Original vs Reproduktion - Wie "perfekt" darf eine Reproduktion gearbeitet sein?

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Thomas W.

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Die einen sagen es so... die anderen so... ^^ Wie steht ihr dazu? Anbei noch ein kurzes Video mit ein paar wenigen Beispielen als Einleitung dazu: [media]https://www.youtube.com/watch?v=TVL46CM9k80[/media] (Quelle: youtube.com)
 
Das ist meiner Meinung nach ein wichtiges Thema. Der moderne Mensch tendiert ja dazu einen sehr kühlen und technischen Blick auf Dinge zu werfen. In unserer Zeit der umfassenden Standardisierung ist man es gewohnt ab einem gewissen Preis sehr perfekt gearbeitete Ware zu erhalten (im technischen Sinne). Mit modernen Werkzeugen und technischen Möglichkeiten (moderne Gussverfahren, CNC, CAD, etc.) und Werkstoffen sind auch einfach andere Resultate möglich als vor 500 Jahren. Technische Überprüfbarkeit spielt auch mit hinein, Augenmaß vs. Laservermessen. Das Thema ist ein großes und erstreckt sich auf alle Gegenstände des Alltags, als auch auf Utensilien des Kriegshandwerks, hat aber auch mitunter Wurzeln in der Geistesgeschichte, wenn man es noch ausweitet. Also nicht nur wie perfekt oder nicht perfekt gearbeitet, sondern auch wie und warum so und so gearbeitet. Die Fertigungsgüte ist ja zunächst auch beschränkt durch vorhandenes Material und den eventuellen Aufwand, den man betreiben muss, um nicht so perfekte Werkstoffe ansehnlich zu bekommen. Heißt: ein hochpoliertes Werkstück kann ich auch heute günstig herstellen, weil es günstige Schleif- und Polierlösungen gibt, eine Politur mit historischen Methoden ist zeitintensiver. So verschiebt sich denke ich schon mal technisch "perfekter" gearbeitetes in höherpreisige Regionen. Darüber hinaus habe ich den Eindruck, dass man bei vielen Sachen eher pragmatisch vorgegangen ist, Funktionalität z.B. vor absoluter Symmetrie. Viele originale Harnische haben Asymmetrien, die einen organischen Eindruck ergeben und nur bei genauem Hinsehen oder Vermessen auffallen - das betrifft auch andere Realien. Auch findet man immer wieder sehr sehr grob gearbeitete Ausführungen, wenn man an Stellen vom Stück blickt, die verdeckt oder schwer einsehbar sind. Z.b. die Rückseite von Schwertscheiden, mögen sie auch auf der Frontseite aufwendig gearbeitet sein. Eine Wahrnehmungsverschiebung findet mit Sicherheit auch dadurch statt, dass heute viele Stücke ja nicht mehr in den Alltag integriert sind, weshalb der Käufer einen anderen Maßstab anlegt, das Teil wird eher zum Vitrinenstück (was nicht heißen soll, dass es nicht auch damals Repräsentationsobjekte gegeben hat). Wenn man das Thema wie oben erwähnt noch in Richtung Philosophie entwickelt, ergeben sich noch weitere Implikationen zur Herstellung, die vom eigentlichen Thema auf den ersten Blick wegführen, aber eventuell doch wieder etwas damit zu tun haben. Im Kern empfinde ich es wichtiger zu verstehen, welche Ideen und Grundlagen in einen Gegenstand mit einfließen und das zu replizieren, um die Essenz einer Realie herauszuarbeiten, als eine exakte Kopie anzufertigen. Also Farbsymbolik, geometrische Konstruktionsprinzipien (sprich Balance der Konstruktion aus historischer Perspektive), gewünschter Effekt auf den Betrachter(z.B. die dreidimensionale Wirkung früher mit gold hinterlegter "comichafter" Buchmalerei und Mosaike) oder philosophisch basierte Stilentscheidungen (z.B. Konzepte zu Lux und Lumen im Spätmittelalter). Wer sich über so etwas im Klaren ist, stellt meiner Meinung nach auch interessantere Gespräche und Vorführungen auf die Beine. Persönliche kann ich die Argumentation im Video also absolut nachvollziehen und denke da in ähnlichen Bahnen, um auch dazu noch mal Bezug zu nehmen.
 
vor drei Jahren hatten wir hier die Diskussion über verdreht montierte Knäufe und inzwischen scheint es sich zu verfestigen, dass dies ergonomisch Gründe hatte. Ich habe auch zwei einhändige Schwerter, bei denen das Holz des Griffes nicht perfekt oval ist und beim ersten hatte ich mich zunächst geärgert, dass eine hoherpreisige Replik nicht gründlich geschliffen wurde, wie ich es bei dem Preis erwartet habe. - nach Benutzung hab ich aber festgestellt, dass diese flache Stelle als Daumenauflage genutzt, eine sehr präzise Klingenführung ermöglicht... Also wären das jetzt zwei kaum sichtbare optische "Mängel", die das Handling enorm verbessern - wir brauche also Repliken, die auch nicht optisch perfekt gearbeitet sind, um in Praxistests herauszufinden, welcher praktische Nutzen dahinterstrckt...
 
Auch wenn damals alles Handarbeit war, gibt es einige Stücke, die wirklich perfekt aussehen. Momentan arbeite ich gerade an ein paar Armreifen als Hacksilber und schaue mir deswegen natürlich auch die Originale genau an. Da sind einige dabei, wo die Stempel derart akkurat und präzise gesetzt sind, dass es wie eine heutige industrielle Fertigung ausschaut. Und wieder andere sehen eher aus wie meine - jeder Stempel leicht krumm und schief ;-) Bei vielen handgefertigten Dingen habe ich schon oft Kommentare bekommen wie 'na das hättest Du aber noch etwas sauberer polieren können, da sieht man ja noch die Werkzeugspuren...' Ja, sieht man. Genau wie bei vielen Originalen. So what? Sind halt Gebrauchsgegenstände, und nicht für die Vitrine. Und es sind Gegenstände von durchschnittlichen Menschen, die solche Dinge eben gebrauchen wollten, und nicht nur damit protzen. Wie Schnazel schon schreibt, ist der perfekte und makellose Look mit enorm viel Handarbeit verbunden gewesen. Das hat man damals auch bezahlen müssen und dementsprechend auch wollen müssen. Deswegen hängt es immer auch vom Stand des Eigentümers und vom Verwendungszweck des jeweiligen Stücks ab, wie perfekt es rekonstruiert wird. Eine makellose Gürtelschnalle für einen einfachen Bürger finde ich persönlich unglaubwürdig rekonstruiert. Ein edles Zeremonialschwert für einen König hingegen 'darf' schon deutlich perfekter sein.
 
Tod's Workshop schrieb:
[...] If it looks good from 3 or 4 meters away then you have done your job as a swordsmith. [...]
Da widerspreche ich, denn genau das ist ja der Unterschied zu heute.
Panzerreiter schrieb:
[...] if it properly kills the enemy then you have done your job as a swordsmith.
Die Prioritäten dürften schlicht verschieden sein, zumindest wenn es um Waffen und Rüstungen geht. Heute will der Kunde in erster Linie mit dem Zeug protzen und nicht kämpfen. Wenn im Original eine Scharte war, dann wurde sie halt ausgewetzt. Und danach wieder feste druff. Wenn heute eine Scharte in der Replik wäre, bräche der Besitzer wohl nervlich zusammen. Zuerst kam damals wohl die Effektivität, dann erst die Optik. Das zieht sich aber auch durch bis in moderne Zeiten. Die Russen warfen im 2. Weltkrieg Panzer an die Front, die wären selbst in Kriegszeiten nicht mal ansatzweise durch die Qualitätskontrolle ihrer deutschen Gegener gekommen. Die deutschen Panzer waren viel sauberer und sorgfältiger gearbeitet - ganz abgesehen davon, dass sie einfach in der Regel besser aussahen (meine persönliche Meinung). Und jetzt die entscheidende Frage: Wer hat den Krieg am Ende gewonnen? Perfekt gegen gut genug geht halt tendentiell eher zugunsten von gut genug aus. Was also Waffen und Rüstungen betrifft ist der Unterschied zwischen Replik und Original meist klar: Die Replik ist um Längen besser als das Original, weil dem jeweiligen Käufer schlicht andere Dinge wirklich wichtig sind. Wie dieser Tod schon sagt: Das originale Original wäre heute nahezu unverkäuflich. Gehen wir aber mal weg von reinen Gebrauchsgegenständen hin zu reinen Repräsentationsgegenständen, dann wird die Argumentation nicht mehr so einfach. Denn auch Prunk und Protz, selbst königlicher, war bei näherer Betrachtung auffallend krude gearbeitet.
Weltliche_Schatzkammer_Wien_(169)pano2.jpg
Quelle: Wikimedia, gemeinfrei Man sehe sich die teils extrem asymmetrischen Steine/Perlen (gut, das kann an der damaligen Verfügbarkeit bzw den fehlenden Schliffmöglichkeiten liegen, aber dann hätte ich als Hersteller doch wenigstens möglichst gleich geformte ausgewählt), ihre ebenfalls deutlich asymmetrische Anordnung (gut sichtbar oben im Kreuz), die krummen Linien der Perldrähte und die verbogenen Platten an. Heute würde man das wahrscheinlich bestenfalls als LARP-Staffage ansehen. Das reine Argument des Function-over-Design scheint also nicht auszureichen. Manche Dinge sind offenbar einfach besser, manche sind kruder gearbeitet, selbst Dinge, bei denen der reine Zierwert im Vordergrund stand und die definitiv nicht aus einer dahergelaufenen Hinterhofwerkstatt gekommen sein müssen. Nun erinnere ich mich an eine Begebenheit aus meiner Studienzeit: Der Kunstprofessor, ein für einen Kunstprofessor erstaunlich junger Herr mit einem Hang zu moderner Kunst und Land Art, führte uns durch das GNM in Nürnberg; in der Abteilung mit den großen alten Ölschinken zeigte er uns zwei nebeneinander hängende alte Bilder und bat uns, sie zu vergleichen. Das eine war nahezu perfekt gemalt, ein alter Dürer, das andere war deutlich kruder gemalt, an den Künstler erinnere ich mich nicht mehr. Ich hielt mich vornehm zurück, weil meine oft lästerlichen Analysen nicht bei jedem Prof gut ankamen, aber das restliche Auditorium verrenkte sich geradezu, das suboptimale Werk schönzureden. "Der Künstler wollte damit erreichen, dass..." oder "Der Pinselstrich schafft eine gerwisse Spannung beim Betrachter..." und noch vieles mehr. Der Prof hörte es sich alles lächelnd an und meinte am Schluss: "Machen Sie sich nichts vor, der hatte es halt schlicht nicht drauf. Das hängt nicht hier, weil's gut ist, sondern weil's alt ist." Es gab auch damals Ausnahmekünstler und welche, die halt irgendwie ihr Geld damit verdienten. An den technischen Möglichkeiten allein kann es nicht liegen. Die Reichskrone stammt aus dem 10. Jahrhundert. Etwa 1.300 Jahre älter ist das hier:
Pektoral111.JPG
Quelle: Wikimedia, gemeinfrei Es ist das Brustschild eines skytischen Fürsten aus dem 4. Jhdt v. Chr. Da können die Macher der Reichskleinodien einpacken.
 
Danke für die Beiträge bisher, da gehe ich voll mit. Da ich ja auch noch andere historische Hobbies habe, begleiten mich solche Fachsimpeleien seit langer Zeit. Und ja mir gefällt das. Nichts ist spannender als hinter alte Fertigungsgeheimnisse zu kommen. Es ist mühselig, nervig und stressig die nötigen Materialien zusammenzusuchen, aber man freut sich wenn alles wächst und ein schönes Ergebnis herauskommt.
Viele originale Harnische haben Asymmetrien, die einen organischen Eindruck ergeben...
Die wurden auf Mass gefertigt. Und jeder menschliche Körper ist asymmetrisch. Insofern ist das bei den Harnischen ein Qualitätsmerkmal. (Wie das gemacht wurde ist sehr gut bei Soyener/ Mondfeld: Der Meister des siebten Siegels beschrieben.)
 
Heute fiel mir bei der Recherche zu einem Schwertprojekt mal wieder auf, wie "asymmetrisch" selbst die Blankwaffen höher gestellter Persönlichkeiten umgesetzt und verarbeitet waren. Aus der Distanz von ein paar Metern fällt es einem fast nicht auf, aber von nahem betrachtet ist es schon eindrücklich wie "schief, krumm und ungleichmässig" das ganze Schwert gearbeitet ist. Wunderschön! :love: Typ XVIII .jpg (Bildquelle: pinterest)
 

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Auch findet man immer wieder sehr sehr grob gearbeitete Ausführungen, wenn man an Stellen vom Stück blickt, die verdeckt oder schwer einsehbar sind. Z.b. die Rückseite von Schwertscheiden, mögen sie auch auf der Frontseite aufwendig gearbeitet sein.
Interesant finde ich den Aspekt auch bei Kleidung,denn wir - Menschen des 21.Jahrhunderts - sind es in der BRD gewohnt Kleidung zu tragen,die "vollständig","in Ordnung" ist,wenn die Hose ein Loch hat -- bei rumtobenden Kindern kann das schnell mal passieren - wird eben eine neue Hose gekauft...bei KIK und Co. für 10 Euro oder drunter. Noch bei der Generation unserer Eltern war es normal,dass die Hose des Kindes geflickt wurde,ebenso wurden Schuhe erstmal zum Schuster gebracht und erst wenn sie absolut nicht mehr getragen werden konnten,aussortiert.
 
Wie Schnazel schon schreibt, ist der perfekte und makellose Look mit enorm viel Handarbeit verbunden gewesen. Das hat man damals auch bezahlen müssen und dementsprechend auch wollen müssen.
Deswegen wundere ich mich auf einigen Mittelaltermärkten auch immer wieder,wenn dort Ritter(darsteller) ihr blankpoliertes Schwert am Gurt hängen haben. oder noch besser: im "Schwertständer" vor (!) dem Zelt! Wenn überhaupt Zelt,dann hatte ein Ritter das Schwert im (!) Zelt verwahrt,wenn er es nicht "am Mann" trug. Und ein Schwert war wie ein Schild auch ein Gebrauchs(!)gegenstand. Auf einem ziemlich guten Wikinger-und Slawenmarkt habe ich "Wikis" mit Schildern (schaukampftauglich) gesehen,die Schilder waren durch Schwert- und Axttreffer eingefranst,eingebeult aber eines nicht:glattpoliert.
 
Die Frage, die sich einem bezüglich der Asymmetrie stellt ist, ob das schon so im Neuzustand war oder ob nicht der Schwertfeger oder Besitzer Scharen ausgebessert hat. Wer ein Schwert besitzt und damit umgehen können muss, wird in irgendeiner Form auch damit trainiert haben. Selbst wenn man einen hölzernen Palus bearbeitet, wird eine Schneidkante leiden und bei Partnerübungen erst recht... Es könnte auch daran liegen, dass ein Schwert für eine höhergestellte Persönlichkeit auch ein kurzfristig besorgtes Geschenk gewesen sein könnte, bei dem die Handwerker einen gewissen Zeitdruck hatten und nicht so sorgfältig arbeiten konnten, wie sie es eigentlich bei normalen Aufträgen hätten tun können.
 
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Es könnte auch daran liegen, dass ein Schwert für eine höhergestellte Persönlichkeit auch ein kurzfristig besorgtes Geschenk gewesen sein könnte, bei dem die Handwerker einen gewissen Zeitdruck hatten und nicht so sorgfältig arbeiten konnten, wie sie es eigentlich bei normalen Aufträgen hätten tun können.
Oder der Handwerker hat es einfach mangels Fachkenntnis nicht besser machen können. Alternativ könnte es auch ein missglückte Produktion sein. Nach dem Motto "Besser als nichts". :D Wenn ich einen Nachbau mache, halte ich mich an "Möglichst nah dran, aber nicht perfekt" Da erstens, nicht alle Materialien, die man damals verwendet hatte, heute zu erhalten bzw. sehr schwer zu besorgen sind. Zweitens, die Verarbeitungstechniken nicht so geläufig sind und deshalb etwas nicht so perfekt wie das Original gearbeitet ist.
 
Oder es hat die Leute damals einfach nicht groß gejuckt, wenn die Dinge nicht industriell-gleichmäßig perfekt waren. Bestes Beispiel aus 'meiner' Zeit - Seidenbesätze, die ohne jegliche Rücksicht auf deren Muster zerschnippelt und dann aufgenäht wurden. Egal ob's bescheuert aussieht, Hauptsache Seide ;-) Scheint definitiv zu manchen Zeiten ein anderes Ästhetikempfinden gegeben zu haben als unseres heute.
 
Oder es hat die Leute damals einfach nicht groß gejuckt, wenn die Dinge nicht industriell-gleichmäßig perfekt waren. Bestes Beispiel aus 'meiner' Zeit - Seidenbesätze, die ohne jegliche Rücksicht auf deren Muster zerschnippelt und dann aufgenäht wurden. Egal ob's bescheuert aussieht, Hauptsache Seide ;-) Scheint definitiv zu manchen Zeiten ein anderes Ästhetikempfinden gegeben zu haben als unseres heute.
Ich bin diesbezüglich absolut der gleichen Meinung. :thumbup:
 
Na, mit "egal ob's bescheuert aussieht, Hauptsache teuer" sind wir doch heutzutage in weiten Kreisen der Gesellschaft nicht anders, oder?
 
@Panzerreiter - So betrachtet hast Du eigentlich völlig recht. Ich korrigiere mich selbst: die Menschheit war (in mancher Hinsicht) ziemlich blöd, ist heute immer noch blöd, und wird auch immer blöd bleiben ;-)
 
Nehmen wir mal an, dass Peter Johnson mit seinen Überlegungen zum Schwertdesign Recht hat, würde ich schon sagen, dass das Bestreben etwas perfekt zu machen durchaus gegeben hat. Was zu bedenken ist, ist wer aus welchem Grund etwas in Auftrag gegeben hat. Ich glaube es was die Stadordnung vom Nürnberg um 1367, in der stand, dass ein Mann der heiraten möchte ein Schwert besitzen muss, ohne dass dessen Eigenschaften näher beschrieben sind - da wird man auch eher mal schnell irgendwas unperfektes gekauft haben, was der Geldbeutel so erlaubt, wenn Mann kein hohes Einkommen hatte. Jemand, der seinen Wohlstand den Mitmenschen unter die Nase reiben wollte, wird schon geschaut haben, wovon sich seine Mitmenschen beeindrucken lassen - also entweder teure Materialien irgendwie verarbeiten lässt, in vielen aufwendigen Arbeitsschritten herzustellen sind oder beides zusammen... Und dann noch die Frage, ist es für die Funktion nötig oder vorteilhaft? Bei Reproduktionen der Blankwaffe ist also wie bei allen anderen Dingen zu überlegen, wer hatte das aus welchem Grund von wem und weshalb wurde es wozu genutzt? Darüber hinaus würde ich schauen, ob es zur allgemeinen Formensprache der zeitgenössischen Kunst passt... :eek:ff1 Was mir nur immer wieder auffällt ist, dass Blankwaffen, die zum Marktgedängel genutzt werden sehr oft nicht der Oakeshott-Typologie für den Darstellungszeitraum entsprechen - ganz zu schweigen die chronische Nichtbenutzung von Schwertscheiden auf Durchschnittsmärkten - aber das ist wieder ein Thema für sich... :back
 
Die Frage ist sicherlich auch irgendwo jene der Notwendigkeit. Bei Radschlosspistolen (auch höherwertigen) sind z.B. die Laufunterseiten oftmals nur grob gesäubert, nicht befeilt, geschweige denn poliert, weil die Seite eh vom Schaft verdeckt wird. Bei Kunstwerken in Kirchen ist es oft ähnlich, nicht selten ist alles gerade so gearbeitet, dass die Schauseite gut aussieht. In Diözesanmuseum in Osnabrück gibt es eine auf Entfernung sehr repräsentativ gearbeitete Truhe für Reliquien, bei der die Beschläge von nahmen die letzte Flickschusterei sind (keine Reparaturen, sondern von Anfang an so) - was aber egal ist, wenn die Kiste nur auf Distanz gesehen wird (und genau das ist beim Altarraum ja gegeben). Die Liste ließe sich noch fortführen, ich kenne z.B. eine eigentlich recht aufwändig gemachte Truhe aus dem 15. Jhd., da ist an einer Ecke ein umgearbeitetes Hufeisen auf dem Deckel zwischen die Beschläge gequetscht worden, weil ein Beschlagband zu kurz war (auch das wohl keine spätere Reparatur). Bei Allltagsgegenständen eigentlich noch schlimmer (der bekannte Schürhaken aus Schleswig ist da ein gutes Beispiel, die Torsion da ist ja auch sehr... eigenwillig. ;-) (Was aber natürlich dennoch keine Begründung für irgendwelche unsauberen, nicht mal entzunderten Schmiedereien o.ä. sein soll ;-) ). Letztens lag mir ein sehr gut punziertes Gürtelfragment vor (wohl frühes 15. Jhd.), bei dem die Beschläge dann aber ziemlich schräg, unsauber und teils die Punzierung verdeckend "draufgequetscht" wurden (es sah so aus als wäre der Handwerker betrunken gewesen). Und das lässt sich endlos fortführen. All diese Dinge sind aber idR. nicht mit Einbußen bei der Qualität (außer der optischen) verbunden und lassen sich wohl am ehesten mit Preis- und Zeitersparnis -und dem auch heute nicht gerade unbekannten Maß an Pfusch? :p - erklären (vielleicht war das Empfinden bei solchen Dingen mangels industrieller Massenproduktion auf CNC und Co. auch anders?). Im Vergleich mit originalen Stücken fällt jedenfalls sehr oft auf, dass Repliken aus diversen Bereichen (nicht nur Waffen, auch besonders Keramik usw.) zu "klinisch" sind. Daher ist das Thema für die Darstellung auf jeden Fall ein wichtiger Ansatz.
 
Die Frage ist sicherlich auch irgendwo jene der Notwendigkeit. Bei Radschlosspistolen (auch höherwertigen) sind z.B. die Laufunterseiten oftmals nur grob gesäubert, nicht befeilt, geschweige denn poliert, weil die Seite eh vom Schaft verdeckt wird. Bei Kunstwerken in Kirchen ist es oft ähnlich, nicht selten ist alles gerade so gearbeitet, dass die Schauseite gut aussieht. In Diözesanmuseum in Osnabrück gibt es eine auf Entfernung sehr repräsentativ gearbeitete Truhe für Reliquien, bei der die Beschläge von nahmen die letzte Flickschusterei sind (keine Reparaturen, sondern von Anfang an so) - was aber egal ist, wenn die Kiste nur auf Distanz gesehen wird (und genau das ist beim Altarraum ja gegeben). Die Liste ließe sich noch fortführen, ich kenne z.B. eine eigentlich recht aufwändig gemachte Truhe aus dem 15. Jhd., da ist an einer Ecke ein umgearbeitetes Hufeisen auf dem Deckel zwischen die Beschläge gequetscht worden, weil ein Beschlagband zu kurz war (auch das wohl keine spätere Reparatur). Bei Allltagsgegenständen eigentlich noch schlimmer (der bekannte Schürhaken aus Schleswig ist da ein gutes Beispiel, die Torsion da ist ja auch sehr... eigenwillig. ;-) (Was aber natürlich dennoch keine Begründung für irgendwelche unsauberen, nicht mal entzunderten Schmiedereien o.ä. sein soll ;-) ). Letztens lag mir ein sehr gut punziertes Gürtelfragment vor (wohl frühes 15. Jhd.), bei dem die Beschläge dann aber ziemlich schräg, unsauber und teils die Punzierung verdeckend "draufgequetscht" wurden (es sah so aus als wäre der Handwerker betrunken gewesen). Und das lässt sich endlos fortführen. All diese Dinge sind aber idR. nicht mit Einbußen bei der Qualität (außer der optischen) verbunden und lassen sich wohl am ehesten mit Preis- und Zeitersparnis -und dem auch heute nicht gerade unbekannten Maß an Pfusch? :p - erklären (vielleicht war das Empfinden bei solchen Dingen mangels industrieller Massenproduktion auf CNC und Co. auch anders?). Im Vergleich mit originalen Stücken fällt jedenfalls sehr oft auf, dass Repliken aus diversen Bereichen (nicht nur Waffen, auch besonders Keramik usw.) zu "klinisch" sind. Daher ist das Thema für die Darstellung auf jeden Fall ein wichtiger Ansatz.
Dito, keine meine Rede. Habe dafür in der Vergangenheit oft Gegenwind bekommen, aber ist absolut mein Eindruck. Bei der Herstellung meiner Sachen möchte ich das auch immer gern einfangen, also eine organische Anmutung. Das gelingt mir meist dann, wenn ich nicht zu sehr drüber nachdenke und relativ schnell arbeite. Dann wird alles leicht unregelmäßig. Außerdem wenn mal ein Stück Leder nicht passt beispielsweise oder ebenso beim Stoff, ja dann wird da halt ein Flicken eingesetzt bevor ich eine neue Haut besorge. Wenn man dann die Sachen auch mal richtig nutzt, sie nicht mit Samthanschuhen anfasst und auch mal repariert (Mottenlöcher an der Kleidung, mal ne Scharte im Schwert, ne Delle in der Rüstung) finde ich das ganze Ensemble gleich viel glaubhafter und lebendiger als nach modernen Standard gefertigte Vitrinenstücke.
 
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Man sollte auch bedenken, das damals das Material teuer war als Arbeitszeit. Und bevor das gute Stück ausgesondert wurde, hat man es wohl so belassen oder umgearbeitet.
 

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