Mitmachausstellung "Robin Hood" in Dortmund (Museum für Kunst und Kulturgeschichte)

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user3905

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Seit Herbst 2019 veranstaltet das Museum für Kunst- und Kulturgeschichte in Dortmund unter dem Titel "Robin Hood" eine Familien- bzw. Kinder-Mitmachausstellung. Diese wurde vom Museum der Pfalz in Speyer entwickelt, aber für den Standort Dortmund um zahlreiche lokale Exponate ergänzt. Anders als der Titel es vielleicht auf den ersten Blick vermuten lässt, handelt es sich nicht um eine Fantasy-Ausstellung, eine Ausstellung zur Film- und Kunstfigur Robin Hood etc., sondern um eine Ausstellung zum Leben im Mittelalter. Tatsächlich ist diese sogar sehr archäologisch und realienkundlich aufgebaut, wobei die Robin Hood-Legende als Aufhänger und Kulisse funktioniert (tatsächlich wird in einer Station recht zu Anfang darauf verwiesen, dass es sich bei Robin Hood eher um eine historische Legende handelt). Leider kann ich zu einigen Mitmachstationen nichts sagen, da diese abgebaut waren. Dies ist aber nicht die Schuld des Museums, sondern -wenig verwunderlich- durch die aktuelle Situation bedingt. Dafür wurde die Ausstellung aber bis Ende September 2020 verlängert und kostet aktuell keinen (!) Eintritt. Schon auf den ersten Blick sticht der große Aufwand ins Auge, mit dem die Ausstellung gestaltet wurde. Der (im übrigen sehr große) Ausstellungsraum ist im Kern als Wald gestaltet (inkl. Bäumen und Geräuschkulisse), es gibt sogar einen künstlichen Bachabschnitt mit Baumstammbrücke usw., der betreten werden kann. Am Rande des Waldes steht sogar ein nachgebautes Fachwerkhaus für den Themenbereich bäuerliches Leben, in dessen Umfeld u.a. Funde von Sicheln ausgestellt sind. Im Haus selbst (in dem beispielsweise Attrappen von Nahrungsvorräten unter der Decke hängen) können Kinder sich die Geschichte von Robin Hood anhören (vertont von Andreas Fröhlich, der den meisten sicherlich besser als drittes Fragezeichen Bob Andrews bekannt ist :-D ). Die Geschichte von Richard Löwenherz dient als Aufhänger für eine Station zu Pilgern und Reisen im Mittelalter, dort sind neben Pilgerabzeichen und Co. auch seltene Exponate wie eine verzierte Aachener Pilgerflasche und ein Amulett aus Perlmutt zu sehen. Hier steht als Inszenierung der Nachbau einer überfallenen/demolierten Kutsche. Vereinzelt finden sich Bildschirme, die im Zeichentrickformat kurze Geschichten zu Robin Hood zeigen (u.a. eben den Überfall auf die Kutsche, gekoppelt mit der Frage, ob Spenden für die Armen einen solchen Raub rechtfertigen). An den Wald schließt sich eine Stadt mit Häuserfassaden aus Holz an, welche durch eine "Stadtmauer" betreten wird (hier hat man z.B. den Raum mit seinem Durchgang geschickt ausgenutzt und einfach mit PhotoTex das Stadttor drumherum aufgeklebt). In der Stadt steht der Nachbau eines Markstandes mit Gürteln und Schuhen, zusätzlich sind in der gesamten Ausstellung lebensgroße Figuren als "Bevölkerung" aufgestellt (deren Kleidung für den Reenactor positiv ins Auge sticht ;-) ). Die Stadt enthält u.a. eine Großvitrine mit Keramikgefäßen verschiedener Warenarten des 12.-16. Jhd. In zwei "Häusern"/Nebenräumen wird einerseits das Handwerk (u.a. durch Schmiedefunde aus der Hörder Burg) und andererseits die Kirche beleuchtet (u.a. ein Tabernakelgitter aus dem 15. Jhd., verschiedene Perlmuttamulete, eine spätmittelalterliche Schatulle). Im Anschluss an die Stadt folgt man dem "Wald", der das Thema Jagd/Nahrungserwerb thematisiert. Hier sind zum Beispiel Armbrustbolzen aus dem Soester Osthofentor (14./15. Jhd.) zu sehen, aber auch eine tolle Jagdarmbrust mit verbeinter Säule (die zugegebenermaßen aus dem 16. Jhd. stammt, was aber auch dransteht). Zum Thema Jagd gibt es in der Ausstellung (!) eine Bogenbahn, an der die Besucher unter Anleitung selber schießen können -so jedenfalls die Theorie, dank Corona war die Bahn aber heute leider geschlossen. Als nächstes betritt man eine "Burg", die verschiedene Exponate zum höfischen Leben enthält. Die Qualität der Ausstellungsstücke will ich an dieser Stelle mal deutlich unterstreichen, denn es gibt u.a. Hildesheimer Löwenaquamanilen, einen Kokosnusspokal aus dem 15. Jhd. ( 8o ), geschmiedete Leuchter, Zinnleuchter, Möbel... Zur Burg gehört auch ein Gefängnis. Dort geht es -passend zum Ausstellungsthema- um Delikte wie Holzfrevel und Wilderei. In einer nachgebauten Zelle sind ein Richtschwert, Daumenschrauben und ähnliches ausgestellt, die aber allesamt aus der Frühen Neuzeit stammen (da hätte ich mir eine klarere Herausstellung der Datierung gewünscht). Der letzte Raum besteht aus zwei großen Vitrinen mit Waffen. Im zentrum stand dort eine Station, an der Kinder Ringpanzer, Helme usw. anziehen konnten, aber auch dies ist coronabedingt leider aktuell nicht möglich. Die Waffen sind leider etwas "zusammengewürfelt", das meiste ist aus dem 16. Jhd. (was aber idR. auch auf der Tafel so steht). Man merkt dort, dass die Vitrinen aus dem Bestand der lokalen Museen bestückt worden sind, die vermutlich z.T. keine älteren Exponate beinhalteten. Die Schilder dort sind für den Waffenkundler tatsächlich dahingehend ein Kritikpunkt, dass die Datierungen teils nicht so ganz zutreffen (die Stangenwaffen und ein Helm sind etwas zu früh angesetzt, der Schaft eines Luzerner Hammers wurde auch deutlich zu lang rekonstruiert). Demgegenüber ist die Auswahl für Freunde von Blankwaffen jedoch klein, aber fein/hochwertig. Gezeigt wird etwa das hochmittelalterliche Ortband aus der Grabung an der Hörder Burg, dem ein zeitgenössisches Schwert aus Speyer beigegeben ist, um zu zeigen, wofür so ein Ortband überhaupt gut ist. Außerdem sieht man die Kuse einer Trabantengarde (nicht als solche gekennzeichnet ;) ) aus dem 16. Jhd., das spitze Visier eines Bascinets um 1380 ( :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup: ), zwei der beeindruckend großen Blidensteine von der Hörder Burg und ähnliches. Zusammenfassend hat mir die Ausstellung sehr gut gefallen. Ich habe mich im Vorfeld zugegebenermaßen nicht im Internet informiert, sodass ich vom Inhalt und der Anzahl/Auswahl/Qualität der Objekte extrem positiv überrascht war. Der Aufhänger "Robin Hood" wurde in diesem Fall sinnvoll genutzt, um Kinder und Familien an eine Thematik heranzuführen, die im Kern eigentlich recht wissenschaftlich ist. Von Heldenverklärung und Co., die man als Reenactor ja immer schnell befürchtet, ist hier jedenfalls überhaupt keine Spur. Die Szenerie mit den nachgebauten Häusern schafft ein schönes Umfeld, das sich von nüchternen Museumsräumen (die besonders Kinder vermutlich nicht gerade ansprechen) unterscheidet. Aber auch wenn man nur als Darsteller tolle Exponate ansehen will, lohnt es sich. Zu den Mitmachaktionen kann ich mich wie gesagt leider nicht äußern. Ich hoffe, dass diese vielleicht im Herbst wieder aufgebaut werden dürfen. Insgesamt ist es ziemlich traurig, wie die aktuelle Situation eine so gut gemachte Sonderausstellung lahmlegt. :( Falls ihr in der Region wohnt, möchte ich euch jedenfalls den Besuch der Ausstellung (wie auch den Rest des Museums, u.a. mit mittelalterlichen Möbeln) nahe legen (der Eintritt ist übrigens für beides komplett frei). Einige knappe Infos und vor allem Impressionen aus der Sonderausstellung findet ihr unter diesem Link: https://www.dortmund.de/de/freizeit...bilderstrecken/bilderstrecken_mkk_597800.html (Quelle: Stadt Dortmund/MUseum für Kunst und Kulturgeschichte).
 

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