Tunika mit Seitenkeilen, woher kommt der Beleg?

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Ich denke mal das solch geringfügigen Anpassungen, zb Ärmellänge oder Größe des Kopfauschnittes, unabdingbar sind damit es dem Träger überhaupt passen kann. Die Keile unter den Armen sind bei einem engeren/ Körperbetonteren Schnitt von Vorteil da sie mehr Bewegungsspielraum zulassen. Praktisch zwar aber ob unbedingt notwendig kann ich nicht beurteilen. Die Keile im Rockteil sollen den Rock weiter/voller aussehen lassen. Von einer Notwendigkeit sehe ich da nichts wirklich ausser das es Optisch schicker ist. Das ist zumindest das was ich bisher in Erfahrung bringen konnte. Verbessert mich bitte falls ich was falsches wiedergebe ;) @Lisabeth - Alles klar da habe ich wohl doch etwas zu weit gegriffen :S Es ist insgesamt ein ziemlich verwirrendes/ schwieriges Thema finde ich.
 
ich finde die Vorstellung, daß ein Mann mit ausgeprägtem Bauch im Gegensatz zu einem schlanken Keile braucht ... :D sehr charmant!
 
Mensch Raginhild, Keile sind etwas für Weicheier das wird in Form gequetscht ....wie eine wurst im Darm :D ...oder ein großer Sack
 
Letztens erst wieder eine interessante Anmerkung zu den Keilen gelesen. Quelle hab ich vergessen, war aber eine rein logisch argumentiert, von daher zweitrangig. Sinngemäß: rein für die Beweglichkeit sind Keile völlig unnütz. Ein Schlitz an entsprechender Stelle erfüllt die gleiche Funktion. Ein Argument für einen Keil statt Schlitz wäre der bessere Schutz vor Kälte und Wetter. Ein anderer Grund liegt vermutlich in der Mode, weil weite Schösse einfach 'in' waren. Dem widerspricht, dass in Haithabu manche Keile derart nach innen genäht waren (quasi U-förmig zum Träger hin), dass sie nur bei Bewegung sichtbar wurden (hab ich noch nicht verifiziert, deswegen diese Aussage unter Vorbehalt). Manche Tuniken wurden auch mit unnötig vielen Keilen versehen (lt. Hägg in Haithabu bis zu 6 Stück), die über eine reine Bequemlichkeit hinaus gehen. Möglicherweise ist es ähnlich wie beim exorbitanten Stoffverbrauch mancher Pluderhosen. Man wollte einfach nur zeigen, dass man sich viel leisten konnte. Prunk und Protz einer reichen Bevölkerungsschicht.
 
So, lange Recherche, nicht viel bei herumgekommen. Der so oft verwendete Schnitt, Keile links und rechts im Rockteil, basiert soweit ich das herausfinden konnte auf einer Reconstruktion von Funden aus Birka. Hatte auch einen Link dazu, finde diesen aber nicht mehr ?( Die meisten Artikel/Pdf's/Blogs in Bezug auf Reconstruktionen von Tuniken o.ä. die ich dazu gelesen hab bezogen sich zumeist auf Frauenbekleidung, wo die Keile im Rockteil tatsächlich auch einen sinn ergeben. Um die Verwirrung komplett zu machen habe ich mir, das nicht ganz unumstrittene Buch, Viking Clothing von Thor Ewing zu Gemüte geführt. Dieser stellt dort die These auf das es aufgrund von zb Tradition wahrscheinlich keine solche Keile gegeben hat bzw keine Verwendung fanden und erst später durch die Mode Kontinentaleuropas adaptiert wurden. Dies passt zumindest zur Fundlage und auch der Aussage, ich weiss nicht mehr wo ich es gelesen hab, das die Kontinentaleuropäer die einfallenden Skandinavier als äußerst andersartig gekleidet empfanden. Wenn man sich dagegen im Netz umschaut findet man kaum Unterschiede zwischen Wikinger-/Anglo Sachsen-/ etc Darstellungen. Ein Meinungsaustausch mit einem Herrn aus den USA, der im Bereich "Wikinger" sehr bewandert ist, ergab das es nach seinen Recherchen wohl beides gab. Mit Keilen als "Kyrtill" bezeichnet, mit Schlitzen als "blaðakyrtill" bezeichnet, wobei nicht klar wo genau letzterer geschlitzt ist und auch seltener Verwendung fand da er in einer der Islandsagas Erwähnung findet. Er bezog sich dabei am meisten auf das Buch von Nielle Glæsel. Insgesamt also unterschiedliche Meinungen ob und ab wann Keile im Rockteil Verwendung fanden :bahnhof Die Zwickel unterm Arm sind genauso fragwürdig wobei ich ein PDF gefunden habe in dem ein Schnitt gezeigt wird der eine enganliegende und trotzdem gut bewegliche Ärmekonstruktion aufzeigt. Wie ich nun mit meiner Oberbekleidung weiter verfahre ist mir noch nicht ganz klar.
 
Also in Haithabu finden sich laut Hägg einige Fragmente, die eindeutig Keile darstellen. Frauen- und Männertuniken unterscheiden sich grundsätzlich nicht im Schnitt, sondern eigentlich nur in der Länge. Ober- und Untertunika sind in der Regel gleich geschnitten, nur anders im Material und evtl. den Verzierungen. Die Keile selbst findet man auch auf bildlichen Darstellungen bei Männern. Sind aber kein Muss, sondern optional. Waren wohl auch Teil der Mode, wo das Unterteil seitlich ein wenig abstand. Die kleinen Teile unter dem Ärmel wären mir aus Haithabu nicht bekannt, die werden aber von Hägg aufgrund von Vergleichsfunden vermutet. Ansonsten schau Dir mal Fragment H72C und Fragment H73 an. Die sind unseren heutigen Schnitten von T-Shirt und Hemd sehr ähnlich, nämlich mit schräger Schulterpartie, ausgeschnittenen Ärmeln, und relativ großem runden Halsausschnitt.
 
Definitiv nachgewiesen im nordischen Bereich sind Keile als formgebendes Element bei Kleidung in Grönland, allerdings viel später. Zeitgleich kommt die Frage ja auch immer wieder bei karolingischer Kleidung auf, wobei die Abbildungen in den Psaltern keine wirklichen Hinweis auf Keile ergeben. Problematisch ist halt eben das Fehlen kompletter Kleidungsstücke, somit ist der Übergang von Tuniken ohn Keile zu welc hen mit Keilen nicht wirklich fassbar. mARLED
 
Zu karolingischen Tuniken bin ich über einen interessanten Blog gestolpert der sich mit diesem Thema befasst. Karolingische Tunika Quelle: Tribur.de Der Verfasser beschreibt das sich, anhand von Darstellungen aus den Psaltern, während der Entstehungszeit des Stuttgarter Psalter die Mode anfing sich zu ändern. In wie weit sich das auf selbigen Zeitraum auf die Scandinavischen Länder bezieht ist jedoch unklar. Was wenn sich Männer und Frauentuniken eben nicht nur in der Länge unterscheiden ? Was aufgrund der dürftigen Fundlage schwer belegbar ist. Die Haithabu Tunika ist schon was feines, Zeitlich aber wenig passend. Genauso die Moselund Tunika. Ich glaube das es etwas weit gegriffen ist solche Schnitte knapp 100-200 Jahre früher als die Funde anzusiedeln. Hab auch schon versucht, im Rahmen meiner Möglichkeiten genaueres über den erwähnten "blaðakyrtill" herauszufinden, leider bis jetzt mit wenig Erfolg.
 
Na ja, die dürftige Fundlage zwingt leider dazu, für Analogien auch die Zeiträume etwas weiter zu fassen. Was aber andererseits auch wieder nicht ganz abwegig ist, weil sich bestimmte Schnittmuster über lange Zeit nicht sehr verändert haben. Bestes Beispiel ist die Thorsberghose. Die datiert rund 500 Jahre vor den Haithabu Funden, dennoch wird für das jüngere Exemplar ein ähnliches / gleiches Schnittmuster vermutet.
 
Na ja, die dürftige Fundlage zwingt leider dazu, für Analogien auch die Zeiträume etwas weiter zu fassen.
Ja, da muss man aber dann die Kontinuität im Auge behalten. Durch die ganze Antike sind keinerlei Keile nachweisbar, dafür aber Stofffülle. Erst ab dem Hochmittelalter ändert sich sichtbar die Mode mit noch mehr Stofffülle einerseits, aber andererseits mit körpernahen Schnitten, die es erforderlich machen die Menge an Stoffen ab Taille mit Keilen zu erreichen. Fürs FrühMi sehe ich bis zum Moselundkittel nicht unbedingt den Zwang zu Keilen, sondern eher einen A-Schnitt. Marled
 
Grundsätzlich hast Du da Recht. Dem steht jedoch laut Hägg entgegen, dass die meisten Tunika-Schnitte sich bei Vorder- und Rückteil geometrisch an der Stoffbahn orientierten, wie sie vom Webrahmen kamen. Es wurde also wohl eine Stoffbahn nur in der benötigten Breite gewebt, dadurch direkt 'gesäumte' Kanten, und kein Verschnitt. Ausrichtung der Stoffbahn dann entlang der Kette. Das würde Keile erfordern, um mehr Weite zu erhalten. Erst mit dem Aufkommen des horizontalen Webrahmens hat man sich wohl auch den Luxus von quer zur Webrichtung verlaufenden Schnittmustern geleistet, und entsprechendem Verschnitt. Dazu gibt es in Haithabu auch Funde. Ein Beispiel hierzu ist das Viborghemd. Da bestehen die Ärmel auch der Länge nach aus mehreren Teilen, so dass - Vermutung der Fachwelt - der vorhandene Stoff optimal ausgenutzt werden konnte. Dem gegenüber einige Fragmente aus dem Hafen, datiert auf das (späte) 10. Jahrhundert, die quer verarbeitet wurden.
 
Ja, das mache ich bei ''Aufträgen auch so. Allerdings gibt es aus der Spätantike bis zum Frühmittelalter auch Beispiele für eine große Breite, die keine zusätzlichen Keile benötigt, wie zB hier bei einer koptischen Tunika. Koptische Tunika (Quelle: Brooklyn Museum) Marled
 
Ja, da muss man aber dann die Kontinuität im Auge behalten.
Das ist genau der Punkt hinter dem ich her bin. Das fertigen von Kleidungsstücken beruht ja bei allen Völkergruppen auf Traditionen/ Kontinuitäten die weitergegeben wurden. Das sich Schnitte usw weiterentwickeln und verbessert werden und sich das dann flächendeckend durchsetzt dürfte ein doch recht langer Prozess gewesen sein. Das schwierige daran ist allerdings diese "Ursprüngliche" Kleidung aus dem ganzen misch masch, vor allem bei den Wikis, aus adaptieren Stücken, wie zb die Pluderhose, herauszufinden. Evtl. sind die Keile eine Adaption der Mode Kontinentaleuropas, wann sie dort auftauchen ist mir adhoc nicht bekannt, die sich dann ausbreitete oder sie wurden schon vorher verwendet. Und gerade die Tunika macht ja einen Großteil der Bekleidung und der Gesamterscheinung aus.
 
Um Himmels Willen, ich möchte keineswegs behaupten, dass es sowas nicht gab. Mit dem, was ich mir bisher angelesen habe, kratze ich gerade mal an den allerobersten Wissensschichten ;-) Es kommt sicherlich auch immer darauf an, was der Besitzer der Tunika sich leisten konnte oder wollte. Dem Reichen war etwas Verschnitt vermutlich herzlich egal. Ist ja heute ähnlich. Industrieller Wollstoff für 20 € der Meter - tut nicht weh, wenn da Reste übrig bleiben. Da schneide ich zwar schon sinnvoll, aber im Grunde nach Lust und Laune. Aber wenn ich einen individuellen Diamantköper in Auftrag geben würde, handgesponnenes Garn, handgewebt, pflanzlich gefärbt (mit einem entsprechenden Wert und Preis) - da würde ich mich über jeden Quadratzentimeter ärgern, der nutzlos verschnitten wird.
 
@Einar - Interessant (und auch schwierig) dabei ist ja auch noch das Phänomen, dass verschiedene Regionen unterschiedlich beeinflusst wurden. Haithabu und Birka sind - trotz regionaler Nähe - ja geradezu Paradebeispiele für sehr eigene Entwicklungen bei der Mode. Da jetzt für jede Region heraus zu arbeiten, wann und wo in welcher Form Keile auftreten, klingt hoch spannend. Bin sehr gespannt, was Du da noch heraus findest :)
 
Um Himmels Willen, ich möchte keineswegs behaupten, dass es sowas nicht gab.
Hat auch keiner behauptet das du das behaupten möchtest ^^
Es kommt sicherlich auch immer darauf an, was der Besitzer der Tunika sich leisten konnte oder wollte. Dem Reichen war etwas Verschnitt vermutlich herzlich egal.
Mal davon abgesehen das anzunehmen ist das der aller größte Teil der Menschen damals Kleidung aus Heimischer Herstellung trugen, ja dem reichen wird's wohl egal gewesen sein. Ich versuche hier auch nicht den "Standartschnitt" zu verteufeln. Trage ihn ja selber :D Mir kam lediglich die Frage auf woher dieser überhaupt kommt. Die Funde geben's meiner Ansicht nach, vor dem späten 10. - frühen 11. Jhd, nicht her. Die Thorsberghose dagegen wird, trotz der Datierung ins 3. - 4. Jhd, als Vergleich herangezogen. Die dazugehörige Tunika irgendwie nicht. Wobei es dazu schöne Vergleichsfunde gibt wie zb. die Lendbreen Tunika ( 230 - 390 ) oder die Bernuthsfeld Tunika ( spätes 7. - frühes 8. Jhd ) Letztere zeigt auch wunderbar das die Kleidung zu der Zeit bis zum absoluten exitus getragen wurde, da sie aus 45 Stofffetzen aus 20 verschiedenen Geweben in 9 verschiedenen Webmustern besteht. Alle 3 sind übrigens ohne Keile. Aber irgendwie finden diese Stücke zu wenig Beachtung, wie ich finde.
 
http://samla.raa.se/xmlui/handle/raa/8708 auf "öppna" gehen. Dann bekommt ihr einen Ausschnitt aus einem wikingerzeitlichen Bildstein. Und die Tunika dort hat mehr wie einen Keil. z.T. Hose: es gib keine Rus-Hose. Die Rus-Hose findet sich nikingereitlich nur auf Bildsteinen auf Gotland. zum 1.000ten male mal gesagt.
 

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