Welches Trinkgefäss Becher ?

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Also nur mal nebenbei, aber 1250 musste kein Glas mehr aus dem weit entfernten Orient importiert werden ;) Glas ist einfach schön geschmacksneutral und wenn mal was zu Bruch geht ( was bis jetzt noch nicht der Fall war) muss eben ein Neues her :)
 
@]Mara von Ibelin: Also das Buch das ich meine ist : Dexel, Thomas Gebrauchsgerättypen.Das Gebrauchsgerät Mitteleuropas von der römischen Zeit bis ins 19. Jahrhundert. Band I (Holz und Ton) und II (Metall, Metallgerät) in einemBand (=vollständig) Es gab auch mal bd. Bände einzeln, aber das ist eigentlich Quatsch. Trotzdem habe ich gesehen, daß hier mittlerweile echte Hammerpreise für dieses Standardwerk aufgerufen werden. Solltest Du aber irgend etwas wissen wollen, dann mail mich einfach an, und ich kann mal für Dich nachschlagen. @adela al raffadali: Also, es mußte nicht unbedingt Glas aus dem Orient importiert werden, aber es wurde. Es wurde einfach schon deshalb, weil zu der beschriebenen Zeit, also um 1250, es kaum Glashütten im Deutschen Reich gab, die entsprechende Stücke herstellen konnten. Im gesamten Bestand des Kölner Kunstgewerbe-Museums befindet sich z.B. kein einziges Glas aus dem MA, das nachweislich in einer europäischen Hütte hergestellt wurde. Und ich spreche jetzt hier nicht von den Gläsern des Früh-MA wie die "Tummler" etc., sondern meine exakt die Zeit des 13.JHd.. Es sind jedoch einige Stücke aus dem syrischen Raum vertreten, wie Becher oder Flaschen. Das schönste Stück ist der sog. Aleppo-Becher, zu dem es übrigens auch noch einen Behälter aus geschnittenem Leder, aus dem 14.-15.Jhd.gibt. Wenn wir aber nach europäischen Stücken aus dieser Zeit suchen, dann ist das schon ein wenig mühseliger. Tatsache ist, daß orientalsche Gläser in Europa wesentlich häufiger anzutreffen sind als echte europäische. Und auch hier meine ich nicht spätmittelalterliche Stücke, sondern definitiv das 13.Jhd. Beim Vergleich aller Quellen, die mir zur Verfügung stehen, sind die orientalischen Gläser ganz klar in der Überzahl, und wurden scheinbar in Europa sehr geschätzt. Ad hoc sind mir jedenfalls nur 2 Exemplare, die definitiv dem europäischem MA zuzuordnen sind, bekannt:
  1. das Fragment eines Bechers, gefunden in der St. Christophoruskirche in Lüttich, datiert in das 12.Jhd., heute im Musée Dicocéan in Lüttich
  2. ein hoher Stängelbecher, gefunden in der Augustinerkirche in Rouen, datiert in das 13.Jhd., heute im Musée des Antiqués in Rouen
Fazit: es mag vereinzelt europäische Gläser im 13.Jhd. gegeben haben, aber die Mehrzahl der Stücke dürfte wohl importiert worden sein. Wenn man die Geschichte der europäischen Glashütten kennt, dann ist das auch nicht weiter verwunderlich.
 
also wir sind auf jeden Fall mit Sack und Pack (und meinem Glas ;) :D ) vom fernen Sizilien losgezogen über die Alpen. Zitat: Friedrich II hielt sich mit seiner Gefolgschaft und seiner Regierung nie lange an einem Ort auf. Auch wenn er Schlösser in ganz Süditalien und herrschaftliche Palazzi in den ihm treuen Stadtstaaten Cremona und Parma besaß, war sein Hof „intinerante“, d.h. wandernd - wohl das einzige Beispiel in der ganzen christlichen mittelalterlichen Geschichte. Quelle stupor-mundi.it
 
@Anno Ich meinte auch nicht deutsches Glas sondern eher italienisches ;) Und da wir mit unserem Kaiser von Sizilien über die Alpen reisen, wäre es doch umständlich das Glas erst aus dem Orient zu importieren. Wenn wir die Glasmanufakturen direkt vor der Türe haben :) Meines bescheidenen Wissens nach und ich kenn mich wirklich nicht gut mit Glas aus, gibt es aber sogar von 1271 ein Verbot, das besagt, dass kein Glas aus dem Ausland ( nach Italien vermutlich ) importiert werden durfte um die venezianische Glasherstellung zu schützen und auch geleugnet wurde, dass ausländische( spanische/orientalische??) Glasmacher in Venedig tätig waren.
 
@Anno von Köln Merci, komme bei Bedarf darauf zurück. @adela al raffadali Ich dachte ausländische Glashandwerker/macher durften gar nicht erst in Venedig beruflich tätig sein?
 
Venedig (Murano) war auf jedem Fall bereits im 13.Jhd eine Glashochburg und die Monopolstellung wurde 1291 verbrieft. Die Wahrung des Monopols stand übrigens tatsächlich unter Todesstrafe. 1383 heißt es : ut ars tam nobilis semper stet et permanent in loco muriani- damit die so vornehme Kunst auf immer in Murano erhalten bleibt. Das venezianische Glas von Murano, gibt es aber eigentlich schon seit dem 11.Jhd. Und durch seine günstige Lage, quasi als "Brückenkopf" zum Orient, wie z.B. Byzanz, machte Venedig zum Glasmonopolisten des MA. Das Wissen um die Glasherstellung stammt aber aus antiken und orientalischen Quellen, die z.B. durch Theophilus Presbyter oder Hrabanus Maurus im MA wiederbelebt wurden. Eine wesentliche Entwicklung war aber auch die Glasbläserei, die erst die Herstellung von Hohlgläsern ermöglichte. Diese Erfindung stammt aus dem syrischen Sidon, da dort im letzten vorchristlichen Jhd.die Glasmacherpfeife erfunden wurde. Dieses Wissen drang also durch die geographische Lage der Handelswege zügig bis nach Venedig, und so ist es kein Wunder, daß bereits 1279 die erste handwerkliche Verbindung im Sinne einer Zunft in Venedig gegründet wurde. Aber es ist definitiv so, daß die ersten Glashütten in Italien bereits seit der Antike bekannt sind, und diese ihre Ursprünge im Orient haben (Syrien/Ägypten). Im gennanten Zeitrum, war es aber in Venedig nicht unüblich einen "Meister" aus dem Orient in die Stadt zu holen, um eigene Kräfte auszubilden und interessanterweise produzierte Venedig im "orientalischen Stil", also es gab zu dieser Zeit keinen eigenen "italienischen Stil". Quellen: Glas, Mittelalter bis Biedermeier des Kestner Museums Hannover; Schönes altes Glas von C.Isings;Glas,Kunstgewerbemuseum Köln
 
So, es ist WE und jetzt habe ich auch ein wenig mehr Zeit mich der Eingangsfrage zu widmen. ;) Gefragt wurde nach Trinkgefäßen der Zeit um 1250, und wir haben schon richtigerweise festgestellt, daß Edelmetalle und Zinn eher unwahrscheinlich, Keramik oder sogar Glas eher wahrscheinlich waren, bzw. mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sogar Holz (gedrechselt oder in Daubenbauweise). Ich habe mir mal die Mühe gemacht den kompletten Fundbestand einer kleinen Burganlage, die im Rahmen der Schlacht von Worringen im Jahre 1288 komplett zerstört wurde, durchgearbeitet. Diese Anlage ist so zügig dem Erdboden gleich gemacht worden, daß selbst Münzen und Schmuckstücke in größerer Menge im Fundgut auftauchen, also damit die Funde auch durchaus als repräsentativ und realistisch für die Zeit des 13.Jhd. gelten können. Dieses Fundspektrum scheint daher von einer Plünderung der Burg vor ihrer Zerstörung weitgehend unbeinflußt zu sein. Das Resümee : Im gesamten Fundbestand ist der zahlenmäßig höchste Fundanteil im Bereich der Keramik zu finden, und hier alle Spektren der damaligen Siegburger Gebrauchskeramik, vom Becher bis zur Bratenschale oder Ofenkachel. Bronze ist fast nur in Form von Schmuck oder Beschlägen zu finden, Edelmetalle nur in Form von Münzen und die wenigen Glasscherben weisen auf Glasfläschchen hin, aber nicht auf Becher o.ä.. Holzreste sind aufgrund ihres natürlichen Zerfalls nicht nachzuweisen. Fazit: die Wahrscheinlichkeit, daß ein Durchschnittsadeliger der Zeit um 1250 Keramik- oder Holzgefäße benutzt hatte ist als sehr hoch anzusehen. Warum aber hat es in der Antike, also vor der Völkerwanderungszeit Trinkgefäße selbst aus Edelmetall, oder kostbarem Glas gegeben ( siehe z.B. das berühmte Diatretglas von Köln-Braunsfeld) und im MA nicht mehr ? Die Antwort ist simpel: Vorraussetzung waren in der römischen Antike:
  1. die antike Stadtkultur
  2. die manufakturartige und leistungsfähige Produktionsweise
  3. der ausgedehnte und ungestörte Fernhandel
  4. der gesamte Mittelmeerraum war eih abgeschlossenes Wirtschaftsgebiet
  5. ein breiter Abnehmerkreis mit einer reichen Oberschicht und auch einer großen Bürgerschicht
  6. ein funktionstüchtiges und etabliertes Wirtschaftssystem
Dies alles brach mit der Völkerwanderungszeit mehr oder weniger schnell zusammen, und verschwand im Dunkel der Geschichte, sodaß im beginnenden MA bis zum Hoch-MA neue Strukturen entstanden, die mit der Antike nichts mehr gemeinsam hatten. Ich möchte hier einmal aus dem Dexel, einem Standard werk für Gebrauchsgerätetypen, zitieren:
"...Die Stadt des späteren Mittelalters entwickelt sich dann aus ganz neuen Vorausetzungen, die von denen für die antike Stadt verschieden waren. Von einer leistungsfähigen oder gar manufakturartigen Produktionsweise kann nicht mehr gesprochen werden, das Handwerk, das es natürlich noch gegeben hat,die Töpfer, Weber, Holz- und Metallverarbeiter arbeiten nun in einer agrarischen Wirtschaft mit wesentlich geringeren Ansprüchen und sicher in der Mehrzahl der Fälle in Abhängigkeit von einer herrschenden adligen Oberschicht, nur noch die Kirche stellt ihnen höhere und anspruchsvollere Aufgaben, aber diese betrafen nicht das Gebrauchsgerät des Alltags. Je weiter die Entwicklung in dieser Phase fortschreitet, desto weniger anspruchsvoll wird allem Anschein nach selbst die herrschende Oberschicht. ...Von ausgedehntem, vor allem ungestörten Handel, gar von nennenswert gelenktem Fernhandel kann nicht mehr gesprochen werden.Der Wirtschaftsraum schrumpft auf das Gebiet des Karolingischen Reiches zusammen; Italien nimmt eine Sonderstellung ein, die es bis ins späte Mittelalter behält, hier zeigen sich die Ansätze zu einer Neu- und Weiterentwicklungdenn auch früher und in anderer Form...."
Ich denke damit sollten sich die Fragen beantworten lassen, und weitere mögliche Mißverständnisse ausgeräumt sein. Zitat aus: Dexel, Thomas Gebrauchsgerättypen.Das Gebrauchsgerät Mitteleuropas von der römischen Zeit bis ins 19. Jahrhundert. Band I (Holz und Ton) und II (Metall, Metallgerät) in einemBand , Klinkhardt und Biermann, Braunschweig 1980, Ss. 35/36
 
Gerade wenn es um Siegburger Steinzeug/Frühsteinzeug geht ist besonders zu empfehlen: E.Hähnel: Siegburger Steinzeug. Bestandskatalog Band 1 (Führer und Schriften des Rheinischen Freilichtmuseums und Landesmuseums für Volkskunde in Kommern; Nr. 31) B. Beckmann: Der Scherbenhügel in der Siegburger Aulgasse. Band 1. Die Formen der Keramik von ihren Anfängen bis zum Beginn der sogenannten Blütezeit (Perioden 1 bis 4). Bonn 1975 sowie die Kataloge des Kunstgewerbemuseum Köln (Glas und Keramik)
 
Bei der Gelegenheit möchte ich Euch mal meinen eigenen Trinkbecher präsentieren : hergestellt durch Abschleifen, aus einem kleinen, originalen Siegburger Krug aus dem frühen 15.Jhd. dessen Oberteil und Henkel fehlte. Da schmeckt der Wein doch gleich viel besser... :D
 
Ilja Frenzel töpfert Keramik nach historischen Funden. Also immer klar einer Zeit und Region zuzuordnen, wobei er sogar auf die Lehmzusammensetzung achtet. Und recht kostengünstig ist das auch noch alles. Ich für meinen Teil (oberes Bürgertum, 1290er) habe mir diesen schönen Gesichtsbecher genehmigt. Kölner Raum, 12.-13. Jh., am Marktstand damals für noch weniger als die hier aufgeführten 14€.
Gesichtsbecher.jpg
 
Jepp, Ilja war bis zur letzte Saison auch unser Haus- und Hoflieferant :) Leider muss ich gestehen, dass wir abtrünnig wurden, wir reisen ja von Sizilien aus und da ist dann ein sizilianischer Haus-und Hoflieferant schon angebrachter der uns sizilianische Majolicen nach italienischen Funden macht ;)
 
und da ist dann ein sizilianischer Haus-und Hoflieferant schon angebrachter der uns sizilianische Majolicen nach italienischen Funden macht ;)
Hi adela, :bye01 und diese italienische Keramik, die ich auf Eurer Webseite bewundern konnte, ist wunderschön. :thumbsup: Euer "Hoflieferant" ist ein wahrer Künstler, und da könnte man glatt überlegen diese Keramiken auch für den täglichen gebrauch im modernen Leben zu verwenden. Die Keramiken von Ilja, und das sage ich mal als bescheidener Kenner der Materie, sind mit Abstand die besten Repliken die ich aus dem Bereich der Rheinischen Keramiken gesehen habe, und auch die Preise sind o.K. :thumbsup:
 
Hi Anno, Danke für die Blumen, mit Ilja geb ich Dir voll und ganz Recht...finde die erkennt man auch schon von Weitem :) Und was unsere neuen Erungenschaften aus Sizilien angehen...die stehen hier schön als Deko im Wohnzimmer, sind einfach zu Schade um sie wegzupacken:D
 
@adela: :bye01 kannst Du mir vielleicht mal die Adresse oder den Link Eures Töpfers mailen, oder hier einstellen (hoffe das ist dann keine Werbung), da ich eben noch mal auf Eurer Webseite war, und mich gerade schwer für italienische Majolica erwärme... ^^
 

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