Bruche und Beinlinge, viele Fragen eines Nähanfängers

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Dragonlord1975

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Als erstes vorneweg, ich hab bisher noch nie wirklich genäht und erst recht nicht geschneidert. Desshalb stellen sich mir bei meinem Frühjahrsprojekt viele Fragen. Ich möchte eine Wickelbruche nach diesem Vorbild: http://www.monacensis.de/tipps/gewa...hp?title=In_drei_Schritten_zur_eigenen_Bruche Quelle: http://www.monacensis.de Als erstes stellt sich mir die Frage, wie wird der Stoff bei diesem Schnitt versäumt? Ein Überwendstich an der offenen Schnittkante reicht ja wohl eher nicht. Dann, woraus mache ich den Bruchengürtel? Stoffsteifen drei mal Falten und zusammenähen? Oder gibt es irgendwo was passendes zu Kaufen, Seil aus Wolle, Leinen? Die Beinlinge wollte ich für den Sommer aus 180g leichter Wolle in Leinwandbindung und schräg aus dem Stoff so wie von Mara schon gepostet. Nur jetzt die Frage, ich stelle einen Ministerialen um 1180 aus dem Staufischen Gelnhausen dar. Also mit Fußteil oder ohne? Und wäre Walnussschalen-Braun passend? Schon mal Danke in Voraus Patrick
 
Die Beschreibung insgesamt ist ja schon mal ganz gut. Zum Versäubern: ich schlage immer den Stoff 2 x um, hefte ihn dann erst einmal an und versäubere zum Schmuss mit dem Überwendlingstich. Da franst dann nix mehr aus. Bruchengürtel könnte jedes normale Seil sein, wenn Du die Anleitung 1:1 umsetzt. Wir bevorzugen oben einen Tunnelzug, der breit genug ist für einen schmalen Ledergürtel. einfach vorn zwei Schlitze reinnähen, wo man den Gürtel in den Tunnelzug ziehen kann, und auf Höhe der Leisten links und rechts nochmal zwei Schlitze, so dass der Gürtel an diesen Stelen "rauskucken" kann: da kann man dann nämlich am Gürtel selbst die Beinlinge gut mit Nestelschnüren annesteln. Zu den Beinlingen - ob nun mit Fußteil oder ohne würde ich der persönlichen Bequemlichkeit überlassen. Ich befürchte, so inzidierte Kleidervoschriften findet man denn doch nicht. Bedenke, dass Beinlinge mit Fußteil aufwändiger zu nähen sind, die Nähte eventuell in den Schuhen drücken könnten und Du die Dinger bei Geruchsbildung ja auch mal wechseln müsstest. Mein Lebensgefährte bevorzugt daher Beinlinge mit einem Steg unten (wie bei alten Trainingshosen), so können die nicht nach oben rutschen, man kann aber nach langen Märschen einfach die Socken wechseln. Bruchengürtel und Beinlinge - wie ich sie gerade beschrieb - erheben keinen Anspruch auf "A", sondern spiegeln lediglich praktische Erfahrungen aus unserer Interpretation wieder.
 
Bei Leinen tendiere ich inzwischen zu Kappnaht oder halber Kappnaht. Bei der Kappnaht ist eine Versäuberung nicht notwendig, weil die Schnittkanten später in der Nahr verlaufen; bei der halben Kappnaht nähe ich die zweite Naht mit Überwendlingsstichen und versäubere damit gleichzeitig die Stoffkante. Für den Bruchengürtel würde ich einen ca. 1,5 breiten Streifen aus Stoff oder ein entsprechend breites Brettchengewebe verwenden (der einzige mir bekannte erhaltene Bruchengürtel ist aus dem 14. Jahrhundert und nicht aus Europa). Seil/Strick hat sich schon bei den Bruchen meiner Kinder als zu schmal und deshalb unbequem erwiesen. Und da Ministerialer nicht mit "arm" gleichzusetzen ist (schon gar nicht in einer reichen Stadt mit Kaiserpfalz, wie Gelnhausen), sind Beinlinge mit Fußteil ein Muss. Walnussbraun halte ich als Farbe für zu gewöhnlich. M. E. muss es deutlich bunter und leuchtender sein.
 
Zum Thema Bruchengürtel: der Gürtel von Philipp von Schwaben könnte als Bruchengürtel gedient haben (ist nicht restlos geklärt, aber die daran befestigten Fingerloop-Bänder lassen eine solche Deutung zu). Er wird um 1200 datiert und ist 2,2cm breit.
 
Hallo Dragonlord, meine Tipps: Keine Wickelbruche, der Wickel trägt zu stark auf. Als "Seil" habe ich eine aus Wolle geflochtene Kordel, die ist nachgiebig und schnürt den Ranzen nicht so ein 8o . Wollkordel nehme ich auch zur Befestigung der Beinlinge. Falls dir die Beinlinge die Bruche nach unten ziehen, kannst du dir immer noch einen Bruchengürtel zulegen. Beinlinge: Den Wollstoff grob zuschneiden (kein Braun, ist für die einfachere Bevölkerung), dann am Bein komplett abstecken (Achtung beim aus-u. anziehen :schock1 ) und provisorisch nähen. Nochmals probieren und dann durchnähen. Fussteil/Steg: habe ich weder das eine noch das andere. Die Beinlinge ziehen sich trotzdem nicht hoch, eher runter. Grüsse G.z.L. PS: Schau mal in meine Galerie.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich lese hier schon eine Weile mit, weil die Darstellung sowohl zeitlich als auch räumlich ganz nah "bei misch bei" ist. :D Aber jetzt bin ich etwas verwirrt. Wickelbruche oder nicht. Ich verstehe, dass das aufträgt (ein bisschen wie bei den thailändischen Fischerhosen). Aber braucht man dann für die Bruche tatsächlich den 2,5-fachen Bauchumfang? Und bleiben die Beinansätze tatsächlich innen offen? Gruß, Gerald
 
Also es gibt kaum überlieferte Schnitte für Bruchen, überliefert ist uns lediglich eine aus dem 14. Jahrhundert. Es gibt allerdings zwei Rekonstruktionsversuche, einmal die bereits erwähnte Wickelbruche mit den innen offenen Beinen und zum anderen die Thursfield-Bruche (benannt nach der Dame, die diese Reko zuerst gemacht hat - ja, das ist die die das Buch "mittelalterliches Schneidern" geschrieben hat) bei der die Beinschlitze außen sind. Letztere stellt man sich am besten als ein langes, doppelt gelegtes, nach oben offenes Stoffstück vor, das mittig einen Tunnelzug-Bund erhält, dem für den besseren Sitz rechts und links ein Dreieck angesetzt ist. Ich hoffe ich habe mich verständlich ausgedrückt? 8| Mein Liebster trägt die Thursfield-Bruche mit den Schlitzen außen am Bein und mit einem Tunnelzug an der Taille. Diese bekam von uns den Vorzug gegenüber der anderen Variante aus verschiedenen Gründen: - kein dicker, wursteliger Krempelbund - bessere Befestigungsmöglichkeit für die Nestelbänder der Beinlinge (nämlich mittels eingearbeiteter Schlitze im Tunnelzug direkt am Bruchenstrick) - die übereinandergeschlagenen offenen Enden der Beine sind außen (stell ich mir beim Reiten wesentlich angenehmer vor) - das Modell mit den Schlitzen innen neigt dazu, irgendwann im Schritt einzureißen, während die Thursfield-Bruche aufgrund ihres Schnittes im Schritt relativ viel Stofffülle hat, somit mehr Beweglichkeit gestattet und bisher (zumindest bei uns) noch nicht eingerissen ist. Ich hoffe, ich konnte weiterhelfen, ansonsten einfach nachfragen!
 
Das habe ich jetzt nicht wirklich verstanden und die Schnittmuster für Bruchen, die ich bis jetzt gefunden habe, waren alle innen am Bein offen. Ich habe mal das, was ich verstanden habe, als PC-Grafik umgesetzt (in meiner Galerie). Ungefähr so? Wobei das rot abgesetzte dann eines der Dreiecke wäre.
 
Das Vorbild für die Thursfield-Bruche kenne ich nicht. Der Schnitt auf der Seite von Monacensis geht auf die Maciejowski-Bibel zurück. Die Bruchen dort haben sowohl den dicken Wulst, als auch Innenschlitze. Aber ich habe ganz erhebliche Zweifel, dass in ganz Europa und während des gesamtem Hochmittelalters nur diesen einen Schnitt gegeben hat.
 
Aber jetzt bin ich etwas verwirrt. Wickelbruche oder nicht. Ich verstehe, dass das aufträgt (ein bisschen wie bei den thailändischen Fischerhosen). Aber braucht man dann für die Bruche tatsächlich den 2,5-fachen Bauchumfang? Und bleiben die Beinansätze tatsächlich innen offen? Gruß, Gerald
Hallo Mondspeer, bei der Wickelunterhose benötigts du in der Tat viel Material (selbst ausprobiert), sonst hält die Wicklung nicht. Beininnenseite offen: hab ich auch geschlossen gesehen, weiss nur nicht mehr wo, evtl. bei mir selbst aber auch woanders. Bevorzuge den Schnitt wie eine Bermuda Shorts mit rundum geschlossenen Beinteilen, welche man auch besser in die Beinlinge stopfen kann (bei der offenen ziehts dir sonst an den S....) Grüsse G.z.L.
 
Meine Güte, das ist ja echt schwierig. Der Link von Jehanne zeigt ja einige Varianten und ich weiß echt nicht, welche davon ich machen soll. Die Schneider im MA scheinen ja eher schlichte Grundformen genutzt zu haben.
 
Die Schneider im MA scheinen ja eher schlichte Grundformen genutzt zu haben.
Man sollte diesbezüglich vielleicht noch betonen, dass es keinen Fund zu einer Hochmittelalterlicher Bruche gibt und daher jede Bruche nur eine Interpretation von Abbildungen ist. Ob und inwiefern deshalb welche Form gängig war bleibt der Diskussion offen. Auch die Thursfield-Bruche ist im Grunde nur ihre Interpretation einer Bruche.
 
Also wenn ich auf den Link von Katharina geh seh ich nur ein Titelbild und eine Überschrift ;( . Das mit den aussengeschlitzten Beinen leuchtet mit ein und da ich recht stämmige Beine habe lauf ich mir schnell mal einen Wolf. Wenn ich jetzt noch einen Bruchengürtel nehm der sich vlt nicht gleich verabschiedet wenn ich mal muss, kann man(n) dann ja so ähnlich wie bei einer modernen Jogginghose aufs Klo. Also Beinlinge oder hochgebundene Bruchenbeine einfach dranlassen, aufknoten und ganz entspannt :ups . Ich werde also die Thursfield-Variante ausprobieren (die eine der vielen Interpretationen ist) und stell dann auch Bilder ein, Versprochen. Bei den Beinlingen werd ich sehen müssen ob ich die Fußteile dranbekomm. Bleibt die Qual der Wahl bei der Farbe der Beinlinge. Seit je her sind die Farben von Gelnhausen Schwarz-Gelb oder Schwarz-Weiss. Letzteres allerdings erst seit der Reformation, fällt also für mich weg. Schwarz-Gelb war ja auch die Farbe des von Barbarossa gewählten Reichsadlers. Nur ist mir Bekannt das Schwarz eine der sehr seltenen Färbungen ist. Daher kommt diese eher nicht in Frage. Das Mi-Parti auf dem Wappenrock (Ava-Bild) wird später einer anderen Variante weichen und muss sich also nicht bei den Beinlingen fortsetzen. Also, ist die Farbe nach dem Dienstherren zu wählen oder könnte es auch ein Krapp-Rot sein? Hoffe das geht jetzt nicht zu sehr off-Topic :S
 
Eine wirklich gute Nähanleitung für eine Bruche und Beinlinge gibt es hier: http://www.berwelf.de/ Artikel->Anleitungen->Kleidung um 1300 als pdf-Datei herunterladen. Quelle: http://www.berwelf.de/ Keine Sorge bei einer Naht in den Füßlingen. Die drückt sich mit der Zeit platt.
 

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