Handnaht vs. Maschinennaht

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Ich habe schon einige Leute kennengelernt, die aus verschiedenen Gründen nicht komplett mit der Hand nähen können und/oder wollen. Die haben aber Klamotte aus (selbst) pflanzengefärbten Stoffen und nach vernünftigen Schnitten. Inkl. passender Details und Acessoires. Die Klamotte selbst ist aber bis auf die Saumnähte mit der Maschine genäht. Aber ... DAS ist mir deutlich lieber, wenn derjenige nun mal nicht handnähen kann oder will, als irgendeine, im schlimmstenfalls zusammengeschusterte Klamotte die dann aber Handgenäht ist. Ich kenne auch persönlich niemanden, der bei anderen die Nähte auf Hand- oder Maschinennaht kontrolliert. Und gegenüber Fragenden kann man ja immer noch erklären, dass es im MA natürlich keine Nähmaschine geb und die schicke Bronzenadel und das nach Fund gearbeitete Garnröllchen inkl. handgesponnem Garn zeigen aber dann sagen, dass man selber mit der Maschine genäht hat.
 
So handhabe ich das auch. Ich nähe meine Sachen mit der Maschine zusammen und den Rest dann per Hand. Einfach deshalb, weil sie sonst nicht fertig würden und ich ohnehin keinen Unterschied sehe. Ich habe u. a. meinen Radmantel (360 ° - so ein Quatsch) komplett mit der Hand genäht, um zu wissen, wie viel Zeitaufwand so etwas bedeutet. Das weiß ich nun. Was anderes wäre es, wenn ich eine "Replik" herstellen wöllte oder der Überwendlingstich sein soll. Was die Qualität der Handnaht angeht, so kann man davon ausgehen, dass auch im Mittelalter die Talente unterschiedlich verteilt waren. Aber schließlich macht Übung den Meister. So kann man davon ausgehen (da ausschließlich per Hand genäht wurde), dass die Handnähte von Schneidern in der Regel Spitzenqualität waren. Wer grobe Stiche (womöglich in Kontrastfarbe) macht, weiß es entweder (noch) nicht besser oder man möchte es als Ziernaht sehen.
 
Also ich bin gerade bei meinem ersten Outfit in Handnaht und habe beschlossen, dass ich das nicht noch mal mache. Vor allem habe ich festgestellt, dass ich auf den Längen es nicht hinbekomme, die Steppnähte (ich mache Kappnähte) gerade hinzubekommen. Jemand sagte mir, dass einige Menschen die Steppnähte hinterher wieder rausmachen. Ich plane daher, beim nächsten Versuch die Seitennähte mit Maschine zusammenzunähen, danach die Kappnaht ordentlich per Hand zu machen und dann die Maschinennaht wieder rauszumachen. Mal sehen, ob das klappt.
 
Jemand sagte mir, dass einige Menschen die Steppnähte hinterher wieder rausmachen. Ich plane daher, beim nächsten Versuch die Seitennähte mit Maschine zusammenzunähen, danach die Kappnaht ordentlich per Hand zu machen und dann die Maschinennaht wieder rauszumachen. Mal sehen, ob das klappt.
Mit Handnähten habe ich nicht wirklich Erfahrung weil ich nur die sichtbaren Nähte von Hand mache und vorher mit der Maschine zusammen nähe. Maschinennähte in Wollstoff auftrennen ist schrecklich und braucht viel Zeit - und Nerven. Überleg es dir also gut ob du genug Geduld und Nerven dazu hast.
 
@Zauberin Danke für den Rat. Ich glaube aber, dass das weniger Nerven kosten wird als die immer rausfallenden Nadeln, die verdammten reißenden Wollfäden und die schiefen nähte. Mein Kleid ist noch immer nicht fertig, weil ich mir beim Stoff auf Spannung halten eine Sehnenscheidenentzündung (und unzählige Nadelstiche) geholt habe. Ich wollte irgendwann was anziehen. Vielleicht schaffe ich es ja, die Maschinennähte zu verstecken und drinnen zu lassen. Oder eher so nach und nach rauszupuhlen.
 
Mein Kleid ist noch immer nicht fertig, weil ich mir beim Stoff auf Spannung halten eine Sehnenscheidenentzündung (und unzählige Nadelstiche) geholt habe.
Autsch! Ich habe dieses Jahr etwas ähnliches eingefangen - eine fiese Entzündung im Oberarm wo ich ziemlich lange dran rum gedoktert habe bis es endlich gut war und ich den Arm wieder normal brauchen konnte. Mein Mann hat mir dafür 2 Monate Nähverbot aufgebrummt! Zum Glück gibt es noch die Spindel... ;)
 
Ich nehme mittlerweile die Maschine überhaupt nicht mehr. Wenn man regelmäßig mit Handnaht arbeitet, bekommt man Routine und wird auch schneller dabei. Letztes WE habe ich ein Leinenkleid komplett mit Kappnaht genäht, musste auch ein wenig fummeln, gerade unter den Armen und bei den Geren, aber nach 12 Stunden war es fertig. Bei Wollstoffen werden bei mir nach dem Zuschnitt alle Einzelteile erst komplett versäubert. Dann erst zusammengenäht. Dauert bei einem einfachen Kleid auch inkl. Zuschnitt knapp 12 Stunden, ist also nicht wirklich schneller, als die Kappnaht. Aber meine Erfahrungen sind beim handnähen durchweg positiv. Wenn ich erst alle unsichtbaren Nähte mit der Maschine mache, muss ich trotzdem noch nachher die Nahtzugaben versäubern. Und dann teilweise dicke Lagen Stoff in der linken Hand halten (insbesondere wenn man bei den Gerenspitzen anfängt...). Das fand ich recht unangenehm. Seit ich die Variante "erst versäubern - dann zusammenfügen" handhabe, ist das deutlich leichter geworden. Der Stoff franst nicht beim Verarbeiten aus. Außerdem kann ich von unten in die offene Naht reingreifen und das Ganze mit 2-3 Fingern der linken Hand zusammenhalten, während ich mit der rechten Hand die Nadel führe. ist deutlich handfreundlicher.
Riesenstiche, mit sehr dickem Garn in Kontrastfarbe machen Re-enactoren um jedem zu zeigen: Guckt mal, ich hab von Hand genaeht! Bitte klopft mir auf die Schulter, ja?
Eigentlich im Gegenteil. Man sollte darauf achten, dass der Faden, mit dem genäht wurde, möglichst die gleiche Farbe und Stärke hat, wie das Garn, aus dem der Stoff gewebt wurde. Früher benutzten die Näherinnen vermutlich auch eher Fäden, die aus dem Stoff gezogen wurden. Eine gute Handnaht ist in einem Wollkleid fast gar nicht zu sehen. Bei meinem handgewebten Zisterzienserinnengewand kann man maximal anhand der Fadenverläufe der Webstruktur erkennen, wo die Naht ist. Die sieht man selbst kaum, da der Faden dem Webfaden entspricht. 2-3 mm Abstände sind für damals schon belegt, ich habe da schöne Fotos von einem Leinenstoff aus dem 13. Jh. :D
 
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Und dann teilweise dicke Lagen Stoff in der linken Hand halten (insbesondere wenn man bei den Gerenspitzen anfängt...). Das fand ich recht unangenehm.
Es ist ja nur die Cappa von Töchterchen gewesen wo ich nicht so viel Stoff in der Hand hatte, aber genau damit habe ich mir die Entzündung im Oberarm eingefangen. Nach dem Gewand von meinem Mann hat das als "Auslöser" gereicht. Liegt wohl daran, dass ich zuwenig Übung habe und irgendwie den Stoff seltsam gehalten habe.
 
@ Zauberin: Tröste Dich, alles eine Frage der Übung. Als ich mit dem Hobby anfing, habe ich auch noch den Kopf geschüttelt, wenn wir jemand weis machen wollte, dass ich irgendwann auf meine Maschine verzichte. Meine beiden Kinder waren damals auch noch kleiner und haben mich mehr auf Trab gehalten. Aber nach einem 10-12-Stunden-Job am Tag ist man froh, wenn man abends - wenn die Kinder im Bett sind - dem Fernsehprogramm besser folgen kann, weil eben keine laute Nähmaschine läuft. ;) Handnaht kann richtig entspannen. Und ist auch im Lager besser. Ich mache heute den Zuschnitt für den neuen Leibrock meines Mannes, in den nächsten beiden Tagen fange ich schon mal an, die Teile zu versäubern, am WE geht´s ins Lager, da kann ich dann schön alles zusammennähen und die Besucher im Museumsdorf kriegen auch noch authentisches Handwerk zu sehen.... 8o
 
Ich nähe alles mit der Hand, weil es mich 1. entspannt. Es ist grundsätzlich erstmal beruhigend und konzentrationsfördernd, ich kann aber trotzdem noch einer Serie oder einem Film folgen, während meine Hände beschäftigt sind. Bei einer sichtbaren Ziernaht konzentriere ich mich mehr und schätze diese Konzentration auf die gleichförmige Aufgabe manchmal auch. Da bin ich ganz bei Mara. 2. fehlt mir bei der Maschine einfach die Vielseitigkeit der historischen Stiche, gerade die Flexibilität einer überwendlich genähten Naht ist einfach unschlagbar. Gerade bei sichtbaren Stichen erhöht die Handnaht einfach die Variabilität, aber eigentlich steht das Handnähen von sichtbaren Nähten hier auch gar nicht zur Debatte. Z.B. ist der Saumstich der Skjoldehamn-Übertunika nicht nur praktisch, sondern auch einfach völlig unmöglich mit der Maschine zu nähen. 3. kann ich mit einer Maschine nicht die Fäden vernähen, die ich eigentlich im Stoff haben möchte, also vor allem gutes Leinengarn und schönen Wollfaden in passenden Farben. Ich bin da von der Fraktion "Gleiches mit gleichem nähen", Leinen für Leinen und Wolle für Wolle, das geht maschinell einfach nicht ordentlich. 4. ist es einfach am Ende durch die erhöhte Handarbeit deutlich befriedigender, ein Teil fertig zu stellen. 5. komme ich einfach mit Nähmaschinen nicht klar. :p Aus der Not hab ich also einfach eine Tugend gemacht. Ich verstehe es total, wenn jemand sich den Aufwand einfach nicht geben will oder das zeitlich gesehen einfach. Dabei teil ich übrigens Nutis Meinung zum Thema "fette Ziernähte mit Garn in Kontrastfarbe". Hab ich früher häufiger gemacht, jetzt freu ich mich, wenn ein hübscher Stich in gleicher Farbe nur bei näherem Hinsehen zur Geltung kommt.
 
@Dvergr: Du sprichst mir aus der Seele!!!! :knuddel Wobei ich - ehrlich gesagt - eine Zeitersparnis bei der Maschine mittlerweile nicht mehr erkenne. Da habe ich mit dem ganzen Versäubern auch mehr als 11 Stunden gebraucht, bis ein ganzes Teil fertig war. Im Zweifelsfall hatte ich sogar einen Arbeitsgang mehr - nämlich den mit der Maschine.... :whistling: Und die Entspannung beim Schauen einer Doku oder eines Films ist unschlagbar. Bei der Nähmaschine musste ich im TV immer auf die Pausentaste drücken, wenn ich durch den Krach nichts verpassen wollte. Dann riss ein Faden und das Ganze musste neu eingespannt werden... Dann hatte die Lampe einen Wackelkontakt.... Dann verknotete sich der Unterfaden oder die Spule musste neu befüllt werden.... :wiki1 Nein, Handnaht ist da so viel einfacher. Faden abschneiden, einfädeln, loslegen. Und mittlerweile ist das auch eine Kopfsache. Wenn ich schon teuren Stoff kaufe, der möglichst "A" aussieht oder sogar selbst färbe, dann widerstrebt es mir einfach, den unter die Maschine zu legen.... Semi - "A" liegt mir halt nicht mehr... :D
 
Mir ist es schleierhaft, wie man mit einer Nähmaschine nicht klarkommen kann oder wie man gerade lange Nähte mit der Hand schneller nähen könnte. Ich stimme zu, dass "Frickelecken" wie eingesetzte Ärmel und die "Wustecken" unter den Armen schneller mit der Hand gehen - eben wegen der Flexibilität beim einfassen. Aber lange Nähte sind mit der Maschine halt schneller zu erledigen und gerade als "Hilfsnaht" praktisch.
 
Mir ist es schleierhaft, wie man mit einer Nähmaschine nicht klarkommen kann oder wie man gerade lange Nähte mit der Hand schneller nähen könnte.
Mara hat's ganz gut umschrieben. Es ist nicht unbedingt das Nähen selbst, das davon eingeschlossen wird, eher die Arbeit drumherum, da reißt mal ein Faden, dann ist die Fadenspannung plötzlich falsch, dann muss man wieder unterbrechen... Ich habe mit wartungsintensiveren Maschinen einfach keine Geduld, egal, wie viel Geduld ich beim ewigen Handnähen mobilisieren kann. Dat soll funktionieren und fix einrichtbar sein, unter dem Aspekt ist ein "Ich schneid den Faden ab, schieb ihn in die Nadel, hat sich" für die Entscheidung, mal eben weiterzuarbeiten und sukzessive Dinge fertig zu stellen relevant. Die Grundschwelle, mit der Arbeit zu beginnen, ist in dem Fall bei mir einfach geringer - und das finde ich angenehm.
 
Mir geht es nicht darum dass etwas aussieht als wäre es A. Wenn man ein Messer am Bandschleifer schleift, und vielleicht den letzten schliff mit einem Stein macht, ist es zwar authentisch, aber man hat sich sozusagen selbst betrogen. Das wäre für mich wie Abschreiben in Tests. Mir geht es vor allem darum, dass ich die alten Techniken anwende. Wenn dann eine Delle anders ist als im Fund, weil es handgeschmiedet und nicht cnc gefräst ist, dann finde ich das legitim. Genau so halte ich es mit dem Nähen. Ich werde auch Unterkleider von Hand nähen, mit Nadeln für die ich belege habe. Nicht weil ich ein notorischer A- Fanatiker bin, sondern weil der Spaß für mich darin liegt, alles genau auf die Weise und mit den Mitteln zu machen wie früher. Aber: Suum cuique!
 
Das kenne ich. Angefangen hatte es mit der Nähmaschine und gekauften Borten, irgendwann hatte ich den Ehrgeiz, mal von Hand zu nähen und Brettchenborte weben zu lernen. Mittlerweile kann ich auch noch Filettechnik (Haarnetze), Broschieren (Brokatweben), Pflanzenfärben und Nadelbinden. Jetzt muss ich eigentlich nur noch schmieden lernen.... 8o
 
Ich hab Himmelfahrt mal angefangen. Im Ermangeln technischen Verständnisses ein Un A Unterkleid für meine Nichte aus billigem Ikeastoff von Hand genäht. Ist mir glaub ich ganz gut gelungen und ich hab Blut geleckt und arbeite jetzt an einer Leinencotte für mich selbst. Allerdings bin ich da schon mit dem Kopfausschnitt nicht so zufrieden. Aber Übung macht ja bekanntlich den Meister.
 
Das kenne ich. Angefangen hatte es mit der Nähmaschine und gekauften Borten, irgendwann hatte ich den Ehrgeiz, mal von Hand zu nähen und Brettchenborte weben zu lernen. Mittlerweile kann ich auch noch Filettechnik (Haarnetze), Broschieren (Brokatweben), Pflanzenfärben und Nadelbinden. Jetzt muss ich eigentlich nur noch schmieden lernen.... 8o
Bei Deiner Können-Liste Must Du doch eh nur Handeln und Tauschen lernen... Die nötigen Fachleute hast du sicher schon an der Leine! :D
 
Nicht weil ich ein notorischer A- Fanatiker bin, sondern weil der Spaß für mich darin liegt, alles genau auf die Weise und mit den Mitteln zu machen wie früher. Aber: Suum cuique!
Muesstest du dann die Naeharbeiten nicht Frauen und Kinder uebernehmen lassen? ;-)
 
Muesstest du dann die Naeharbeiten nicht Frauen und Kinder uebernehmen lassen?
:/ über das Thema hab ich tatsächlich schon nachgedacht, auch wenn das jetzt eher als Witz gemeint war von dir vermutlich. Auf dem Markt wäre bei einem Extrem hohen Anspruch ( den ich garnicht machen will) eventuell ein nähender Mann tatsächlich fehl am platze. Aber ich sage jetzt einfach mal #gendering und damit darf ich das schon wieder :D
 
Kommt immer drauf an was und für wen da genäht wird. Im Hausgebrauch wurde vermutlich fast ausschließlich von den Frauen genäht, war ja Hausarbeit. Adelige hatten erst leibeigene Handwerksmeist-Er(meine Zweitdarstellung), danach kam die Schneiderzunft. Eine Schneiderwerkstatt die dann auch die feine Kleidung für Bürgerliche hergestellt hat bestand dann normalerweise aus dem Meist-Er, der Maße genommen und die Werkstatt nach außen vertreten hat, dem Schneid-Er, der erfahren genug war die hohe Verantwortung zu übernehmen, teuren Stoff verlustarm zuzuschneiden und die Näh-Er, die oftmals körperlich beeinträchtigt waren und daher platzsparend auf der Fensterbank deponiert werden konnten. Die konnten nichts anderes als mit dem Vorstich Stoffe zusammenzutackern, das aber in vollendeter Perfektion.
 

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