind das etwa 3 Generationen in denen man das nicht getragen hat. Das Wickelgamaschen später wieder auftauchen ist nicht unwahrscheinlich, schließlich gab es Hosen mit Popo auch schon in der Eisenzeit, im Hochmittelalter verschwinden sie und tauchen ab Spätmittelalter wieder auf. Wenn man die heiligen drei Könige über die Epochen hin betrachtet, kommt da einiges an Exotik zusammen und stimmt, wirklich ausgefallen sind Beinwickel nicht. Zumindest nicht für uns, aus unserem heutigen Blickwinkel.
 

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