Musikgeschichte bzw. Musikformen des Mittelalters

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Von Hummelchen: Ich unterrichte historische Musik und erkläre anhand von Beispielen aus den Cantigas de Santa Maria und u.a. der Heidelberger Liederhandschrift (auch unter Codex Manesse bekannt) historische Instrumente. Für mich ist es bei weitem nicht mittelalterlich nur weil z.B. ein Instrument genutzt wird, welches evtl. im Mittelalter vorgekommen sein könnte.... Ich mache ja auch keine 70er Jahre Musik nur weil ich lange Haare trage und vielleicht ein Blümlein drin stecken hab... :) Oder mache ich "Klassik" wenn ich irgendwo eine Geige einsetzte? Ein und denselben Text kann man auch in verschiedenen Stilrichtungen interpretieren, da ist es eigentlich völlig wurscht ob der text mittelalterlich korrekt ist (wird meistens eh eingedeutscht, damit er verstanden wird oder es wird dieser graussliche Marktsprech angewand, was mit Mittelalter wieder mal nichts zu tun hat) Ich weiss jetzt nicht ob es der Komiker Otto war oder wer auch immer der hat das Lied "der Jäger aus Kurzpfalz" z.B. in der Variation wie es Mozart interpretiert hätte oder wie Bach oder wie dann Elvis.... gespielt, was ja nicht bedeutet, dass dieser Text dann automatisch z.B. bei der Elvis-Interpretation als Roch´n´Roll anzusehen ist, sondern die Melodie ähnelt demselben. Wenn du dich für mittelalterliche Musik, deren Noten (die nannte man u.a. Neumen) und deren Texte, und Interpreten interessierst, dann kannst du mir gerne schreiben und ich helfe dir mit Literaturtips weiter. __________________ nihil ita, ut videtur; nihil spera, nihil time, neque hic nec alibi
 
Von Freyfrau Christine: Doch wenn Walther von der Vogelweide wirklich nicht lesen und schreiben konnte, wie konnte er dann dem Sprechgesang folgen? Da müsste er doch seine Texte auch erst mal aufgeschrieben haben oder er hat wirklich spontane Themen gefunden, über die er gesungen hat. Dann sind Bands, wie Saltatio Mortis oder In Extremo, Bands, die zur Neuen Deutschen Härte gehören und Einflüsse aus dem Mittelalter mitbringen. Es gibt auch eine deutsche Gothic-Band aus Bielefeld, die singen englisch, haben aber folkloristische und arabisch-indische Einflüsse teilweise in ihren Spielweisen gehabt. Jetzt ist eine neue Sängerin da, da weiß ich nicht, wie das klingt. Ob sich der Sound verändert hat...? Um im Neumodernen zu bleiben. Mich würden noch ganz andere Sachen intressieren und zwar suche ich noch Leute, die mir etwas aus dem Sprachgebrauch des Mittelalters berichten. Was zB einfache deutsche Wörter, wie Hallo, wie gehts?, Auf Wiedersehen, Guten Morgen, Guten Abend, Gute Nacht, Ich liebe dich usw. bedeuten... Wie halt ein Wörterbuch. Kennt sich da jemand aus? Gabs damals wirklich eine Feder, mit der die Leute schrieben? Und Tinte?
 
Von Hummelchen: Christine, ich glaube das was du an Worten suchst findest du u.A. in folgenden Büchern: gib bei Amazon im Suchbegriff "Mittelhochdeutsches Wörterbuch" ein und dann kauf dir eines davon. Erhoffe dir allerdings nicht, dass dich viele verstehen werden wenn du sie dann so ansprichst. Sehr interessant ist z.B. der Meerseburger Zauberspruch: http://de.wikipedia.org/w/index.php?titl...=20060915215035 Eiris sazun idisi sazun hera duoder. suma hapt heptidun, suma heri lezidun, suma clubodun umbi cuoniouuidi: insprinc haptbandun, inuar uigandun. Das ist Deutsch! Nur eben eine ältere Form. (Übersetzung findes du bei Wikipedia) Dann noch was zu Walther von der Vogelweide, ja es gab und es gibt immer noch Leute, die die Gabe haben spontan ohne es sich vorher grossartig überlegen zu müssen eine Melodie mit dem passenden Text aus dem Hirn zu schütteln. Das ist Talent und eine groooosse Gabe. Das mit dem "Schreibenkönnen" ist im MA auch ncith so ein Problem, dafür gab es Schreiber, die genau damit ihr Geld verdient haben. WEnn ein Minnesänger an einem Hof angestellt war, dann kann man auch davon ausgehen, dass es dort jemanden gab, der die Texte, die zu Ehren des Hofhaltenden und seiner Dame fabriziert wurden, auch dann für die Nachwelt aufgeschrieben hat. __________________ nihil ita, ut videtur; nihil spera, nihil time, neque hic nec alibi
 
Vielen Dank Hergils, das ist doch schon mal richtig klasse! ALso her mit den Fragen, ich versuche sie zu beantworten ! :)
 
Hummelchen, ich habe eine Frage : Seit wann gibt es die Notenschrift ? und als Zusatzfrage: hat sich das Aufschreiben von Noten über die Zeit verändert ? Hergils, der Neugierige
 
Da kommt es ganz drauf an welche "Notenschrift" du meinst. Der Versuch Melodien, bzw. Melodieführungen für die Nachwelt zu erhalten ist sehr alt, bereits die alten Griechen haben mittels Buchstaben Melodien erfasst. Seit dem 9. Jahrhundert kennt man sog. "Neumen" (kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Wink"). Es sind Zeichen und Figuren zum Aufschreiben von melodischem Sprechgesang. (bekannt geworden schlussendlich durch die Gregorianischen Gesänge. Papst Gregor liess in St. Gallen alle seinem Ohr gefälligen Melodien und Texte "erfassen") ein schönes Bild dazu findet man unter: http://de.wikipedia.org/w/index.php...359_Alleluia.png&filetimestamp=20081119065751 Das interessante damals war, dass z.B. ein Schwarm Chorbrüder plötzlich sozusagen vom Blatt singen konnte, dass Melodien reproduzierbar waren, dass auch ein Fremder (er musste natürlich so weit gebildet sein,dass er die Aufschriften lesen konnte) auch mitsingen konnte. Es gab allerdings nur wage Melodieführungshilfen, über das Metrum, die Geschwindigkeit des Gesanges, den Rhythmus wird von den NEumen nichts ausgesagt. Es gab noch einige weitere Versuche Musik zu erfassen, sei es mit Buchstaben, mit Zahlen, mit den Neumen, mit anderen Melodiebogentechniken, es wurden auch die Hände des Dirigenten genutzt, es gab so eine Art Finger-zeichensprache anstatt von Noten, allerdings brauchte da der Chorleiter ein sehr gutes Gedächnis. Die von uns angewandte Notenschrift entstand um 1250, da wurden dann so Dinge wie die Notenlinien (waren damals noch nicht gängig 5, das entwickelte sich später aber es wurden sog. Hilflinien eingesetzt) und Pausen "erfunden" die sog. Mensuralnotation war geboren. um 1400 kamen dann die ersten Taktangaben dazu. im 17.u.18. Jhd. kamen dann noch die letzten ausgefeilten Schliffe dazu. Seitdem hat sich die Notenschrift nicht mehr grossartig verändert. Gut nachzulesen ist alles u.a. bei http://de.encarta.msn.com/encyclopedia_761562730/Notenschrift.html oder auch bei http://de.wikipedia.org/wiki/Notenschrift Wer sich für die Mittelalterliche Musik und die damit zusammenhängende Notation interssiert, dem seien diese beiden Bücher wärmstens empfohlen: -Einführung in die mittelalterliche Musik von Marco Ambrosini und Michael Posch gibt es teilweise über Amazon recht günstig in der gebrauchte Fassung - Die Musikwelt des Mittelalters: Neu erlebt in Texten, Klängen und Bildern (Broschiert) von Bernhard Morbach (Autor) Was ich vielleicht noch dazuschreiben sollte ist, dass der Normalbürger ja weder lesen noch schreiben konnte, somit wäre für ihn auch eine Notation nicht sinnvoll gewesen. Bäurische Lider wurden meist nur von Mund zu Mund weitergegeben. Jedenfalls so lange bis sich eine höhergestellte Person oder die Kirche für Melodien oder Texte interessiert haben und diese dann auf´s Papier gebracht haben. eine sehr interessante Arbeit über Liederhandschriften ist: http://www.grin.com/e-book/53685/un...eutscher-liederhandschriften-des-mittelalters
 
Hast du mal eine Hörprobe von so wirklicher Mittelaltermusik, wie du sie machst oder vermittelst ... Also, zumindest wie man vermutet, dass es so gewesen sein kann/muss ? Dass man sich mal so ein Klangbild machen kann ? Soweit interessiert es mich ja jetzt ja doch schon ... :D :whistling:
 
bitte haben sie einen Moment Geduld..... ihre Anfrage wird bearbeitet.... Ich kann dir übrigens nichts von mir aufgenommenes dazu empfehlen, da vor allem in der Zeit der Neumen die Frau ihre Stimme nicht vor dem Herrn erheben sollte, sprich es den Frauen auch verboten war in der Kirche zu singen. ....ich suche aber andere Beispiele raus.
 
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Gregorianische Gesänge kann man sich so vorstellen: http://www.youtube.com/watch?v=Yi5q0d8QBpM wie der "Einsteller" dieses Takes so schön schreibt: Unter dem Gregorianischen Choral versteht man den einstimmigen, unbegleiteten, liturgischen Gesang der Römisch-katholischen Kirche in lateinischer Sprache. Als gesungenes Wort Gottes ist er ein wesentlicher Bestandteil der liturgischen Handlung. Wichtig ist auch, dass man mit diesen Gesängen die GEmeinde unwahrscheinlich beeindrucken konnte. Diese geballte Ladung von lieblichem, eingänglichen Wort des Herrn, welches die ganze Kirche erfüllt war sicherlich ein sehr beeindruckendes Erlebnis für jemanden der eben nicht ständig von Musik berieselt wird. Es führte sicherlich bei dem einen oder anderen zu einer Art "Rauschzustand" der Sinne. http://www.youtube.com/watch?v=_MbDqc3x97k&NR=1 Dieses Gaudete finde ich nicht schlecht, es ist noch etwas zu verkünstelt gesungen, allerdings ist es auch schwer mit unserem modernen Hörgewohnheiten ein "altes" Stück zu interpretieren. Für die Gregorianik gilt jedoch im Normalfall immer, dass es einstimmig war und nicht wie hier ein mehrstimmiger Chorsatz. (aber ich finde das Stück halt sooooo schööööön) http://www.youtube.com/watch?v=LMOyL2zLJLI Was Gaudete überhaupt bedeutet: http://de.wikipedia.org/wiki/Advent Eine Besonderheit der mittelalterlichen Musik ist auch der Bordun, ein mitschwingener Ton (um den sich sogzusagen die Melodie dann windet) Als Instrument ist die Drehleier eine Vertreterin davon... http://www.youtube.com/watch?v=J6YmO0A-tds&feature=related Die Einfachheit und Schlichtheit einer Melodie wurde von einer meist genauso einfachen Begleitung (oft als Bordun) untermalt: http://www.youtube.com/watch?v=SEFnCf5PUKM http://www.youtube.com/watch?v=LkXmVaR4NjA&feature=related (wiedereinmal gilt, dass das sicherlich im MA von keiner Frau gesungen wurde....)
 
Ja, das ist doch Musik ... :D Danke schön ... :rolleyes: Träum ... Am Besten gefällt mir die zweite Version von Unter den Linden ... Schööön ... Dann die erste Version und Gaudete ... Voll entspannt jetzt am Schreibtisch sitz ... :whistling: Sicherlich ist das keine Musik, die man den ganzen Tag als Hintergrundmusik laufen lassen kann, aber das war damals ja auch definitiv nicht der Fall. Da haben wir wieder das Problem der Dauerberieselung. :D Eine Frage noch zu dem Gesang der Frauen: Haben Frauen nicht doch zu Hause gesungen ? Wenigstens zu Hause, wo sie keiner hören konnte ? Und wie ist das mit Liedern im Volke, also Wiegenlieder, Kinderlieder, ja und natürlich auch Sauf-und Partylieder ... Waren da auch keine Frauen dabei ? Okay, bei den Parties vielleicht nicht, aber Wiegenlieder ? Die hat es doch bestimmt schon gegeben, oder ?
 
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Danke und @ Hummelchen: Kennst Du die "wahre Geschichte" zu "träumte mir ein Traum"? Irgendwie habe ich gelesen, daß das das älteste, erhaltene notierte Musikstück sei - aber so ganz glauben will ich das nicht...
 
Oh du Hummelchen ich verneige mich vor dir ... :allah Das sind doch einmal Antworten nach meinem Herzen .. Ich hoffe für alle Interessierten, das hier eine rege Diskussion und ein reges Austauschen von Wissen entsteht. Hergils
 
huch :D ich werd rot :D Danke :rolleyes: @georg: tja, wie sich das mit den Frauen wirklich verhalten hat, das weiss ich nicht, bzw. da bin ich immer noch am vernünftige Quellen suchen. .... Es gab verschiedene Königinen von denen bekannt ist, dass sie Lyrik verfasst haben, sprich sie haben gedichtet, ob sie die Gedichte dann auch gesungen haben,... nichts genaues weiss ich nicht. Es kommt jetzt natürlich, wie hier immer, auch noch etwas drarauf an von welcher Zeit wir sprechen. Viele Ansichten haben sich ja langsam geändert, und je mehr es zum Spätmittelalter zuging bzw. je weiter es dann auf die Renaissance zubewegte wurden die "Querulanten" die die grundlegenden moralischen und kirchlichen Festen erschüttert haben mehr und mehr. Persönlich, aus eigener Erfahrung kann ich mir keine Mutter vorstellen, die ihr Kind nicht mit sanftem Singsang und sanftem "Gebrummle" in den Schlaf singt, bzw. das Kind damit beruhigt. .... weiter... sobald ich mehr gefunden habe..
 
Grins ... Das mein, ich, welche Mutter würde ihr Kind nicht in den Schlaf singen ... :) Das ist schon Instinkt, finde ich ... Genauso, wie das Schuckeln, was man automatisch beginnt, sowie man ein Baby im Arm hat ... :D Sogar bei Puppen funktioniert das ... :whistling: :rolleyes: Wenn man nicht aufpasst ... :D Und sogar ich habe versucht, was vor mich hinzubrummeln, wenn ich versucht habe, meine Kids zu beruhigen ... Das hätte man mir bei Todesstrafe verbieten können, ich hätt´s trotzdem gemacht ... Zumindest, wenn ich allein gewesen wäre ... :whistling:
 
Hihi genau, das liegt wohl in den Genen... Völlig OT übrigens: weisst du woran man im Supermarkt eine Mutter erkennt? - wenn sie den Einkaufswagen an der Kasse immer vor und zurückwiegt :)
 
Grins ... Ja, dieses Beispiel vom Kinderwagen wollte ich dann nicht mehr anführen, das fand ich dann zuuu sehr OT ... Aber das kenn ich auch ... :D Und sogar bei Fremden ... Hier, kannste mal aufpassen, und mit dem Ja fängt man schon das Schuckeln an ... :D Zurück zur Musik ... ;)
 
Weiter mit der Diskussion über mittelalterliche Musik Hier gibts auch mittelalterliche Musik: www.angli-clamant.de Da sind auch Hörproben auf der Seite. ^^
 

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