"Textilien und Tracht in Haithabu" - empfehlenswert?

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Hendrik1975

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Hallo zusammen! Die oben genannte Neuauflage von Inga Hägg hat mein Interesse geweckt. Da der Wälzer mit knapp 60 Euro jetzt aber nicht zum 'mal eben auf Verdacht mitnehmen' taugt, meine Frage an alle die, die das Buch schon haben: lohnt es sich? Ich interessiere mich möglichst im Detail dafür, was alles gefunden wurde, welche Materialien für was genutzt wurden, was wie mit welchen Stichen genäht wurde, Farben, Tragweisen, Rekonstruktionen, usw. Oder gibt es für diese Fragen gute Alternativen als Literatur oder Quelle? Seit Weihnachten habe ich 'Spurensuche Haithabu', aber leider glänzt dieser Schinken mit einer grandiosen Oberflächlichkeit, wenn es um Details geht. Immens viele Themen, aber nur ein Hauch von tiefer gehenden Informationen. Deswegen möchte ich mir eine zweite Enttäuschung gerne ersparen.
 
Das Buch ist schon seine 60 € wert, allerdings bleibt es stark in einer reinen Fundbeschreibung und da es sich da um kleine bis sehr kleine Textilfragmente handelt, wird über die Trageweise nur mit "möglicherweise, vielleicht, eventuell, denkbar, direkte Belge fehlen aber, wahrscheinlich" u.ä. gesprochen. Es ist halt auch sehr schwierig, aus solchen Überresten einen sinnvollen Schluss auf die Trageweise zu ziehen. Abbildungen von möglichen Kleidungsformen gibt es nur an einer Stelle auf Seite 60 (die nochmal wiederholt auf S. 187 gezeigt werden) und für Frauen auf Seite 63 Zeichnungen nach den sehr umstrittenen Vorschlägen von Bau.. Über Fasern, das verwendete Garn, Färbungen und Webbindungen wird intensiv Auskunft gegeben, das Problem ist, dass es wenige Quellen gibt, wo man solche Stoffe auch heutzutage beziehen kann, es sei denn, du wendest dich an eine Handweberin. Für einen Textilnerd wie für mich ist das Buch sehr aufschlussreich, allerdings frage ich mich manchmal, ob jemand, der sich nicht so intensiv mit der Textilmaterie beschäftigt, damit wirklich gut beraten ist. Marled
 
Für einen Textilnerd wie für mich ist das Buch sehr aufschlussreich, allerdings frage ich mich manchmal, ob jemand, der sich nicht so intensiv mit der Textilmaterie beschäftigt, damit wirklich gut beraten ist. Marled
Ich hatte es in der Hand und habe es wieder weggelegt.Beim probelesen hat es mich einfach überfordert, mich seitenlang durch Begrifflichkeiten zu lesen, welche einen "Textilnerd" wohlig seufzen lassen. :D Ich habe andere Wege gefunden um die nötigen Informationen zu bekommen: einfach die Nerds fragen ! PS: ich frage mich mit was für einer Erwartungshaltung der TE an ein Buch rangeht, welches ein enorm umfangreiches Thema wie Haithabu in einem einzigen Buch abhandelt. Mir persönlich ist klar gewesen, das es höchstens alles anreißen kann, nicht alles abhandeln. Sorry, mich stört einfach diese Aussage der "grandiosen Oberflächlichkeit".
 
Danke Dir für die Einschätzung, @marled. Als Ex-GroMi muss ich meine Gewandung eh von Grund auf neu machen. Dazu gehören u.a. auch die 'richtigen' Stoffe und Fäden. Natürlich reicht vielleicht für den Anfang der Leinenstoff von Ikea. Aber warum die Arbeit doppelt machen, und nicht gleich richtig? Und wenn ich eh alles an Materialien bestelle, kann ich auch gleich die richtige (oder am besten belegte) Webart nehmen. Gleiches beim Nähen - klar kann ich alles stumpf mit Überwendstich nähen. Aber schöner ist es doch, für jedes Kleidungsstück und jede Naht direkt die richtige Technik anzuwenden. Wenn schon, denn schon ;-)
 
@Tyra SoUndSo - grandios, weil das Buch wirklich einen sehr breit gefächerten Überblick bietet. Völlig ernst gemeint und durchweg positiv. Dennoch - bei fast 700 Seiten habe ich wirklich erwartet, dass etliches mehr in die Tiefe geht. Angesichts des Umfangs ist das vielleicht nicht zu weit her geholt.
 
@Hendrik1975: zumindest für Nähweisen, verwendete Stoffe usw kann ich Dir von Katrin Kania Kleidung im Mittelalter. Materialien- Konstruktion- Nähtechnik (Quelle= Link) wärmstens empfehlen. Vor einiger Zeit beschäftigte ich mich mit der gleichen Frage ob ich mir das Buch über die Stoffunde in Haithabu zulegen soll, letztendlich verzichtete ich aus dem oben bereits angeführten Gründen darauf. Mit dem genannten Buch von Frau Kania und als Ergänzung dem Medieval Tailor's Assistant (Quelle= Link) von Sarah Thursfield bin ich besser bedient. Beide Bücher sind nicht so sehr "Wikingerlastig" wie du es evtl voraus setzt, doch sind sie überaus lehrreich wenn du historische Kleidung rekonstruieren möchtest. Billig sind die Bücher nicht, es steckt immens viel Arbeit darin ein Fachbuch zu schreiben, doch sie sind wirklich jeden Cent wert.
 
Es kommt immer darauf an, was man erwartet von so einem Buch. Wenn man detaillierte Schnittmuster erwartet, Farbtabellen, detaillierte Ausführungen über alle in der Zeit verwendeten Stoffbindungen, Nahtzeichnungen und die Gradzahl der Drehung der verwendeten Zwirne ... falls das, dann ist das nicht möglich das in EINEM Buch abzuhandeln. Dazu ist es zu komplex das Thema. Und, für den Aufsteig vom Gromi in eine recherchierte Darstellung reicht ein Buch (und das schon mal gar nicht) aus. Dazu bedarf es mehr.
 
Als Ex-GroMi muss ich meine Gewandung eh von Grund auf neu machen. Dazu gehören u.a. auch die 'richtigen' Stoffe und Fäden.
Ich denke, du bist am Anfang mit einem Einsteigerleitfaden besser bedient, zB dem von Aisling. Anfängerleitfaden von Aisling (Quelle: aisling.biz) Wenn du dich dort auch an die Stoffempfehlungen (Wolle, Leinen nur als Unterwäsche in Köper und Leinwandbindung) hältst, machst du schon mal nix falsch für den Anfang. Wenn da weitere Fragen kommen, immer her damit. Marled
 
Das Buch ist für Textilnerds richtig gut. Aber für das was du möchtest, taugt es nicht. Das bieten aber die Bücher, die ich zum Thema Wikingerzeit kenne, alle nicht. Wirklich empfehlen kann ich dir die Seite von Hilde Thunem, sie hat ausführlich viele Textilfunde zusammengestellt und erläutert, was sie sieht und warum sie genau diese Rekonstruktion macht. Da das größte Textilfragment 15 x 20 cm groß ist, muss man halt auch viel vermuten, um zu einer Rekonstruktion zu kommen. Leider gibt es kaum Abbildungen, mit denen man die Rekonstruktionen abgleichen kann und man hat nie Sicherheit, ob es nun wirklich stimmt, oder eine neue Ausgrabung mit neuen Textilfunden wieder alles über den Haufen wirft.
 
@Thoralf Hiltjuson - danke für die Literatur-Tipps, die schaue ich mir gerne einmal an. @Aisling - der Link ist klasse, danke Dir! Im Grunde genau so, wie es mir vorschwebt. "So und so ist es / wird es ausgelegt, und hier ist der Beleg dafür". Perfekt!
Das bieten aber die Bücher, die ich zum Thema Wikingerzeit kenne, alle nicht.
Ich entdecke da gerade eine Marktlücke... ^^ @marled - den sehr schönen Leitfaden von Aisling kenne ich, den habe ich hier im Forum mit als erstes gelesen
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Vielleicht erkläre ich einfach kurz, was genau ich derzeit mache. Ich habe mir eine Liste erstellt, in der jedes Element meiner geplanten Gewandung aufgeführt ist. Dazu jeweils alle relevanten Details, deren mögliche Ausführungsvarianten, gefolgt von Belegen und Quellen dafür. Als Beispiel einfach mal die Tunika: - Material? - Webart? - belegte Farben des Stoffs? - welches Nahtmaterial? - Stichart bei den Nähten? - Verarbeitung der Säume? - Schnitt / Rekonstruktions-Varianten? - Verzierungen zulässig / belegt? - Stickereien? Wenn ja - wo, welches Material, welche Muster, womit? - Borten? Wenn ja - wo, welches Material, welche Muster, womit? - usw... Diese Liste enthält natürlich auch Hose, Schuhe, Gürtel, Mantel, Kopfbedeckung, Tasche, Accessoires, Schmuck, und vieles mehr. Mit jedem Tag der Recherche kommen Antworten dazu. Allerdings kommen mit jeder Antwort mindestens zwei neue Fragen auf - Ihr werdet dieses Phänomen vermutlich kennen :D Und ja - mittlerweile bin ich auf den Geschmack gekommen und will es so genau wie möglich wissen ;-)
 
Wenn du schon so tief in die Materie einsteigst, solltest du dir dann auch diese Seite anschauen, da sind kompakt die wikingerzeitlichen Funde zusammengestellt. Vor allem die weiterführenden Links mit den Schaubildern zur Verteilung der Stoffarten ist interessant. Looking for the evidence Marled
 
Als Beispiel einfach mal die Tunika: - Material? - Webart? - belegte Farben des Stoffs? - welches Nahtmaterial? - Stichart bei den Nähten? - Verarbeitung der Säume? - Schnitt / Rekonstruktions-Varianten? - Verzierungen zulässig / belegt? - Stickereien? Wenn ja - wo, welches Material, welche Muster, womit? - Borten? Wenn ja - wo, welches Material, welche Muster, womit? - usw... Diese Liste enthält natürlich auch Hose, Schuhe, Gürtel, Mantel, Kopfbedeckung, Tasche, Accessoires, Schmuck, und vieles mehr. Mit jedem Tag der Recherche kommen Antworten dazu. Allerdings kommen mit jeder Antwort mindestens zwei neue Fragen auf - Ihr werdet dieses Phänomen vermutlich kennen :D Und ja - mittlerweile bin ich auf den Geschmack gekommen und will es so genau wie möglich wissen ;-)
Und wenn du es wirklich so genau wissen willst, dann passt Textilien und Tracht in Haithabu. Aber die Antworten sind manchmal verwirrent. Wenn du schon dran bist, dann kannst du dir über die Fernleihe Inga Hägg, "Die Textilfunde aus dem Hafen von Haithabu" Inga Hägg, "Die Textilfunde aus der Siedlung und aus den Gräbern von Haithabu" besorgen, das ist noch ausführlicher. Bei Haithabu musst du allerdings beachten, dass die Funde nicht 'homogen' sind. Der Ort war ein Handelsplatz, der nur zu etwa einem Drittel von 'Wikingern' bewohnt wurde. Den Ort teilte man sich mit Friesen, Franken und einigen anderen und genau so durchmischt ist auch das, was die Menschen dort getragen haben.
 
... Abbildungen von möglichen Kleidungsformen gibt es nur an einer Stelle auf Seite 60 (die nochmal wiederholt auf S. 187 gezeigt werden) und für Frauen auf Seite 63 Zeichnungen nach den sehr umstrittenen Vorschlägen von Bau.. ...
Die Abbildungen stammen von Bau, richtig, allerdings schreibt Hägg dazu das diese Trageweisen nicht passen können und gibt auch weitere Beleg dafür. Die Abbildungen zeigen eher nicht wie es wohl möglich gewesen ist, sondern eher wie eben nicht. Leider kommt das auf den ersten Blick nicht deutlich hervor. Ich habe das Buch eigentlich immer Griffbereit liegen, kommt immer wieder vor das ich da reinsehe und was nach lese. Auch die anderen alten Fundbücher nehme ich immer wieder zur Hand. Es sind aber halt Fund Bücher und entrechend nicht mal so eben runter zu lesen. Gehört meiner Meinung nach aber in jede Bibliothek, wenn man sich für Haithabu interessiert.
 

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