Bajuwaren

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Da stimme ich Panzerreiter zu. Ich möchte mal zu meinen Recherchen und zu dem Gürtelgehänge Bajuwarischer Frauen nur noch dies anhängen : Ich denke , daß die Dinge am Gehänge im Alltag folgende Funktionen hatten : 1. waren da Gebrauchsgegenstände befestigt. Ich möchte hier darauf hinweisen, daß die Gehänge zum Großteil mit Schnallen am Gürtel befestigt waren und sowas macht man nur, wenn man das Gehänge, z. B. bei der Arbeit , ablegen will. Wie eine Schere, eine kleine Tasche mit Inhalt, z. B. Nadeldose und Nadeln, wie z. B. ein kleines Messer in der Tasche. Diese Dinge braucht man nicht immer. Es macht keinen Sinn, da auf Symbolik hinzuweisen : im Grab muß ich nix abhängen -- da können Gegenstände einfach aufgelegt werden. 2. waren am Gürtelgehänge auch Symbole befestigt : es gab viele Funde von Amuletten, durchbohrten Bärenklauen, eben das besagte Kettengeflecht ( ich habe die Theorie, daß es sich hier um eine Art Schutz ? handelt ) oder aber auch die Kaurimuschel ( die junge Frauen trugen, um leichte Geburten zu haben ) 3. zeigte das Gürtelgehänge, wie wohlhabend eine Frau war. Besonders die vielen Glasperlen in den verschiedenen Gräbern waren sicher auch damals nicht billig. Es fanden sich Millifiorieperlen, einfache Glasperlen, aber die meisten waren mit Achternmuter und Augen, Bernsteinperlen und Meerschaumperlen ( Handelsware ) In den Straubinger Gäbern ( die nicht gestört waren) , fand man wirklich viele wohlhabende Menschen--keine Fürsten wie in Unterhaching, aber gut ernährte Menschen mit gutem Auskommen. Das liegt aber auch an der Beschaffenheit des Gäubodens, in dem Straubing zu finden ist. Ausserdem hatten die Römer ja schon ihr übriges getan und den Boden kultiviert. Nach den Funden zu schließen , war ein reger Handel mit Byzanz und den Gebieten an der Nord - und Ostsee 4. gehörte das ganze Gürtelgehänge zur Tracht. Und in der Tracht wird man auch heute, mancherorts, begraben Ich finde den Dialog mit Euch sehr spannend --- ich liebe es, in der Tiefe zu recherchieren.
 
Naja, nachdem die Person im Grab in naher Zukunft keine Verwendung mehr für Haushaltskram oder sonstige Dinge des täglichen Bedarfs haben dürfte, kann man so ziemlich alles, was da mit drin liegt, per se als Symbol interpretieren.
Aber das hängt jetzt von den Jenseitsvorstellungen ab, oder? - Wenn man von einer ganz naiven Annahme ausgeht ("drüben" läuft's genauso weiter wie hier, und alles, was ich der Oma mit ins Grab gebe, hat sie im Jenseits zur Verfügung), dann könnte man dein Beispiel von oben aufgreifen: Oma hat die Kettengeflechtfetzen tatsächlich ganz praktisch zum Töpfereinigen verwendet, und weil sie drüben auch Töpfe wird reinigen müssen, kriegt sie ihr Handwerkszeug mit.
Wenn ich nun die Logik erweitere und definiere Symbol = Kult, dann habe ich das begrifflich so festgelegt, dann ist das alles einfach eine Frage der Definition.
"Symbol" könnte aber auch etwas Anderes als Kult bedeuten, ja? Also, von mir aus politisch oder sozial (nur Frauen einer bestimmten Gruppe dürfen solche Kettenhemdfetzen tragen, weil... was weiß ich, der Göttergatte einen höheren Rang im Heer hat oder weil sie verheiratet sind und darum rangmäßig höher stehen als unverheiratete)? Sowas fände ich eigentlich naheliegender, als bei allen unerklärlichen Gegenstanden von einem religiösen Charakter auszugehen. Ich meine, Beerdigungen gerade von vornehmen Damen waren doch sicher auch repräsentative Ereignisse. Da kommt die ganze Verwandtschaft zusammen (Hochzeiten, Kindstaufen und Beerdigungen - ist doch heute noch so :D ), und da muß man noch mal zeigen, was man hat(te) ...
 
Fazit : wir können halt alle nur vermuten. Ist ja leider nichts schriftlich überliefert und wenn wir z. B. die Berichte von Tacitus über die " Germanen " anschauen, wissen wir, daß selbst hier viel weggestrichen werden muß. Ich denke halt so : da sind einerseits die Funde, andererseits die Auslegungungen der Studierten und andererseits wir, die wir uns Gedanken machen und die Logik mit einfließen lassen. Und aus Erfahrungen Schlüsse ziehen können. 2. Fazit : vielleicht finden wir ja mal was -- eine Doktorarbeit oder ähnliches über die Ringpanzergeflechte. Das wär schön und wir wären wieder ein Stückchen weiter. PS @ Perchta : ich hab zwar der Ausführung von Panzerreiter zugestimmt, aber nicht der Theorie des Töpfereinigens. Hab ich eher als symbolischen Scherz von ihm angesehen. Ich war wieder vor Begeisterung zu überschnell :D
 
Ich finde den Dialog mit Euch sehr spannend --- ich liebe es, in der Tiefe zu recherchieren.
Wir recherchieren im Augenblick nicht, wir fabulieren ;) Wir arbeiten gerade mit so vielen Konjunktiven (könnte, hätte, würde eventuell...), dass das zwar interessant, aber eben ob der mangelnden Beweisbarkeit alles andere als wissenschaftlich seriös ist. Das kann allerdings auch recht kurzweilig sein.
[...] Theorie des Töpfereinigens. Hab ich eher als symbolischen Scherz von ihm angesehen.
Teils, teils. Es war beispielhaft für unzählige denkbare profane Zwecke, auf die wir heute kaum noch kommen würden. Wobei ich anmerken möchte, dass das tatsächlich funktioniert, besonders bei rostigen Töpfen, die man wieder blank bekommen will. Also ein für einen Scherz zu reales Beispiel.
Aber das hängt jetzt von den Jenseitsvorstellungen ab, oder? - Wenn man von einer ganz naiven Annahme ausgeht ("drüben" läuft's genauso weiter wie hier,[...]
Das ist wahr. Wenn ich allerdings davon ausgehe, dass jemand davon ausgeht, dass das Leben im Jenseits genauso weitergeht wie im Diesseits, und er einem Verstorbenen deshalb Dinge des täglichen Gebrauchs mitgeben muss, dann heißt das, dass man davon ausgeht, das es im Jenseits offenbar nur die Dinge gibt, die ich mitgebe, sonst bräuchte ich sie ja nicht mitgeben. Dann aber müsste ich in Sachen Grabbeigaben ganz andere Brötchen backen umd mehr oder weniger den ganzen Hausrat mitgeben. Was nützt der Dame ein Topf und ein Topflappen, wenn ich Dödel vergessen habe, den Kochlöffel mitzugeben... Sobald die Hinterbliebenen also nur punktuell, exemplarisch, auszugsweise oder wie auch immer ich das jetzt nenne, Dinge des alltäglichen Gebrauchs mitgeben, und das ist ja in der Realität der Fall, muss ich das als eher symbolisch ansehen. Könnt Ihr meinen etwas verdrehten Gedankengängen folgen? ?(
"Symbol" könnte aber auch etwas Anderes als Kult bedeuten, ja? Also, von mir aus politisch oder sozial ff.
Natürlich. Du hast den Begriff nun anders definiert, in einem weiteren Sinne. Das ist es, was ich damit sagen will: wenn jemand, z.B. ein Archäologe und Autor, einen Begriff verwendet, z.B. "Symbol/symbolisch", dann möchte ich wissen, wie diese Person den Begriff definiert, bevor ich ihn in seinem Kontext interpretiere. Sonst redet man aneinander vorbei und vermeint womöglich, etwas herauszulesesn, was so gar nicht gesagt werden wollte.
 
Da ich gerade auf diesen Thread gestoßen bin und vieleicht etwas Licht ins Dunkle bringen kann, schubs ich mal :) Bei den von Astrid beschriebenen Ringteilen kann es sich sehr wohl um Gürtelgehänge handeln. Ab Anfang 7. Jahrhundert wandelten sich die urspünglich ledernen Gürtelgehänge der Frauen im Merowingerreich zu mehrsträngigen Kettengehängen, an welche Amulette, eine Bronzescheibe, Muscheln und Bergkristall, aber auch Gebrauchsgegenstände wie Schere, Pinzette und Ledertäschchen gehängt wurden. Ein sehr schönes Exemplar dieser metallenen Gehänge ist im Römischen Museum Augsburg ausgestellt. Die in Astrids Posting Nr. 20 gemachten Annahmen, stimmen mit den aktuellen Annahmen der Forscher überein, auch hier als Quellen z. B. Reiner Christlein oder der Ausstellungskatalog der Frankenausstellung Betr. der Amulette, welche an diese Gürtelgehänge befestigt wurden, herrscht die Annahme, dass mit höherem Alter der Frau die Anzahl der getragenen Amulette weniger wurde. Dieser Schluss wurde auf Grund von Vergleichsstudien bei Grabfunden unter Berücksichtigung der Knochenfunde und der dadurch festgestellten Lebensalter der Begrabenen gezogen. Z.B. junge Frauen im damals typischen Gebähralter hatten bedeutend mehr Amulette zwischen Hüftknochen und Knie liegen als Frauenfunde aus der sogenannten Mature-Phase (30 - 40J.) Auch hier handelt es sich wieder um eine Eigentümlichkeit, die sich fast durch das ganze ostgotische Merowingerreich zog.
 
Ich denke wir müssen klar zwischen einzelnen Ringen, Kettenstücken und Kettengeflecht unterscheiden. Einzelne Ringe am Gehänge oder kurze Kettenstücke können auch aus der Befestigung von Amuletten etc. an dem Gehänge stammen. Besonders bei Ostgermanen, zu denen die Bajuvaren zählen, waren auch bei ledernen oder textilen Gehängen die angehängten Gegenstände (Amulette, Perlen, Alltagsutensilien) über kurze Beiketten oder einzelne Ringe befestigt. Diese Sitte drang von Osten her recht weit in den Alamannischen Raum vor. Kettengehänge sind mir im Moment nur aus dem Augsburger Raum (Kirchheim unter Teck) bekannt. Kettengeflecht-Stücke am Gehänge wurden im gesamten östlichen Merowingerreich gefunden, und stellen wohl einen Schutzzauber dar. Zumindest fällt es mir schwer, bei den Funden an eine Frühe Variante des Stahlwollschwämmchens zu glauben. @Marlene: absolut d'acor, was die Amulettzahl angeht. Bis etwa Mitte des 6. Jhd (wenn ich mich recht entsinne) waren zudem bei Frauen im gebärfähigen Alter zwei Gehänge (Mittengehänge mit vielen Amutellen und Seitengehänge mit Alltagsgegenständen, Amuletten und etwas Schmuck) üblich. Weiß jemand, ob die Kettengeflechte dem Mitten- oder Seitengehänge zugeordnet waren?
 
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Bei den von Astrid beschriebenen Ringteilen kann es sich sehr wohl um Gürtelgehänge handeln.
Also das was Astrid da so mühevoll abgezeichnet hat sieht bis auf 248 nicht aus wie die metallenen Gürtelgehänge die ich aus dem bsp. dem Gräberfeld "Salzburghofen" (bajuwarisch) oder aus der Alamannia (Museum Ellwangen) kenne.
Ich denke wir müssen klar zwischen einzelnen Ringen, Kettenstücken und Kettengeflecht unterscheiden.
Ja das sehe ich auch so. Der Archäologe hieß Rainer Christlein. Soviel Zeit muss sein. :bye01
 
Darum schrieb ich ja auch: kann sein und nicht ist ;)
Grab 66 / junge Frau / neben linkem Oberschenkel /Ring dm 14 mm / Gew. 21 gr
Auch bei dieser Zeichnung ist von der Positionierung her sehr wohl die Möglichkeit der Darstellung eines Gliederteiles von unvollständigen Kettengehängen.
 
Bei Grab 66 Straubing würde ich eher vermuten das Ring ( 8 ) mit DM 48mm (tragender) Teil des Gehänges ist, während der Ring (den du meinst) zusammen mit dem Rest des Panzergeflechtes ( 9 ) in einem Täschchen mitgetragen wurde. Ich habe hier den kompletten Grabungsbericht vorliegen. Diskutiert man über den Sinn eines bestimmten Trachtenbestandteils oder Amuletts sollte man meiner Meinung nach den kompletten Fundkomplex betrachten.
 
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Da stimm ich dir zu Alsuna, schön, dass du diese Infos zu Grab 66 hier weitergibst. Da bis anhin in diesem Thread "nur" die rudimentären Angaben zu den Funden und Zeichnungen von Astrid vorhanden waren, bleibt wohl für die meisten Mitdiskutierenden nichts anderes übrig als sich auf Grund dieser Angaben mitzuteilen. Es sei denn, man ist an der bajuwarischen Kultur interessiert, dann sollte man natürlich, wie du schon angemerkt hast, den ganzen Fundkomplex zu Hand haben oder wenigstens genauer kennen. :) Nun, da wir uns mit der alamannischen Kultur beschäftigen, wirst du mir sicherlich nachsehen, wenn ich momentan nicht auch noch diesen Grabfundbericht in unserem Bücherregal stehen habe. Aber du als Bajuwarin kannst ja jetzt vieleicht Licht ins Dunkle bringen 8o
 
Astrid hat zu dieser Grundfrage in einem anderen Forum gerade neue Erkenntnisse gepostet. Hier für die Interessierten ein kleiner, relevanter Auszug davon:
Ich hab mich immer gefragt, was das sein sollte. Nun waren wir im Bajuwarenmuseum in Waging. Auch da findet man die Ringpanzergeflechte an den Gehängen der Frauen. Die Erklärung des Museums dazu : Die Geflechte dienten als Amulette. der Mann war durch sein Kettenhemd geschützt, die Frau trug ein Stückchen davon an ihrem Gehänge, um ebenfalls geschützt zu sein.
Jetzt wissen wir alle ein Bisschen mehr, dank dir auch an dieser Stelle Astrid :D
 

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