Vorsicht vor verfrühten Festlegungen

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Freyjasdottir

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76275 Ettlingen
Ich muss jetzt einfach ein bißchen jammern, ich bin so frustriert. Ich habe mich durch meine eigene Unwissenheit komplett in eine Sackgasse manövriert. Als anschauliches Beispiel, wie man es nicht machen sollte, hier eine kleine Wegbeschreibung: Mein Ziel ist es, mit einer plausiblen Vita Göttinnengeschichten auf Märkten erzählen zu können. Das geht naturgemäß nur im Frühmittelalter und unchristianisiert. Da es sich u.a. um germanische Sagen handelt, dachte ich zuerst an eine Nordfrau (daher mein Forumsname). Belehrt durchs Forum fand ich dann aber recht schnell an der Idee Gefallen, eine hier bei mir vor Ort in Ettlingen oder Durlach Geborene darzustellen. Also hab ich mich mit den Alemannen beschäftigt, die sind ja schließlich Elbgermanen und könnten die Geschichten gut tradiert haben. Als Frau und Juristin las ich recht früh ein Buch über "Frau und Besitz: zum Handlungsspielraum von Frauen in Alemannien (700 - 940)" von Doris Hellmuth. Das gefiel mir gut (Witwen dürfen Besitz haben und selbst verwalten) und aufgrund der Christianisierungsgeschichte kam ich zur Auffassung, dass 730 eine gute Zeit für mich sein sollte. Prima Werk, leider hab ich entweder überlesen oder es stand nicht drin, welchen geografischen Raum sie beschreibt. Erst sehr viel später fand ich dann bei Christlein, die Alemannen, eine Karte, die auswies, dass hier vor Ort schon gar keine Alemannen mehr waren um 730. Schon schade, aber ja kein Grund aufzugeben. Na gut, dachte ich mir, dann eben die Franken, schau ich halt mal, was die hier so getrieben haben um 700... Toll, die Stadtgeschichte Ettlingen weist ab etwa 650 bis ins 8. Jhd merowingische Besiedlung aus. Also mal sehen, was sich da so findet:Ursula Koch, Fränkische Gräberfelder in Bargen und Berghausen, ein super Buch mit toller ausführlicher Beschreibung. Berghausen liegt gleich ums Eck von hier. Jippie. Bei näherer Betrachtung: Leider gibt es im 8. Jhd fast keine Funde mehr (das scheint ein durchgängiges Problem zu sein, Grabräuber haben hier alles außer der Kreuze mitgenommen, was ja nun für eine gründliche Christianisierung spricht, wenn sogar schon die Räuber sich vor der Hölle fürchten) - und noch viel schlimmer, es gab in Ettlingen schon Anfang des 8. Jahrhunderts ein Kloster, das die Verwaltung übernahm. Ganz ungünstig für mich kleines Heidenkind und ich verspüre wenig Neigung, aus der größeren Ansiedlung in den umgebenden Busch zu ziehen. Jetzt steh ich hier im Jahre 730 und wundere mich, was ich hier eigentlich will. 80 Jahre früher könnte ich mich wohl prima mit allem möglichen heidnischen Tand hier in Ettlingen begraben lassen, ganz ohne christliche Oberaufsicht. Die Fundlage ist deutlich besser, ich hätte Belege für alle möglichen Ausstattungsgegenstände, wüsste was ich anziehen kann und wie meine Schmuckstücke aussehen. Da ich immer nur aufs 8. Jahrhundert geglotzt habe, muss ich aber jetzt von vorn anfangen, wer hier so regiert hat und wie die Rechtslage war und ob das zu meiner Geschichte ansonsten passt. :heul Und diesen Riesenumweg nur deshalb, weil ich so ein Dickkopf bin und mich aufgrund der ersten richtigen Quelle gleich zeitlich festgelegt habe, statt noch im ergebnisoffenen Suchmodus zu bleiben. Hrmgrfmffffff! :kopfhau Eine Runde Mitgefühl bitte. Schlaumausereien verkrafte ich in meinem gegenwärtigen Zustand eher nicht, das kann ich selbst schon ganz gut... :kopfwand
 
Na denn mal herzlich willkommen im Club und im "Dark Hole" der Geschichte. Du kannst dich damit trösten, dass es auch im Norden um 700 nicht allzu viele Funde gibt. Wir haben aber für uns die Herausforderung angenommen und freuen uns über jedes noch so kleine Teil, dass auf (um) 700 datiert werden kann. Und ich sehe dich nicht in einer Sackgasse, sondern eher an einem Punkt an dem die Darstellung neu überdacht wird. Das mache ich beinahe täglich :D Also: Keine Umwege gehen! Immer weiter recherchieren! Und auf keinen Fall daran denken, die Darstellung zu wechseln, weil man der Meinung ist, das die Fundlage dort besser sein könnte.
 
Ich kann dich gut verstehen. So geht es mir bei meiner Thüringer-Darstellung auch. :S Da denkt man, man hat es und dann verschwindet alles wieder im historischen Nirgendwo. Aber sieh es positiv; Man lernt unheimlich viel über die Vergangenheit des eigenen Lebensumfeldes :D
 
nunja, schon schade sowas ... Man sieht eien Fundreko im Museum, soooo gehts nicht, wie wars dann denn? Zeit , ~800 n.Chr. Ort Astfalago, gleich neben Derlingo ... Wies richtig geht, steht im Skript "Grundlagen der Eisenhüttenkunde und Verformungskunde 1, Mitschrift". Das drumherum um den Fund konnte mal im Fernsehen im Bericht über Schmiede im Senegal ? bewundert werden. :-( Auf MA-Märkten immer die Schmiede mit der auf alt getrimmten Esse und abenteuerlichen Konstruktionen. DAS kanns nicht sein. Also Fund in klein, Windbeutel dran und Steinamboß besorgt (Form römische Feldschmiede, lag auf m Feldweg so rum). Das ganze funktioniert , je nach Aufbau zwischen sehr gut bis bescheiden. Nun gehts los .... Was hatte der Kollege an? Wahrscheinlich Hemd, hose oder Strümfe und Unterhose, Fußlappen, Schuhe, Rechteckmantel. Das Hemd mit T Ausschnitt???, knielang ist anzunehmen und dann??? Nagut, wahrscheinlich war die Hose eine Art Breeches mit an den Waden eng und knöchellang ???? Vermuten kann man sehr viel, wenn man keine "Grabklamotten" tragen will, bleibt nur eine "traditionell überlieferte " Kleidung über :-(
 
Ich sehe kein Problem. Wirklich nicht. Was du da beschreibst ist der ganz normale Rechercheweg. wie es sein sollte. Der einzige Fehler wäre sich unwissend aus eine zeit fest zulegen und sich aufgrund dessen Ausrüstung zulegen. Das ist aber hier nicht passiert. Von daher... Alles gut, alles wie es sein soll
 
Danke für die Taschentücher und die aufmunternden Klapse auf die Schulter. Das war sehr tröstlich. *schneuz* Das ist also völlig normal? Hm, ok. Na gut, dann kann ich ja auch aufhören rumzuheulen. "Suchlampe" und "Hartnäckigkeitsmodus" ein - dann schnür ich mal mein Ränzlein und tauch wieder ab ins dunkle Loch. Wartet nicht auf mich, es dauert länger, bis wir uns dereinst gewandet gegenüberstehen... Btw: weiß jemand, wie man Lembas zubereitet? Die könnten sich für die Reise bestimmt als nützlich erweisen... Gut, die Frage ist OT und gehört außerdem in den Fantasybereich, aber das hätte mich wirklich schon immer mal interessiert. Und wenn Tolkien die Zwergennamen der nordischen Mythologie entlehnt, hat er ja vielleicht auch das Rezept irgendwo geklaut? :ups Und so ein bißchen magisches Reisefutter würde bestimmt die Ausdauer erhöhen... Räusper. Ok, bevor ich schon wieder weinerlich werde, lese ich lieber noch was schlaues.
 
Tolkien hat zwar vieles aus den europäischen Mythen raus geholt, aber Lembas sind ein reines fantastisches Produkt. Hält ewig, gebacken von Elben und so... Es gibt aber ein Rezept in Larperkreisen. ;-)
 
Rindertalg, gemahlenes getrocknetes Rind oder Wildfleisch, getrocknete Heidelbeeren ,etwas Salz, ev Getreideflocken .... gibt verbrauchte Energie sofort zurück, hält lange vor. Nicht allzuviel Talg nehmen, gerade so, das das ganze nicht auseinanderfällt, Heidelbeeren je nach gewünschter Süße. Ohne Beeren gabs sowas ähnliches antiken Quellen zu Folge als Pulver bei den Hunnen als "Instantbrühe". Tolkien hat da wohl bei den Nordamerikanern geklaut, Pemmikan Damit Du uns nicht vom Fleische fällst bei der langen Reise
 
Kann es sein, dass wir hier OT werden? Der halbe Thread gehört schon in den Essen&Trinken oder in den Larp Bereich :rolleyes: ...mein ja nur...
 
Ja, lecker, mhmmmm. Getröstet bin ich ja nun, also ist das Hauptthema erledigt. Gelacht hab ich und gestärkt bin ich auch. Also kann das gar nicht richtig OT sein? Und andere Newbies, die über den Thread stolpern, können bestimmt auch Trost und praktischen Rat fürs Weitermachen brauchen... :heupf1
 
:eek:ff1 @haste feuer: hab gerade Dein Rezept gelesen, bin schon süchtig und high vom lesen... Äh, hm, ich mein, hm. Wann wolltest Du nochmal vorbeikommen und das leckere Zeug vorbeibringen? Am nächsten Montag hätten wir hier Weihnachtsfeier und backen gemeinsam Plätzchen, da würde das total gut passen... Also nur, wenn Du Zeit hast, natürlich. Sonst gern auch jederzeit anders... :D :back
 
Ich bin einer von den "Neulingen" und gerade sehr getröstet über diesen Zwirn (äh Thread). :D Ich habe auch schon sehr zwischen Begeisterung und Verzweiflung geschwankt. Manchmal denke ich, ich komme mit meinen Recherchen weiter, dann hakt es wieder. Das hier war auf jeden Fall erholsam. Danke.
 
Living History/Reenactment ist der schmerzhafte Weg des sich-ständig-selbst-verbesserns-und-veränderns. Solang man es nicht als Niederlage auffasst sondern als "Weg wie es nicht geht", ist doch alles gut. Du hast viel dazu gelernt auf deinem falschen Weg und das kannst du in deinen Neuanfang gleich mit reinnehmen :)
 
Ja, lustig, oder? So verzweifelt war ich mal. Ist gefühlt schon ungefähr 100 Jahre her. Also nicht den Kopf hängen lassen @Mondspeer! Dank Trost und Zuspruch der Alteingesessenen - nochmals :danke :danke :danke - hab ich mich aufgerappelt und bin nun wieder voller Vergnügen unterwegs in Bibliotheken, Büchern, Internet. Da ich dank der ersten Recherche jetzt natürlich schon viel mehr weiß als vorher, kann ich das jetzt gelesene ganz anders einordnen. Wie immer im Leben: Wenn Du Dich innerlich auf einen Spurt einstellst, rennst Du schnell los und bist Du nach den ersten 100 m kaputt (ok, ich schon nach 10 m, aber das ist hier jetzt total offTopic!). Wenn Du Dich innerlich auf einen 10km-Lauf einstellst, läufst Du langsamer und kommst deshalb weiter und Du schaust Dir vielleicht auch noch die Gegend dabei an (ich rede jetzt nicht von einem Wettbewerb!). Ich habe die Idee aufgegeben, dass ich zu einer bestimmten Zeit irgendwo ankommen muss, und deswegen kann ich jetzt sehr gemütlich vor mich hinrecherchieren (wenn ich denn mal die Zeit hab, momentan hab ich Hochsaison im Büro). Ich habe immer noch weder Gewand noch irgendein Bastelprojekt und das bleibt vermutlich auch noch ein bißchen so, aber richtig viel Spaß am Forschen. Und lese voller Vergnügen die Diskussionen hier über alle möglichen Themen und male mir aus, wie es sein wird, wenn ich irgendwann auch mal was kluges fundiertes beitragen kann... Boah, was werd ich Euch dann alle beindrucken und beschlaumausern. :groehl Bis dahin liegt aber noch viel Spaß vor mir und Ihr habt bis dahin Eure Ruhe... Also genießt es! :tanz01
 
@Rotschopf: war gerade auf Deinem Blog und stelle fest, dass Du ja echt auch weißt, wovon ich rede ;-). Und Du bist ja zeitlich noch weiter weg von heute... Lob und Preis, das ist wirklich ermutigend, wie Du an Dein Projekt dran gehst und davon schreibst.
 
Ich denke, was eine Darstellung auch interessant macht ist, wenn es eben noch nicht viele Befunde dazu gibt, wenn noch nicht viele Leute das Gleiche machen und wenn man sein Gehirn ein bisschen anstrengen muss, um zu einem Schluss zu kommen. Auch deshalb macht mir mein neues Jungsteinzeit-Projekt so viel Spaß. Ich war die vergleichsweise gute Quellenlage im 14. Jhdt gewöhnt und an Leute, die mir immer die passende Lösung sagen konnten, aber in der Jungsteinzeit bin ich ganz auf mich gestellt und entdecke viel neues. Das hat mich anfangs verwirrt und fast ein bisschen entmutigt, aber jetzt empfinde ich es als positiv.
 

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