Experimentelles Arbeiten mit Lindenbast

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user9734

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Hallo zusammen,aufgrund mehrerer Dinge, die zusammengetroffen sind habe ich mich mit der Herstellung von Schnüren aus Lindenbast befasst. Zum einen war da ursprüngliche mal die Idee mir für einen selbstgebauten Bogen eine Natursehne zu bauen (ursprüngliche mal aus Brennesselfasern). Zum zweiten ist mir Lindenbast quasi vor die Nase gelaufen. Und zum dritten habe ich gerade den Bedarf an Schnüre zum festbinden von Tomaten . Wie ich früher an verschiedenen Stellen recherchiert habe muss man bei Schnüren aus Pflanzenfasern, also Bast oder auch Brennesseln dafür sorgen, dass holzige Bestandteile und die gewünschte Faser getrennt werden können. Am Besten geht das, so wie ich gelesen habe dadurch, dass die Pflanzen (oder auch die Rinde) eine ganze Weile in Wasser eingelegt werden um somit die gewünschten langen Fasern leicht von holzigen oder anderweitig unerwünschten Bestandteilen getrennt werden können. Es wird von 2 bis 6 Wochen geschrieben, due die Pflanze im Wasser liegen soll. Bei meinem Lindenbast ist das etwas anders erfolgt. Der Baum war bei einem Sturm umgefallen und hat nun ca. 2 Jahre Wind und Wetter ausgesetzt da gelegen. Vor kurzem fiel mir dann auf, dass da schöner Bast zu Tage kam. Also habe ich mir eine Portion mitgenommen. Das festbinden von Tayberrytrieben nur mit Baststreifen war suboptimal. Die Streifen reißen schnell. Dann habe ich angefangen die Fasern zu verzwirnen und daraus Schnüre zu machen. Dabei ist mir aufgefallen, dass man, wenn man im Vorfeld einige Mühe darauf verwendet die Fasern ordentlich zu trennen, sie einzuweichen und auch nach Qualität sortiert bessere Ergebnisse erhält (eigentlich kein Wunder). Heute habe ich wieder gezwirnt. Dabei habe ich Schnüre herstellen können, die doppelt gezwirnt so dick waren, wie gestern die einfach verzwirnten. Ich habe daran auch einmal eine Messung der Zugfestigkeit gemacht. Die doppelt gezwirnten sind bei einer aufgebrachten Last von 7 Kg gerissen, eine Schnur, die ich aus diesen Schnüren noch einmal verzwirnt habe war schon bis ca 16 Kg zu belasten. Alles in Allem noch ein weiter Weg bis eine Schnur als Bogensehne für eine Bogen mit 30# Zuggewicht zuverlässig gefertigt werden kann. An eine 100# Warbow ist da gar nicht so schnell zu denken. Aber es muss machbar sein, da selbst die Seile an Segelbooten aus Lindenbastfasern waren. Hier auch noch einige der Quellen, aus denen ich mein Wissen gezogen habe. http://journal.lhbsa.de/cpt-articles/zur-kulturhistorischen-bedeutung-der-linde/ https://natur-instinkte.blog/2019/07/12/lindenbast/ https://www.uni-goettingen.de/de/nutzung+in+der+vergangenheit/41762.html Was ich jetzt noch nicht recherchiert habe ist, wie lange Schnüre aus Lindenbast verwendet wurden. Ich habe nur den Hinweis, dass mit Aufkommen von Hanf und Flachs die Bedeutung nachließ. Da ich hier keine einfeutige Zuordnung zu irgend einer Zeit habe und dies auch eher Experimente sind, habe ich das Thema hier unter den "Rest der Welt" gestellt. Noch zwei Bilder von den Ergebnissen. Vielen Dank für's lesen und auch Anregungen.
 
Schwierige Frage da ja nur Bruchteile solcher "Textilien" erhalten sind. Mir sind keine Funde Datierungen bekannt aber ich habe ja auch einen Tunnelblick auf Wollgewebe. Linde war ein begehrtes Holz für die Bildhauerei, viele der Ursulinenschreine aus Köln sind in Linde gearbeitet. Leidet das Holz nicht wenn man es zwei Jahre rotten lässt um den Bast zu gewinnen ? Die Ausbeute ist ja begrenzt und die Frage ist ob es lohnt wenn man auf andere besser verfügbarere Materialien zurück greifen kann. Vermutlich ist es auch ein Frage der Region und Zeit, im frühen Mittelalter im Bereich der Küsten wuchs Leinen nur unter erschwerten Bedigungen. Falls es hier keine Antwort gibt, könntest Du bei EXARC Gleichgesinnte finden, https://exarc.net/ (Quelle : https://exarc.net/) es gibt auch Gruppen bei FB unter anderem eine Gruppe die genau ssolche Projekte vorstellt und diskutiert.
 
Ja das Holz würde leiden. Bei mir war das ganze ja auch eher ein Zufallsfund. Eigentlich wird die Rinde abgezogen und dann ca. 6 Wochen in Wasser eingelegt. Das Holz kann man dann immer noch verwenden und es reichen ja auch Äste aus um daraus Bast zu gewinnen. Auch wenn gesagt wird, dass das Holz ohne Rinde getrocknet dann eher reißt. Danke für den Hinweis auf Exarc. Da wwrde ich gleich mal vorbeischauen. Schade, dass es die Gruppen nur bei facebook gibt. Da möchte ich eigentlich nicht mitmachen. Wahrscheinlich werde ich ein wenig suchen müssen um ander Wege des Informationsaustausches zu finden.
 
Zusammenfassung aus dem Reallexikon der germanischen Altertumskunde: - Taurest, 8mm aus Pflanzenfasern, Lascaux, 15000 v.Ch. - Tau aus Weidenbast, Friesack, 7300 v. Chr. - mehrere Taureste aus den Feuchtbodensiedlungen am Alpenrand und Dänemark aus der Bronzezeit - 4cm Taufragment aus Lindenbast aus Hallstatt, BZ - Taureste aus Waldrebe, Kyffhäuser, jüngere BZ - die Römer verwendeten häufig Esparto - Taue aus Roßhaar und Wolle, Feddersen Wierde, 4.Jh, und Elisenhof 8.Jhd - 200 Reste, 1-10cm Dicke, Haithabu, verschiedene Materialien aber überwiegend Eichenbast. - Tau aus Walroßhaut, England 9.Jhd - Handtau, Gokstad/NO, 9. Jhd - 2,5cm dickes Tau aus Lindenbast, Skudelev/DK, 11 Jhd. - Auch im 14. Jhd wurde in der skanidnavischen Schifffahrt noch Rindenbast verwendet (war eventuelle einfacher zu gewinnen als Hanf) - Hand setzte sich in der Neuzeit durch, aber in ländlichen Gebieten wurde bis ins 20.Jhd noch Rindenbast verwendet Ich selber habe Seile aus Binsen, Hanf, Weidenbast, Brombeerranken, Gräsern. Binsen und Brombeer sind recht starr und eignen sich daher eher für nicht bewegliche Teile, während Weide und vor allem Hanf natürlich flexibel sind. Am liebsten aus drei Strängen. Wenn es dann dicker sein sollte, dann auch mal drei dieser drei Stränge zusammengedreht. Beim Einweichen der Materialien muss man nur gut drauf achten, dass man nicht zu viel Wasser nimmt und das Material aufquillt, dann wird das Seil nach dem Trocknen sehr locker oder zerfällt dann auch ganz gerne mal an den Stellen, so man neu angesetzt hat.
 
Herzlichen Dank für diesen informativen Beitrag.
 
Angeregt durch das Zwirnen von Lindenbast und meine Erinnerung an das Zwirnen von Nesselfasern (ohne vorheriges rotten bzw. rösten soll beides den gleichen Wortstamm haben laut Wikipedia) habe ich mich nun noch einmal mit einer Schnur aus Nesselfasern befasst, bei dem ich den Prozess des Rotten mit einbinde. Ich habe etliche Stängel von Brennesseln mit einem Stock gebrochen und die Rinde von dem holzigen Teil getrennt. Danach dies in einen Eimer mit Wasser eingelegt und nun steht dies ein paar Tage in der Gegend. So langsam entströmt dem Eimer ein eigener Duft und einige Blasen steigen auf. Nach einem heutigen rumrühren in der Brühe und anschauen der eingelegten Rinde habe ich schon ein Knäuel an Fasern, das mich an Filzwolle erinnert. Ich werde sie noch ein bis zwei Tage eingelegt lassen, dann gründlich auswaschen und versuchen etwas verspinnbares an Fasern zu produzieren. Ich habe die Hoffnung, dass ich zumindest einen kurzen Faden herstellen kann. Wenn ich mir überlege, dass es früher auch Nesselstoff gegeben hat, dann kann ich abschätzen, dass da jede Menge Arbeit und auch Material eingesetzt wurde. Einige Impressionen von der Herstellung. Ich möchte mit dieser Darstellung der Tätigkeiten keine wissenschaftlich fundierte Abhandlung darlegen sondern nur an meinen Erfahrungen teilhaben lassen. Evtl. ist es ja für die/den eine/n oder andere/n ja auch Anregung. Gerade wäre auch eine günstige Zeit noch etwas weiter zu probieren, weil die Brennesseln gerade im Saft stehen. Apropos Saft. Ich habe festgestellt, dass sich die Rinde am Besten nach regnerischen Tagen ablösen ließ. Weiter geht es bald. PS an einen Admin/Moderator: vtl. kann der Thread ja umbenannt werden in "Experimentelles Arbeiten mit Pflanzenfasern" und noch ein Tag Pflanzenfasern eingefügt werden? Wollte nur keinen neuen Thread aufmachen, weil ich dachte, dass alles zusammen passt
 
Der Sud läßt sich als Sprühmittel gegen Blattläuse nutzen. Ob es dann flächendeckend nach Nesselgülle "duftet"?!
 
auf einer Veranstaltung bin ich einer Frau begegnet die Brennnesselschnur ohne Rotte direkt aus der Pflanze gewonnen hat. Einfach durch zerklopfen des frisch geplückten Stengels und reiben über einen Stein, anschließend hat sie ein Schnürchen daraus gedreht. Das ist nun 1 Jahr her und die Schnur hängt immer an meiner Pinnwand und ist immer noch stabil.
 
Gepflückt sollte es heißen. Raginhild Leinen stinkt ja auch nicht, das wird ja auch geröstet, was eine nette Umschreibung für gammeln bis zum richtigen Zeitpunkt ist.
 
Also, Silvia, die eingelegten Brennesseln haben schon einen sehr eigenen Geruch. Ich habe auch schon Schnüre aus den frisch gepflückten Bastfasern gemacht. Nur die werden recht hart. Nun habe ich eine gemacht, die ich als Armband angezogen habe. So langsam wird diese Schnur weicher dabei werden auch die Fasern sichtbar, die in der Rotte zum Vorschein kommen. Mal schauen, wie lange sie hält. Mit der Rotte werden ja eigentlich nur noch zusätzliche Bestandteile des Bastes entfernt, die die Schnur hart machen. Ich werde die Fasern, die am Ende der Rotte rauskommen noch bürsten müssen und dann diese verzwirnen. Das wird für meine groben Finger noch eine Herausforderung. Ziel soll ja am Ende eine Schnur sein, die von der Zugfestigkeit als Bogensehne taugen würde. Ich wäre schon zufrieden, wenn sie bei passender Dicke 20 Kg heben könnte. Das wären dann knapp 45#. Also für einen Bogen in meinem Zuggewicht durchaus passend.
 
Ich habe nun das Rotten als beendet erklärt. Ich konnte optisch keine weitere Veränderung mehr feststellen. Darauf hin habe ich die Faserbündel gründlich gewaschen und getrocknet Im Grunde habe ich nun so etwas ähnliches wie den Hanf, der für Installationsarbeiten genutzt wird, vor mir liegen. Nach meiner Erfahrung mit den Bündeln ist es wohl nicht günstig während des Vorgangs des Rottens den Bast zu bewegen. Ich habe während dem Prozess des Rottens mehrfach die Bündel gerührt, weil ich die Hoffnung hatte, den Vorgang dadurch zu beschleunigen. Leider sind die Faserbündel nun sehr verknotet und ich muss sie recht mühevoll auseinanderfranseln. Auf jeden Fall habe ich es geschafft schon einige solcher Bündel einen wollähnlichen Faden zu erzeugen (habe ich da dann gesponnen?). Aus diesem Faden habe ich dann durch das mir bekannte Zwirnen wieder eine erste Schnur hergestellt, die ich nun noch weiter verlängern werde. Insgesamt ist sie schon weicher als die aus dem vorhergehenden Versuch mit den einfach nur abgezogenen Fasern. Allerdings muss ich wohl noch jede Menge üben um gute und gleichmäßige Fäden hinzubekommen mit denen ich dann auch gut zwirnen kann. Alles in Allem habe ich bislang auf jeden Fall mitbekommen, dass es eine Menge an Fertigkeiten benötigt um eine Schnur aus Pflanzenfasern herzustellen. Evtl. schaffe ich es noch dieses Jahr einen weiteren Versuch zu starten bei dem ich dann die Baststreifen nicht verwirbele um evtl. besseres Ausgangsmaterial für die Schnurherstellung zu erhalten. im Angefügten Bild kann man In Uhrzeigersinn von Oben links die einzelnen Schritte bis zum "Wollfaden" sehen: -Wirrwarr aus Fasern -Vereinzeln von Faserbündel -Nebeneinander legen mehrer Bündel -durch Drehen zwischen den Fingern einen wollähnlichen Faden herstellen -ein nun entstandener Faden, der im nächsten Schritt gezwirnt wird
 

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