Erlebnisbericht: Besuch im Wikinger-Museum Haithabu

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Fifill

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Vergangene Woche hatte ich relativ kurzfristig entdeckt, dass am Fronleichnamswochenende eine Wikingergruppe die rekonstruierte Wikinger-Siedlung des Wikinger-Museum Haithabu beleben und u.a. mit ihren Langbogenschützen und einer Tuchhändlerin vor Ort sein würde. Da ich für diesen Sommer ohnehin Haithabu auf dem Schirm habe, war für Samstag schnell der Plan gefasst, dem Museum gemeinsam mit zwei Freundinnen einen Besuch abzustatten. Diesen ersten Besuch (genau genommen eigentlich mein zweiter, da ich vor 30 Jahren als Kind schonmal dort gewesen bin ;) ) wollte ich zum einen dazu nutzen, mir erstmal einen Gesamtüberblick über die rekonstruierte Wikinger-Siedlung und die Ausstellung im Ausstellungshaus zu verschaffen. Darüber hinaus hatte ich die Hoffnung, einige spezifischere Fragen mit den Bogenschützen und der Tuchhändlerin erörtern zu können. Im Vorfeld informierte ich mich über die Website des Museums zu den generellen und aktuellen Gegebenheiten – auch mit Blick auf die zu erwartenden Corona-Schutzmaßnahmen. Das Wikinger-Museum Haithabu liegt in Busdorf bei Schleswig und hat zwei Bereiche: das Ausstellungshaus, in dem vor allem archäologische Originalfunde ausgestellt und erläutert werden, und die rekonstruierte Wikinger-Siedlung im historischen Gelände. Für den Fußweg vom Ausstellungshaus zur Wikinger-Siedlung bzw. zurück sollte man jeweils ca. 20 Minuten einplanen. Eintrittskarten kann man entweder im Ausstellungshaus (für den Besuch der Ausstellung und der Wikinger-Siedlung, Erwachsene: 9,00€) oder direkt am Eingang zur Wikinger-Siedlung (ermäßigt, nur für den Besuch der Wikinger-Siedlung, Erwachsene: 4,00€) kaufen. Die ermäßigte Eintrittskarte für die Wikinger-Siedung sollte man unbedingt aufheben, da man diese beim Kauf der Eintrittskarte für das Ausstellungshaus vorlegen kann und dann den bereits gezahlten Betrag gutgeschrieben bekommt. Aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen ist die Besucherzahl im Ausstellungshaus gegenwärtig begrenzt, so dass im Vorfeld ein einstündiges Zeitfenster für den Ausstellungsbesuch reserviert werden muss, zu dem man sich mit 20 Minuten Vorlauf an der Kasse einfinden soll. Darüber hinaus gelten die üblichen Corona-Schutzmaßnahmen (AHA, Angabe von Kontaktdaten… jedoch keine Testpflicht) Der Zugang zur Wikinger-Siedlung im Außengelände erfordert keine Reservierung. Mit den Reservierungsbestätigungen im Gepäck (oder in unserem Fall als E-Mail auf dem Smartphone) fuhren wir also Samstag morgen in Hamburg los und erreichten am späten Vormittag das Museum. Vom Parkplatz aus folgten wir dem gut beschilderten Fußweg und erreichten nach wenigen Minuten den Abzweig zum Ausstellungshaus. Dort wies uns eine sehr freundliche Museums-Mitarbeiterin den Weg und erklärte uns die Sache mit den ermäßigten Eintrittskarten (s.o.). Um nicht mehrmals zwischen der Siedlung und dem Ausstellungshaus hin und her laufen zu müssen, hatte ich für den Besuch der Ausstellung ein Zeitfenster ganz zum Schluss (16:00 – 17:00) reserviert. Daher machten wir uns zunächst auf den Weg ins Außengelände Richtung Wikinger-Siedlung. Bei sonnigem Wetter und einer sanften Brise von der Schlei her wurde daraus ein angenehmer Spaziergang in der wunderschönen Landschaft innerhalb der alten, halbkreisförmigen Erdwallanlage, die die Siedlung Haithabu noch heute umspannt. Am Eingang der Siedlung angekommen, kauften wir dort die ermäßigten Eintrittskarten ("Aufheben!") und konnten dann (unter Beachtung der AHA-Regeln) bei moderatem Besucherandrang die Siedlung erkunden. Ich hielt natürlich sogleich nach den Bogenschützen Ausschau, die ich kurz darauf nicht weit vom Eingang erspähte. :robin Nachdem ich eine Weile beim Schießen zugeschaut hatte (und meine beiden Freundinnen sich ohne mich auf die Besichtigungstour für "Nicht-Mittelalter-Nerds" gemacht hatten ^^ ), sprach ich einen der Schützen auf seinen Bogen "Typ Haithabu" an, woraus schnell eine angeregte Unterhaltung entstand, in der ich auch schon zu einigen der Fragen, die ich im Gepäck hatte, wertvolle Hinweise erhielt. In diesem Gespräch erfuhr ich auch, dass es sich bei den an diesem Wochenende anwesenden Darstellern um Mitglieder der Wikinger-Gruppe "Opinn Skjold" handelt und wurde eingeladen, mal auf deren Homepage (www.opinn-skjold.de) und gerne auch persönlich bei weiteren Veranstaltungen der Gruppe vorbei zu schauen. Da mein Gesprächspartner bei einigen meiner Fragen Richtung Bogenbau überfragt war, stellte er schließlich noch den Kontakt zu einem der Bogenbauer im Lager der Bogenschützen her. Auch mit diesem netten Menschen entstand eine sehr angeregte und informative Unterhaltung – u.a. über Zweck (und Nachteil) der für Haithabu-Bögen charakteristischen (über die Sehnennocken hinausstehenden und in "Bauchrichtung" umgebogenen) Wurfarmenden, sowie die unterschiedlichen Anforderungen an das Bogenprofil von Eiben- und Ulmenholzbögen. Als ich auf der Suche nach einer Abbildung mein Exemplar von "Bows and Arrows of the Vikings" (von Dan Høj) hervorholte, stellte sich zudem noch heraus, dass mein Gesprächspartner gemeinsam mit dem Autor im gleichen Verein für traditionelles Bogenschießen aktiv ist. Schließlich bekam ich noch einen Tipp, an wen ich mich bezüglich Gewandungsfragen wenden könne – nämlich die im Museums-Programm angekündigte Tuchhändlerin. Nach kurzer Verschnaufpause begab ich mich also zum Verkaufsstand der Tuchhändlerin, wo diese gerade einen Kunden bei der Stoffauswahl für einen authentischen "Kampf-Kaftan" aus Leinen und eine Wolltunika beriet. Bereits beim Zuhören schnappte ich einige interessante Informationen auf (u.a. für mein Dilemma, dass mir ungefärbtes Leinen leider farblich überhaupt nicht steht, und ich daher auf der Suche nach einer Kompromisslösung bin, d.h. einem Farbton, den man mit den damaligen Färbemitteln auch auf Leinen erreichen konnte). Eine weitere Frage, zu der ich schon seit einiger Zeit recherchiere, ist die nach den frühesten Belegen für Gêren in frühmittelalterlichen Tuniken, insbesondere solchen, die sich zeitlich und räumlich dem Siedlungsraum von Wikingern zuordnen lassen (siehe auch Gêren - ab wann?). In den bei Kania ("Kleidung im Mittelalter") aufgeführten Funden finde ich derartige Keile erstmalig in Funden aus Haithabu und Skjoldehamn, die ins 10. Und 11. Jahrhundert datiert werden. Kürzlich entdeckte ich jedoch im "Authenticity Guide" von "Regia Anglorum", dass diese bereits für ihren frühesten Darstellungszeitraum (ab 793) Tuniken mit Gêren erlauben, was meine Recherche wieder neu in Gang gebracht hat. Als ich die Tuchhändlerin diesbezüglich ansprach, kippte das Gespräch jedoch in eine Richtung, die mich letztlich ziemlich konsterniert zurückgelassen hat. Zuerst erzählte die Frau mir etwas von Zuschnitt und optimaler Stoffverwertung. (Ich: leicht ungeduldiges aber freundliches Nicken – "Ja, ist mir bekannt." Ist ja auch logisch - aber kein Beleg.) Dann führte sie auf, dass ja schon die Römer in ihren Tuniken Gêren verwendet hätten. An dieser Stelle verkniff ich mir eine Bemerkung hinsichtlich der (praktisch nicht vorhandenen) Relevanz von Gêren in antiken römischen Tuniken als Beleg für Gêren in wikingerzeitlichen skandinavischen Tuniken. :thumbdown: Man sah mir meine Zweifel aber wohl an, denn nun meinte sie, dass sie mir das jetzt nicht alles im Detail erklären könne und ich solle doch erstmal ein paar (nicht näher spezifizierte) Bücher lesen, im Internet recherchieren und mir vor allem die Exponate im Ausstellungshaus – und am besten gleich auch noch die in Schloss Gottorf – anschauen. (Spoiler: Beim späteren Besuch des Ausstellungshauses konnte ich leider keinerlei Textilfunde entdecken. :huh: Den Tipp mit Schloss Gottorf habe ich jedoch im Hinterkopf notiert und auf meine "Muss ich mir anschauen" Liste gesetzt.) Richtig abenteuerlich wurde es jedoch, als sich kurz darauf eine andere Besucherin mit in das Gespräch einschaltete, bei der es sich offenbar um eine Bekannte der Tuchhändler-Darstellerin handelte. Diese erklärte mir nun – teils mit Unterstützung seitens der Darstellerin, dass es reale Schildmaiden ja zuerst in Dänemark gegeben habe und erst später in Schweden und Norwegen. Als Beleg führte sie zwei Frauengräber mit Waffen als Grabbeigaben auf. (Ich: Frauengrab mit Waffen = Kriegerin >> inneres Augenrollen :kopfhau ) Es war auch die Rede vom Fund einer Hose in einem der Gräber. (Möglicherweise in der Sammlung von Schloss Gottorf? Das konnte ich nicht mehr klären, habe es aber ebenfalls in meinem Hinterkopf notiert zwecks weiterer Nachforschungen.) Als mir beide Frauen dann erklärten, dass die Wikingerzeit ja gar nicht Teil des Mittelalters sei (und das Hochmittelalter im 16. Jahrhundert liege), verlegte ich mich auf "freundlich lächeln und nicken" und trat ziemlich verstört den Rückzug an. :S Danach musste ich mich erstmal eine halbe Stunde lang von dieser… Begegnung der dritten Art? 8| … erholen und mich bei Wikipedia davon überzeugen, dass das Mittelalter noch immer da liegt, wo ich es zuletzt angetroffen habe – nämlich grob zwischen 500 und 1500 n.Chr. ("Ja, es ist noch da – uff!") :schwitz Nach einer Erholungspause auf dem Bootssteg im ehemaligen Hafenbereich von Haithabu spazierte ich noch eine gute Stunde lang durch die Siedlung, wobei noch mehrere angeregte und informative Unterhaltungen mit Darstellern zustande kamen – u.a. über die verschiedenen Kunststile der Wikingerzeit (mit dem Schmuckhändler, der mir auch das Buch "Spurensuche Haithabu" wärmstens ans Herz legte), Nähen von Wendeschuhen und Gewandung, Problematik der Interpretation von Grabfunden, den getrübten Genuss von Mittelalterfilmen durch die Brille des Mittelalter-Nerds… Zur eingehenden Besichtigung der Häuser bin ich an diesem Tag tatsächlich nicht mehr gekommen – aber ich war auch ganz sicher nicht zum letzten mal dort.
 
Etwa eine Dreiviertelstunde vor unserem reservierten Zeitfenster machten wir uns wieder auf den Rückweg zum Ausstellungshaus. Dort legten wir an der Kasse unsere Reservierungsbestätigungen und die ermäßigten Eintrittskarten aus der Wikinger-Siedlung vor, die mit dem Eintritt für den Ausstellungsbesuch verrechnet wurden. Unsere Kontaktdaten hatten wir bereits im Vorfeld über ein Online-Formular hinterlegt (über einen Link in der Reservierungsbestätigungs-E-Mail, LUKA ist vor Ort ebenfalls möglich). In der Ausstellung waren um diese Tageszeit nur wenige Besucher unterwegs, so dass wir ungestört durch die Ausstellungsräume mit den verschiedenen Themenschwerpunkten schlendern konnten (u.a. Lage und Bedeutung von Haithabu und Danewerk, Handwerk und Handel, Runen, Götterwelt, Begräbniskult, Fernhandel, Schiffe). Erfreut entdeckte ich in einer Vitrine auch die bronzenen Pfeilnocken, über die ich mich am Vormittag mit den Bogenschützen unterhalten hatte, fand jedoch leider keinerlei Textilfunde in der Ausstellung. Nach den vielen Eindrücken des Tages konnte ich allerdings nicht mehr viel neues Aufnehmen und verschaffte mir hauptsächlich einen Überblick über die Ausstellung - auch hier bin ich gewiss nicht zum letzten mal gewesen. Zum Schluss besuchten wir noch den Museumsshop, wo ich mir das Buch "Spurensuche Haithabu" kaufte und einen Blick in "Textilien und Tracht in Haithabu und Schleswig" von Inga Hägg werfen konnte (steht nun ganz weit oben auf meiner Bücher-Wunschliste). Insgesamt war dies ein rundum gelungener Tagesausflug in die Welt der Wikinger (und in die der Mittelalter-Nerds – mal abgesehen von dem einen verstörenden Erlebnis mit der Tuchhändlerin
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), den auch meine beiden Freundinnen aus dem 21. Jahrhundert in vollen Zügen genossen haben.
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Nach diesem eindrücklichen Besuch und angesichts der Fülle von bereits erforschtem und beschriebenem Fundmaterial ziehe ich nun auch ernsthaft in Erwägung, meine erste Darstellung im Raum Haithabu anzusiedeln.
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Also da waren ja Aussagen dabei von den Darstellern... Die hätte ich auf einem drittklassigen "Mittelaltermarkt" erwartet und nicht bei einer Belebung eines der wichtigsten Freilichtmuseen für Wiki-Nerds. Aber ein schöner Bericht
 
Schloss Gottorf ist eins meiner Lieblingsmuseum. Kein Besuch im Norden ohne nicht mindestens einmal dort zu sein. Man braucht einen ganzen Tag dort, nur um einmal überall kurz gewesen zu sein. Bzw den modernen Kram lasse ich immer aus. Ja da gibt es 3 eisenzeitliche Hosen von denen 2 gezeigt werden. Wikingerzeitlich gibt es nicht ganz so viel, denn Haithabu gehört zu Gottorf, aber die bekannten Textilfunde aus der Eisenzeit und auch vieles aus dem Hoch und Spätmittelalter ( MA leider nur fragmentarisch) ist zu bewundern. In der Nydamm-Halle gibt es die wikingerzeitliche Bootsausstellung. Man kann im Park pickinken, oder Mittags einen Abstecher nach Schleswig machen und dort etwas Essen und die Füße ausruhen um dann noch einmal ins Museum zu gehen. Man sollte auf jeden Fall Zeit einplanen. In Haithabu war ich sehr entäuscht das ausser der Tiermaske keine Textilien gezeigt werden. Das muss früher anders gewesen sein, zumindest sagt der alte Ausstellungskatalog das. Es gibt ja viele Textilien teilweise mit ausgefallenen und viel zu seltenen gesehen Mustern bei den Darstellern. Wenn ich einen Tipp geben darf, immer selber recherchieren NIE anderen Händlern oder Darstellern glauben. Jeder hat so seine eigenen Maßstäbe und Ansichten. Wären immer alle einer Meinung würden wir nicht so oft streiten was die Details angeht. Geren sind mir bei den Römern aber noch nicht untergekommen. Dreiecke in der Hose ja, aber das sind definitiv nicht das was man unter Geren versteht.
 
Also da waren ja Aussagen dabei von den Darstellern... Die hätte ich auf einem drittklassigen "Mittelaltermarkt" erwartet und nicht bei einer Belebung eines der wichtigsten Freilichtmuseen für Wiki-Nerds.
Ja, das hat mich auch ehrlich geschockt! 8| Wobei es wirklich nur diese eine Darstellerin gewesen ist, die derartigen Unsinn von sich gegeben hat. Alle anderen Darsteller, mit denen ich gesprochen habe (etwa ein halbes Dutzend), wahren wirklich sehr versiert und aufgeschlossen, ihr Wissen zu teilen. :thumbsup:
 
Schloss Gottorf ist eins meiner Lieblingsmuseum. ...
Das klingt ja wirklich interessant! Und von Hamburg aus sind Gottorf und Haithabu zu meinem Glück ja auch gut zu erreichen. :thumbsup:
Wenn ich einen Tipp geben darf, immer selber recherchieren NIE anderen Händlern oder Darstellern glauben. Jeder hat so seine eigenen Maßstäbe und Ansichten.
Ja, das hab ich auch schon gemerkt. ^^ Bin schon des öfteren auf angebliche Fakten gestoßen, die auf diversen Websites munter zitiert werden, bei genauerer Recherche sich jedoch leider als nicht belegbar herausstellten (z.B. eine angebliche gesetzliche Vorgabe von Karl dem Großen zu Gêren in Tuniken, für die ich dann leider doch keinen Beleg in den Kapitularien finden konnte). In sofern fasse ich solche Aussagen (wie z.B. auch die Angaben im Guide von "Regia Anglorum") immer nur als Ausgangspunkt und Richtungshinweis für meine eigenen Recherchen auf.
 
Das ist wohl das Problem das die meisten Funde halt nur fragmentarisch vorhanden sind und somit keine "So isses" Aussage möglich ist. Schloss Gottorf steht neben Kalkriese und dem Alamannen Museum im Süden ganz oben auf meiner to Do Liste. Man hat einfach zu wenig Zeit
 
Ich muss mal meinen Senf dazugeben, weil wir an diesem Wochenende zur Belebung in den Häusern waren. Vielleicht hattest du ein wenig zu hohe Erwartungen, zumal die Tuchhändlerin eben eine Tuchhändlerin ist und ich rechne es ihr in der Tat schon hoch an, dass sie nur Stoffe mit hatte, deren Bindungen tatsächlich in der Fundlage existieren. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur ernüchtert. Ich mache das Hobby seit vielen Jahren und nach Haithabu zur Belegbung fahre ich seit 2011. Wenn mir etwas klar geworden ist dann...sie kochen alle nur mit Wasser. Es ist völlig wurscht in welche Ecke du guckst, nichts ist perfekt. Aber das ist es in anderen Museen auch nicht. Ich habe in den Jahren schon einen Haufen Müll gesehen und von Moderatoren gehört, dass mir die Haare zu Berge gestanden sind. Man muss, wenn man wirklich sicher sein will (und selbst das ist bei den oft doch sehr fragmenthaften Funden, gerade im Textilbereich schon kaum möglich) selbst recherchieren, die Bücher durchackern und schaun, was für einen selbst dabei herauskommt. Man kommt in vielen Bereichen auf keinen Konsenz. Wir haben beispielsweise schon ewig darüber gebrainstormed, ob an dem Klappenrock jetzt Knöpfe waren oder nicht. Die Antwort ist für uns ein klares und deutliches vielleicht. Meine Wahrnehmung an dem Wochenende war beispielsweise, dass die Bogenschützen im besten Marktmittelalter ausgestattet waren, was mir in der Tat für einen Termin im Museum doch etwas aufgestoßen ist, von dem Kasten Bier unterm Tisch rede ich gar nicht. Ist dir das beim kritischen scannen nicht aufgefallen? Da nahm sich die Tuchhändlerin noch als bestens angezogen heraus.
 
Man muss, wenn man wirklich sicher sein will (und selbst das ist bei den oft doch sehr fragmenthaften Funden, gerade im Textilbereich schon kaum möglich) selbst recherchieren, die Bücher durchackern und schaun, was für einen selbst dabei herauskommt.
Klar, das stelle ich überhaupt nicht in Frage. Trotzdem ist der Austausch mit anderen Darstellern ja eine wertvolle Quelle für Hinweise und Anregungen zur Weiterführung der eigenen Recherche ("Da gab’s in [Ort X] wohl mal nen Fund in der Art, schau doch mal in [Buch Y], da könnte was dazu stehen.") - gerade auch dann, wenn man - wie ich - keiner Gruppe von Darstellern angehört.
Vielleicht hattest du ein wenig zu hohe Erwartungen, zumal die Tuchhändlerin eben eine Tuchhändlerin ist...
Immerhin wurde sie im Programm auf der Museums-Website explizit als eigenständiger Programmpunkt angekündigt, u.a. mit den Worten: "Die Gewandschneiderin informiert fachkundig zu allen Fragen rund um das wikingerzeitliche 'Outfit'." Wer sich in dieser Weise offiziell ankündigen lässt, muss - meine ich - schon damit rechnen, themenspezifische Fragen gestellt zu bekommen. Es ging bei der von mir geäußerten Irritation auch nicht darum, dass ich mit meiner spezifiellen Frage (Gêren – ab wann?) nicht weitergekommen bin. Was mir so sauer aufgestoßen ist, war der Eindruck, von oben herab mit fadenscheinigen bis haarsträubenden Argumenten abgewimmelt worden zu sein: - "Lies erstmal ein paar Bücher und recherchier im Internet." (ohne ein Wort dazu welche Bücher oder wo im Internet) - Tu ich ja schon seit einer Weile, sonst könnte ich gar nicht so spezifische - fiese? - Fragen stellen. - "Schau dir erstmal die Exponate im Ausstellungshaus an." - Exponate aus dem Bereich der Textilfunde: genau 0! :huh: (Immerhin kam etwas später noch der Hinweis auf Schloss Gottorf.) Und bei der Behauptung, die Wikingerzeit sei nicht Teil des Mittelalters, frage ich mich noch immer, ob ich absichtlich vera***** werden sollte, oder ob es sich um eine eklatante Wissenslücke handelt. 8| Was das Gespräch mit der Tuchhändlerin angeht, kann ich mit Sicherheit nur sagen, dass da irgendwas schiefgelaufen ist - und ich weiß bis heute nicht was. Angesichts ihrer Reaktionen kann ich nur mutmaßen, dass sie sich durch meine Fragen womöglich angegriffen gefühlt hat - was absolut nicht mein Ansinnen war! Von einem Darsteller in einem Museum würde ich mir allerdings einen etwas souveräneren Umgang auch mit kritischen Fragen wünschen. Bei mir bleibt nach dieser Begegnung jedenfalls ein sehr bitterer Geschmack zurück. :/
 
Ich sehe das ganz pragmatisch. Wenn ich als Darsteller gebucht werde um in einem Museum mitzuwirken, muss 1. meine Klamotte und Ausrüstung auf höchstem Niveau sein und 2. muss mein Kenntnisstand up to Daten sein. Mal abgesehen davon das es dann mein Job ist, Fragen zu beantworten, und seien Sie noch so doof oder nervig. Es hat jeder Interessierte ein Recht auf eine höfliche Antwort und es kommt immer noch ehrlicher "Ich weiss es nicht" mit evtl ein paar Buchtips zu sagen als eine schwammige Ausrede. Und wenn ich das nicht leisten kann oder will, habe ich nix im Museum als Darsteller verloren ;)
 
Was die Austattung der Darsteller angeht, finde ich es vor allem wichtig, dass ein stimmiges Gesamtbild ensteht, so dass Besucher, die sich noch nicht näher mit der Lebenswelt der Wikinger befasst haben (und deren "Wikingerbild" womöglich von Filmen und Serien wie "Vikings" geprägt ist), einen Eindruck von den tatsächlichen damaligen Verhältnissen gewinnen können. Detailfehler lassen sich da in meinen Augen bis zu einem gewissen Punkt sogar verschmerzen. Wichtig finde ich vor allem, dass die Darsteller aufgeschlossen für Fragen sind und zu Zeit und Ort der Belebung - und ggf. ihrem Spezialgebiet als Handwerker, Händler... - fundiert Auskunft geben können. Auch hier geht es in meinen Augen in erster Linie um die Vermittlung eines stimmigen Gesamtbildes an Zuschauer ohne Vorkenntisse. Ich finde es auch überhaupt nicht schlimm oder ehrenrührig, wenn ein Darsteller auf eine speziellere Frage keine Antwort weiß. In so einem Fall würde ich mir allerdings wünschen, dass derjenige aufrichtig zugibt, dass er die Frage aus dem Stegreif nicht beantworten kann und sich nicht in Ausreden flüchtet, die den Fragenden dann auch noch als den Deppen erscheinen lassen ("Befass dich erstmal ordentlich mit der Materie, ehe du mir hier solche Fragen stellst."). Auch als jemand, der sich schon etwas eingehender mit "den Wikingern" befasst (und trotzdem gerade erst die Oberfläche dieses faszinierenden Themenkomplexes angekratzt) hat, gehe ich erstmal mit der Grundhaltung in so eine "belebte Ausstellung", dass die Darsteller eine Ahnung von dem haben, was sie da tun und zeigen. Ganz gewiss geht es mir nicht darum, nach Detailfehlern zu "scannen" und jemanden der "Unauthentizität" zu überführen! Dafür habe ich viel zu viel Respekt vor der ganzen Mühe und Arbeit, die jeder hineinstecken muss, der eine hochwertige Darstellung betreiben will. Dann plötzlich von oben herab mit schwammigen Ausreden abgewimmelt zu werden hat mich aber schon ordentlich vor den Kopf gestoßen. :S Das war aber wohlgemerkt in einem halben Dutzend Gesprächen mit Darstellern nur ein einziges mal der Fall.
 
Ich kann dich durchaus verstehen, dein Ansinnen nachvollziehen @Fifill. Ich wollte nur ein wenig Verständnis erbitten. Das Museum war in seinen Ausführungen im Programm da wohl einfach zu blumig. Sie ist eine Händlerin, sie verkauft ihre zugegbenermaßen sehr schönen Stoffe auf vielen Märkten, von Freienfels bis Tannenberg, von Tilleda bis Haithabu. Als Darsteller würde ich sie aber definitiv nicht bezeichnen. Ich bezweifle auch, dass sie Hägg komplett durchgeackert hat. Wenn das in einer Beschreibung so rüberkommt ist das natürlich blödsinnig, weil es falsche Erwartungen weckt. Wenn ich auf die IRM nach Minden gehe und beispielsweise vor dem Stand von Bunte Tuche stehe (die auch in z.B. auf dem Ostermarkt in Haithabu sind) erwarte ich da wesentlich mehr und bekomme da auch mehr. Ein Händlergespräch und ein Handwerkergespräch sind einfach ziemlich unterschiedlich. Und ansonsten sehe ich das auch pragmatisch...ich bin nicht perfekt und wenn ich etwas nicht weiß, was häufig vorkommt, kann ich das durchaus auch sagen. Im besten Falles weiß ich dann aber, an wen man sich wenden kann um weiterzukommen. :)
 
Detailfehler lassen sich da in meinen Augen bis zu einem gewissen Punkt sogar verschmerzen.
absolut! Wenn ich auf Mittelaltermärkten Darsteller sehe bei denen das Schwert genau(!)genommen erst ca. 1^0-20 Jahre später entstand als die Darstellung es vermuten lässt...damit kann ich leben,why not? Wenn aber jemand als Darsteller eines Krämers (Westfalen) aus dem späten 12.Jahrhundert zu sehen ist und ein Schmuckstück aus dem Dänemark des 09.Jahrhunderts um den Hals trägt und den Besuchern erzählt,ihm - dem Krämer - hätte sein Grossvater das Stück vererbt,der es wiederum von seinem Vater erbte,der es auf einer Handelsreise von einem dänischen Händler geschenkt bekam,weil.... dann wird es absurd.
 
Es kommt halt m.E. immer auf die VA an. Auf einem normalen Markt sehe ich über vieles hinweg, schon allein, weil mein Wissen, was andere Epochen als der "meinen" betrifft, begrenzt bzw überschaubar ist ;). Aber auf einem Markt erwarte ich auch keinen höheren Anspruch, sondern will eine gute Zeit verleben. In einem Museum, ob Freilicht oder wasauchimmer, erwarte ich Authentizität auf dem höchst möglichen Niveau. Und auch von einem Händler erwarte ich, das er weiß, was er verkauft und sich dementsprechend kleidet. Ohne jetzt die Dame von Haithabu anzugreifen. Ich kenne sie ja nicht. Da ich irgendwann einmal eine kaufmännische Umschulung im beratungsintensiven Einzelhandel "genossen" habe, weiß ich, wie nervig manche Kunden sein können, und wie behämmert manche Fragen sein können. Ich habe im Musikinstrumentenhandel gearbeitet und habe mich da speziell um die exotischen Instrumente gekümmert. Da kamen immer besondere Lichtgestalten daher, aber trotzdem hat jeder das Recht höflich behandelt zu werden. Das ist nunmal der Job. Zickig zu werden oder gefährliches Halbwissen rauszuhauen kommt immer auf einen zurück ;) Und wen es nervt, viel zu quatschen und zu beraten, ( wir sind nunmal in einem Hobby unterwegs, wo viel Wissen transferiert wird), sollte sich über seine Tätigkeit mal Gedanken machen. Ich bin immer gut damit gefahren lieber einmal zuzugeben, das eine Nachfrage mein Wissen übersteigt, als irgendwas zu behaupten. Weil dann zerlegen sie einen ;) und man verkauft nix mehr.
 
@Pit der Schreiber - Vollkommen abwegig ist das mit den Erbstücken allerdings auch nicht. Erinnern wir uns beispielsweise an Grab Bj. 750 in Birka. Dort wurde als Beigabe eine römische Münze gefunden, die im 2. Jahrhundert n. Chr. geprägt wurde. Dass eine Münze als reines Zahlungsmittel fast 800 Jahre lang unbeschadet in Umlauf gewesen sein soll, erscheint mehr als unwahrscheinlich. Eine Weitergabe innerhalb der Familie über mehrere Generationen hinweg wäre da schon schlüssiger.
 
Hallo in die Runde, kurz mal von mir etwas dazu. Es gab sicher mehr als nur die Römische ünze aus Grab 750 Birka die in der Familie ... weiter gegeben wurde. Ähnlich ist es beispielsweise mit diversen Schwertern die über die Zeit hinweg eine Anpassung der Griffe Parier und Knauf erfuhren. Leider fehlt mir weiterhin die Zeit in meinen Büchern die genauen Quellen für mutaßlich weitergegebene Stücke von Schwertern als auch von anderen Dingen ... heraus zu schreiben und als Quelle mit einzufügen. Auf Märkten den gemischten Epochenoffenen als auch in Freilichtmuseen war ich vor Corona ebenfalls als Händler unterwegs und kann meine angbotenen Dinge auch erklären. Ob es Gläser, Tonwaren, Schmuck oder Klingenwaren oder andere Dinge sind. Jedoch ist der Unterschied ich lebe nicht davon diese Dinge zu veräußern und veräußere Dinge die weitestgehend zumindst Optisch dem entsprechen aus den hier in meinen Büchern als Fund zu finden sind. Und bin ebenfalls auch Handwerker der nebenher nur für sich.. in Holz schnitzt oder Lederarbeiten ausführt und somit auch Darsteller. Ein Händler möchte auch seine Ware verkaufen, Jemand der als Markthändler davon lebt muss diese verkaufen, so werden leider gelegentlich Gäste die lediglich Fragen stellen nicht als Käufer angesehen und mit einer einfachen Antwort weiter geschickt. So erhält der Händler Zeit andere Pesonen zu bedienen, oder ganz anderes zu machen evtl. auch sich nur auszuruhen.Das ist natürlich schade, denn der Besucher sollte gerade dort wie z.B. in Haithabu, gute Antworten bekommen und egal ob als Käufer oder nur fragender Besucher, doch es ist wie überall - auch gelegentlich hier im Forum, es werden Fragen gestellt um selbst nicht recherchiern zu müssen und irgendwann will man sich nicht mehr ausführlich mit dem Fragesteller beschäftigen. Als Hobbyneuling habe ich leider oft von Händlern diverse Dinge mit ja das passt so verkauft bekommen. Ich habe vor etwa 32 Jahren angefsangen und da konnte ich noch nicht imn Intetnet recherchieren, da geschah es nur zu leicht das man Dinge angereht bekam. Das möchte ich so nicht fortführen, bevor ich etwas falsch weitergebe weil es dann eventuell einfacher ist einem Kunden etwas verkaufen zu können, gebe ich lieber auch Informationen die ggf. gerade diesen Kauf verhindern - wenn es nicht zur gewünschten Darstellung Passt, die mir zuvor mitgeteilt wurde wofür dann wiederum meine Replik eingesetzt werden soll. Und wozu ich nicht´s weis halte ich mich meistens zurück oder füge hinzu das es Parallelen gibt aber ich keinen Beweis oder Fund für genau diese Replik anführen kann. Ob dann derjenige mit dem ich zuvor sprach auch würdigt das ich diese Information zur angebotenen Replik gab bliebt ihm überlassen. Mir ist es ein anliegen dies so auszuführen, weitgehend gute Information und gute Ware zu fairen Preisen. Jedoch Leute nur Fragen stellen, wo bekommst du dies oder jenes her oder wie macht man dies und das... sind Fragen die man bessewr unter rein darstellenden fragen sollte nicht bei einem Händler. Auch nicht auf einem Museumsmarkt. Auch bei Museumsveranstalltungen ist die dortige Information so gut wie die Recherche die ein jeder dort zuvor betrieben und für sich abgespeichert hat. Selbst in Museen sind z.B.: die geleitenten Fürhungen oder auch Beschreibungen in den Vitrinen so das der ein oder andere hier aus dem Forum feststellt da stimmt etwas nicht. Gruß Olegsson
 
@Pit der Schreiber - Vollkommen abwegig ist das mit den Erbstücken allerdings auch nicht. Erinnern wir uns beispielsweise an Grab Bj. 750 in Birka. Dort wurde als Beigabe eine römische Münze gefunden, die im 2. Jahrhundert n. Chr. geprägt wurde. Dass eine Münze als reines Zahlungsmittel fast 800 Jahre lang unbeschadet in Umlauf gewesen sein soll, erscheint mehr als unwahrscheinlich. Eine Weitergabe innerhalb der Familie über mehrere Generationen hinweg wäre da schon schlüssiger.
Das stimmt, habe ich auch so erlebt. Bei meiner fränkischen Grabreko gibt es eine Fibel in der Grablege, die in der Zeit schon längst aus der Mode war, eindeutig römisch, obwohl das Grab um 600 angesiedelt ist.
 
Jetzt müssen wir hier aber ganz laut "Ausnahme" rufen sonst wird" Opas Schwert" wieder argumentationswürdig. :/
 

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