Almosenbeutel - auch aus Leder möglich?

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Thomas W.

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Guten Morgen zusammen, zum Thema "Almosenbeutel" stelle ich mir die Frage (fürs 13. Jhd.), ob diese auch aus feinem Leder (Hirsch zum Beispiel) hergestellt sein konnten? Ist da von euch jemandem etwas dazu bekannt?
 
Im Kölner Stadtmuseum liegt der persönliche Nachlass des Kaufmanns Hermann von Goch, der neben einem Gürtel auch diverse Gürtelanhänge (Messerscheide, Lederetui mit Probierstein,geschnitzes Köpfchen, diverse Geldbeutelchen aus Stoff/Leder, Nadelbüchse mit Stecknadeln, Siegel) umfaßt. Ein Beutel ist aus weißem Leder (keine Tierart benannt) und wird als Geldbeutel bezeichnet. Sieht aufgrund der aufgenähten Tasche und der abgerundeten Form auch nicht wirklich nach Almosenbeutel aus. Und – Hermann Goch wurde 1398 hingerichet – für das 13. Jht. also zu spät. Aber: Im Mainzer Dom befindet sich das Grabmal des Erzbischofs Siegfried III. von Eppstein, das auf die Zeit um 1250 datiert wird. Der rechts neben dem Erzbischof stehende Mann trägt einen zieharmonikaartig in Falten gelegten Almosenbeutel. Ein Freund hat diesen Beutel aus Leder rekonstruiert – nur so können m.E. die deutlichen Falten erzeugt werden. Oder es handelt sich wieder einmal um künstlerische Freiheit.
 
:danke liebe Aleidis, den gefalteten Beutel hatte ich im Hinterkopf, wusste aber nicht mehr wo ich den gesehen hatte. Ich denke auch, die dort erkennbaren scharfen Falten sind nur aus Leder wirklich so hinzukriegen.
 
Aus Magteburg gibt es einen fürs 13te Literatur : "der Kaiser kommt ! Hafen, Markt und Stadt - Duisburg im Mittelalter" S 89 Diese einfachen schlichten Lederbeutel gibt es über mehrere Jahrhunderte lang, es gibt sie wohl schon in Haithabu und auch später in Schleswig. Der aus Köln ist ziemlich aufwendig, mit Metallbügel und vielen Seitentäschchen. Das ist echt schon eine protzige Funktionstasche, voll gepackt mit Reliquienbeutelchen, Geldbörse und Gedöns. Die komplette Gürtelgarnitur wurde vor der Hinrichtung in Verwahrung genommen und wurde ewig vergessen, so ist sie uns erhalten geblieben. Aber wie gesagt das ist später.
 
Das Lexikon des Mittelalters definiert Almosentaschen (bzw. -beutel) als sichtbares modisches Accessoire der höheren Stände und ursprünglich zur Austeilung des Geldalmosens an die Armen bestimmt. Trapezförmiger Zuschnitt und Überschlag bzw. laut Reclams Mode- und Kostümlexikon (Loschek 1988) mit Troddeln aus Leder und Stoff, oft mit reichen Verzierungen. (Exkurs: in Paris gab es ein Zentrum zur Herstellung von Almosenbeuteln, oft mit Stickereien mit religiösen Motiven versehen, mit eigener Zunft und Vorschriften zur Herstellung der A.) Wenn es sich nicht nur um einen einfachen Beutel zur Aufbewahrung von Kleinkram handeln soll, sondern um ein repräsentatives Detail, dann würde ich auch die Variante mit den Falten wählen und evtl. noch Troddeln hinzufügen. Der Beutel aus Magdeburg aus Silvias Post ist auch im Katalog „Aufbruch in die Gotik“ enthalten. Er besteht aus Ziegenleder. Laut den Lederfunden aus Schleswig war der überwiegende Teil (57%) der Beutel aus Caprinaeleder (Ziege/Schaf) gefertigt, für Bovinaeleder (Rind/Kalb) wird ein Prozentsatz von 15% angegeben.
 
Der rechts neben dem Erzbischof stehende Mann trägt einen zieharmonikaartig in Falten gelegten Almosenbeutel. Ein Freund hat diesen Beutel aus Leder rekonstruiert – nur so können m.E. die deutlichen Falten erzeugt werden.
liebe Aleidis, den gefalteten Beutel hatte ich im Hinterkopf, wusste aber nicht mehr wo ich den gesehen hatte. Ich denke auch, die dort erkennbaren scharfen Falten sind nur aus Leder wirklich so hinzukriegen.
(Bildquellen: ebay-kleinanzeigen für die beiden linken und wikipedia für das rechte Foto) Mal gucken was er taugt... sieht aber ganz vielversprechend aus und es war mir (auch dank eurer Beiträge) den Versuch wert. Mehr Infos/Eindrücke gibt es, wenn der Almosenbeutel bei mir eingetroffen ist. :thumbup:
 
Das sieht gut aus!!! :thumbsup: Um zu beweisen, daß die Falten auch in Stoff so aussehen, müßte ein Beutel genäht werden... *seufz* wollte ich schon ewig mal machen - und setze es jetzt auf die Winterliste 2018/19. In Papier gibt es Bastelanleitungen. Vielleicht lassen die sich als Schnittmustervorlage umfunktionieren.
 
Ich bin mir nicht sicher ob bei dem "Original" nicht aussen jeweils noch eine Art Schiene aus Holz oder Metall verläuft...die Seitenkanten erscheinen mir da sehr glatt, während bei genähtem Leder vermutlich die Aussenseite im Bodenbereich etwas nach aussen stehen würde wegen der Nähte, so wie bei Thomas´ Exemplar zu sehen. Was meint Ihr?
 
Das fiel mir auch als erster Gedanke ein, zumal die Außenseiten farblich auch noch mal anders sind und ein wenig metallisch aussehen.
 
die Schiene ist eine interessante Idee, allerdings scheinen mir Holz oder Metall überdimensioniert für einen Almosenbeutel. Die Wulst außen rechts u. links sieht aus wie die Schnur, die oben zum Befestigen des Beutels bis zum Gürtel weiterläuft. Die könnte außen am Beutel aufgenäht sein und vielleicht über den unteren Rand hinaus laufen. Auf der rechten Seite liegt unter der Reihe der 3 Troddeln noch eine weitere Troddel, die ihr Abschluß sein könnte. Links vermute ich eine Bruchstelle, denn da ist noch so etwas wie ein Troddel-Knoten erkennbar... Ich mag solche Bild-Interpretationen!
 
Eine Schnur sehe ich da eher nicht - das was seitlich am Beutel zu sehen ist ist mMn deutlich dicker als die Schnur/Nestel die vom Beutel nach oben zum Gürtel geht. Ich vermute weiterhin am ehesten einen dünnen Metallblechstreifen, der den Beutel seitlich stabilisieren soll. Die beiden Tasseln rechts etwas weiter unten könnten zu den Zugschnüren des Beutel gehören. Wirklich spannend!
 
Dargestellt sind ja die Könige Heinrich Raspe von Thüringen und Wilhelm von Holland, vielleicht kommt man ja über die Einzelpersonen an bessere Detailaufnahmen oder andere Abbildungen. Vielleicht kann man in der digitalen Reproduktion mehr erkennen:
stockfoto-das-grab-von-erzbischof-siegfried-von-eppstein-im-mainzer-dom-mit-der-deutschen-konige-heinrich-raspe-und-wilhelm-von-holland-deutschland-digital-verbesserte-reproduktion-des-originals-aus-dem-jahr-1880-172336074.html
Quelle: https://www.alamy.de/fotos-bilder/raspe.html
 
Ich habe noch nie Leder genäht, bin da also keine Fachfrau. Wenn ich mir den einfachen, in Falten gelegten Beutel aus Magdeburg anschaue, der zwar deutlich kleiner (14 x 12 cm, St 1,5 mm) ist, als der Almosenbeutel auf dem Grabmal, dann sehe ich keine "Abnäher", um die Falten zu gestalten. Er ist nur gefaltet und sieht damit dem A. des Grabmals ähnlicher als der rekonstruierte Beutel. Der Text aus dem Ausstellungskatalog "Aufbruch in die Gotik" lautet auszugsweise: "In seiner Form und Herstellung ist der am Gürtel getragene Lederbeutel vom Breiten Weg ein typischer Vertreter des 13. Jht. Solche Beutel wurden im späten Mittelalter von spezialisierten Beutelmachern und Riemenschneidern hergestellt. Ausgangsform für den vorliegenden Beuteltypus ist ein rechteckiges Stück Leder, das in der Mitte umgeknickt wurde. Die Seiten waren miteinander vernäht und am oberen Abschluss befinden sich Einschnitte, durch die ein Lederband zum Verschluss des Beutels durchgefädelt war."
 
Die Dinger seitlich könnten auch das Zugband sein, denn es hat genau die gleiche Farbe wie das Band an dem die Tasche aufgehängt ist. Das rechte Ding scheint außerdem einen Knick auf halber Höhe zu haben und hinter dem Beutel weiter zu laufen, in direkter Verlängerung hängt eine weitere Quaste irgendwo im Nichts, die auch nicht so recht zur Messerscheide passen mag. Die Falten könnten dadurch zustande kommen, dass kein Tunnelzug eingearbeitet wurde, sondern das Zugband in regelmäßigem Abstand durch das Material geführt wurde, das ergibt ebenso regelmäßige Falten. Richtig platziert sollte hier eine Ziehharmonikaoptik ohne jegliche Abnäher machbar sein. Scharfe Kanten ohne Abnäher sind mit Seidenstoffen zumindest mal kein Problem, Leder würde wahrscheinlich rundere Falten werfen. Allerdings möchte ich Lederalmosenbeutel auch definitiv nicht ausschließen, rechteckige Lederbeutel in verschiedenen Größen sind ja auch im original erhalten und garantiert auch als Geldbeutel genutzt worden, gab ja nur Münzgeld damals und das ist in größeren Mengen schwer. Und wenn es beide Arten Beutel gab, kann man auch keine Regel daraus ableiten dass eins an der Unterhose hängt und das andere am Gürtel, je nach persönlichen Vorlieben und Möglichkeiten des Trägers wurde das garantiert verschieden genutzt.
 

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