Stoff aus Kammgarn

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user3444

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Hi, vielleicht kann mir jemand helfen. Ich würde gerne wissen ob es im Mittelalter breits Kammgarn gegeben hat und ab wann. Gab es den schon im Frühmittelalter und wurde er im Hochmittelalter genutzt. Denn so wie ich das bis jetzt mitbekommen habe gab es ja bei Stoffen auch Zeiten wo sie genutzt wurden und Zeiten in denen sie kaum bis gar nicht genutzt wurden bzw keine Funde vorliegen. Ich könnte mir vorstellen, wenn es Kammgarn im Mittelalter bzw auch Frühmittelalter schon gegebenhat, dann war es sicherlich ein teurer Stoff?
 
Nun, in der merowingischen Zeit bezweifle ich, dass es so etwas wie Kammgarn gegeben hat. Die damaligen Stoffe wurden auf Gewichtswebstühlen meistens in Leinwand- oder Köperbindung gewebt. Als speziellere Webart wurde auch Fischgrat- oder Diamantköper verwendet, soweit zu den gefundenen Stofffragmenten, bei denen auf Grund der Webart auf "heimische" Produktion geschlossen werden konnte. Bei feineren Stoffen mit speziellen Durchwirkungen (Gold, Federn, Perlen, etc.), die wohl eher den höheren Ständen vorbehalten waren, vermutet man Importe aus den südlichen Gestaden - Langobardische oder byzantinische Produkte. Auch wurde vereinzelt ein sehr dicker Stoff, welcher (wenn ich mich gerad richtig erinnere) friesische Webart oder so ähnlich genannt wird, gefunden. Die in Wikipedia beschriebene Herstellungsart von Kammgarn lässt mich zweifeln, ob man im FrüMi und HoMi überhaupt so ein spezielles Garn per Handspindel herstellen konnte. http://de.wikipedia.org/wiki/Kammgarn Aber da ich noch keine Erfahrung mit Handspindeln habe, können dir da spinntechnisch versierte Forenmitglieder sicherlich eine Antwort zu der Überlegung geben :)
 
Ähm - ich hab immer gedacht, Kammgarn wäre schlicht aus gekämmter Wolle versponnenes Garn. Und das tut man doch normalerweise fast immer vor dem Spinnen, ich meine Kämmen. Ich hab hier auch noch schöne Löckchen von Elmars Schafen, die ich so verspinnen will - das wäre dann kein Kammgarn. Täusch ich mich jetzt, dann bitte ich um Aufkärung. Oder meinst du mit "Kammgarn" diesen glatten Anzugstoff? Das hätte ja dann erstmal nicht mit dem Garn an sich zu tun. Und ich versteh jetzt auch irgendwie nicht, was die Bindung beim Weben damit zu tun hat - hab ich jetzt echt ein Brett vorm Kopf?
 
Kammgarn wird, wie der Name sagt, durch Kämmen der Wolle hergestellt. Man benutzt dazu Kämme mit sehr langen Zinken, ähnlich denen bei der Flachsverarbeitung. Anders als beim Flachs werden Wollkämme immer paarweise benutzt. Beim Kämmen bleiben die kurzen Fasern in den Zinken hängen, während die langen herausgezogen und durch Spinnen weiterverarbeitet werden. Mit diesen langen Fasern lassen sich - auch mit der Handspindel - sehr feine Garne und entsprechend feine Stoffe herstellen. Wie alt diese Technik ist, ist nicht bekannt. Aber da die Kelten bereits Wollfäden in Nähgarndicke herstellen konnten, wird vermutet, dass auch sie bereits Wollkämme benutzten. Spätestens zu Zeiten Karls des Großen war die Technik jedoch allgemein bekannt, denn das Capitulare de villis, die Landgüterordnung schreibt vor, dass sich im Weberkeller der Domänen Flachs, Wolle, Wollkämme usw. befinden sollen.
 
Das weben an sich von Kammgarn in Leinwandbindung oder Köperbindung müsste allerdings möglich gewesen sein oder? Im Internet findet man schon einige Links zu dem Thema aber ohne Quellenangaben und so ist die Frage was davon kann man als Information benutzen, bei der ich sagen kann es gab Kammgarn im Früh bzw Hochmittelalter? Ich hoffe dass ist erlaubt diese Quellen hier zu verlinken? http://www.faserkunst.de/?id=19 http://www.einbecker-geschichtsverein.de/mu_07.pdf http://www.ig-mim.de/glossar.php?sid=0&lid=0&letter=K http://www.spessartprojekt.de/forschung/haibach/funde/spinnen.php
 
ahh ich war wohl zu langsam mit meiner zweiten Frage ;-)
 
Ja, Kammgarn kann ganz normal verwebt werden und ist sogar dem Streichgarn, der anderen Variante aus wenig gekämmten oder aus der Flocke gesponnenem Garn vorzuziehen. Beim Weben entsteht durch das Öffnen des Fachs (und das ist egal ob bei Horizontal- oder Gewichtswebstuhl) immer eine Reibung zwischen den Kettfäden. Je weniger die einzelnen Fasern aus dem Garn hervorschauen, umso besser öffnet sich das Fach. Marled
 
Nun, ich kam auf die verschiedenen Webarten bei den Merowingern, weil ich mir nicht sicher war, ob so feines Garn überhaupt von Hand gesponnen werden kann. Zwischenzeitlich habe ich mich nochmals durch unsere Bücher gearbeitet in der Hoffnung, etwas genaueres über die Beschaffenheit der verwobenen Garnarten herauszufinden. Doch leider wird ausser der immer wiederkommenden Hinweise, dass es fast keine Stoffüberreste aus jener Zeit gibt, resp. ein Großteil der Funde nur kleinere Fetzen sind,welche an Fibeln haftend gefunden wurden. Betr. der Verwendung von Wollkämmen konnte ich eine Zitierung aus den karolinigschen Kapitularien finden (Quelle: Die Alamannen, Archäologisches Landesmuseum B-W) in der über die Ausstattung und Arbeitsweise der Gynaeceen (Tuchmanufakturen in spätrömischen Städten Arles, Lyon, Reims, Tournai, Autun und Trier, 4. Jhd.) folgendes gesagt wird: Mit Wollkämmen bereitete man die Wolle zum Spinnen vor. Waid, Scharlach und Krapp dienten zum Färben des Garns. Unter Zusatz von Seife wrude das Gewebe gewalkt und mit Kardendisteln florartig aufgeraut. Wenn es also "nur" auf die Verwendung von Wollkämmen ankommt.....
 
Auf jeden Fall schon mal vielen Dank für die Infos. :) Schliesse ich jetzt da draus, dass es durchaus brauchbar ist wenn man einen Kammgarnstoff mit Leinwandbindung oder Köperbindung nehmen sollte?
 
Das kommt immer drauf an was du damit machen möchtest :) Kleidungsstück, Zeit, Darstellung, soll es historisch belegt sein? Legst du Wert auf 100% Wolle oder Mischgewebe, heute sind bei sogenannten Kammgarnstoffen öfters Polytierchen miteingewebt. Viele heutige Kammgarnstoffe eignen sich wunderbar für Business-Outfits jedoch haben im Mittelalter nichts zu suchen. Auf Grund deiner Ausgangsfrage kann man nicht ersehen, was du daraus machen möchtest.....
 
Ich habe bei einem Händler, ich weiss gar nicht ob ich hier den namen sagen darf?, einen Kammgarnstoff aus 100 % Schurwolle in Leinwandbindung un in Köperbindung gesehen. Da ich sowohl an einer Frühmittelalterdarstellung wie an einer Hochmittelalterdarstellung arbeite ist dass erstmal Zeitmässig nicht ganz so eingeschränkt. Ausser es gab da wie beim Fischgrat dann auch wieder Zeiten wo das in oder out war. Es ist halt ein sehr glatter Stoff der generell im Frühmittelalter schon hergestellt werden konnte so wie ich dass jetzt den Vorposts entnehme. Da es Wolle (also färbbar) ist könnte man es sogar als leichtes Kleid nehmen. Oder als leichtes Untergewand für den Sommer.
 
Köper ist für's HoMi vollkommen ok und - soweit ich weiß - auch für's FrüMi belegt. Und wenn es ein Stoff aus 100% Schurwolle ist, sehe ich nichts, was dagegen spräche.
 
Hallo, kannst du dir nicht eine Griffprobe schicken lassen? Weil Anzugstoff ist aus 100 % Schurwolle Kammgarn, leinen oder köperbindig. Meist gibt es da noch die Angabe S100 oder S120 zum Anzugstoff, aber in onlineshops nicht immer. LG Therese
 
Ah danke fürs verschieben... wusste nicht genau wo ich das hinschreiben sollte. Ahh ok hört sich doch schonmal gut an. Vielen Dank für die Antworten. Wie ist das mit der Griffprobe genau? Wie sollte es sich denn anfühlen, bzw nicht anfühlen? Und ist Anzugstoff auch in Köperbindung bzw Leinwandbindung?? Das mit S100 oder S120 stand nicht dabei, was bedeutet das?
 
Anzugstoff gibt es in Köper- in Leinwand- und anderen Bindung und ich weiß nicht wie die ausgerüstet sind, aber sehr leicht und extrem knitterarm, für Anzüge, weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Wenn sich die Griffproben so anfühlen/aussehen wie der Stoff von einem Herrenanzug, dann eher nicht - meine ich. LG Therese
 
Also kommt es auf da drauf an wie man ihn knittern kann... glatte Oberfläche haben ja glaub ich Kammgarnstoffe durch ihre Verarbeitung immer? Leider hab ich keine Anzüge da ;-) um das zu vergleichen....
 
Hat der Händler denn ein Foto von Stoff neben Lineal online auf dem man die Fäden pro cm zählen kann? Diese Angabe findest du in sehr viele Grabunsgberichten bei der jew. Stoffanalyse. Kannste dann vergleichen obs ungefähr passt.
 
Ich habe ihn mir jetzt trotzdem gekauft, kann ja notfalls auch was nicht mittelalterliches draus mache ;-) Wenn ich denke es sind ca 20 Fäden pro cm. Leider weiss ich ja nicht mal ob es Kammgarnsoffe im Früh- oder Hochmittelalter getragen wurde. Ich muss zugeben da kenn ich mich noch zu wenig aus.
 
Wie schon gesagt: Es wurde. Wobei damals galt: Je besser der Stoff, desto reicher der Träger (gut betucht eben). Für die Darstellung einer Küchenmagd taugt so ein Stöffchen daher nicht, für die einer Ministerialengattin (HoMi) ist feines Kammgarn aber durchaus angemessen.
 

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