Mein Favorit als Grundlage für dieses Thema ist Verbruggens
"The Art of Warfare in Western Europe" in dem explizit die Quellen analysiert werden und ein Bild über die taktischen und strategischen sowie psychologischen Möglichkeiten der verschiedenen Truppenkörper gezeichnet wird. Leider gibt es keine deutsche Übersetzung dieses Buches, es ist aber meines Wissens nach immer noch die Grundlage der militärhistorischen Betrachtung des Mittelalters - vergleichbare Bücher kenne ich leider in der deutschen Literatur nicht. Gut sind auch die Memoiren Joinvilles -
hier als Link , der 1248 auf dem 7. Kreuzzug mit den Franzosen nach Ägypten war und diesen aus Sicht eines Ritters darstellte. Die folgenden Hinweise beziehen sich u.a. auf Verbruggen und entsprechend der Fragestellung auf die hochmittelalterlichen Heere. Ich nehme hier mal Ritter als Überbegriff für die professionellen Reiterkrieger, da gab´s ja noch diverse Unterschiede. Kommandos und damit Kommandoketten gab es natürlich, es gibt verschiedenste Hinweise, dass z.B. durch Posaunen oder Trompeten Befehle übertragen wurden. Die Truppenteile werden sich anhand der feudalen Strukturen geordnet haben - d.h. die kleinste taktische Einheit wäre z.B. der "Conroi" (ich glaube ein deutscher Begriff dafür wäre "Fähnlein", kann das aber auch mit dem Banneret/Bannerherren verwechseln) eines Feudalherren, der etwa ein Dutzend bis 20 Ritter umfasst, die oft auch zusammen trainiert und/oder an Turnieren teilgenommen haben. Nächste Gruppe waren dann mehrere Conrois eines Grafen/Abtes/Barons/Bischofs etc., die dann wieder unter einem noch höheren Herrn sortiert waren. Typisch wäre die Aufteilung eines Heeres in mehrere Gewalthaufen/Batailles: klassisch z.B. Zentrum, rechte und linke Flanke unter jeweils des Kommandos eines Anführers und eine zurückgehaltene Reserve - in den damaligen Schlachten auch oft vom Heerführer geführt (z.B. noch 1415 in Agincourt bei den Briten vom König persönlich). Die Batailles waren dann wieder so organisiert, dass - wenn das Heer groß genug war - mehrere "Angriffswellen" gestartet werden konnten, wenn der erste Angriff stecken geblieben war und sich das erste Treffen neue formieren musste. Die Disziplin war, entgegen häufiger Meinung sehr wichtig, um diese geschlossenen Einheiten ohne Lücken an den Feind zu bringen. Die damaligen Autoren umschreiben das ganz gerne, dass man ein Obststück seiner Wahl (ich kenne da Pflaume oder Apfel) zwischen die Ritter werfen konnte und dieses den Boden nicht berührt hat, weil´s zwischen den Pferden oder auf den Reitern hängen geblieben wäre
Die Fußtruppen waren ähnlich organisiert - auch hier waren wieder die feudalen Strukturen wichtig (merkt jemand, dass irgendwo hier "freye Ritter" nicht so ganz ins Bild passen?
). Je nach Aufgabenstellung wurden durchaus auch Ritter zu Fuß losgeschickt. Als eigene Einheiten oder um die Ränge der Fußtruppen mit professionellen Kämpfern zu verstärken. Die Fußtruppen waren bis Anfang 14. Jhdt. noch nicht sehr professionell, sie wurden eher für Belagerungsaufgaben etc. verwendet. Ausnahmen waren Söldner-Einheiten wie die Brabanzonen, die z.B. 1288 bei Worringen noch bis sie letztendlich aufgerieben wurden ihre Stellung hielten. Söldner gab´s natürlich sowohl als Reisige/Mietritter als auch Fußtruppen, diese waren zumeist dann wieder dem Herrn, der sie bezahlte, unterstellt. Ich finde, dass hört sich zwar jetzt nicht nach römischer Disziplin an - obwohl nachweislich verschiedenste hochmittelalterliche Feldherren ihren Vegetius u.ä. gekannt und versucht hatten dessen Lehren ihren Möglichkeiten anzupassen. Aber das ist mit Sicherheit nicht das Bild einer unorganisierten Masse. Anders wären nämlich Leistungen wie Richard I. Kämpfe im dritten Kreuzzug, wo er sich gegen zahlenmäßig hoch überlegene Gegner durchsetzte, nicht machbar gewesen. Aber das Bild hochmittelalterlicher Heere wird immer noch von der Sichtweise des 19. Jhdts. geprägt. Heroische Einzeltaten gab´s durchaus, doch wer sich mal die Mühe macht, den oben gesetzten Link von Joinville durchzulesen, der wird feststellen, dass dies eigentlich im Heer nicht gewünscht war. Bis denn Thorsten