Homosexualität (Sodomie) im MA

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Welfin

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Begriff Heute versteht man unter Sodomie nur noch den sexuellen Verkehr mit Tieren (Zoophilie). Demgegenüber fasste das Mittelalter ganz verschiedene „widernatürliche“ Praktiken unter diesen Begriff, hauptsächlich jedoch den Analverkehr. Das sodomitische Laster hieß auch die „stumme Sünde“, die „Sünde ohne Namen“ oder „jene schreckliche Sünde, die unter Christen nicht genannt werden darf“. Am häufigsten gebraucht wurde die Wendung „Laster wider die Natur“ (vitium contra naturam). Da der Begriff der Homosexualität erst im 19. Jahrhundert aufkam, ist es irreführend, die Sodomiterverfolgung als Homosexuellen- oder gar als Schwulenverfolgung zu bezeichnen. Gleichwohl verstand man unter „Sodomit“ vorwiegend einen Mann, der mit einem anderen Mann den Analverkehr praktizierte. Das Mittelalter kann jedoch im Hinblick auf den heutigen Begriff der Homosexualität nicht nur als eine Repressionsgeschichte geschildert werden. Denn gleichzeitig galt die Liebe zwischen Männern als nichts Außergewöhnliches und wurde nur selten mit dem Begriff der Sodomie in Verbindung gebracht. Gleichgeschlechtliche Freundespaare wurden von der Kirche teilweise auch als Wahlbrüder gesegnet und miteinander bestattet. Etymologisch leitet sich das Wort Sodomie von der biblischen Erzählungen im 1. Buch Mose, Kap. 18 und 19 von der Stadt Sodom ab, deren Bewohner der Sünde anheim gefallen waren und daher von Gott unter einem Regen aus Feuer und Schwefel begraben wurden. Scholastische Definitionen Dante und Vergil treffen die Sodomiten in der Hölle (Manuskript-Illustration, ca. 1345)Als Hauptwort taucht die Sodomie erstmals Mitte des 11. Jahrhunderts in einer kirchlichen Streitschrift auf, wo sie ihre Neukreation einer rhetorischen Analogie verdankt: In seinem Liber Gommorrhianus ruft der Benediktinermönch Petrus Damianus den damaligen Papst Leo IX. dazu auf, das sodomitische Laster aus der Kirche zu tilgen, indem diejenigen, die sich dessen schuldig gemacht haben, ihrer geistlichen Würde enthoben werden. In diesem Kontext prägt er das Substantiv sodomia mit Hilfe einer polemischen Parallelisierung: „Wenn Blasphemie die schlimmste Sünde ist, weiß ich nicht, auf welche Weise Sodomie besser wäre.“ Damian legt dem Begriff dabei eine uns heute befremdend erscheinende Gruppierung gänzlich verschiedener sexueller Handlungen zugrunde. Ihre Gemeinsamkeit bestand lediglich darin, dass sie nichts zur Fortpflanzung beitrugen, dem für das traditionelle Christentum einzig legitimen Zweck und Grund menschlicher Sexualität. Vier Formen konstituieren für Damian daher in aufsteigender Reihenfolge die sodomitische Sünde: die Selbstbefleckung (Masturbation), das wechselseitige Umgreifen und Reiben der männlichen Genitalien, die Ejakulation zwischen den Schenkeln und der Analverkehr. Einer anderen Logik der Unterteilung folgte Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert. Ihm zufolge ist die „Sünde wider die Natur“ eine von sechs Arten der Wollust mit vier Unterarten, nämlich der Masturbation, dem Verkehr mit einem „Wesen einer anderen Art“, dem Verkehr mit einer Person, die nicht das geforderte Geschlecht besitzt, und dem unnatürlichen Vollzug des Beischlafs, etwa durch die Benutzung ungehöriger Instrumente oder auf andere „monströse und bestialische Weisen“. Am schwersten wiegt dabei die Unzucht mit einem Tier, am geringsten die „Unreinheit“, die einer mit sich allein begeht Verfolgungspraxis Mittelalter und frühe Neuzeit Templer küsst Kleriker von hinten (Manuskript-Illustration, ca. 1350)Bis zum 13. Jahrhundert war Sodomie in den meisten Ländern Europas nicht strafbar, sondern lediglich eine von vielen Sünden in den kirchlichen Bußbüchern. Das änderte sich jedoch im Rahmen der Kreuzzugspropaganda gegen den Islam, die den Begriff der Sodomie politisierte. Mohammed, der „Feind der Natur“, habe die Sünde der Sodomiter unter seinen Leuten popularisiert, hieß es in den zeitgenössischen Pamphleten. Die Sarazenen würden Bischöfe vergewaltigen und christliche Knaben für ihre fleischlichen Begierden missbrauchen. Nur wenig später gehörte die Sodomie auch zu den Standardvorwürfen gegen die Häretiker, so dass ketzern im Mittelhochdeutschen zum Synonym für „sodomitisch verkehren“ wurde. (Gleiches geschah in Frankreich mit bougrerie und in England mit buggery, die sich beide vom Namen der Bogomilensekte ableiten.) Im Rahmen dieser Hetze wandelte sich zwischen 1250 und 1300 die Sodomie von einer zwar sündigen, aber meist völlig legalen Praxis zu einer Handlung, die fast überall in Europa mit der Todesstrafe belegt wurde. Sie war jedoch weiterhin vor allem ein Mittel der Denunziation und der politischen Intrige, wie im Fall der Ermordung von König Eduard II. oder der Zerschlagung des Templerordens. Darüber hinaus wurde sie in der Regel nur geahndet, wenn eine Handlung den sozialen Frieden empfindlich gestört hatte, z.B. bei einer Vergewaltigung oder der Sodomitisierung von Kindern. Die Gerichte beschäftigten sich in der Realität viel öfter mit Fällen von außerehelichem Geschlechtsverkehr zwischen einem Mann und einer Frau als mit gleichgeschlechtlichen Handlungen unter Männern, bargen letztere doch wenigstens nicht die Gefahr des illegitimen Nachwuchses. Es gab jedoch zeitlich und regional begrenzte Ausnahmen von dieser Regel. Ein Beispiel hierfür ist die Stadt Florenz. Nachdem wiederholte Pestepidemien die Einwohnerzahl von etwa 120.000 auf ca. 40.000 dezimiert hatten, wurde dort im Jahr 1432 die „Behörde der Nacht“ geschaffen. Sie widmete sich ausschließlich der Bekämpfung der Sodomie. Über die Gründe für ihre Einführung kann man nur spekulieren, aber es liegt nahe, dass sie Teil einer Politik war, die sexuellen Freiheiten junger Männer zu beschneiden, um sie dadurch in die Ehe zu drängen. Sie ahndete den Analverkehr zwar meist nur noch mit Geldstrafen. Aber gerade dadurch gelang es ihr, ein funktionsfähiges System der totalen Überwachung aufzubauen, das mit Verhören, der Belohnung von Denunzianten, einem Netz von Spionen und Informanten und einer Kronzeugenregelung arbeitete. Bis zu seinem 30. Lebensjahr lenkte so jeder zweite männliche Florentiner wenigstens einmal den Verdacht der Behörde auf sich. Gleichzeitig offenbarte diese Verfolgung den extrem hohen Verbreitungsgrad sexueller Beziehungen unter Männern und ihre relative Offenheit. „Sodomie“ fand in Florenz nicht etwa versteckt im Rahmen einer Subkultur statt, sondern war Teil alltäglicher Sozialbeziehungen. Erst nach 70 Jahren wurde die Behörde der Nacht wieder aufgelöst. Florenz kehrte allmählich, nachdem der Versuch gescheitert war, das „Laster wider die Natur“ auf diese Weise einzudämmen, zur auch anderswo üblichen Praxis der Verfolgung zurück: prinzipielle Androhung der Todesstrafe bei weitgehender Duldung einfacher Akte der „Sodomie“. Heiliges Römisches Reich Verbrennung des Ritters von Hohenberg mit seinem Knecht vor den Mauern von Zürich (1482)Die vermutlich erste Hinrichtung wegen Sodomie im Heiligen Römischen Reich ist für das Jahr 1277 bezeugt, als König Rudolf I. von Habsburg den Dominus von Haspisperch zur Verbrennung auf dem Scheiterhaufen verurteilte. Etwa um dieselbe Zeit bestimmte der Schwabenspiegel (ca. 1275/76) für Personen, die einen Mann als Sodomiten oder als Ketzer verleumden oder über ihn behaupten, er habe Unzucht mit Tieren getrieben, den Tod durch Rädern. „Ketzer“ ist hier – synonym zum Begriff des „Sodomiten“ – als Bezeichnung für einen Mann zu verstehen, der den Beischlaf entweder mit einem anderen Mann (mandlaer) oder mit einem Tier (vichunrainer) vollzogen hatte. In den folgenden Jahrhunderten kam es vielerorts zur Hinrichtung von Männern „wegen der Ketzerei, die sie miteinander getan hatten“, wie 1381 in Augsburg, 1431 in Zürich oder 1456 in Regensburg. Die Zahl der Verurteilungen ist angesichts der allgemein schlechten, meist nur fragmentarischen Überlieferung alter Kriminalfälle kaum zu beurteilen. Einen konkreten Anhaltspunkt erlaubt der Kanton Zürich, wo die Quellenlage außerordentlich gut ist, denn hier sind die sog. „Richtbücher“ von 1375 an mit Ausnahme eines einzigen Jahrganges (1739) vollständig erhalten (Staatsarchiv Zürich, Abt. B VI). Diese verzeichnen für einen Zeitraum von fast 400 Jahren, von 1400 bis 1798, insgesamt 1.424 Todesurteile, wovon 747 auf Grund von Eigentumsdelikten, 193 wegen Tötungsdelikten und 179 Sodomiefälle sind. „Sodomie“ stand in Zürich unter den todeswürdigen Verbrechen damit auf dem 3. Rang, noch weit vor „Hexerei“ (80 Hinrichtungen), die gerade halb so viele Hinrichtungen zur Folge hatte. 1532 schuf Karl V. mit der Constitutio Criminalis Carolina (CCC) ein reichseinheitliches Strafgesetzbuch, das bis zum Ende des 18. Jahrhunderts Gültigkeit behielt. In Paragraph 116 hieß es: „Straff der Vnkeusch, so wider die Natur beschicht. Jtem so ein mensch mit einem Viehe, Man mit Man, Weib mit Weib Vnkeusch treibenn, die habenn auch das leben Verwurckt. Vnt man solle sy, der gemeynen gewohnheit nach, mit dem feure vom lebenn zum tode richtenn.“ Anders als in London und Amsterdam, wo es im 18. Jahrhundert zu wellenartigen Sodomiterverfolgungen kam, blieben die Hinrichtungen im deutschen Reich bis zuletzt auf wenige außergewöhnliche Fälle begrenzt. So wurden in Preußen zwischen 1700 und 1730 zwölf Personen nach Paragraph 116 der CCC exekutiert, davon neun wegen widernatürlicher Unzucht mit Tieren, aber nur drei wegen sexueller Handlungen mit Männern. Die Vollstreckung des Todesurteils geschah durch Enthauptung mit dem Schwert und anschließender Verbrennung der Leichen. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Sodomiterverfolgung
 
Klaus van Eickels: Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt. Die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter Rezension von Albrecht Diem, Amsterdam/Katholische Universität Nimwegen Erschienen in Invertito 5 (2003) Bis vor wenigen Jahrzehnten beschrieb Geschichtsschreibung vor allem die Geschichte der Herrschenden. Die Welt des Mittelalters war, so konnte man den Eindruck gewinnen, vor allem bevölkert durch Könige, Päpste, Herzöge und Bischöfe. In den letzten Jahren hat sich das Forschungsinteresse glücklicherweise weithin gewandelt. "Gewöhnliche" Männer und Frauen, ihre Lebensumstände und Mentalitäten rückten mehr und mehr in den Mittelpunkt des Interesses mittelalterlicher Forschung. Im Lichte dieser Entwicklung ist Klaus van Eickels Buch Vom inszenierten Konsens beinahe schon ein Wagnis: Es untersucht die politischen Rituale zwischen den englischen und den französischen Königen und ihre Repräsentation in den Quellen für die Periode zwischen dem Beginn der normannischen Königsherrschaft in England im Jahr 1066 und dem Anfang des hundertjährigen Krieges im Jahr 1337. Noch gewagter ist, dass van Eickels versucht, dieses überaus traditionelle Forschungsfeld im Lichte neuerer kulturanthropologischer Ansätze zu betrachten, aber auch auf Grundlage von Ansätzen der Queer Theory und Erkenntnissen zu Forschungen der mittelalterlichen Homosexualitäten. Mit der Krönung des normannischen Herzogs Willhelm zum englischen König waren die englischen Könige durch ihren Festlandbesitz zugleich Vasallen des französischen Königs. Nach der Heirat Eleonores von Aquitanien mit Heinrich I. von England (1152) beherrschten die englischen Könige als Grafen und Herzöge selbst einen Großteil des französischen Königreiches. Diese machtpolitische Konstellation, die Tatsache, dass der englische König einerseits rechtlich Lehensmann des französischen war, zugleich aber als solcher die Macht über einen Großteil seines Herrschaftsgebietes hatte, führte zu einer Reihe von Konflikten, die zum Teil militärisch ausgetragen wurden, häufiger aber, mit der Zielsetzung einer dauerhaften Stabilität, in Verhandlungen zwischen den beiden Königen friedlich beigelegt wurden. Van Eickels macht in seinem Buch deutlich, dass eine traditionell am Lehensrecht orientierte Analyse weder den Konflikten selbst noch den Ritualen ihrer Beilegung gerecht wird und dass es nötig ist, neben lehensrechtlichen und verwandtschaftlichen Bindungen mit ihren spezifischen Machtgefällen auch noch die Kategorie der politischen Freundschaft (amicitia) einzuführen. Ausgehend von dieser amicitia ist es möglich, die in den Quellen beschriebenen politischen Rituale zwischen den Königen zu analysieren. Sozusagen als Nebenprodukt liefert sein Buch auch wichtige neue Erkenntnisse zur Geschichte homosexuellen Verhaltens im Mittelalter und ihrer neuzeitlichen Rezeption. Eine Vielzahl immer wieder angeführter "Belege" zur "Homosexualität" im Mittelalter findet sich im Umfeld des englisch-französischen Verhältnisses. Immer wieder kann Klaus van Eickels deutlich machen, dass die Äußerungen tiefer emotionaler Bindung und der Austausch von Küssen und körperlichen Zärtlichkeiten Teil des Ausdrucksrepertoires politischer Freundschaften bildete, die in den Quellen nur dann als skandalös dargestellt wurden, wenn der jeweilige politische Kontext als skandalös empfunden wurde, jedoch so gut wie nie mit homosexuellem Verhalten, sodomia, in Zusammenhang gebracht wurden. Ob dieses politische Repertoire der Ausdrucksweise mann-männlicher Zuneigung tatsächlich auch genutzt wurde, um homosexuelles Begehren in einem von der Außenwelt akzeptieren Rahmen auszuleben, wird sich aufgrund der Quellenlage wahrscheinlich niemals beweisen lassen. Besondere Aufmerksamkeit widmet Klaus van Eickels der Beschreibung des "effeminierten" Sohns Wilhelms des Eroberers, des "Liebesverhältnisses" zwischen Richard Löwenherz und Phillip II. von Frankreich und der Freundschaft zwischen Piers Gaveston und Edward II. Vor allem im Rahmen der kritischen Rezeption von John Boswells Studie Christianity, Social Tolerance and Homosexuality wurde an der "homosexuellen" Auslegung der Quellen zu diesen Ereignissen und Personen berechtigte Kritik geübt und deutlich gemacht, dass die Übertragung moderner Kategorien von Homosexualität zu irreführenden Interpretationen führt. Klaus van Eickels großes Verdienst ist, dass er aus der Perspektive des politischen Historikers eine Antwort sucht auf die Frage, um was es sich dann handelt, wenn nicht um "Homosexualität". Was traditionellen Historikern "verdächtig" erschien, Anlass zu vorsichtig geäußerten Mutmaßungen, zu peinlichem Schweigen oder skandalösen Enthüllungen bot, ist für Klaus van Eickels der Schlüssel zum Verständnis bislang kaum beachteter politischer Rituale, die für die Entwicklung hochmittelalterlicher Politik von zentraler Bedeutung waren. Besonders eindrucksvoll zeigt van Eickels die Gefahr einer missverständlichen Interpretation anhand der Beschreibungen, wie der junge zukünftige englische König Richard (Löwenherz) und der französische König Phillip II. äußerst liebevoll zusammen in einem Bett schliefen - sehr zum Missfallen von Richards Vater, König Heinrich II. Mit einer Vielzahl von Belegen zeigt van Eickels, dass das gemeinsame Schlafen in einem Bett einschließlich des Austausches von Zärtlichkeiten ein durchaus übliches Element des Repertoires zur Beilegung von Konflikten war. Heinrichs Missfallen hatte weniger mit dem zu tun, was die jungen Könige im Bett machten, sondern eher mit den politischen Implikationen eines gegen seinen Willen vollzogenen Friedensschlusses. Leider ist das Buch aufgrund seines (oft wenig deutlichen) thematischen und nicht chronologischen Aufbaus vor allem für Nicht-FachhistorikerInnen manchmal schwer zugänglich. Die Kapitel zu homosexuell interpretierten Episoden spielen sicherlich eine zentrale Rolle in van Eickels Analyse mittelalterlicher politischer Rituale. Wer allerdings mehr an diesem Aspekt interessiert ist als an einer Geschichte der französisch-englischen Beziehungen, muss die entsprechenden Stellen etwas mühsam zusammenklauben. Da sich der Seitenumbruch des Buches nach Fertigstellung des Registers noch einmal geändert hat, ist das Register unbrauchbar. Eine korrigierte Fassung zum Einkleben kann beim Verlag bestellt oder auf der Website des Verlages heruntergeladen werden. Eine Separatveröffentlichung der spezifischen Forschungsergebnisse zu mann-männlichem Verhalten würde Klaus van Eickels die Gelegenheit geben, seinen Forschungen einen weiteren Aspekt zuzufügen, der nicht unbedingt in den Zusammenhang der englisch-französischen Beziehungen passt, wohl aber für das Verständnis mann-männlicher Liebe und Politik von zentraler Bedeutung ist: die Rolle sexueller Denunziation als politisches Mittel, sowohl im Mittelalter als auch in der mittelalterlichen Historiographie. Sexuelle Denunziation, insbesondere die Unterstellung sodomitischen (= homosexuellen) Verhaltens, traf Herrscher im gesamten Mittelalter und sicherlich nicht unbedingt diejenigen, deren Freundschaften heutzutage zu Mutmaßungen über Homosexualität geführt haben. Mögliche Wechselwirkungen mit den Beschreibungen politischer amicitia sind bislang noch nicht untersucht. Quellle: www.invertito.de/jahrbuch/inv05_rez_diem_eickels.html
 
Buchtipp Bernd-Ulrich Hergemöller Sodom und Gomorrha Zur Alltagswirklichkeit und Verfolgung der Homosexuellen im Mittelalter Überarbeitete und ergänzte Neuausgabe kart., 240 Seiten, € (D) 19,00 ISBN 3 928983 81 4 Pressestimmen zum Autor bestellen bei www.gaybooks.de Der Erfolg der ersten Ausgabe dieses Buchs hat uns durchaus überrascht. „Sodom und Gomorrha kann als Grundstein einer zukünftigen queer-Mediävistik gelten", lobte die Zeitschrift für Germanistik. Der Verlag „stößt mit dieser Veröffentlichung praktisch in ein Niemandsland vor", schrieb die FAZ. Die FAZ war es auch, die sich für eine Nachauflage die Ergänzung um ein Register wünschte. Zwei Jahre nach Erscheinen legen wir nun eine grundlegend überarbeitete und um einen Index der Orte und Personen sowie um ein Sachregister ergänzte Neuausgabe vor. Neben dem Aspekt der Verfolgung behandelt der vorliegende Band die Alltagssituation der „Sodomiter" und frühe Formen einer „Subkultur". Eine klare Trennung zwischen Text und Anhang gewährleistet, dass das Buch wie ein „Lesebuch" aufgenommen werden kann. Die beiden Register dienen einer schneller Erschließung des Textes unter speziellen Forschungsgesichtspunkten. -------------------------------------------------------------------------------- Pressestimmen Hergemöller schlägt "einen Bogen vom Beginn der systematischen, gesetzlich legitimierten Verfolgung Homosexueller seit Kaiser Justitian bis zum Ausgang des Mittelalters und gibt in einem kurzen Überblick noch eine Zusammenfassung der weiteren Rechtsentwicklung bis ins zwanzigste Jahrhundert. ... Hergemöller gelingt es auch nachzuweisen, daß Homosexuelle schon im Mittelalter durchaus als eigene Gruppe angesehen wurden und selbst frühe Formen einer Subkultur, zumindest in bestimmten Städten wie Rom, Florenz oder Köln, ausbilden konnten, ja sich in Einzelfällen die Sodomiten nicht einmal als Sünder betrachteten, sondern sogar mit Schriftzitaten ihr Leben zu rechtfertigen imstande waren. ... Obwohl im englichen Sprachraum gerade durch die Genderstudies des letzten Jahrzehnts bereits sehr viel über Homosexualität seit dem späten Mittelalter vorliegt, liegt dieses Forschungsfeld in Mitteleuropa bislang mit einigen wenigen Ausnahmen völlig brach. Englische oder amerikanische Arbeiten wurden ignoriert. Der MännerschwarmSkript Verlag stößt mit dieser Veröffentlichung praktisch in ein Niemandsland vor." Martin Lhotzky in der FAZ Sodom und Gomorrha macht auf eine hartnäckige Forschungslücke der deutschen Mediävistik aufmerksam, die das Thema Homosexualität bislang stillschweigend ausgespart hat. (...) Sodom und Gomorrha kann als Grundstein einer zukünftigen queer-Mediävistik gelten. Bertina Mathes in Zeitschrift für Germanistik Bernd-Ulrich Hergemöller verdanken wir bereits ein Standardwerk über Randgruppen im Mittelalter. Homosexualität gehört dabei zu den Tabuthemen, für deren Erforschung ein besonders großes Desiderat besteht. Trotz eines deutlichen Quellenproblems konnte Hergemöller eine Reihe von Fakten und Informationen zusammentragen. ... Ein umfangreicher Anhang mit Belegen sowie die Dokumentation von Fallbeispielen vom Ende des 15. Jahrhunderts fordern zum Weiterarbeiten heraus. Bea Lund in Das historisch-politische Buch Weiter Bücher von Bernd Ulrich Hergemoeller: Chorknaben und Bäckerknechte : homosexuelle Kleriker im mittelalterlichen Basel, 1. Aufl. MännerschwarmSkript-Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3-935596-60-X Magnus versus Birgitta : der Kampf der heiligen Birgitta von Schweden gegen König Magnus Eriksson, Hamburg 2003, ISBN 3-936152-03-9 Schlaflose Nächte : der Schlaf als metaphorische, moralische und metaphysische Größe im Mittelalter, Hamburg 2002, ISBN 3-936152-02-0 Masculus et femina : systematische Grundlinien einer mediävistischen Geschlechtergeschichte, Hamburg 2001, ISBN 3-936152-01-2 Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft, ein Hand- und Studienbuch, Warendorf 1994, Neue = 3. Aufl. 2001, ISBN 3925522204 Sodom und Gomorrha: Zur Alltagswirklichkeit und Verfolgung Homosexueller im Mittelalter, 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. Hamburg 2000, Neuausg. Hamburg: MännerschwarmSkript-Verl., ISBN 3-928983-81-4 Mann für Mann, Biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und männlicher Sexualität im deutschen Sprachraum, Hamburg 1998, ISBN 3928983652
 
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Buchtipp: »Die sünde, der sich der tiuvel schamet in der helle«. Homosexualität in der Kultur des Mittelalters und der frühen Neuzeit Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit entzündete sich die kulturelle Phantasie an Verstößen gegen die geschlechtliche und sexuelle Ordnung, u.a. die Sodomie genannte Sexualität von Mann mit Mann. Anhand von Archivmaterial wird in diesem Band die gesellschaftliche Wirklichkeit der mittelalterlichen Sodomiten sowie die Konzepte von normgerechter und normwidriger Sexualität rekonstruiert. Die interdisziplinären Studien von Historikern, Literatur- und Religionswissenschaftlern beleuchten u.a. das Bild des Sodomiten in der mittelalterlichen deutschen Dichtung und Predigt, in der jüdischen Schriftexegese, in der bildenden Kunst und Dichtung zwischen Renaissance und Reformation, die Sodomie als Feindbild in der politischen Propaganda sowie sexuelle Dissidenz und Urbanität im Spätmittelalter. ISBN: 3799502238 EAN: 9783799502238 Libri: 6074154 Herausgegeben von Lev M. Thoma, Sven Limbeck Thorbecke Jan Verlag Juni 2009 - kartoniert - 272 Seiten
 
Homophilie und Zwingli (Inhalt: Zwingli und die Homosexualität - Homosexualität als Kampfmetapher - Polemik und Realität - Homosexualität als Verbrechen - Gelebte Homosexualität - Fazit) Zwingli und die Homosexualität Für Zwingli war Homosexualität kein Thema, mit dem er sich eigens auseinandergesetzt hätte. Ihm wären bei dem Thema höchst wahrscheinlich die Haare zu Berge gestanden, so abwegig muss ihm Homosexualität wohl vorgekommen sein: ein Greuel, weil eine Abweichung von der natürlichen, sprich: göttlichen Norm [und in den biblischen Schriften einhellig geächtet -TN]. Homosexualität als Kampfmetapher Das hielt Zwingli aber nicht davon ab, sie bisweilen als polemisches Wurfgeschoss einzusetzen: Beispielsweise handelt der 49. Artikel der „Auslegung und Begründung der Thesen oder Artikel“ vom Ärgernis, Priestern die Ehe zu verbieten, ihnen aber handkehrum zu erlauben, gegen Geld Huren zu halten. Der Reformator – dem es natürlich um die Legitimation der Priesterehe geht – schildert die sozialschädigenden Effekte der „Hurenpriester“. Und damit nun niemand auf die Idee kommt, dieses Problem dadurch zu lösen, dass man die Hurerei effektiv verbietet, führt er gleichsam als Steigerungsform der babylonischen Zustände den Gedanken aus, die Priester ehelos, nur aber einfach ohne Huren, leben zu lassen: „Wenn er aber keine eigene Hure hält, so ist nichts vor ihm sicher, nicht einmal die eigene Mutter und Schwester; ich schweige davon, dass sie es hie und da miteinander getrieben haben ...“ (in : Auslegung und Begründung der Thesen oder Artikel, 1523, zitiert nach: Zwingli, Schriften, Theologischer Verlag, Zürich, 1995, Bd. II, p. 411) Polemik und Realität Zwingli befand sich mit solchen Invektiven in bester Gesellschaft. Missliebigen Mönchen und Priestern Homosexualität zu unterstellen, war gängige Praxis (wenn auch Luther aus nicht ganz klaren Gründen darauf verzichtete). – Und dass es sich dabei um mehr handelte als blosse Polemik, zeigt eine Betrachtung der sozialen und gesetzlichen Realitäten der Zeit. Zwingli deutet es in der „Auslegung und Begründung“ an, wenn er vom Kirchenbann handelt und Beispiele verbaler Ausfälligkeit beibringt, die durch eben diesen Bann zu verhindern wären: „Ihr (die Bischöfe im Schweizer- und im Schwabenland, MB) habt in den vergangenen Jahren den verheerenden Krieg gesehen (den Schwabenkrieg von 1499. MB), den zwei Völker gegeneinander führten, Christen gegen Christen, und wisst genau, dass dieser zum Teil nur wegen leichtfertiger, erlogener und schändlicher Spottreden ausgebrochen ist. Denn das gottlose Laster, welches die Schwaben den Eidgenossen laut vorwerfen, wird auf Erden nirgends härter bestraft als bei den Eidgenossen“. (in : Auslegung und Begründung der Thesen oder Artikel, 1523, Zwingli, Bd. II, p. 331) Zur Erläuterung: Die Schwaben hatten den Schweizern allerlei sexuelle Unzucht und insbesondere Sodomie vorgeworfen. Sodomie ist dabei beides: Unzucht mit Tieren und Homosexualität, insbesondere, wenn „ein Jüngling“ mit im Spiel ist. Mit dem Verweis auf die härtesten Strafen jedenfalls bringt Zwingli die vor der Polemik liegende Realität der Homosexualität im späten Mittelalter ins Spiel: der „Sodomit“ als Verbrecher. Homosexualität als Verbrechen Homosexualität war ein Verbrechen, und zwar eines, das mit dem Tod zu bestrafen ist. Diese Ansicht hatte sich zwischen 1250 und 1300 durchgesetzt. Es war zur gleichen Zeit, dass Homosexualität zum Offizialdelikt wurde: ein Verbrechen, dass von Amts wegen und zumeist durch die städtische Obrigkeit verfolgt wurde. – Im Zusammenhang mit der Verfolgung der Katharer wurde zudem eine Liaison von Homosexualität und Häresie konstruiert; der Inquisition gab dies später die Möglichkeit, via Sodomie Unglauben und vice versa zu „beweisen“. Mit der aufkommenden Hexenphobie und –jagd schliesslich gelangte die Homosexualität definitiv in eine sozialstrategisch entscheidende Funktion: Sie wurde zum männlichen Pendant der – primär – mit Frauen assoziierten Hexerei. War es, etwas grobschlächtig formuliert, für die Frau die Hexerei, bzw. der drohende Scheiterhaufen, der sie in der Ehe halten sollte, so bestand für den Mann die Drohung in der Homosexualität und dem genau gleichen Scheiterhaufen. Statt durch den Teufel war männliche Identität durch andere seinesgleichen bedroht (wenn natürlich dem Teufel auch sogleich homosexuelle Interessen unterstellt wurden). Und dass ebenfalls der Scheiterhaufen die häufigste Strafe für derartige „Sodomie“ ist, war bestimmt kein Zufall. Gelebte Homosexualität Angesichts dieser Verfolgungsgeschichte der Homosexualität im späten Mittelalter – und darüber hinaus – müsste man Zwingli nun beinah zugute halten, dass er sie „nur“ zu polemischen Zwecken einsetzte. Allerdings habe ich bislang nur die eine, die sozusagen offizielle und institutionell verbriefte Geschichte der Homosexualität angedeutet. Es gab daneben eine ganz andere Geschichte. Bei Zwingli klingt sie – natürlich wiederum polemisch – an, wenn er von der „römischen“ Kirche schreibt: „Was wollen wir erst von der unkeuschen Keuschheit der Päpstler sagen, die ihre heuchlerische Enthaltsamkeit nicht genug herausstreichen können, sich uns aber täglich obszöner als die Hunde darbieten? Dies alles ginge ja noch halbwegs an, bliebe es bei einigen innerhalb der natürlichen Grenzen.“ (Aus: Der Hirt, Zwingli I, a.a.O., p. 274) Der Punkt ist: Der Anwurf trifft partiell zu. – Es wäre ja auch zu seltsam, hätte es damals keine gelebte Homosexualität gegeben. Und es wäre zu seltsam, hätte der antihomosexuelle Diskurs alle anderen Stimmen verdrängt. Einige Indizien: In Köln wurden Homosexuelle kaum verfolgt und Schwulenstatistiken – nach unten - frisiert, weil man glaubte, durch Publizität würde deren Anziehungskraft nur – noch? – grösser. Das ist natürlich keine positive Einschätzung der Homosexualität, aber doch ein Indiz dafür, dass selbst die Verfolgungsbehörden eine (wenn auch bösartige) verführerische Seite der Homosexualität kannten. In Italien waren zwar Städte wie Florenz und Venedig besonders hart in der Vefolgung Homosexueller. Zugleich konnten hier Künstler wie Sodoma und Michelangelo ihre Homosexualität mehr oder minder ungestört leben – und „sich outen“: Sodoma hatte richtiggehend Spass an seinem Namen, der nur auf eines zurückzuführen war: Dass man den Maler der Sodomie bezichtigen wollte. Er wendete dies ins Positive und unterschrieb schon einmal eine Steuererklärung mit „Sodoma Sodoma derivatum M. Sodoma“. Ähnliche Geschichten liessen sich aus England und Frankreich berichten, weniger aus Deutschland: Zur Schweiz habe ich leider gar nichts gefunden. Deutlich ist aber im allgemeinen, dass in manchen Fällen ein Einfluss der „Renaissance“ unverkennbar ist: Die Wiederentdeckung der griechischen Ìdeale hatte sozusagen zu einer scheuklappenfreien Platon-Lektüre geführt, die u.a. auch die homoerotischen Interessen eines Sokrates an den Tag brachte. Auf Zwingli hatte diese Seite seiner Zeit allerdings keinen Einfluss, obwohl er als „Humanist“ den neuen Ideen zwar nicht unbedingt als zugeneigt aber zumindest als mit ihnen vertraut gelten darf. Fazit 1. Zwingli hielt Homosexualität für widernatürlich und damit widergöttlich. Allerdings scheint daraus keine massive Homophobie resultiert zu haben. 2. Für Zwingli war die Ehe ein wichtiges (göttliches / soziales) Gefäss, die nicht ganz so gute menschliche Natur und Begierde zu fassen. Auch deshalb konnte er unmöglich etwas Positives an homosexueller Liebe finden: Sie war per definitionem ungezügelt, d.h. sozial schädlich. Literaturhinweis: Die Antwort verdankt sich – Zwinglis Ansichten ausgenommen, die habe ich selbst zusammengeklaubt – stark folgendem Buch: Helmut Blazek, Rosa Zeiten für rosa Liebe - Zur Geschichte der Homosexualität, Fischer, Frankfurt am Main, 1996 Matthias Bachmann am 23. Februar 2000 (bearbeitet) Quelle: http://zh.ref.ch/content/e3/e1939/e10912/e11027/index_ger.html
 
Na so ne lange ausführliche Berichterstattung gabs hier ja noch nie. Teilweise sehr interessant.
 
Original von Welfin Strafrecht: Schwule werden verbrannt - Lesben bleiben straffrei Homos landen auf dem Scheiterhaufen. Lesben dagegen bleiben straffrei. Auch in den Beichtspiegeln der Kirche werden Schwulitäten als schwerere Sünde angesehen als lesbische Aktivitäten Quelle: http://www.geschichteinchronologie.ch/MA/Shahar_frauenrechte-u-unrechte.htm
Komisch, ich dachte eigentlich es wäre anderstrum gewesen. Ich meine in den vielen Klöstern in denen nur Brüder lebten, oder auf den laaaaaaaangen Seereisen an denen nur Männer teilnahmen, wäre es öfters zu homosexuellen Handlungen gekommen, als unter Frauen. Und das eben die Obrigkeit diese Handlungen nicht so hart bestrafen würde als bei Frauen. In Klöstern wird es eben von der Kirche gedeckt und auf den Seereisen von der weltlichen Führung. In beiden Fällen sozusagen als "verschwiegen geheime Notlösung" Zumal ja damals Frauen eh nicht so emanzipiert waren wie heute. Und auf die Gesetzgebung keinen Einfluss hatten. Ich meine Männer verzeihen sich Fehler eher als Frauen.
 
@Swordsister....wenn Du Dich durch diesen Thread ermutigt fühlst Dich zu outen, dann tu Dir keinen Zwang an. Brauchst auch nichts zu befürchten, denn wenn Du die Beiträge durchgelesen hättest, wüsstest Du, dass Frauen wegen ihrer Homosexualität nicht auf dem Scheiterhaufen endeten. @Petrus von Oeffingen.....nun, meine Amibition ist mein Interesse an der mittelalterlichen Lebensweise. Dazu gehören eben auch sexuelle Neigungen. Homosexuelle waren in jeder Epoche, bis heute, Randgruppen, genauso wie Prostituierte und im MA auch Henker usw. Ich fand/finde es interessant zu erkennen, dass aber in verschiedenen Epochen, und sogar innerhalb einer Epoche (MA), die Homosexualität teils geduldet, manchmal sogar politisch bewußt betrieben und teils als schweres Vergehen mit dem Tod bestraft wurde. @Viking......dass lesbische Frauen im Gegensatz zu schwulen Männern nicht bestraft wurden, hängt vielleicht mit der Unwichtigkeit der Frau im Allgemeinen zusammen. Auch Männer wurden nicht schon immer wegen Sodomie hingerichtet. Folgende Zitat, zeigen auf, wie der Verlauf von harmlosen "Männerfreundschaften" zur "Sünde" und letztlich zum Scheiterhaufen war.
Das sodomitische Laster hieß auch die „stumme Sünde“, die „Sünde ohne Namen“ oder „jene schreckliche Sünde, die unter Christen nicht genannt werden darf“. Am häufigsten gebraucht wurde die Wendung „Laster wider die Natur“ (vitium contra naturam). Das Mittelalter kann jedoch im Hinblick auf den heutigen Begriff der Homosexualität nicht nur als eine Repressionsgeschichte geschildert werden. Denn gleichzeitig galt die Liebe zwischen Männern als nichts Außergewöhnliches und wurde nur selten mit dem Begriff der Sodomie in Verbindung gebracht. Gleichgeschlechtliche Freundespaare wurden von der Kirche teilweise auch als Wahlbrüder gesegnet und miteinander bestattet.
Scholastische Definitionen Dante und Vergil treffen die Sodomiten in der Hölle (Manuskript-Illustration, ca. 1345)Als Hauptwort taucht die Sodomie erstmals Mitte des 11. Jahrhunderts in einer kirchlichen Streitschrift auf, wo sie ihre Neukreation einer rhetorischen Analogie verdankt: In seinem Liber Gommorrhianus ruft der Benediktinermönch Petrus Damianus den damaligen Papst Leo IX. dazu auf, das sodomitische Laster aus der Kirche zu tilgen, indem diejenigen, die sich dessen schuldig gemacht haben, ihrer geistlichen Würde enthoben werden. In diesem Kontext prägt er das Substantiv sodomia mit Hilfe einer polemischen Parallelisierung: „Wenn Blasphemie die schlimmste Sünde ist, weiß ich nicht, auf welche Weise Sodomie besser wäre.“ Damian legt dem Begriff dabei eine uns heute befremdend erscheinende Gruppierung gänzlich verschiedener sexueller Handlungen zugrunde. Ihre Gemeinsamkeit bestand lediglich darin, dass sie nichts zur Fortpflanzung beitrugen, dem für das traditionelle Christentum einzig legitimen Zweck und Grund menschlicher Sexualität. Vier Formen konstituieren für Damian daher in aufsteigender Reihenfolge die sodomitische Sünde: die Selbstbefleckung (Masturbation), das wechselseitige Umgreifen und Reiben der männlichen Genitalien, die Ejakulation zwischen den Schenkeln und der Analverkehr.
Verfolgungspraxis Mittelalter und frühe Neuzeit Templer küsst Kleriker von hinten (Manuskript-Illustration, ca. 1350)Bis zum 13. Jahrhundert war Sodomie in den meisten Ländern Europas nicht strafbar, sondern lediglich eine von vielen Sünden in den kirchlichen Bußbüchern. Das änderte sich jedoch im Rahmen der Kreuzzugspropaganda gegen den Islam, die den Begriff der Sodomie politisierte. Mohammed, der „Feind der Natur“, habe die Sünde der Sodomiter unter seinen Leuten popularisiert, hieß es in den zeitgenössischen Pamphleten. Die Sarazenen würden Bischöfe vergewaltigen und christliche Knaben für ihre fleischlichen Begierden missbrauchen. Nur wenig später gehörte die Sodomie auch zu den Standardvorwürfen gegen die Häretiker, so dass ketzern im Mittelhochdeutschen zum Synonym für „sodomitisch verkehren“ wurde. (Gleiches geschah in Frankreich mit bougrerie und in England mit buggery, die sich beide vom Namen der Bogomilensekte ableiten.) Im Rahmen dieser Hetze wandelte sich zwischen 1250 und 1300 die Sodomie von einer zwar sündigen, aber meist völlig legalen Praxis zu einer Handlung, die fast überall in Europa mit der Todesstrafe belegt wurde. Sie war jedoch weiterhin vor allem ein Mittel der Denunziation und der politischen Intrige, wie im Fall der Ermordung von König Eduard II. oder der Zerschlagung des Templerordens. Darüber hinaus wurde sie in der Regel nur geahndet, wenn eine Handlung den sozialen Frieden empfindlich gestört hatte, z.B. bei einer Vergewaltigung oder der Sodomitisierung von Kindern. Die Gerichte beschäftigten sich in der Realität viel öfter mit Fällen von außerehelichem Geschlechtsverkehr zwischen einem Mann und einer Frau als mit gleichgeschlechtlichen Handlungen unter Männern, bargen letztere doch wenigstens nicht die Gefahr des illegitimen Nachwuchses.
 
Original von Welfin Homosexuelle waren in jeder Epoche, bis heute, Randgruppen, genauso wie Prostituierte und im MA auch Henker usw.
Hm. Genau diesen Eindruck hatte ich allerdings aus den obigen Zitaten eher nicht. Mein Eindruck ist eher, daß es überhaupt keine "Gruppe" von Homosexuellen gab, also daß das Phänomen einer von Grund auf anderen sexuellen Orientierung als solches meistens nicht wirklich wahrgenommen wurde. (O.g. Ausnahmen will ich allerdings nicht anzweifeln.) Verdammt wurden von der Kirche ja die sexuellen Praktiken. Sexualität war per se einfach nur unter einer einzigen Bedingung erlaubt: zur Zeugung eines Kindes. Solange nicht diese Absicht dahinter stand, war es Sünde. Bei Sex zwischen zwei Männern wird schwerlich ein Kind entstehen. Also Sünde. Ganz einfach. Warum Frauen weniger oder nicht bestraft wurden: Dürfte das nicht v.a. mit der alttestamentarischen Ansicht zusammenhängen, daß das Kind ausschließlich aus dem Samen des Mannes entsteht? - Die Frau galt lediglich als das "Gefäß", in dem der Same dann zum Kind heranreifte. Insofern konnte die Frau durch lesbische Praktiken keine ähnlich schwere Sünde begehen wie ein Mann, weil sie zur Zeugung eines Kindes ja ohnehin nicht in der Lage war. (Juckt dich ja auch nicht, was deine Tontöpfe auf dem Wandregal zu vorgerückter Stunde miteinander treiben, wenn du gerade nicht hinschaust ;) .)
 
Original von Perchta Hm. Genau diesen Eindruck hatte ich allerdings aus den obigen Zitaten eher nicht. Mein Eindruck ist eher, daß es überhaupt keine "Gruppe" von Homosexuellen gab, also daß das Phänomen einer von Grund auf anderen sexuellen Orientierung als solches meistens nicht wirklich wahrgenommen wurde. (O.g. Ausnahmen will ich allerdings nicht anzweifeln.)
Stimmt. Anfangs war das tatsächlich so. Auch in der Antike wurde Sex zwischen Männner mit Knaben geduldet. Allerdings war auch da, Sex zwischen Männern schon ein Grenzfall. Diese noch nicht vorhandene "Randgruppe" wurde im Laufe der Zeit durch die Definition der Kirche "Homosexualität = Sünde" zu einer solchen gemacht. Den Ausdruck "Homosexualität" kannte man noch nicht. Die damals ausgeführten Praktiken sind jedoch dieselben, die heute mit dem Begriff Homosexualität bezeichnet werden. Deine Theorie was lesbische Frauen angeht, finde ich interessant und deckt sich in etwas mit meiner Aussage, dass Frauen allgemein "unwichtige Geschöpfe" ...."nur Gefäße" waren. Leider konnte ich speziell zur Homosexualität der Frau im MA noch nichts finden. [/quote]
 
GESCHICHTE DER HOMOSEXUALITÄT Die Welt ist schwul – na und? Von Tim Stüttgen Gleichgeschlechtliche Liebe ist so alt wie die Menschheit selbst. Der opulente Sammelband "Gleich und anders" gibt einen unterhaltsamen Überblick über die Geschichte der Homosexualität und spart auch Klischees und Mythen nicht aus. Der Spiegel Und generell: Homosexualität Meyer Ein Kuss ist nicht immer ein Kuss Nun lest man schön ... :D Hergils
 
Original von Welfin Auch in der Antike wurde Sex zwischen Männner mit Knaben geduldet. Allerdings war auch da, Sex zwischen Männern schon ein Grenzfall.
Hm, hm. ^^ Das möchte ich jetzt auch ungern so stehen lassen. Vor allem, wenn so pauschal von "der Antike" gesprochen wird. Der alte Cato (M.Porcius Cato "Censorius") gehört definitiv auch in "die Antike", und der hätte dir zum Thema Knabenliebe aber mal was erzählt, du meine Herren! :D Auf der anderen Seite war z.B. im "klassischen" Athen die Knabenliebe weit mehr als nur geduldet (Vgl. Platons Dialoge). Sie war ein philosophisches Ideal und in den höheren Schichten der Aristokratie teilweise regelrecht institutionalisiert. Und die Antike kennt durchaus auch "echte" homosexuelle Beziehungen zwischen erwachsenen Partnern (Alexander d.G. und Hephaistion dürfte wohl das bekannteste Beispiel sein, oder in der Ilias Achill und Patroklos, deren Beziehung man später als Liebesbeziehung deutete). Im Hellenismus scheinen "schwule" Beziehungen sogar regelrecht "schick" gewesen zu sein. ;) Und ich denke, daß die Aussage "Homosexualität = Sünde" den Kern der Sache nicht wirklich trifft. Die Haltung der Kirche war viel umfassender: "Sexualität = Sünde". So müßte es heißen. Auch ein Mann, der mit einer Frau schläft, begeht natürlich eine Sünde. Es sei denn, er tut es nicht um der Lust willen, sondern ausschließlich mit der Absicht, ein Kind zu zeugen. Das kann die Sünde bis zu einem gewissen Grad entschuldigen. Bei einem schwulen Paar entfällt diese Möglichkeit von vornherein, insofern ist die Sünde nicht entschuldbar.
 
Jajaja, outing: Bitteschön. Back to basic: @Welfin Auf alle Fälle ein Thema, was hier noch nicht so ausführlich beschrieben wurde und sicherlich (natürlich ganz rein wissenschaftlich...) interessant ist :D *verneig* - immer schön, wenn so fundiert und ausführlich sich jemand die Mühe macht sich in ein Thema reinzuhängen! :thumbsup:
 
Original von Perchta
Original von Welfin Auch in der Antike wurde Sex zwischen Männner mit Knaben geduldet. Allerdings war auch da, Sex zwischen Männern schon ein Grenzfall.
Hm, hm. ^^ Das möchte ich jetzt auch ungern so stehen lassen. Vor allem, wenn so pauschal von "der Antike" gesprochen wird. Der alte Cato (M.Porcius Cato "Censorius") gehört definitiv auch in "die Antike", und der hätte dir zum Thema Knabenliebe aber mal was erzählt, du meine Herren! :D
Da hast Du natürlich Recht.....ich habe die Antike zu pauschal als Beispiel für dieses Thema verwendet. Aber verzell mal, was hätte mir der alte Cato denn über die Knabenliebe erzählt? :) Habe zwar grad schon gegooglet, konnte aber hinsichlich Cato und Knabenliebe nichts finden.
Original von Perchta Auf der anderen Seite war z.B. im "klassischen" Athen die Knabenliebe weit mehr als nur geduldet (Vgl. Platons Dialoge). Sie war ein philosophisches Ideal und in den höheren Schichten der Aristokratie teilweise regelrecht institutionalisiert. Und die Antike kennt durchaus auch "echte" homosexuelle Beziehungen zwischen erwachsenen Partnern (Alexander d.G. und Hephaistion dürfte wohl das bekannteste Beispiel sein, oder in der Ilias Achill und Patroklos, deren Beziehung man später als Liebesbeziehung deutete). Im Hellenismus scheinen "schwule" Beziehungen sogar regelrecht "schick" gewesen zu sein. ;)
Richtig, die Knabenliebe=Päderastie, war "gesellschaftsfähig" zumindest geht das aus Quelle aus dem antiken Athen hervor. Für andere Gebiete des antiken Griechenlands ist eine Beurteilung bezgl.der Knabenliebe wegen Quellen-Mangels schwierig. Für Dorer (Sparta, Korinth, Kreta) scheinen die Quellen ein anderes Bild zu liefern. Dort wird allgemeine Akzeptanz auch unter gleichaltrigen Männern belegt. Da diese Belege meist aus Athen stammen und vor allem im Fall von Sparta ein eher negatives Bild zeichnen sollen, geh ich davon aus, dass "Männerliebe" nicht als gesellschaftsfähig galt. Zum dem Beispiel Achilles und Patroklos: In der Illias wird den Beiden eine tiefe emotionale Beziehung nachgesagt.....was auch soviel wie "Freunde für's Leben" oder "Seelenverwandte" heißen könnte. Erst Platon, unterstellte den beiden Männern eine Liebesbeziehung. Daraufhin gab es allerdings verschiedene Versuche in den einem oder anderen den jüngeren oder älteren zu sehen. Vielleicht auch wieder deshalb, weil Beziehungen unter Männern eben doch nicht schick waren. Die Beziehung von Alexander dem Große und Hephaistion, wurde von einigen Historikern in der Vergangenheit immer wieder bestritten. Ich vermute auch nur deshalb, weil es sich um keine Knabenliebe handelte. Sicherlich gabs Beziehungen unter Gleichaltrigen, aber die wurden meiner Auffassung nach eben nicht toleriert und bildeten "Randgruppen". Homosexuelle Beziehungen wie wir sie heute verstehen, waren im antiken Griechenland zwei verschiedene Paar Schuhe. Das einen Paar Schuhe hatte einen erzieherischen, auf das "Mannsein"vorbereiteten Aspekt, das andere wurde dann vielleicht doch eher mit Lust verglichen, und der passive Partner als weiblich und schwach angesehen wurde und das wiederum nicht in das antike Bild des Mannes passte. Auch im antiken Rom wurden päderastische Beziehungen gehalten. Meistens zwischen unfreien Knaben und erwachsenen römischen Bürgern. Von erzieherischem Aspkekt war da keine Rede mehr. Dort gab es denn auch ein verbietendes Gesetz solcher Beziehnungen, das aber nur zum Anschein bestand. Mit aufkommendem Christentum, verschwand die Knabenliebe augenscheinlich vollständig, weil dieser ab dem 4.Jhrd n.Chr. mit der Todesstrafe durch Verbrennung gedroht wurde. Quellen:http://de.wikipedia.org/wiki/Päderastie http://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualität_im_antiken_Griechenland
Original von Perchta Und ich denke, daß die Aussage "Homosexualität = Sünde" den Kern der Sache nicht wirklich trifft. Die Haltung der Kirche war viel umfassender: "Sexualität = Sünde". So müßte es heißen. Auch ein Mann, der mit einer Frau schläft, begeht natürlich eine Sünde. Es sei denn, er tut es nicht um der Lust willen, sondern ausschließlich mit der Absicht, ein Kind zu zeugen. Das kann die Sünde bis zu einem gewissen Grad entschuldigen. Bei einem schwulen Paar entfällt diese Möglichkeit von vornherein, insofern ist die Sünde nicht entschuldbar.
Bin ich ganz Deiner Meinung. Sind denn aus dem MA Personen/Persönlichkeiten bekannt, die nachweislich homosexuell geneigt waren und aufgrund dessen verurteilt wurden?
 
Zuletzt bearbeitet:
Original von Petrus von Oeffingen @ Welfin Also gut -wenn Dir das Thema so sehr am Herzen liegt, wenn es Dir ein Bedürfniss ist,- dann immer schön raus damit !
Nun, es liegt mir nicht mehr am Herzen, als z.Bps die Medizin, Schönheitsideale oder der Toilettengang im MA. Aber es gehörte damals wie auch heute zum Leben und drum gehört es für mich auch hierher. Und klar rück ich mit allem raus, was ich darüber fnden kann ;); Ein Forum ist doch u.a.dazu da, dass man Infos und "Wissen"weitergibt, oder?
 

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