So, ich war da! Und wie war´s??? Zunächst einmal fiel auf, dass die Ausstellung sich sehr stark auf ihr Thema beschränkt, nämlich die Archäologie der Nazizeit und ihre propagandistische Auswertung. Man sieht viele Deckblätter von Zeitschriften, Runen-Anstecker, Zigarettenbilder und Plakate. Es gibt viele textlastige, aber mit kurzen Schildern erläuterte Glas-Schaukästen. Es gibt wenige, sehr wenige Fundsachen im Original- ein paar Fibeln, einen wunderschönen Goldschatz (1918? in Eberswalde gefunden) und ein paar Rekonstruktionen des frühzeitlichen Lebens- ein Pflug, ein großartiger Prachtwagen, die goldene Sonnenscheibe auf dem Pferdewagen. In einem zweiten Raum, den man übrigens leicht übersieht (man muss durch einen Glasgang!), findet der Besucher einen großen Tisch mit Videoprojektionen einzelner Fundstücke. Auf der ebenfalls aufgeblendeten Europakarte werden die Feldzüge gezeigt, die man auf diese Fundstücke zurück führen kann- Frei nach der Argumentation: "Wie man sieht, ist dies germanisches Siedlungsgebiet gewesen. Deshalb verleiben wir uns den Landstrich jetzt rechtmäßig wieder ein!" Es gibt einen Eindruck von der Kontinuität der NS- Ideologie in der Archäologie und der Neonazi-Szene, illustriert durch einzelne Exemplare der Nazischriften bzw. durch die Namen der Archäologen, die nach Kriegsende weiterhin gelehrt haben. Was ich eindeutig vermisst habe, war die Antithese zur NS-Interpretation der Funde. Ich hätte gerne den heutigen Stand der Forschung gesehen, z.B. Fibeln der unterschiedlichen "germanischen" Stämme, um den kulturellen Unterschied zu belegen. Ja, es wird kurz darauf hingewiesen, dass Germanien ein Konstrukt u.a. von Tacitus war. Ansonsten muss man sich aber mit Stichworten begnügen, wie z.B. "die angebliche Einheit der Germanen", "vorgebliche Überlegenheit", "...wurde von den Nazi-Ideologen missbraucht". Als Antithese zur "angeblichen" Überlegenheit der germanischen Rasse hätte man einfach ein paar Kultgegenstände der osteuropäischen Völker zeigen oder die Gleichzeitigkeit hoher Kultur und einfachster Lebensbedingungen im damaligen Germanien belegen können. Man erfährt nichts über die Religion und Kultur/ Lebensweise der germanischen Völker, wie sie die heutige Archäologie zeichnet. Mitgenommen habe ich eine noch größere Sensibilität für die Symbole der Nazizeit, die jetzt wieder, hoffentlich anders besetzt, auftauchen: Die Verachtung des Christentums, dem vorgeworfen wird, die urgermanischen Religionen zerstört und dadurch die Einheit der Germanen untergraben zu haben. Die Allgegenwart von Runen (oft unabhängig von ihrer wahren Bedeutung und Herkunft). Das Bild von einem Volk, das angeblich der Natur und damit seinem wahren Wesen (?) näher stand als wir heutzutage, die wir auch-so-entfremdet von irgend etwas seien. Ich denke, eine gewisse Wachheit dafür, wohin uns diese Tendenzen treiben und was jeweils dahinter steht, ist angebracht. In sofern leistet die Ausstellung viel, aber längst nicht so viel wie ich gehofft hatte.