Typisch Markt-MA III: Sprache

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Perchta

Guest
Typisch Markt-Mittelalter III: Die Sprache Dies ist der Versuch, ein paar beliebte Einsteiger-Themen, über die im Forum schon mehrmals diskutiert wurde, kurz zusammenzufassen. Auch wenn bei Mittelaltermärkten normalerweise die Devise gilt "Erlaubt ist, was gefällt", schadet es doch nichts, über die historischen Hintergründe (oder das völlige Fehlen eines solchen) wenigstens ungefähr Bescheid zu wissen. Zumal auch viele Marktbesucher und Markt-Gruppen Wert auf historische Korrektheit legen möchten. Vielleicht ergibt sich für den einen oder anderen ja eine neue Anregung. Anmerkung: Da ich selber nur oberflächliches Wissen zum Mittelalter und keines zum Lagerleben mitbringe, bin ich für alle Ergänzungen und Korrekturen dankbar. Gerade, was häufige Fehler und verbreitete Klischees angeht. Eigentlich paßt das unter "Kleidung und Tracht" nicht wirklich rein, aber eine eigene Sektion zu "Verhaltensweisen auf Mittelaltermärkten" gibt's nicht, darum hier. Bei diesem Thema bewege ich mich auf besonders dünnem Eis, weil ich von der Entwicklung der deutschen Sprache bestenfalls eine ganz grobe Vorstellung habe. Alle Korrekturen und Erklärungen daher herzlich dankend akzeptiert! Edle Recken, holde Maiden, die Ihr Euch denn also aufgemacht habt, gleich mir der Mittelaltermärkte morastigen Sumpf zu durchschreyten, merket auf, haltet inne und sperret Eure Horchlöffelchen so weit auf, daß sie in Größe und äußerer Erscheinung denen wohlgemästeter Karnickel ähnlich sehen mögen: Der Käse in blau da oben ist nicht mittelalterlich. Ich wollte das eigentlich nur deshalb einmal so deutlich schreiben, weil mich dieses - offenbar nicht seltene - Mißverständnis von allem, was ich bisher gelesen habe, am meisten entsetzt. Und wenn der Quatsch jetzt sogar schon in manchen Zeitungsartikeln als "Mittelhochdeutsch" bezeichnet wird und Leute versuchen, das in Kursen zu lernen, dann dreht's mir die Zehennägel auf. Bei dem seltsamen Deutsch, das auf den Märkten gesprochen wird, handelt es sich um eine reine Kunstsprache des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts, für die sich passenderweise der Name "Marktsprech" eingebürgert hat. Sie gehört zum Standard-Repertoire der Händler und Schausteller, die damit für eine "historisch anmutende" Atmosphäre sorgen und ein paar mehr Waren an die "holde Maid" oder den "edlen Recken" bringen wollen. Da ich kein Sprachexperte bin, kann ich nur mutmaßen, aus was für Bestandteilen sich dieses Marktsprech konkret zusammensetzt: - altertümelnde Begriffe des neunzehnten Jahrhunderts (Romantik) - leicht verschrobener Satzbau von Amts- und Kanzleisprachen - möglichst viele der eigentlich im Deutschen weitgehend abgeschafften Endungs-"e"-s in Aufforderungen ("höret", "saget an", "wachet auf") - und beim Schreiben muß man unbedingt jedes "i", das sich irgendwie greifen läßt, durch ein offenbar besonders mittelalterliches "y" ersetzen Marktsprech gehört zum Markt-Ambiente wie Met aus "Wikinger"-Trinkhörnern. Es kann auch durchaus lustig sein, vor allem, da es mit vielen künstlichen Begriffen für moderne Gegenstände durchsetzt ist (die berüchtigten "Horchknochen" und "Taschendrachen" etc.), bei deren Gebrauch man ja eigentlich schon deutlich merkt, daß sich die Sprechenden selber nicht wirklich ernst nehmen. Aber, um das nochmal deutlich zu sagen: mit dem Mittelalter hat es nicht das Geringste zu tun. Diese Sprache gab es nie. Und was wurde nun im Mittelalter wirklich für eine Sprache gesprochen? Naja. In Kirchen- und Gelehrtenkreisen Latein, als mehr oder minder verbindliche und allgemein verständliche Sprache. Und sonst eine kaum einzuschätzende Zahl regionaler Dialekte. Denn ein "Hochdeutsch" im heutigen Sinne (als eine im ganzen Land verbindliche Umgangssprache) entwickelte sich ja eigentlich erst auf der Grundlage von Martin Luthers Bibelübersetzung. In jedem Fall war es eine eigene Sprache mit eigenem Vokabular und eigener Grammatik, die mit unserem heutigen Deutsch nur locker verwandt ist und die man deshalb heute ganz genauso lernen muß wie jede andere Fremdsprache auch. Dennoch gibt es die Begriffe "Althochdeutsch" und "Mittelhochdeutsch". Damit werden ganz grob sprachlich verwandte Schriftzeugnisse aus verschiedenen Epochen in Gruppen zusammengefaßt. Für genauere Abgrenzungen, u.a. von der altniederdeutschen Sprache, und den dabei jeweils erfolgten Lautverschiebungen, an denen man diese Abgrenzungen festmacht, möchte ich auf Wikipedia und die entsprechende Fachliteratur verweisen - da verlassen wir dann endgültig den schwankenden Boden meines Halbwissens ;) . Vielleicht bloß zum Vergleich noch ein paar Textbeispiele, damit mal einmal sieht, wie wenig "Marktsprech" tatsächlich mit den Sprachen des Mittelalters zu tun hat: Althochdeutsch: Erster der Merseburger Zaubersprüche (aufgeschrieben wohl im 9./10.Jahrhundert) Eiris sazun idisi sazun hera duoder. suma hapt heptidun, suma heri lezidun, suma clubodun umbi cuoniouuidi: insprinc haptbandun, inuar uigandun. Mittelhochdeutsch: Beginn des Nibelungenlieds (13.Jahrhundert) Uns ist in alten mæren wunders vil geseit von helden lobebæren, von grôzer arebeit, von fröuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen, von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen. Schon ein bißchen komplizierter als "Marktsprech", oder? :p Threads, in denen dieses Thema hier im Forum schon diskutiert wurde, als Quer-Referenzen: - Sprache im Mittelalter - Marktsprech? - Sprache des Mittelalters Liebe Grüße Petra
 
Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr. dô ich in gezamete, als ich in wolte hân, und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant, er huop sich ûf vil hôhe und vlouc in ándèriu lant. Sît sach ich den valken schône vliegen, er vuorte an sînem vuoze sîdîne riemen, und was im sîn gevidere alrôt guldîn. got sende sî zesamene, die gelíeb wéllen gerne sîn! Manchmal ist es auch gut zu verstehen, manchmal hat man keinen Plan was der Kerl damls schreiben wollte. Besonders bei solchen nicht enden wollenden "Wurstsätzen" wie sie oft in Amtsdokumenten verwendet wurden. Tatsache ist dass man bis Luther so schrieb wie man sprach. Also, wie du bereits sagtest inclusive Dialekt. Dann ist nicht sicher wie gut der Schreibende sein Handwerk verstand. Manchmal auch ganz lustig wenn kreuz und quer auch mal Konsonanten verdoppelt und verdreifacht werden... Das mit dem Ypsilon hatte einen praktischen Grund und wurde damals (Rennaisance) tatsächlich relativ oft verwendet. Mit aufkommen der Schriftart "Fraktur" im 16. Jhd. Wurden i, m und n relativ schwer zu unterscheiden wenn sie nacheinander im Wort vorkamen. Also benutzte man oft das y zur Unterscheidung.
 
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Danke dir für die Zusatzinfos, hellobello :) . Und jetzt, wo du es schreibst: Den Kürenberger haben wir, meine ich, sogar seinerzeit in der Schule im Deutschunterricht angesprochen!
 
Wow! Da hast Du Dir ja wieder mal richtig viel Arbeit gemacht, Perchta... ... ganz in diesem Sinne: GehabEt Euch wohl ;) auf bald,
 
:p Wer schmeißet denn hier wieder so freigebig mit "e"s um sich... Aber Arbeit ist es eigentlich keine. Ich fasse ja nur in zwei, drei Sätzen zusammen, was andere Leute anderswo gesagt haben. Bloß dümpeln die anderen Threads meistens auf den hinteren Seiten ihrer Forumsbereiche rum, und wer weiß, ob sie da jemand findet. Für Darsteller (oder solche, die es werden wollen) ist das hier eh viel zu wenig Info; die werden sich früher oder später wahrscheinlich viel tiefer in die Materie reinknien. Aber für jemanden, der gerne mal über'n Mittelaltermarkt geht und dabei wenigstens in groben Zügen Geschichte und Fantasy auseinanderhalten möchte, reicht's vielleicht ;) .
 
Genau aus dem Grund "schwätz" I weiter wie mir mein Schnabel g´wachse isch und verzichte auf dieses grauenhafte geIhrze und geEuchze
 
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Danke für die Info mit dem 'Y', hellobello! Habe mich schon gefragt wo diese übertriebene Anwendung des sonst gar nicht so häufigen 'Y' herstammt. Grüße
 
Nunja, viele Marktbetreiber gehen jeweils von deutschen MA aus. vergessen zB dass in anderen Ländern ganz anders gesprochen wurde. Doch war, so denke ich, unter handelsnationen, wo gelehrte die handelsBriefe schrieben Latein die gängige Sprache. Unter dem Marktvolk, zB bei meinen Landsleuten kam das gälische oder gar das ersische (ein Dialekt, der dem irischen Gälisch ähnelt)meistens vor.
 
@ Keagan Nein! Marktbetreiber haben sich eine Sprache zurechtgezimmert, die nichts mit der tatsächlichen Sprache des Mittelalters zu tun. Gerade im Spätmittelalter wurden auch Briefe unter Adeligen auf Deutsch geschrieben (siehe Oswald von Wolkenstein). Aber es sind keinerlei Ähnlichkeiten zum heutigen Martksprech zu erkennen. Mit der Handelssprache Latein, das ist natürlich gut möglich.
 
Ich glaube nicht das ein Mittelaltermarkthändler sich jemals mit dem Thema "Sprache im Mittelalter" auseinandergesetzt haben. Die haben ja noch nicht mal Ahnung von ihren eigenen Waren. Die quatschen halt drauflos mit viel Ausdrücken die sie selbst für mittelalterlich halten. Viel Ge-sie-ze und bla bla.
 
Oder so, ja....naja, wie dem auch sei. Ich find es witzig, wenn ich mit ein paar brocken gälisch loslege und die jungs erstmal komisch gucken....
 
Na, daß die komisch schauen, wenn sie dich nicht verstehen, glaub ich dir aufs Wort. Ginge mir nicht anders. :D Ansonstens wird, denke ich, im Gälischen dieselbe Entwicklung stattgefunden haben wie in jeder Sprache, daß diese sich nämlich über die Jahrhunderte weiterentwickelt hat. Das Gälisch, das heute noch in Schottland gesprochen wird, ist also sicher auch nicht mehr dieselbe Sprache wie im 9ten oder 10ten Jahrhundert. Vielleicht sind die Unterschiede nicht so krass wie in der deutschen Sprache, aber geändert hat sie sich doch sicher?
 
Seufz. Das liebe ungeliebte Marktsprech. Ich kann´s nun wirklich nicht leyden!
 
Original von Perchta Na, daß die komisch schauen, wenn sie dich nicht verstehen, glaub ich dir aufs Wort. Ginge mir nicht anders. :D Ansonstens wird, denke ich, im Gälischen dieselbe Entwicklung stattgefunden haben wie in jeder Sprache, daß diese sich nämlich über die Jahrhunderte weiterentwickelt hat. Das Gälisch, das heute noch in Schottland gesprochen wird, ist also sicher auch nicht mehr dieselbe Sprache wie im 9ten oder 10ten Jahrhundert. Vielleicht sind die Unterschiede nicht so krass wie in der deutschen Sprache, aber geändert hat sie sich doch sicher?
Es sind einige neue Vokabeln dazu gekommen, sicher. Dennoch ist die Sprachenahezu unverändert. Neben dem gälischen wurde auch ersisch, ein dialekt des Alt-Gälischen gesprochen. Wir stellen vorzugsweise das schottische Highlanderleben nach. Die Highlands waren gegenüber den Lowlands immer etwas hinterher, da die unwirtliche gegend und die Kleinkriege zwischen einigen Clans das Leben dort erschwerten. Die Highlands blieben gern unter sich, während sich die Lowlands mehr den englischen Sitten und Gebräuchen anpassten.
 
Sowas aber auch diese Typisch Ma-Markt Reihe erschüttert mich immer mehr.. aber das erklärt jetzt auch meinen drang Gälisch und Latein zu lernen :D danke für die Infos
 
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Original von Sacael aber das erklärt jetzt auch meinen drang Gälisch und Latein zu lernen :D danke für die Infos
Aber nur, wenn Du eine Schottin oder eine Klerikerin darstellen willst ... "Ottonormalmensch" im Mittelalter sprach durchaus Deutsch - wenn auch anderes als heutzutage. ;)
 
Das ist mir durchaus bewusst liebe Lisabeth (schöner name übrigends) ;) aber das mit dem drang das zu lernen war auf etwas anderes bezogen, das wenn icch es erklären sollte viel zu lange dauern würde und ihr mich A für Irre und B für total bekloppt halten würdet :p
 
Original von Sacael Das ist mir durchaus bewusst liebe Lisabeth (schöner name übrigends) ;) aber das mit dem drang das zu lernen war auf etwas anderes bezogen, das wenn icch es erklären sollte viel zu lange dauern würde und ihr mich A für Irre und B für total bekloppt halten würdet :p
Achso ... :) Und Danke für das Kompliment! Ich finde, daß Gälisch sich ein bisschen nach Klingonisch anhört ... :D
 

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