Ovalspangen und Fibelketten als Indikator des Familienstandes?

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Torben

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2017 in Niedersachsen und 2018 in Hessen hörte ich auf Veranstaltungen von Händlern und Teilnehmern untereinander und gegenüber Besuchern, das
  • Ovalspangen (OVSn) von Frauen getragen wurden, die das Mädchenalter (biologisch) verlassen hatten oder auch
  • OVSn als Zeichen einer verheirateten Frau standen
  • die Anzahl der Glasperlenreihen bedeutet, wie viele Kinder die Trägerin hatte.
Aus rein unfachmännischer Sicht stelle ich mir die Frage, wie viele Frauen, vom Ehestand abgesehen, dann keine gebärfähigen Frauen waren, da sie ja keine OVSn im Grab hatten. Aber wieso hatten sie dann Perlen, denn ein bis zwei Perlen sind keine unübliche Beigabe. Wenn auch als Halskette. Wobei die Bedeutung der Halsketten ja nicht zur Diskussion stand. Es waren ja Fibeln und Fibelketten. Also stehen als Familienstands- und Kinderindikator OVSn und Fibelketten zur Diskussion. Oder? Vom Leitthema aber abschweifend: Glasperlenketten ohne OVSn sind öfter anzutreffen, hierbei ist eine geringe Zahl von Glasperlen öfter und vereinzelte sind sehr häufig vorkommend. haben! Zur weiteren Lagerfeuerdiskussion. Es folgte i.d.R. das Argument, das die OVSn dann zur Eheschließung überreicht oder, da diese eine lange Laufzeit hatten (die OVSn; ob Ehen früher so eine labile Beständigkeit hatten wie heute, weiß ich nicht), eben von der Mutter der Braut oder des Bräutigams an die Braut übergeben wurden. Ich Schussfolgere dann: Der Rest der Wikinger lebte in Wilden Ehen mit unzähligen unehelichen Kindern. Von diesen Fakten und ab diesem Punkt, ist die Argumentation der o.g. Darsteller auch nicht mehr Lagerfeuertauglich, da die Argumentation schlecht recherchierten Fernsehserien, allgemeinen Verkaufsstrategien (wobei die Fakten, die folgen, sich viel besser für Händler als erfolgreiche Verkaufsstrategie eignen), Marktmythen oder eben dem HörenSagen und dem Vertrauen in das Wissen anderer sowie der Fantasie und Langeweile, mangelndem Wissen, entspringen. Der Bequemlichkeit, auf andere zu Vertrauen und dem Unwillen das GehörSagte in Frage zu stellen, den Zustand der Passivität zu verlassen und selber mal zu recherchieren. Wer den Weg in diese Gruppe und diesen Worten gefunden hat, ist hingegen schon auf dem besten Weg, es besser zu machen. Meine Meinung zur Lagerfeuerdiskussion: Unfug. Perlen und vor allen OVSn waren Prestigeobjekte wohlhabender Frauen. Ich sage extra nicht „sozial oberer Schichten“, denn das sind nur „sozial obere“, aber nicht wohlhabende Schichten. Um die „Ehe- und Kinderthese“ mit Fakten, wenn auch nur mit wenigen Nachweisen, nieder zu schmettern, folgt zwangsweise das Beispiel nach Birka, eben einem gehobener Handels- und Bestattungsplatz. Hierzu gibt esals empfehlenswerte Literatur auf academia.eu von Jörn Staecker: Geschlecht, Alter und materielle Kultur - Das Beispiel Birka (von ihm zur Verfügung gestellt, aus Historia archaeologica – RGA-E Band 70 – Seiten 475–500). Vorab: Zu Haithabu liegen mir hierzu keine Informationen vor. Dort sind in über, bisher veröffentlicht, 1.000 Gräbern inkl. Kenothaphen 32 OVSn bekannt. In Birka wurden bei vergleichbarerGräberzahl 291 OVSn in 159 Gräbern angetroffen. Es wäre schön, auch mal einen so gut publizierten Bestattungsplatz aus Norwegen zum Wissensfundus hinzufügen zu können. Ich bin für Anregungen offen (bitte neuen thread). Bei der Zahl der Bestattungen mit Glasperlen ist Haithabu eigentlich gar nicht zu berücksichtigen, 37 Gräber mit etwa 400 Perlen (im Schnitt etwa 10 Perlen). In Birka waren es dreimal so viele Bestattungen mit Perlen (125) mit ca. 5.500 Perlen (im Schnitt 44 Perlen, was natürlich nicht die Realität wieder gibt, da es Bestattungen mit 1-2 Perlen, aber auch mit 100+ Perlen gab). Die Kombination von OVSn und Perlen kam in 73 Bestattungen vor. Dies sind nur die Angaben zu den Körpergräbern, die ich in „WtDddP?“ berücksichtigt habe. Es verbleibt ein mir derzeit unbekannter Anteil von Brandbestattungen.Ebenso fehlen in den obigen Angaben die Bestattungen ohne Glasperlen bzw. OVSn, die anhand anderer Beigaben als „weiblich“ bestimmt wurden, da ich in meinen Ausarbeitungen nur Bestattungen mit Perlen und/oder OVSn berücksichtigt habe. Lagerfeuerfazit: 159 verheiratete Frauen 73 mit Kindern 86 ohne Kinder 52 unverheiratete oder geschiedene Frauen mit Kindern. Das spiegelt doch unsere heutige Gesellschaft wieder, oder? Ein wichtiges Detail zur Fragestellung: J. Staecker verweist ausdrücklich darauf, das bei weitem noch nicht alle erhaltenen Skelettreste anthropologischbestimmt wurden. Und es gibt ja noch mehr Analysemöglichkeiten. Es ist noch vieles offen. Hier die bisher anthropologisch bestimmten, publizierten und hier relevanten Bestattungen: Altersstufe 0-12/13 Grab 463, ein 5-6jähriges Mädchen, bestattet mit einer runden Bronzespange (mittig auf der Brust), im Bereich des Halses 21 Glasperlen. Mit Sicherheit war das Mädchen nicht Mutter eines Kindes - vielleicht einer Puppe? Die runde Bronzespange steht dann für ihren ersten Freund. Hier die Anmerkung: über Kinderehen oder im Kindheitsalter bereits geplanten späteren Eheanbahnungen ist mir aus den Sagas nichts bekannt und die Sagas sind die einzige, wenn auch nicht absolut chronologisch passende, Primärliteratur. Aus den Berichten arabischer Handlungsreisender ist mir nichts relevantes bekannt. Grab 508 ist immer wieder ein für Perlenfreunde begeisterndes Grab mit mehreren Perlenkomplexen, die hier aber nicht zur Diskussion stehen Hier aber weiter zu den Beigaben: 306 Perlen, 2 OVSn (keine Lochungen oder andere Befestigungsmöglichkeiten als an den Nadeln, Typ Birka, wie Taf. 61:7), eine gleicharmige Fibel Gruppe I A:1 (ohne Lochung), JBS „Trotz eines nicht geschlechtsreifen Alters wird das Mädchen schon gekleidet wie eine erwachsene Frau. Damit entfällt eine Ansprache der Fibeln als ein eventuelles Zeichen für den Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt“ (J. Staecker, S. 488) In Grab 606 wurde ein 12-13 jähriges Mädchen beigesetzt. (29 Perlen, 2 OVSn (ohne zusätzliche Befestigungsmöglichkeiten, P42, Taf. 63:3), 1 gleicharmige Silberspange Gruppe V C, JBS). Anm.: Nach J. Staecker handelt es sich bei den Bestattungen 508 und 606 durch die Dreifibeltracht um eine charakteristische uppländische Tracht. (S. 486) Für die Juvenis (12/13-25jähren) nehme ich zuerst das Sarggrab 531, eines von drei Frauenbestattungen, bestimmt auf ein Alter von 12–18 Jahren. Die Beigaben: eine Fibel, 5 Perlen, ein Anhänger, zwei Messer, eine Tatinger Kanne und ein weiteres Tongefäß. Anmerkung:. Ich gleiche immer zuerst mit meinem Buch „WtDddp?“ ab, so kann ich meine Texte überprüfen, ggf. aktualisieren, ergänzen oder korrigieren. Ich habe keine Fibel genannt. So gleich „Birka I, Texte“ zu Rate gezogen. Es heißt im Fundkatalog „Eisenspange (?), jetzt nur noch Fragmente erhalten, die keine Bestimmung zu lassen.“ Die Aussage über die „Fibel“ ist somit nicht relevant, da keine Sicherheit über die Funktion des Eisenfragmentes besteht. Die Lage der Messer ist nicht gesichert, „wohl bei der Eisenspange“. Zu dem Umstand von Messern und Kämmen in der Schüttung s. Staecker. Es handelt sich seiner Meinung nach nicht um Beigaben vorheriger Bestattung, als Beimengungen in der Grabschüttung, da weitere Indizien anderer vorher auf diesem Bestattungsplatz bestatteter Individuen fehlen. Ich stimme dieser Aussage zu. Letztendlich: neben Perlen finden sich in den Bestattungen (464 (alle Bilder dieser Bestattung im Anhang), 501, 531) dieser Altersstufe auch andere Beigaben, wie Messer, Anhänger, Gefäße, Bronzegewichte, Nadeln und Nadelbüchsen, sogar ein Trichterbecher ist anzutreffen (Sarggrab 464). Dies sind Beigaben, wie sie zu den Beigaben der erwachsenen Frauen zählen. Die Beigaben von Bj 464 sind alle als Bildmaterial beigefügt, da ich die Zeit hatte. Anm.: Ich finde, dass die Drittspange verblüffende Ähnlichkeit mit einem Kronkorkenöffner hat. Und es sind umfangreich ausgestattete Gräber mit Beigaben wohlhabender Familien/Sippen. Welche Wünsche, Vorstellungen, Ideen, Werte und Ideale zu dieser Art der Beigaben führten, kann man nicht sagen. Der Grabfund ist aber kein Unfug. Es gab Kindergräber, wo Kinder/Mädchen ausgestattet waren wie erwachsene Frauen. Daher lässt sich im Umkehrschluss nicht über den Familienstand- und dessen Verständnis sagen. Nach heutigem mitteleuropäischem Verständnis. Ein Rückschluss auf den Familienstand oder die Geburtenzahl, ist nicht tragbar. Eine schöne Geschichte? Nein. Und Unwissenden diese Geschichten als historische Fakten anzutragen ist nur eines: traurig-schaurig. Btw. Es gibt auch zwei 5-7 jährige Jungen, die mit Ringfibeln und anderen Beigaben eines Erwachsenen bestattet wurden. Oder „Bei dem Kammergrab 977, der Bestattung eines Jungen im Alter von 10–14 Jahren begegnet uns dann schon eine sehr reichhaltige Ausrüstung, die eine Ringfibel, ein Schwert von 72 cm Länge, ein Pfeilbündel, einen Schild, ein Gewicht, ein Viertel Dirhem, ein Messer, zwei Eissporen, Peitschenstielbeschlag, Pferdezaumzeug, ein Pferd und zwei Pferdeeisnägeln, umfasst.“ (J. Staecker, S. 488). Das ist dann der „Kinderkrieger von Birka“? Zu dieser Bestattung gibt es noch weitere Literatur, die mir noch nicht vorliegt. J. Staecker verweist auf das von der Standardlänge abweichende Schwert, vielleicht kann jemand etwas dazu sagen? Quellen: J. Staecker: Geschlecht, Alter und materielle KulturDas Beispiel Birka U. Arents, S. Eisenschmidt: Die Gräber von Haithabu I G. Arwirdsson: Birka II:1 Die Systematische Analyse der Gräberfunde T. Barthelmie: Wie trägst DU denn deine Perlen?
 

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  • Mädchen, Frauen, Schmuck. EIn Indiz für den Ehestand.pdf
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Hallo Thorben und hallo Forenteilnehmer, wie du Torben schon schreibst, sind einige Ergebnisse bei Lagerfeuerdiskussionen, sofern die dort sich Einfindenden, wenn mal über Darstellungsfragen diskutieren und sie nicht Ihren Alltag besprechen, Unfug. Leider wird viel zu viel Halbwissen als Tatsache hingestellt - noch ncihbt mal das eventuell wird im Gespräch erwähnt. Nicht alles ist abwegig das in solchen Diskussionen erwähnung findet, aber die Funde sind das einzige das wirklich einen Nachweis bietet, alles andere kann nur als Vermutung oder eventuell zutreffend geäußert werden. Ja die Zufälle das zuvor als Unsinn abgewunkenes aus Privaten Rekonstruktionen durch spätere Funde oder die Publikation alter vorhandener aber bisher nicht aufgearbeiteter Funde sich bewahrheitet, doch das ist nicht allgemeinverbindlich und auch selten der Fall. Es ist wie Du schreibst nur der Fund bleit Fund und Unfug bleibt auch eben dieser. Ich kann nunr empfehlen lest mehr Bücher - Archäologische Berichte aus der Fernleihe oder über den Antikmarkt erworbene zumindest im Akademischen Netzwerk als PDF. Grüße sendet Olegsson
 

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