Überlegungen zum Schnitt eines Kleides Haithabu 9./10. Jhd.

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Marie87

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Hallo Ihr Lieben! Ich möchte Euch um Eure Gedanken bitten. Ich bastel derzeit an meiner ersten Darstellung - Haithabu 9./10. Jhd (ja, ich weiß, nicht sonderlich originell, aber es ist auch nur, weil ich auf einer MA-Hochzeit als Gast eingeladen bin). Ich habe die Bücher zu den Textilfunden von Inga Hägg gelesen. Dabei waren die zwei für meine Frage relevanten Erkenntnisse: Erstens zeigen die Funde, dass es angeschnittene Armlöcher gab und zweitens sind an dem Fundstück, welches Hägg als Trägerrock interpretiert, Abnäher angebracht. Die Mode war also eher figurbetont und die Schnitte schon etwas aufwändiger, als die "typischen" zusammengesetzten geometrischen Formen. Wenn jetzt der Trägerrock also Abnäher hat und Schulterpartien scheinbar schmal und körpernah gearbeitet waren, stelle ich mir die Frage, was das für das (Unter)Kleid bedeutet. Ich habe es auf jeden Fall ebenfalls mit angeschnittenem Armloch gearbeitet. Der "Rohbau" ist also fertig. Doch nun überlege ich, ob das Kleid wohl ebenfalls Abnäher bekommen sollte, wenn der Trägerrock welche hat. FÜR Abnäher am Kleid spricht, dass die Technik bekannt war, dass eine schlanke Silhouette offenbar modern war und Abnäher dann also notwendig würden, wenn das Kleid ohne Trägerrock getragen würde. GEGEN Abnäher spricht, dass es ein zusätzlicher Arbeitsschritt ist für ein Kleidungsstück, dass i.d.R. unter dem Trägerrock getragen wurde und also von diesem automatisch in Form gedrück wird. Ist also die Frage, wurde über dem Kleid von einer Frau, die einen Trägerrock besaß, dieser auch IMMER getragen, oder nur zu besonderen Anlässen? Wenn das Kleid auch mal ohne Trägerrock zum Einsatz gekommen sein könnte, wäre ich ganz klar für Abnäher. Ich weiß nicht, ob meine Überlegungen total Nonsens eines naiven Anfängers sind (wenn ja, dann bitte höflich aber direkt sagen), oder irgendwie ihre Berechtigung haben. Ich hoffe ich konnte mich halbwegs verständlich ausdrücken... Was denkt Ihr also? Vielen Dank im Voraus und liebe Grüße aus Berlin!
 
Ist also die Frage, wurde über dem Kleid von einer Frau, die einen Trägerrock besaß, dieser auch IMMER getragen, oder nur zu besonderen Anlässen?
Würde davon ausgehen, dass der Trägerrock nur zu besonderen Anlässen getragen wurde, da seine Konstruktion nur mit Ovalfibeln Sinn ergibt und diese Ovalfibeln waren vermutlich nicht für den Alltag bestimmt. Zu Abnähern am Kleid habe ich keine Meinung.
 
Danke für Deine Antwort, @nib! Das habe ich mir fast gedacht. In diesem Fall tendiere ich wie oben beschrieben dazu Abnäher in das Kleid zu machen. Vielleicht gibt es ja noch jemanden, der dazu Gedanken hat?
 
Ich schließe mich @nibs Meinung an. Ein Trägerrock ist als alltägliches Kleidungsstück in meinen Augen so tauglich wie eine Pluderhose: Gar nicht. Von Nähen indes habe ich keine Ahnung.
 
Was genau meinst Du mit Abnäher ? Die klassischen Abnäher um die Brust zu betonen, kenne ich fürs gesamte Mittelalter so gar nicht. Die Bücher von Inga Hägg kennst Du ? Da sind Vorschläge gezeichnet, wie die Kleidung hätte sein können, (so wirklich ganz genau weiß es ja Niemand) per Fernleihe in der nächsten Bibi bekommt man die Bände schnell und für kleines Geld geliehen. Ich finde es gut, das Du nicht einfach machst was alle machen, sondern, das Du Dich schlau machst ! :thumbup: :love:
 
Liebe @Silvia, danke für deine Antwort und das Kompliment. :) Ja, die Bücher von Inga Hägg habe ich gelesen. Da bin ich überhaupt erst auf diese Abnäher-Geschichte gestoßen. Ich musste sie nur leider bereits wieder zurück geben, kann also jetzt nicht mehr zitieren. Hägg schreibt, dass an dem Trägerrock-Fragment vertikale Abnäher waren, die mit einem geflochtenen Band verdeckt/bestickt waren. Also nicht Abnäher auf Brusthöhe, sondern im Taillenbereich um eine insgesamt schlanke, körpernahe Silhouette zu erreichen. Hägg spekuliert, dass der Trägerrock eventuell seitliche Schnürungen aufgewiesen haben könnte um die Abnäher zu ergänzen. Daher meine Überlegung, ob das Kleid auch vertikale Abnäher bekommen sollte, wenn der Trägerrock (laut Hägg) welche hatte. Verstehst du, was ich meine?
 
Ja, ich verstehe. Schwierig. Mag sein, das Du da nicht ganz unrecht hast, aber so lange es dafür keine Belege gibt, würde ich es (erst einmal) lassen. Vielleicht hat aber Jemand Anderes der tiefer im nordischen Frühmittelalter steckt eine Meinung ?
 
[...]aber so lange es dafür keine Belege gibt, würde ich es (erst einmal) lassen.[...]
Hhm, wirklich? Soweit ich es bisher überschauen kann gibt es überhaupt keine Belege für einen bestimmten Schnitt. Das Kleid wird also insgesamt immer eine Spekulation sein, keine Rekonstruktion. Wir wissen jedoch von den Abnähern am Trägerrock und wir wissen von angeschnittenen Armlöchern. Also alle Belege, die wir haben, deuten darauf hin, dass es zu der Zeit in Haithabu recht ausgefeilte Schnittführungen gab und scheinbar körpernahe Schnitte modern waren. Ist es dann nicht wahrscheinlicher, dass das Kleid Abnäher hatte, als dass es keine hatte? Oder ist das eine dumme Denkweise? :/
 
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Finde Deine Denkweise nicht unzulässig. Hägg schreibt bei "Hemd und Untertunika" auch von Abnäheren, bei "Obertunika" immerhin von einem "oben körpernah geschneiderten" Gewand. Und auch wenn's wohl etwas frustrierend sein mag, würde ich dennoch zu einem "akzeptierten", bereits ausgearbeiteten Schnitt raten. Zumindest für's erste Gewand.
 
Selber denken ist nie dumm. :) Das stimmt die Kleider man sieht, sind alle Spekulationen. Haithabu war ein Handelsplatz. Hier lebten unterschiedliche Volksgruppen und unterschiedlichen Religionen auf engen Raum miteinander. Man kann davon ausgehen, das jede Kultur erst einmal mit der Kleidung die in ihrem Kulturkreis üblich war, eingezogen ist. Insofern müsstest Du auch überlegen, wer bin ich ? Da wird an Festtagen eine Vielzahl von Gewändern zu sehen gewesen sein, nicht nur Trägerröcke. Um einen guten Überblick zu bekommen, sollte man schauen was gab es Anderswo, was gab es vorher, was nachher, was könnte da zwischen passen. Für den groben Zeitraum/Region kommen auch die Fundorte Wurt Hessens und Elisenhof in Frage. Bei Erstem wurde unter Anderem ein Ärmel gefunden, der gerade angesetzt ist und einen Keil unterhalb des Arms hat. Fachleute wie Hägg finden nicht nur durch die wenigen Stoffschnipselchen zu ihren Vorschlägen, sondern die Anordnung von Schmuckstücken, Schnallen etc. fließen mit ein, es würde also keinen Sinn machen ein Bodenlanges Kleid zu denken, wenn die Betroffene aufwendige Zierschnallen am Schienbein trägt. (als aus der Luft gegriffenes Beispiel) Muskelansätze und verschleiß an den Knochen können Aufschluss darüber geben, ob eine Person zu Lebzeiten hart arbeitete und könnten Hinweise auf das Leben des Verstorbenen geben.
 
Finde Deine Denkweise nicht unzulässig. Hägg schreibt bei "Hemd und Untertunika" auch von Abnäheren, bei "Obertunika" immerhin von einem "oben körpernah geschneiderten" Gewand. Und auch wenn's wohl etwas frustrierend sein mag, würde ich dennoch zu einem "akzeptierten", bereits ausgearbeiteten Schnitt raten. Zumindest für's erste Gewand.
Das wollte ich ja zuerst. Doch ich habe keinen gefunden, der sich mit Häggs Erkenntnissen für Haithabu in Einklang bringen lässt. Man findet überall nur diesen typischen Schnitt aus Rechtecken und Dreiecken. Was ja ganz klar für Haithabu 9./10. Die ganze Wahrheit ist. Ich habe den Schnitt dennochals Grundlage genommen, dann aber wie gesagt noch angeschnittene Armlöcher konstruiert. Falls dir andere Schnitte bekannt sind, wäre ich für einen Verweis in die richtige Richtung sehr dankbar. @Silvia Vielen Dank für deine Gedanken und die Verweise zu den anderen Fundkomplexen. Dann werde ich mal schauen, wo ich die Bücher her bekomme. Ich werde das Kleid dann also erstmal ohne Abnäher lassen und weiter recherchieren, ob meine Vermutung sich irgendwie bestärken oder widerlegen lässt. Vielen Dank euch!
 
Dankeschön @nib! Der Link ist super! :D Und was ich ja auch ziemlich cool finde, dass ich mit meinen eigenen Überlegungen selber zu der version "Tunic with Fitted Sleeves. Difficulty Level 2" gekommen bin und meine Frage nach den Abnähern hier ja im Prinzip in Richtung der "Tunic with Waist Seam. Difficulty Level 3" geht. Im Prinzip ist das "Difficulty Level 3" ja noch ein wesentlich aufwändigerer Schnitt, als nur "meine" Abnäher. Das alles lässt mich nun wieder dazu tendieren diese doch zu verwenden... Der Link wirft jedoch eine neue Frage auf. Bisher bin ich nur von seitlichen Geren ausgegangen. Nun sind aber in den Interpretationen dort auch welche mittig zu sehen. Das ist mir bisher noch nicht untergekommen. Ist beides Spekulation und daher gleich gut oder schlecht? Oder gibt es Belege dafür?
 
Keile vorn und hinten sind optional zu den seitlichen und treten erst ab dem 10.jh auf, soweit ich weiß.
 

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