Warum keine Beinschienen?

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Hätte, hätte, Fahrradkette... :D Klar würde das vielleicht funktionieren und klar könnte das ein Bauernkrieger gemacht haben und sicher hätte das was bringen können... Ich war nicht dabei und aufgrund von Konjunktiven spekuliert es sich zwar schön, belegt sich aber schlecht. Leider haben wir keine Schriftquelle, in der Karl seinen Leuten scheibt: "Und sorgt dafür, dass eure Infanterie sich Stroh unter die Holzsplinten schiebt", wir haben keine Bildquellen von solchen Kriegern und Notker beschreibt Karls Heer als einem Meer aus Eisen gleich, nicht einem wandelnden Wald. Fazit: Improvisierter Gliederschutz klingt zwar nachvollziehbar, ist aber halt reine Spekulation. Kann man halten wie man will. Wenn ich einem solchen (Reenactor-)Krieger begegnete, wäre ich sicherlich fasziniert und würde ihm interessiert Löcher in den Bauch fragen. Aber es ist halt eben hochspekulativ und durch nichts, aber auch gar nichts belegt. Zumindest "formalhistorisch" nicht. Aaaber, und da breche ich jetzt mal eine Lanze für das kreative, logische und kritische Nachdenken mit gesunder Distanz zur reinen Quellenhörigkeit: Wenn aus Quellen abgeleitete Angaben unlogisch klingen, dann darf man sie nicht nur hinterfragen, man muss es. Irgendwo (Lex Ribuaria) steht also geschrieben, dass ein Paar Beinschienen halb so viel kosten wie eine Brünne. Das ist insofern interessant, weil das beim besten Willen nicht nachvollziehbar ist. Auch in Ergänzung zu nicht ganz unbedeutenden Detailfragen wie etwa: was für eine 'Brünne' eigentlich? Es wird nämlich in diesem Gesetzestext weder die Bau- bzw Machart der beiden Rüstgüter beschrieben, noch ist klar herauszulesen, um was für Solidi es sich handelt und obendrein wird hier, der desolaten Quellenlage geschuldet, ein Gesetzestext vom Beginn des 7. Jhdts, der sich seinerseits aber auf Texte des frühen 6. Jhdts bezieht, als Beleg auf eine Fragestellung des 9. - 10 Jahrhunderts angewandt. Was sind schon 300 Jahre, frag mal den Illig... Diesen frühmittelalterlichen Preis- bzw Kostenangaben kritisch gegenüberzustehen ist ratsam. Denn wenn man sich da mal etwas einliest, kommt man zu teils drolligen Schlüssen. Etwa, nur als ein Beispiel, dass ein hoher Gefolgsmann des Königs von diesem so viel bekam, dass er sich dafür - umgerechnet aus der Preisliste einer anderen Quelle - pro Jahr 1,5 Jagdhunde hätte leisten können. Essen, Trinken, Kleidung u.ä. nicht mitgerechnet, wohlgemerkt. Tja, Jagdhunde waren offenbar ein teurer Spaß. Da ist wohl viel Symbolik drin. Auch diese unsägliche Ochsenwährung, die immer gerne als Preisbeleg hergenommen wird hat es in sich. Gut, Eine Brünne mag 12 Ochsen (je nach Quelle) wert gewesen sein, aber was bittschön, war denn nun ein Ochse wert? Ah, so viel wie eine zwölftel Brünne, verstehe. Nicht hilfreich, das. Nennt man Zirkelschluss. Und selbst wenn wir aussagekräftige und knallharte, unanfechtbare Preise, etwa in klar definierten Solidi oder Denarii, hätten, das wird erst brauchbar, wenn man auch wüsste, was die Leute denn so verdienten. Denn teuer heißt noch lange nicht unerschwinglich. Auch Autos sind heutzutage nicht billig, trotzdem fahren da draußen zigtausende davon rum. (mein Auto übrigens, grober Überschlag, ist heute in etwa noch 5 durchschnittliche Milchkühe wert, ich möchte anmerken, dass das mehr als der Kuhbestand der kompletten Innenstadt von Nürnberg ist, nach klassischer Historikerkausalkette wäre mein Auto damit mindestens so viel wert wie die komplette Nürnberger Innenstadt...). Kosten alleine sagen nicht viel. Für etwas, das ich als notwendig ansehe, gebe ich auch mal etwas mehr aus. Ich gehe damit halt pfleglich um und kaufe es mir nicht jedes Jahr neu. Das reine Kostenargument würde ich somit bei der Rüstungsfrage nicht überstrapazieren. Zumal eben auch die Quellen zu diesen Kosten durchaus fragwürdig sind. Da werden zu Vergleichszwecken, wie schon erwähnt, gerne mal Quellen aus ganz Europa und 500 Jahren verglichen. Zur Existenz der Dinger (Gliederschutz) selber wurden ja jetzt Funde, Schriftquellen und Bildquellen geliefert. Es gab sie also, sie waren bekannt. An Blitzamnesie an der Grenze glaube ich nicht. Wenn die Awaren die Dinger kannten, dann kannten sie auch die Franken. Man war Nachbar, man verdrosch sich gelegentlich, man handelte gelegentlich. So ist auch mein Bld von Harald Hardrada zu verstehen. Man kannte die Dinger in Byzanz. Also kannte auch Harald sie. Zumal der in byzantinischen Diensten ja auch noch viel rumkam. Und als Harald wieder nach Skandinavien zurück ging, vergaß er das Zeug sicherlich nicht plötzlich. Es geht hier rein um die Frage nach Kenntnis solcher Objekte, nicht um die Frage, wie üblich sie denn nun im Einzelnen waren. Harald und Byzanz, noch mal, sind nur ein Beispiel. Hängt Euch nicht an dieser Personalie oder dieser Örtlichkeit auf. Die Formulierung "nachweislich üblich" war etwas unglücklich, das gebe ich zu. Ich wollte sagen "nachweislich bekannt". Ich will damit nur sagen, dass es auch damals in Europa einen gewissen kulturellen und technologischen Austausch gab. Gerade die Franken eiferten den Byzantinern in vielem auffallend nach. Die von Nib verlinkten Texte sind sehr interessant zusammengefasst, aber ich rate trotzdem nicht zu leichtfertiger Blauäugigkeit, da sie teilweise ihrerseits etwas nonchalant mit ihren Belegen umgehen. Auf http://deremilitari.org/2014/02/carolingian-arms-and-armor-in-the-ninth-century/ (Quelle wie oben) etwa steht zum Thema Beinpanzer
Several other items of armor are also mentioned in ninth-century texts. Leg armor was listed both in Eberhard’s will 130 and in the Lex Ribuaria 131 under the name of bagnbergas [...]
Die Lex ist eben kein ninth-century-text! Sie ist bestenfalls ein 7th-century-text mit Tendenz zum 6th-century-text. Abgesehen davon ist die in der Lex bei 40/11 aufgeführte Aufzählung keine "Preisliste", auch wenn sie seit Jahrzehnten von Hobbyisten gerne als solche hergenommen wird. Es geht dort um Wehrgeld, also Bußgeld bei Personenschäden, und womit dieses ersatzweise zu begleichen wäre, wenn der Verurteilte nicht genügend Geld hat. Da steht etwa, man könne statt 7 Solidi auch ein Schwert geben. Das muss nicht unbedingt eine exakte realpreisliche Umsetzung sein, das kann mehr dahinterstecken. Es ist ja auch diskutabel, ob heutzutage 1 Tag Knast einen Tagessatz "wert" ist. Wobei ganz nebenbei, man, hält man sich an diese Liste, zum dem interessanten Schluss kommt, dass (Schwert = 7 Solidi, Schwert ohne Scheide = 3 Solidi) die Scheide mit 4 Solidi offenbar teurer war als das Schwert. Faktenlage bisher: - Arm- und Beinschutz waren in Europa bekannt. Bild- und Schriftquellen belegen das. In denselben wird Gliederschutz aber weitaus seltener gezeigt / genannt als Torsopanzer und Helm. - Fundlage in Zentraleuropa desolat, was aber auch für Rüstungen und Helme gilt, von daher also kein Beweis, dass Gliederschutz unüblich war. - Laut Extrapolation aus diversen Gesetzestexten nicht billig, zumindest solange aus Eisen, aber sehr wohl im Rahmen. Wer sich eine Brünne leisten konnte, für den war der Preis sicherlich kein Hindernis für Gliederschutz.
 
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Ich wollte nicht sagen, dass es so gemacht wurde. Was ich ausdrücken wollte ist, dass Schutz nicht unbedingt ein Kostenfaktor sein muss. Wenn kein Schutz getragen wird ist das für mich auch eher ein Indiz, dass die Person Schutz nicht als notwendig erachtet, grad wenn er ohne besonderen Aufwand hergestellt werden kann...
 
Nein, nein, im Prinzip hast du ja recht. Gesetzt den Fall, ich erachte Schutz als notwendig und wünschenswert - was im Falle eines Kriegers, der auf Kriegszug ausziehen muss, durchaus mal anzunehmen ist - kann ihn mir aber in professioneller Form nicht leisten, dann mache ich mir natürlich Gedanken über Alternativen. Das gilt für den einzelnen Soldaten genauso wie für den Heerführer, denn letzterem ist klar, dass Truppen, die wie die Fliegen hingemetzelt werden nutzlos sind und nur im Weg rumliegen - nachdem sie vorher wochenlang kostbare Vorräte vertilgt haben. Suboptimal das. Gab's da nicht auch mal ein schönes Zitat aus dem SpäMi, von wegen, dass diese ungepanzerten Knechte zu nix nütze seien? LORBI! Als Heerführer würde ich einen taktischen Ansatz wählen, wie ich diese leichten Truppen sinnvoll einsetzen kann, das ist für uns hier nicht weiter von Belang. Als Individuum würde ich mir vielleicht auch überlegen, irgendwas um die Waden zu binden. Wenig Schutz ist immer noch besser als gar keiner. Die Irakis haben 1991 auch Betonklötze an ihre ollen T 55 geschraubt als Zusatzpanzerung. (Hat ihnen auch nix gebracht) Allein - hier ist halt die konkrete Beleglage gefragt. Und solche individuellen, kreativen low-budget-Lösungen sind zwar interessant (ich könnte ja spaßeshalber mal was zusammenstellen, ist sicher launig), aber halt im aktuellen Zusammenhang nur minder von Belang.
 
Ich muss zugeben, dass ich die Fundlage des FMA nicht genug kenne um da diskutieren zu können, aber finde das Argument "sie müssten es gekannt haben und es macht für mich Sinn" immer schwierig. Und die Tatsache das Leute in heutigen Kampfsimulationen öfter an den Gliedern (hehe) getroffen werden zeigt für mich eher, dass die Simulationen weiter entfernt von der damaligen Kampfesweise weg ist als wir das vielleicht denken. Ist der Gedanke, dass Arm und Beinschienen im Kontext der FMA Kampfesweise nicht sinnvoll sind, denn so weit hergeholt? Die römischen Legionäre, bei denen unsere Kenntnis ihrer Ausrüstung nicht den quellenarmen """dark ages""" zum Opfer gefallen ist, sind doch auch weitestgehend super ohne Arm und Beinschienen ausgekommen. In den Dakerkriegen hat sich die für sie gewohnte Kontext dann offenbar geändert, weswegen sie da mit sehr ausgeklügelten Armschienen zu sehen sind, aber in allen anderen Auseinandersetzungen scheint ihnen der zusätzliche Schutz einfach zu doof gewesen zu sein. Und auch im SMA habe ich den Eindruck dass auch die Leute die das Geld für eine volle Rüstung haben müssten gern jede Panzerung unterhalb der Hüfte gut sein lassen, wenn sie zu Fuß kämpfen. Im Lauf des HMA sieht man wie der Panzer an den Armen immer länger wird und sich auch eiserne Hosen langsam durchsetzen. Schließlich hat man Diechlinge für die Oberschenkel und dann zusätzliche Plattenteile. Gleichzeitig wird der Schild der voll gepanzerten Berufskämpfer immer kleiner. Fast so als wäre ein großer Schild durch den erweiterten Schutz der Gliedmaßen nicht mehr zwingend notwendig. Drehen wir doch die Aussage mal um: Wenn man keine vollmoderne Rüstung von Kopf bis Fuß tragen will braucht man was? Einen großen Schild. Hmmmm. Addendum: Waren die Waräger nicht die, die mit den großen Zweihandäxten und damit ohne Schild in der linken gekämpft haben? Passt das dann nicht auch irgendwie ins Bild?
 
Addendum: Waren die Waräger nicht die, die mit den großen Zweihandäxten und damit ohne Schild in der linken gekämpft haben? Passt das dann nicht auch irgendwie ins Bild?
Waräger bezeichnet Mitglieder skandinavischer - vorrangig schwedischer - Männerbünde, die vom 9. bis ins 11. Jahrhundert als Händler und Krieger zwischen Baltikum und schwarzem Meer aktiv waren. Warägergardisten bezeichnet die aus skandinavischen Kriegern und Kriegern der Kiewer Rus bestehende Leibgarde des byzantinischen Kaisers ab 874. Beide werden eventuell beidhändig geführte Äxte genutzt haben, keine der beiden Gruppen diese jedoch exklusiv und ausschließlich.
 
Wenn Ihr Probleme habt, belegte Arm- oder Beinschienen zu finden, tragt sie zum Schutz Eurer Arme und Beine doch einfach unter der Kleidung, wenn Ihr damit kämpfen wollt. Aber ich denke auch das bei den heute teilweise doch sehr heftigen Kämpfen, der Schutz über die Authentizität gehen sollte. Noch einmal nachbemerkt - zum Kämpfen.
 
Ist zwar offtopic aber ich würde mal spekulieren, dass das Tragen von Körperschutz mit dazu beiträgt, dass Kämpfe heute vielleicht so heftig ablaufen. Damit möchte ich nicht sagen, dass Schutz nicht sinnvoll wäre aber es verleitet deutlich dazu mehr Risiken einzugehen vielleicht getroffen zu werden. Wenn man eine gute Show liefern möchte, ist das für Zuschauer sicher spektakulär wenn es laut scheppert. Wer hingegen versucht, den Ernstkampf zu simulieren sollte sich ins Gedächtnis rufen, dass Überleben und nicht getroffen zu werden im Ernstkampf eine höhere Priorität hat als einen Treffer zu setzen... (etwas, dass mir beim Training auch gern immer mal wieder entfällt) Back to topic...
 
Danke für die Aufklärung Thorkell, ich meinte tatsächlich die skandinavischen Söldner im Dienst des Oströmischen Kaisers. Es war nicht meine Intention zu sagen, dass die ausschließlich zweihändige Äxte benutzt haben, nur dass vielleicht ein Unterarmschutz bei einer zweihändig geführten Waffe mehr Sinn macht als in Kombination mit einem großen Schild und es deshalb da einen Zusammenhang geben könnte.
 
Das stimmt wohl. Allerdings fände ich da einen Handschutz tatsächlich noch wichtiger als Armschutz.
 
Alleine zum ausproberen müsste man das mal ausprobieren. Wo doch jeder weiss, dass Längssplinte schlank machen!
 

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