Versuch: Ledertrinkbecher

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Lena

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Ich habe grad mal versucht, einen Lederbecher auszupechen, um ihn als Trinkbecher verwenden zu können. Lederbecher kommen immer wieder im Zusammenhang mit dem Pilgern/Reisen im Hochmittelalter in der Sekundärliteratur vor. In Originalquellen ist zumindest immer wieder zu finden, dass bereits in der Antike Gefäße mit Pech oder Harz wasserdicht gemacht wurden (u. a. im Alten Testament --> Der Korb, in dem Moses auf dem Fluss ausgesetzt wurde). Es gibt auch etliche Fundstücke solcher Gegenstände, z. B. auch ein germanisches Keramikgefäß, das mit Birkenpech geklebt und dadurch wieder dicht gemacht wurde. Holzfässer wurden ja noch bis im 20. Jhd. ausgepecht, und auch von Ledertrinkflaschen wissen wir, dass sie von innen mit einem Gemisch aus Pech und Bienenwachs abgedichtet wurden. Zum Begriff Pech: Es gibt Mineral- und Holzpech, auch Teer genannt. Hier wird Holzpech verwendet. Es wird gewonnen, indem das Harz aus Nadel-, Birken- oder Buchenholz unter Luftabschluss und großer Hitze quasi "ausgelassen" wird. Ich habe vor Kurzem ein kleines Fläschchen Birkenteer bekommen und heute mein Experiment gestartet. Dazu habe ich zwei Lederwürfelbecher für je 1,99 € (zu teuer!) im Spielwarenladen gekauft. Bienenwachs hatte ich noch zu Hause rumliegen, bekommt man z. B. im Reformhaus oder in einem Kerzenladen. In einem alten Töpfchen habe ich das Harz zusammen mit etwas Bienenwachs (etwas weniger als Harz) erhitzt und gut verrührt. Das Gemisch wird wunderbar flüssig. Mit dieser Flüssigkeit habe ich die Lederbecher ausgegossen (man muss ziemlich flink arbeiten, denn das Wachs wird recht schnell wieder hart). Beim ersten Becher habe ich ein wenig geschlampt und deshalb versucht, die Masse mit dem Messer glatt zu streichen. Das hat es nur noch verschlimmert und das schon trocknende Wachsgemisch erst recht aufgeraut. Dann habe ich mich (unglücklicherweise) an etwas erinnert: Ein Bekannter hatte mir den Tipp gegeben, wenn die Beschichtung abplatzt oder aufreißt, solle ich den Becher im Backofen erhitzen, so dass die Masse wieder streichfähig wird. Habe ich probiert - aber leider den Becher zu lange im zu heißen Ofenrohr gelassen. Das Ergebniss: ein Schrumpflederbecher. Der Tipp war an und für sich gut, aber meine Ausführung nicht. Egal, für solche Fälle hatte ich ja schon zwei Becher besorgt. Und der zweite ist gut geworden. Nach dem Abkühlen habe ich Wasser in den Becher gefüllt, das ist jetzt seit einer Stunde drin - der Becher ist dicht! Aufpassen muss man nur, wenn man den Becher quetscht, dann kann das Wachsgemisch tatsächlich aufplatzen. Ich empfehle statt der Backofenmethode dann eher, ein Messer heiß zu machen und damit die Beschichtung wieder zu glätten. Funktioniert tadellos. Die Geschmacksprobe gibt es dann irgendwann dieses Wochenende. :trink02
 
Danke für den Bericht. Den ersten Becher kannst du ja als Lederfingerhut benutzen oder für Hochprozentiges. :D Kannst du die Bezugsquelle von dem Fläschchen Birkenteer mal nennen.
 
So, nach etwa 4 Stunden saugt sich jetzt das Leder allmählich voll Wasser. Bis jetzt ist aber noch kein Wasser unter dem Becher zu sehen. Noch ist er also dicht. Mal sehen, was über Nacht passiert.
 
So, über Nacht hat der Becher minimal Wasser verloren; irgendwo scheint er ein kleines Leck zu haben, durch das sich das Leder voll gesaugt hat, bis es kein Wasser mehr aufnehmen konnte. Ich hatte das Leder vor dem Versuch auch nur einmal mit Leinöl eingeölt und noch nicht gründlich eingelassen. Ich habe vermutlich zu viel Wachs verwendet; an der Ledernaht platzt die Masse leicht auf. Nächster Versuch also mit weniger Wachs.
 
Interessantes Thema! Ich weiß aber nicht recht ob das wirklich auf Dauer funktioniert. Wenn beim Drücken des Bechers die Dichtungsmasse abplatzt, dann wäre das ja nicht so toll. Wenn man bedenkt daß grad Pilger einen beschwerlichen Weg auf sich nahmen, unbequem lagerten und so manche brenzlige Situation erlebten, dann müßte die Masse wohl etwas zäher bzw. elastischer sein um dauerhaft zu funktionieren. Die Frage die sich mir stellt ist auch, muß ein Trinkbecher überhaupt so lange einer Flüssigkeit standhalten? Ich imprägniere meine Messerscheiden mit einer Mischung aus Olivenöl und Bienenwachs, die ich selbst herstelle. Wasser perlt gut ab, ich habe aber noch nie versucht, nen Trinkbecher damit abzudichten. Bei meinem Durst müßte ein Lederbecher eh nicht lange halten ... :whistling: ;)
 
Es geht vermutlich darum, die richtige Mischung zu finden. Aber Du hast recht, der Becher muss vermutlich nicht lange Flüssigkeit halten. Ich bin grade dran, eine andere "Spur" zu verfolgen. Das Wort "Pech" wird häufig in alten Quellen gleichgesetzt mit "Teer" oder "Harz". Vielleicht ist hier ja gar nicht das Birkenteer gemeint, sondern wirklich Harz? Einstweilen werde ich mehr Würfelbecher kaufen ... ;-)
 
Hm, vielleicht sollte man mal versuchen nen Becher aus einem Stück zu machen. Mit ner entsprechenden Form müßte man Leder eigentlich soweit formen können. Wenn mir mal einer so ne Form mit nem entsprechenden Stempel drechseln könnte ... :rolleyes:
 
So, jetzt komme ich endlich mal dazu, den Nachtrag zu der Pech-Geschichte zu machen. Mein Tipp: Lasst die Finger vom Teer für diese Zwecke, wenn ihr nicht eine separate Werkstatt oder sowas habt. Ich wurde mit meinen Experimenten aus der Wohnung verbannt, weil es richtiggehend stinkt. Der Becher, den ich mit dem Birkenteer behandelt hatte, ist so nicht praxistauglich. Er stinkt auch nach Wochen noch, die Teer-Wachs-Mischung ist unter etwa 15 Grad Celsius spröde, darüber weich und klebrig. Ein Bekannter meinte, ich hätte das Teer noch mehr einkochen müssen, das war vermutlich mein Fehler; ich werde aber diesen Weg nicht mehr verfolgen. Die Mischung aus Harz und Bienenwachs erscheint mir im Moment vielversprechender zu sein, ich bin allerdings zeitmäßig nicht über erste Versuche hinausgekommen. Darüber hinaus nähe ich gerade einen Lederbecher aus dickem Leder, der keine Stoßkante hat, sondern bei dem die Enden ein wenig überlagert sind (wie eine leichte Schnecke). Dabei bleibt die glatte Lederseite innen. Wenn ich den gut mit Leinöl einöle, sollte das eigentlich auch ohne weitere Behandlung (höchstens an den Nählöchern) dicht sein.
 
@Dvalin: Eine gedrechselte Form brauchst Du doch gar nicht - kannst ja jeden Holzstab mit der entsprechenden Dicke verwenden, oder? Gehen auch andere Materialien? Dann könntest Du jedes Glas/Becher o. ä. verwenden.
 
Lena, mein Schuhbauer hat uns von seinen Lederflaschen erzählt die er gebaut hatte. Er hat das Leder in Bienenwachs gekocht, somit saugte sich das Leder mit dem Wachs voll...erst nach dem kochen wir das Leder verarbeitet nicht erst verarbeiten und dann wachsen. Bei Trinkgefässen gibts so eine Klappnaht und dann ist alles dicht. Wenn man das Leder also im Bienenwachs kocht oder lange im heissen wachs badet saugt es sich voll und wird dicht, das scheint mir jetzt irgendwie nach einem Plan der klappen könnte, auch für Becher oder ?
 
Danke für die Info, Phelan. Ich habe mich bei meinen Versuchen an einer Anleitung zum Trinkflaschenbau orientiert, bei der die Lederflaschen innen ausgepecht wurden. Aber das mit dem Wachs gefällt mir fast noch besser. Versuch macht kluch ...
 
jopp er sagte wenn man das Leder mit Wachs auskocht (ned zu heiss das tut dem leder ned gut) aber dann hat man kein üblen Nachgeschmack beim trinken :)
 
Ja, Ragnar, aber über das historische Brauerpech habe ich eben zwei verschiedene Angaben gelesen: Einige schreiben, es handele sich um den Holzteer, andere um das Harz. Beides lief wohl früher unter dem Namen Pech. Und zumindest die englischen Krüge und Becher (pitcher bzw. pint) sollen angeblich wirklich mit einer Teer-Wachs-Mischung ausgepichelt worden sein. Leider kenne ich keine Fundstücke/Belege dafür.
 

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