Roggen-Sauerteigbrot

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Bogner

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38518 Gifhorn
Weiß jemand etwas Belegbares über das Brotbacken im MA ? Nicht Getreidebrei (Muos), sondern ausgebackenens Brot interessiert mich. Gelegentlich, in unregelmäßigen Abständen, backe ich mir mein eigenes Brot. Es besteht dann im Normalfall ausschließlich aus frisch gemahlenem Roggen-Vollkkornmehl, Natursauerteigansatz vom letzten Backtag, Wasser,Salz und ein wenig gemahlenem Kümmel. Heute habe ich das Brot probeweise mit den gleichen Gewürzen angereichert, die auch in Rezepten für das Vinschgauer Brot aus Südtirol üblich sind. Nun würde ich gerne herausfinden, was von alledem sich ggf. mit einer ernsthaften MA-Darstellung (Hochmittelalter) vereinbaren ließe. Also: Welche Getreidesorten wurden im HoMi in welchen Mengen in Norddeutschland angebaut - und wie viel jeweils davon verblieb Bauern, Hirten oder Zeidlern u. ä. zum Eigenbedarf? Soweit ich bisher weiß, gehörte Weizen eher zur Herrenspeise. Gibt es originale Brotrezepte aus dieser Zeit? Welche Triebmittel sind darin vorgesehen? Wäre es denkbar, belegbar oder eher unwahrscheinlich, dass die Heil- und Gewürzpflanzen, welche schon im Frühmittelalter von Karl dem Großen zur Versorgung seines reisenden Hofstaates (mit dem Capitulare de villis) eingefordert wurden, im Hochmittelalter auch in ländlichen Siedlungen und Bauerngärten angepflanzt wurden? Ab wann - und dann in welchen Gesellschaftsschichten - war es überhaupt üblich, außer dem grundlegenden Körnerbrei auch mal gebackenes Brot zu essen? Dabei denke ich nicht an die kleinen, ungesäuerten Fladen oder Hostien, die zum christlichen Abendmahlsritual gehören, sondern an die Alltagsernährung. Freue mich über jeden Hinweis, Quellentip usw. :) .
 
Derzeit beschäftige ich mich mit genau dem selben Thema für die vorrömische Eisenzeit. Deshalb jetzt keine Quellen fürs HoMi, aber Prinzipielles, speziell zu den Treibmitteln: Sauerteig kann man nicht nur aus Roggenmehl (Roggensauer), sondern auch aus den anderen allein backfähigen Mehlen der Triticum-Arten Emmer, Einkorn, Dinkel und natürlich Weizen herstellen. Ein heute noch gebräuchliches Weizensauer-Brot ist die italienische Ciabatta. Roggenmehl kann nur mit Sauerteig gelockert werden. Mit Dinkelsauer hergestelltes Dinkelbrot wird nicht so schnell altbacken wie solches mit Hefe. Man kann Sauerteig praktisch unbegrenzt haltbar machen, wenn man ihn mit soviel trockenem Mehl vermischt, das man Krümel daraus reiben kann. Dieses so genannte Gerstel wird dann mit lauwarmem Wasser angerührt und so wieder zum Leben erweckt. Reinzuchthefe gibt es erst m. W. ab dem 18. Jahrhundert. Zuvor wurde aber auch schon reines Hefebrot gebacken. Dazu bediente man sich der Bierhefe, die beim Brauen obergäriger Biere (das waren alle vor dem SpäMi) auf der Maische schwimmt. Weitere Triebmittel, die seit der Eisenzeit bekannt waren (und, wenn man die Gebäckreste hinsichtlich ihrer Struktur analysiert, auch verwendet wurden), waren Hirschhornsalz und Pottasche. Beide lockern den Teig und machen ihn mürbe, lassen das Gebäck flach und in die Breite aufgehen, sind also nix für Brot, sondern eher etwas für Flachgebäck wie Kekse.
 
Das Eintrocknen der Mikroorganismen zur Haltbarmachung verzögere ich, indem ich den reinen, durchgegorenen Sauerteig dünn auf ein Brett ausstreiche und dort lasse, bis er hell und brüchig geworden ist. Vielleicht verwechsle ich jetzt etwas, aber ich meine mich an ein kleines, altes Büchlein zur deutschen Geschichte zu erinnern (Gustav Schwantes???), in dem behauptet wurde, die Idee, Bierhefe zur Brotlockerung zu verwenden, stamme von eisenzeitlichen Kelten. Sauerteig aus Dinkel ..... neu für mich. Da ich Dinkelbrot auch gerne mal backe, werde ich das bei nächster Gelegenheit ausprobieren :) !
 
Danke für den Link, Morgan! Allerdings werde ich wohl bei meinen ersten Versuchen an 2 Stellen vom dortigen Rezept abweichen: Ich benutze zum gelegentlichen Neuansetzen wie auch zum normalen Gehenlassen eine gut isolierte Warmhaltekiste mit einer Thermostatheizung (Zoohandel, für Terrarien), um bei 28 - 29 Grad C eine angenehme Mischung von Milchsäure-und Essigsäurebakterien zu fördern. Ich werde versuchen, den ersten Versuch mit den Mikroorganismen zu starten, die ohnehin in der Luft,im Wasser und auf den Körneroberflächen vorhanden sind. So ist auch mein ursprünglicher Roggensauerteig-Ansatz entstanden. Würde Dich das Ergebnis interessieren?
 
Auf jeden Fall! Ich selber lasse ja backen ^^ es wäre aber dennoch toll, wenn ich durch deine Versuche herausbekommen könnte, welche von zwei widersprüchlichen Aussagen, auf die ich gestoßen bin, nun stimmt: 1. Sauerteig ist besser für Dinkelbrot als Hefeansatz 2. Dinkelteig ist empfindlich gegen Säure, deshalb ist Hefe besser. Vielleicht stimmt ja beides und man darf den Ansatz deshalb nicht zu lange führen (also weniger Stufen). Sowas ist nur durch Experimente rauszukriegen. Dinkel war das wichtigste Brotgetreide (wenn auch nicht das beliebteste) der vorrömischen Eisenzit und somit ist die Rekonstruktion von Rezepten für mich hochinteressant!
 
Hallo Bogner, ich verlinke hier mal Erfahrungsberichte einiger MA-Gruppen, die sich im Zuge ihrer Darstellung schon mal mit dem Thema auseinander gesetzt haben. Teilweise auch mit Rezept: http://www.brandenburg1260.de/brotbacken.html http://www.die-reisecen.de/hintergrund/essen.html http://www.ig-historisches-handwerk.de/teig.html http://www.ig-historisches-handwerk.de/brot.html http://www.ig-historisches-handwerk.de/teig.html Dann hätte ich noch eine Buchempfehlung: http://www.amazon.de/Nutzpflanzen-Deutschland-von-Vorgeschichte-heute/dp/3933203406 "Nutzpflanzen in Deutschland von der Vorgeschichte bis heute, Udelgatd Körber-Grohne" (Überblick über alte Nutzpflanzen in Deutschland, archäologische Fundlage, prozentuale Verbreitung, Zeittafel, Anbau, kulturhist. Bedeutung)
 
Sobald ich mir wieder etwas Zeit nehmen kann, geht es los :) . Übrigens habe ich mir mal von meiner Mutter erzählen lassen, was sie noch aus ihrer Kinderzeit (1927 geboren) vom Brotbacken auf dem elterlichen Bauernhof im Rheinland wusste: Wenn alle paar Wochen Backtag war, wurde schon frühmorgens der Kochherd in der Küche mir Holz bestückt und so lange eingeheizt, bis Erfahrung und Körpergefühl ihrer Mutter der Meinung waren, jetzt sei die Temperatur in der gesamten Küche hoch genug. Sobald der mehr als 2 Meter lange Holztrog mit entsprechenden Mengen an Mehl, Sauerteigansatz und Wasser befüllt war, wusch ihr Vater sich gründlich die Füße und stieg dann in den Backtrog, um durch Hin- und Herlaufen im Teig alles zu vermischen und zu verkneten. Weitere Einzelheiten (wie viele Stufen z. B.) wusste sie nicht mehr. Das fertige Brot soll auf langen Holzbrettern, die an Seilen hingen, gelagert und wochenlang genießbar gewesen sein, ohne zu schimmeln. Den großen, ebenfalls holzbeheizten, aus Ziegeln gemauerten Backofen in der Scheune mit der Innenauskleidung aus Vulkangestein vom "Ofenkaulberg" in der Eifel (?) habe ich als Kind noch gesehen - aber nicht mehr in Betrieb.
 
Am Sonntag habe ich einen ersten Versuch unternommen, reines Dinkel-Sauerteigbrot zu backen. Nach einem Hinweis aus Post 7 (danke, Jehanne!) habe ich den Teig nur sehr vorsichtig anzusäuern versucht. In Kurzform: - Dinkelmehl und Wasser mit einer kleinen Portion des sehr gut treibenden Roggensauerteigs beimpft, den ich zur Zeit immer weiterführe. Ein völliger Neuansatz hat nicht gleich geklappt. - Durch Zugabe von frisch gemahlenem Dinkel-Vollkornmehl und Wasser über 5 Stufen hinweg weitergeführt, aber ohne zu backen. Zwischenzeitlich einmal für 2 Tage im Kühlschrank aufbewahrt. - Am Backtag aus 210 g frischem, aktiv gärendem Sauerteig, 300 g Dinkelmehl, 160 ml Wasser, 8,5 ml Salz (ich messe auch Salz gerne in Volumeneinheiten ab) und einer Prise frisch gemahlenem Kümmel einen Brotteig geknetet. - In der Wärmekiste bei 29 Grad ruhen lassen, bis der Teig aufzugehen begann. Das dauerte in diesem Fall etwa 3 Stunden. Dann gründlich durchgeknetet und einen kleinen runden Laib geformt, der auf einem Backblech wieder aufgehen konnte. - Bei 220 Grad (Ober- + Unterhitze) 50 min lang gebacken. Das Ergebnis ist ein festes, gut schneidbares Brot mit dunkler Krume. Es schmeckt deutlich weniger sauer als mein Roggenbrot - dabei sowohl nach Dinkel wie auch nach leichtem Sauerteigaroma. Nach meinem persönlichen Geschmack eine gute Alternative zum Hefe-Dinkelbrot. Welche Konsequenzen eine stärkere Ansäuerung hat, werde ich beim nächsten Mal testen. @ Morgan: Jetzt bin ich allerdings neugierig: Wie war die Wohnsituation in keltischen Siedlungen der vorrömischen Eisenzeit - gab es private oder öffentliche Backstuben, die man nach dem Verfahren meiner Oma auf die Temperatur heizen konnte, welche die Sauerteigorganismen zum Gedeihen brauchen? Oder wäre es - vor allem im Winter - einfacher gewesen, den Teig mit Bierhefe zum Aufgehen zu bringen oder Fladenbrot ohne Treibmittel zu backen? In dem Zusammenhang finde ich auch die Methode interessant, die ich anlässlich einer Reise in der algerischen Sahara bei unserem einheimischen Führer (von Stamm der Tuareg) beobachten konnte. Er hat an einem Abend für uns "Nomadenbrot" gebacken. Das war ein heller Weizenmehlteig ohne Treibmittel. Der alte Mann hat durch geschicktes Schlagen des fast fertigen Teigs so viele Luftblasen in das Brot eingearbeitet, das es nach dem Backen angenehm luftig und locker war.
 
Es gab sowohl Backöfen in manchen Häusern, integriert in den Wohnraum, als auch Backhäuser in größeren Ansiedlungen. Allerdings war Brot (oder auch anderes Gebäck) keine Alltagsspeise. Man reichte es zu Festmählern (Poseidonios schreibt "Ihre Speise ist von Brot zwar wenig, von Fleisch aber viel", ein Indiz für Festmähler, da Fleisch beliebt, aber nicht in rauhen Mengen täglich verfügbar war), als Opferspeise und Grabbeigabe. Ansonsten aß man Getreide vor allem als Mus oder Brei oder ließ es - wie heutzutage Graupen oder Reis - in den Eintöpfen mitköcheln. Brotfunde, die zum Analysieren taugen, sind selten; das Verhältnis Sauerteigbrot : Hefebrot scheint annähernd 1 : 1 zu sein, soweit man das sagen kann. Die berühmten "Keltenkringel", ein mit viel Honig versetzter Dinkelteig, wurden mit Pottasche gelockert. Es freut mich übriges, dass dein Dinkelsauer so gut gelungen ist ;)
 

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