Quelle oder nicht Quelle, das ist hier die Frage oder auch "Woher kommt dein Wissen"

This site may earn a commission from merchant affiliate links, including eBay, Amazon, and others.

user8125

Well-known member
Registriert
30. Dez. 2014
Beiträge
1.237
Reaktionspunkte
439
Nun liebe Mitleserschaft, hier einmal die Ausganglage in stark verkürzter Form
bla bla bla..... mein Beitrag aus "Für was wurde ein Sax verwendet" Warum ich dir das trotzdem Abnehme - Ich sag`s dir - weil ich mir ein Bild aus deinen Aussagen mache, dieses mir schlüssig vorkommen und ich dir das somit abnehmen möchte. Würde ich dir oder jeden anderen hier nichts fachbezogen nichts mehr glauben wollen, ja dann unterhalte ich mich nur noch über Banalitäten und das Wetter. Möchte ich aber nicht, aber nun gut, so langsam füllt sich die Seite und ich sollte zum Ende kommen. Mein Finalgedanken in dieser Sache nach deiner Devise müsste also sein: alles Hinterfragen, nichts glauben, alles anzweifeln, weil woher wissen den die anderen das schon Resultat: ich kaufe keine Bücher und befrage hier auch keinen mehr um seinen Rat, weil s.o. woher soll die/der das denn bitte schön wissen. Ich gebe zu, die Aussage ist extremst reduziert und mag bei vielen Kopfschütteln hervorrufen, aber im Großen und Ganzen finde ich triffst doch des puddels kern. oder !?!?!? nun, das ist mir mal eine neue Diskussion wert. Wir sehen uns da ^^
Da ich so langsam dabei bin mein nicht vorhandenes Vermögen in Papier gebundene Wertanlagen umzuwandeln (nein nein - keine Aktien, es handelt sich dabei tatsächlich um anachronistisches Geschreibsel namentlich Bücher genannt :rolleyes: ) und auch anderweitig Versuche - ja auch hier :whistling: - meine mannigfach vorhandenen Wissenslücken rudimentär zu stopfen, ich jedoch auch zunehmend verunsichert bin was die Wahrhaftigkeit meines Unterfangens betrifft, was des Weiteren auch die Ernsthaftigkeit meiner Bemühungen in Frage stellt, möchte ich einfach mal in die versammelte Runde fragen: Was glaubst du von dem was du so liest, und wieso das andere eigentlich nicht :?: Ne mal im Ernst, da ich in der Schule in Geschichte nicht aufgepasst habe, bzw. dieses (MA) Thema so in Gänze gar nicht im Detail gelehrt wurde, ist für mich als "noch Neueinsteiger" vieles von dem was ich so lese und aufschnappe "Neues Wissen". Aus der o.a. Diskussion sowie anderen Wortmeldungen erweckt sich mir jedoch der Eindruck, ACHTUNG - vieles anzweifelbar - nichts genaues weiß der Mensch. Wenn ich nun Lektüre "vermeintlicher" Experten zu Rate ziehe, und das gelesene dennoch anzweifeln oder zumindest hinterfragen soll, wie und woher soll ich dann an "gesicherte Informationen" herankommen. Also, wie haltet ihr das, bitte um Rückmeldungen :bye01
 
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Also wenn ich etwas lese, was ich anzweifle, schaue ich wer hat es geschrieben. Bücher gibt es viele und Fachmann ist nicht gleich Fachmann. Beispiel: Es kommt vor das Archäologe XY der sich auf Provinzial Römer spezialisiert hat, plötzlich eine Paternosterschnur gefunden hat, und weil er das publizieren muss, schreibt er einen Fundbericht. Im Bericht steht dann "Rosenkranz, Siedlungsschicht 12tes Jahrhundert, Kreuz fehlt." Julchen (Name frei erfunden) zaubert seit Jahren Rosenkränze nach Fund. Hat Schriftquellen gesucht, Gemälde an geschaut, kennt Fundstücke. Julchen stutzt und denkt - Moment, im 12ten hatten die Paternosterschnüre kein Kreuz sondern Troddeln. Es macht also Sinn, auf seriöse Quellen zu achten, und diese dann noch mal gegen zu checken und Vergleichsfunde zu suchen. Ein Fund ist kein Fund, könnte man sagen.
 
Ich seh da noch ein ganz anderes Problem. I.d.R. wird ja nur 1% bis maximal 10% dessen was war auch tatsächlich gefunden, wobei so manches auch falsch von den Archeologen zugeordnet und oder interpretiert wurde. Dies weis man aus den wenigen Berichtigungen. Populäres Beispiel - wer hat nochmal Amerika entdeckt!? Seit Anfang der 60ziger Jahre WEISS man das es nicht Kolumbus war, dennoch bin ich sicher nicht der Einzige dem das Jahrzehnte später noch so und nicht anders in der Schule und den Medien gelehrt wurde.... Und es bleiben darüber hinaus ca 90% die nicht gefunden wurden - wie repräsentativ sind da eigentlich die Funde wirklich? Tja, wie auch immer, mehr haben wir bis Dato halt nicht. Ich für meinen Teil finde es sehr wichtig diese Tatsache im Hinterkopf zu behalten! schattige Grüße
 
In der Wissenschaft, wie auch in der Juristerei gibt es Mehr- und Mindermeinungen. Beispiel: die "Nippelgate" Aktion einer Archäologin, die behauptet: Ovalfibeln gehören auf Brusthöhe. Dementi einer anderen, renommierten Archäologin direkt hinterher. Welche von Beiden hat nun recht? Beide? Keine? Eine? Das heißt: Faktencheck! Wie Silvia schrieb: ein Fund ist kein Fund - :thumbup: Ich erweitere auf: ein Fund macht noch keine Regel daraus. Sich fragen: Warum? Wieso? Weshalb? Wichtig: Z(ahlen) D(aten) F(akten) --> wird in der Szene gerne mal "vergessen". Ruhig mal genauer nachfragen und nach Beweisen verlangen. Damit meine ich nicht nur den Fund "xy", sondern auch einen Buchtitel + Seitenzahl. Dann reden wir von Primär- oder Sekundärliteratur/quellen? Nicht wer hat's erfunden, sondern wer hat's geschrieben? Beispiel: die nordischen Sagenliteratur. Viele Jahre später erst verfasst. Oder hat es jemand aus dem kirchlichen Bereich aufgeschrieben. Bei moderner Sekundärliteratur: auf welche anderen Bücher bezieht der Autor/in sich? Das führt uns zur Quellenkritik. Wie werte ich die Handschrift, das Kirchenfenster, das Gemälde. Wird es historisiert? Ist es Symbolik? Ist es ein Lückenfüller? Ein für mich sehr wichtiger Grundsatz: nicht verunsichern lassen. Nur weil die (angebliche) Eminenz ABC etwas kategorisch ablehnt, heißt es nicht: "gibt es nicht". btw ... ich lehne auch manches ab, weil ich bisher keine Beweise gefunden habe. Lasse mich aber gerne weiterbilden, es sei denn ich habe Gegenbeweise :whistling: Ansonsten: hinterfrage vieles, manchmal auch alles und insbesondere die Szenemythen.
 
Dem kann ich mich vollkommen anschließen. Ich will mich mal der Frage widmen, "Was macht einen Fachmann zu einem Fachmann?" Archäologen, Historiker und weitere Wissenschaftler, widmen sich nicht selten Einzelaspekten/einer bestimmten Gruppe von Fundsachen zu und forschen z. T. ihr ganzes Arbeitsleben lang in diesem Gebiet. Dabei finde ich es teilweise unglaublich, wie kleinteilig die Forschungsarbeit im Verlauf wird bzw. welche Teilaspekte eine Rolle spielen. Immenses Wissen wird gesammelt, wovon vieles - wie @Schattenwolf bereits schrieb - Rückschlüsse sind, da es keine Funde dazu gibt oder Beschreibungen, wie und zu welcher Gelegenheit der Gegenstand verwendet wurde. Werden diese Gegenstände dann beschrieben, fehlt häufig der Gesamtzusammenhang. Bei dem Beispiel von @Silvia mit dem Paternoster: Es ist ja nicht falsch zu schreiben, dass das Kreuz fehlt. Dadurch wird klar, dass der Schreiber ein Kreuz erwartet hat. (Man geht eben erst von dem aus, was man kennt.) Falsch ist es, nicht zu ergänzen, dass das Kreuz am Paternoster erst später aufkam. - Und wie der Paternoster gebetet wurde, bleibt auch Hypothese, weil es dazu meines Wissens keine Aufzeichnungen gibt. Wir nehmen an, dass 10 x das "Ave Maria" und dann 1 x das "Pater noster" im Wechsel gebetet wurde - weil wir das heute so machen. Im Gespräch mit einer Museumskuratorin (anlässlich einer Vorführung Historischen Fechtens in ihrem Museum durch unseren Verein) äußerte sie, dass sie (die Berufsgruppe) zwar viel über Schwerter etc. wissen, aber kaum etwas über historisches Fechten. Es sei wünschenswert, miteinander in Kontakt zu kommen, um die Funde besser verstehen zu können. Bei uns ist es so, dass wir viele einzelne Dinge zusammenbringen müssen. Wir können uns zwar auch dem ein oder anderen im Detail widmen, aber nicht allem in gleicher Tiefe. Und wir müssen die Lücken der Erkenntnisse schließen - teilweise durch Erwägungen (Was erscheint uns logisch?), teilweise durch die praktische Erfahrung (Das sehe ich zwar so auf der Abbildung, aber es funktioniert im Alltag in der Anwendung nicht.) Alle gehören für mich zu den Fachleuten. - Entscheidend ist für mich, ob klar abgegrenzt wird, was "auf der Hand liegt" und was Interpretation/Annahme ist. Und um die Frage des Eingangsbeitrages aufzugreifen: Für mich sind Bücher ganz klar eine Quelle, genauso wie Mitmenschen, die mir ihr Wissen und ihre Überlegungen im Gespräch vermitteln. Dann ist es an mir, welchen Schlussfolgerungen ich folgen kann und was ich unschlüssig finde. Und bei allem bleibt: Ich weiß, dass ich nichts weiß! Ich kann weder alle Bücher lesen, noch alles behalten und schon gar nicht wissen, was zukünftig noch gefunden wird, was unter Umständen alles über den Haufen wirft. "Gesicherte Informationen" gibt es folglich so für mich nicht.
 
Auf ähnliche Probleme bin ich im Zuge meiner Zisterzienserinnen-Recherche gestoßen. Einige (also nicht nur eine) Quellen sprachen von Abt Alberich, der im 11. Jh. den weißen Zisterzienserhabit eingeführt haben soll. Alles rennomierte Wissenschaftler und Publikatoren. Warum also sehe ich auf Dutzenden von Abbildungen von Zisterziensern bis ins 14. Jh. hinein alle möglichen Schattierungen von Weiß, Grau oder Braun? Wenn man davon ausgeht, dass die Zisterzienser sich wieder auf die Benediktregel zurückbesonnen haben, dann nahmen sie alles an Wolle für ihre Kleidung, was in der Gegend billig und einfach zu haben war. Und das war nicht überall reinweiße Wolle. Wenn also Schiftquellen vorhanden sind, die aber in Richtung Vermutung gehen, gleiche ich sie - wenn vorhanden - eben mit Bildquellen ab und stelle meine eigene Vermutung an. Diese deklariere ich dann aber auch als meine eigene und nicht als Non plus ultra-Lösung! :D
 
an dieser Stelle bereits ein herzliches besten Dank für euer Feedback in dieser Sache. Ich habe mir die Antworten mehrfach durchgelesen, und stelle Fest, ja Gemeinsamkeiten sind mitunter vorhanden und ja es finden sich gute Denkansätze darunter, die ich für mich in dieser Situation verwenden kann. Ich lese ein bzw. das Patentrezept gibt es jedoch nicht bzw. wird es auch nicht geben - was ich aber auch nicht erwartet habe, da ein jeder naturgemäß eine andere Herangehensweise an den Tag legt normal ne ;) Z.Zt. bin ich bei dem was ich aus der sog. Fachwelt aufschnappe doch größtenteils (der irrigen :/ ) Annahme, gewisse "Fachliteratur" von (vermeintlich) anerkannten Größen als hinlänglich geprüft hinzunehmen. Augenscheinlich ein Trugschluss wie sich hier deutlich herauskristallisiert. Wenn ich dann nun hinterfrage, vergleiche ... werden sich für mich - und somit auch erst einmal nur für mich - "meine" gesicherten Fakten herauskristallisieren, die jedoch nicht zwangsläufig mit der vorherrschenden Meinung der "restlichen" Fachwelt übereinstimmen kann da gedanklich von mir weiterentwickelt. Wie sieht das den in diesem Fall in unserer "Szene" so aus, wird man dadurch nicht zum egozentrischen Deppen der keine Ahnung hat, weil er alles besser weiß, oder wird diese gedankliche Evolutionsstufe mit offenen Augen/Ohren/Geist - akzeptiert - obwohl es zwangsläufig nicht mehr der gängigen Meinung entspricht. Eins würde ich bezogen auf das Beispiel "Wörterbuch" doch noch gerne in Erfahrung bringen. Gibt es sie überhaupt, die unanfechtbar gesicherten Erkenntnisse :?: Wie ich das momentan so sehe demnach nicht wirklich :!: Das beste wird wie so meistens sein, schön geschmeidig bleiben, seinen eigenen Still entwickelnd sich treu bleiben, dabei trotzdem das über den Tellerrand zu schauen nicht zu vernachlässigen. Und dafür + dazu seid ihr ja dann netterweise + hilfsbereit auch zur Stelle Also dann hier erstmal :bye01 auf hoffentlich vielleicht weitere Wortmeldungen
 
Grundsätzlich: Was eine studierte Fachperson in Geschichte/Archäologie/Kunstgeschichte/Sprachgeschichte ausmachen sollte, ist nicht die Menge oder Tiefe des Faktenwissens, es ist die Erfahrung und das Wissen darum wie Aussagen (und damit auch Wissen) über die Vergangenheit entsteht. Deswegen sollen auch Lehramtsstudenten im Geschichtsstudium Latein übersetzen, wissenschaftliche Aufsätze (Hausarbeiten) schreiben und sich in Diskussionen üben. Brauchen sie in der Schule wahrscheinlich kaum, aber sensibilisiert für die vielen Schritte die zwischen vergangener Realität (nicht vollständig erfassbar) und dem was sie heute hören und lesen liegen. Und wie viele Möglichkeiten persönliche Meinungen und schlicht Fehler aufzuhäufen. Alles anzweifeln, alles kritisieren, Diskussionen suchen. Denn nur in der Herausforderung durch andere Meinungen kann meine Meinung geprüft und erweitert werden. Niemand kann alleine alles zu eine bestimmten Aspekt der Vergangenheit wissen. Jede Interpretation ist fehlerbehaftet. Wir brauchen uns gegenseitig, um Anregungen und Kritik zu kriegen. Und jetzt kommt das eklige: Vergangenheit war nicht weniger komplex und verwirrend als es Gegenwart ist. Wer nach einfachen Lösungen in der Vergangenheit sucht, der findet sie nur, weil die Menge an erhaltenen Informationen aus dieser Zeit geringer ist. Richtig sind sie aber nur vor dem Hintergrund des ganz persönlichen Geschichtsbilds. Merke: Die Grundkomplexität menschlichen Lebens hat sich nicht geändert. Und was bedeutet das für die Forschung und das Hobby? Ist dann alles sowieso sinnlos? Nein, denn auch wenn etwas nicht sicher ist, kann man doch mit dem Wahrscheinlichen arbeiten. Nur weil man die 100 % nachweisbar nicht erreichen kann, kann man sie trotzdem anpeilen und kommt dann mit einem Ergebnis von 70 % immer noch weiter, als wenn man es gar nicht versucht. Wenn es meine Möglichkeiten nicht hergeben das Manuskript in gotischer Minuskel auf Mittellatein selbst zu lesen, dann lese ich die Übersetzung und arbeite mit ihr. Das heißt nicht, dass ich ihr glauben muss. Genauso wie ich als Historiker begründen und belegen muss woher meine Schlüsse kommen, damit andere sie gezielter kritisieren können. "Glaubt mir, ich lehre an einer Uni." ist zwar bequem, bringt aber nur wenig weiter als "Diese Fachleute haben doch auch keine Ahnung, ich mach das wie ich denke." Am besten ist es wenn sich beide reiben und ergänzen. Jede wissenschaftliche Publikation ist im Endeffekt ein Diskussionsbeitrag im akademischen Diskurs. Jeder kann dran rummeckern, wird aber von seinen Wissenschaftsgenossen daran gemessen wie begründet seine Einwände sind. Und mit "begründet" ist hier "In besserer Grundlagenarbeit, als es der andere getan hat verankert." gemeint. Eben die Grundregeln konstruktiver Diskussion. Und das ist im Endeffekt auch der Modus eines guten Forums.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Noch ein bisschen Hintergrund: In der Schule sollen wir so langweilige Sachen lernen wie "Wer war wann König" und "Wer hat wann welchen Krieg gewonnen". Das sind die Sachen, die im 18. und frühen 19. Jahrhundert für das Mittelalter erforscht wurden. Wann hat der König wo was gemacht... Warum ging die moderne Geschichtswissenschaft ausgerechnet mit solchen Sachen los? Ein Grund: Es ist relativ einfach herauszufinden und eindeutig. Im Archiv des Bischofs von Regensburg ist ein Privileg, ausgestellt von der Kanzlei König Heinrichs II. am 3. Oktober 1001 in Regensburg, mit dessen vollzogenem Monogramm? Geil! Wir wissen wo Heinrich 1001 den Tag der Deutschen Einheit verbracht hat. Auch bei Kriegen herrscht meist relativ große Einigkeit beider Seiten wer wann mit wem im Krieg ist. Vielleicht nicht beim ganzen 100-jährigen, aber zumindest die Schlachten und Tode wichtiger Männer werden von vielen Leuten erwähnt. Und das Enddatum eines Konflikts ist fast immer irgendwas mit großen Brimborium. Krieg passiert, Frieden muss man aufwendig machen. Bei praktischen Sachen und Alltag sieht das aber ganz anders aus. Frag 100 Zeitzeugen ob es denn Zweiten Weltkrieg gab und ob die Briten/Amis/Russen/Franzosen wirklich 1944/45 einmarschiert sind. Die Antwort wird recht eindeutig ausfallen. Frag dieselben Zeitzeugen wie damals in ihrer Nachbarschaft Kartoffeln zubereitet wurden und der Spaß fängt an. Und da sind Archäologie und Alltagsgeschichte gerade: Sie stoßen in Bereiche vor, die zwar interessant sind, aber bei Licht betrachtet fast keine allgemeinen Aussagen ermöglichen. Teilweise noch nicht mal klare umfassende Aussagen zu einem Spezialfall wie einem Fundkomplex. Oder bin ich der einzige, der Häggs Interpretationen der Funde aus dem Hafen in Haithabu für sehr optimistisch hält? Natürlich wird erwartet, dass man als bearbeitender Experte eine Aussage macht (dafür wird man vielleicht irgendwie ein wenig bezahlt) und man will es für sich selbst ja auch. Und man will einen Beitrag zur akademischen Diskussion abgeben, weil er selbst wenn nicht völlig überzeugt abgegeben, trotzdem die Gesamtforschung durch die Diskussion stärkt. Aber bei bestimmten Themen ist die Unsicherheit und der Diskussionscharakter einfach durch die Umstände zugleich stärker und schwächer ausgeprägt: Einerseits sind die Aussagen angreifbarer, andererseits ist es schwerer seine Kritik sinnvoll mit Quellenargumenten zu stützen. Das ist der große Unterschied zwischen Ereignis- und Alltagsgeschichte. Die Quellenlage bestimmt, dass Diskussionen einen unterschiedlichen Charakter haben. Edit: "Quelle" hier nach Gewohnheit im Fach Mittelalterliche Geschichte bezeichnet: Zeugnis, das in seiner Entstehung möglichst nah bis unmittelbar am Untersuchungsobjekt liegt und Aussagen über dieses ermöglicht. Alles andere (vom Forumspost bis zur wissenschaftlichen Publikation) ist Literatur und damit zuerst mal "Meinung von jemand anderem".
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Frag dieselben Zeitzeugen wie damals in ihrer Nachbarschaft Kartoffeln zubereitet wurden und der Spaß fängt an.
Das könnte ich noch nicht einmal für die Gegenwart beantworten. :/
 
Frag dieselben Zeitzeugen wie damals in ihrer Nachbarschaft Kartoffeln zubereitet wurden und der Spaß fängt an.
Das könnte ich noch nicht einmal für die Gegenwart beantworten. :/
^^ ^^ Sch... Entropie...!! ;) Kreative Wahrscheinlichkeit kontra Kultgegenstand...das ist m.M.n. eine der schlimmsten Diskussions-/ gegensätzlichen Standpunkte in der modernen Archäologie... (...wobei ich im Zweifelsfalle subjektiver-und voreingenommenerweise ganz klar auf der Seite der kreativen Wahrscheinlichkeit stehe...) ;) LG Halfdan Horntrinker
 
Kleines Edit zu meinem vorherigen Post, gerade auf fb gefunden, paßt eigentlich im groben und ganzen zu der Thematik wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge... ...oder halt wie der ebenso sprichwörtliche Ar... auf den Eimer, wem es etwas deutlich-kraftvoller lieber ist... ;) ^^ :D https://www.facebook.com/photo.php?...943.1073741867.100005590002474&type=3&theater Quelle: fb "Wir neigen dazu, Unbekannten zu glauben, weil sie uns noch nie betrogen haben..." Samuel Johnson (1709 - 1784) LG Halfdan Horntrinker
 
Bei praktischen Sachen und Alltag sieht das aber ganz anders aus. Frag 100 Zeitzeugen ob es denn Zweiten Weltkrieg gab und ob die Briten/Amis/Russen/Franzosen wirklich 1944/45 einmarschiert sind.
Ich nehme jetzt den zweiten Weltkrieg als Beispiel. Bei uns in der Schweiz wird jemand der damals "Aktivdienst" geleistet hat einfach auf den bewaffneten "Wehrmann" reduziert. Dass es da aber noch viel mehr Arbeiten als nur die Grenzsicherung und ähnliche "bewaffnete Dienste" gab wird einfach vergessen. Ich schreibe das jetzt weil mein Grossvater einer dieser "vergessenen Aktivdienstler ohne Waffen" war - und seine Arbeit in der Armee ist so streng geheim gewesen, dass er bis zu seinem Tod darauf bestanden hat es niemandem zu erzählen! Die Arbeit die mein Grossvater als "Hilfsdienst-Soldat" mit dem Tarnen von Bunkern und ähnlichem geleistet hat ist einfach vergessen gegangen weil man es nicht wahrhaben wollte, es "unwichtig" und nicht interessant genug war um erwähnt zu werden. Ach ja, ich habe übrigens mehrere Marschbefehle von meinem Grossvater da und damit ein kleines Bisschen Geschichte gerettet. Genau so geht es mir mit meinen Recherchen fürs Jahr 1300. Wie ist das normale Volk gekleidet gewesen? Ab wann haben Jungs Bruche und Beinlinge getragen? In welchem Alter wurde von Mädchen verlangt, dass sie ihre Haare bedecken, mussten sie dafür zwingend verheiratet sein oder einfach ein gewisses Alter haben? So viele Altagsfragen die als Unwichtig galten und darum nirgends erwähnt wurden... Bilder wo keine Adligen abgebildet sind? - Sehr selten.
 
Sehr schoener Beitrag , Zauberin ! Es stimmt, Quellen ueber die grosse Gesellschaft muessen wir leider aus der Erde ziehen. Lteratur, Urkunde, viele Gemaelde, das Rennen macht der Adel. Zum Glueck gibt es auch Ausnahmen, Kreuzfahrerbibel oder Handwerker und Bauberufe.
 
kleiner gedanklicher Nachtrag meinerseits. Zum allgemeinen Tenor "Holzauge sei wachsam" bin ich um so mehr über diesen Teil der gegebenen Ratschläge gestolpert Hier insbesondere der Unterpunkt "Tiefe"
Grundsätzlich: Was eine studierte Fachperson in Geschichte/Archäologie/Kunstgeschichte/Sprachgeschichte ausmachen sollte, ist nicht die Menge oder Tiefe des Faktenwissens, es ist die Erfahrung und das Wissen darum wie Aussagen (und damit auch Wissen) über die Vergangenheit entsteht.
Eigentlich war ich der Überzeugung, das die fundierte Tiefe eigentlich "den Experten" ausmacht. Könntest du mir das vielleicht noch einmal verdeutlichen wie ich das zu verstehen habe. Danke
 
Das ist generell ein Problem der modernen Wissenschaft. Neue Erkenntnisse werden schneller publiziert, als man sie lernen könnte, außer in sehr engen, überschaubaren Spezialgebieten. Deshalb gibt es heute in der Forschung auch fast nur noch absolute Spezialisten, der klassische Universalgelehrte (Goethe) kann heute nicht mehr existieren, wenn, dann nur sehr oberflächlich (besseres Allgemeinwissen), nicht aber in der Tiefe. Den Fachmann macht heute weniger das 'gewusst was', sondern eher das 'gewusst wo' aus. Man muss wissen, wo und wie man im Zweifelsfalle eine notwendige Information nachschlägt bzw wie man sie erheben kann. Man muss die gefundene Information auch einschätzen, hinterfragen und überhaupt mal kapieren können. Und dafür ist es nötig, die Zusammenhänge zu verstehen, die Mechanismen, die Logik und die Prinzipien hinter dem Ganzen. Stell Dir einen Arzt vor, der zwar sämtliche Medikamente, die es gibt, auswendig gelernt hat, aber nicht weiß, wie eine Krankheit zustande kommt. Er könnte mit seinem Wissen überhaupt nichts anfangen und würde ständig falsch medikamentieren. Umgekehrt ist es sinnvoller: Er analysiert die Krankheit, macht sich Gedanken und wählt dann aus der großen Liste ein geeignetes, möglicherweise brandneues Medikament aus. Da er auch die Prinzipien verstanden hat, wie Medikamente funktionieren, kann er geeignete und weniger geeignete einschätzen. Denn dafür gibt es Bücher: damit man nicht jeden Scheiß auswendig lernen muss ;)
 
Danke Panzerreiter. Medizin ist wirklich ein sehr gutes Beispiel. Zum Glück ist man als schlechter Historiker weniger gefährlich und aktives Ausüben im Hobbybereich bei Medizin weniger verbreitet. ^^ Tatsächlich fundierte Tiefe wird durch Methodik, oder eben"...die Erfahrung und das Wissen darum wie Aussagen (und damit auch Wissen) über die Vergangenheit entstehen." erst ermöglicht. Denn auch Reichsbürger und Impfgegner haben oft ein tiefes thematisches Wissen, das aus ihrer Sicht fundiert ist. Ein Experte sollte durch Ausbildung und Erfahrung (also Wissen) aber vor allem in der Lage sein den Prozess der Wissensentstehung bei sich und anderen kritisch zu begleiten. Das ist übrigens kein Alleinstellungsmerkmal von Studierten, das können auch andere. Aber wer diese Fächer studiert hat, sollte dazu zumindest grundsätzlich in der Lage sein. Das Wissen eines Experten in seinen Hauptbereichen ist dank seiner methodischen Fähigkeiten geschliffener und mit höherer Wahrscheinlichkeit wahr. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass es bei allen Aspekten und Themen voll anwendet. So wie ein Hausarzt bei langweiligen Husten reflexhaft Vitamintabletten empfiehlt und gar nicht erkennt, dass es sich um eine seltene Tropenkrankheit handelt, so gibt es keine Garantie, dass der zur Gottesfriedensbewegung im hochmittelalterlichen Nordfrankreich methodisch hervorragend arbeitende und enorm kenntnisreiche Historiker irgendwas sinnvolles schreibt, wenn er in einem Aufsatz auch auf die Rüstung der Bischofsmilizen eingeht. Oder wenn man ihn in einer Mail dazu befragt. Dennoch sollten sowohl Arzt als auch Historiker durch ihre Ausbildung in der Lage sein sich methodisch sauber und schnell in neue Bereiche einzuarbeiten, Quellen/Fakten zu bewerten und die Grenzen der Analyse zu erkennen. Wenn sie sich das in den Kopf gesetzt haben. Und das ist aus meiner Sicht im Endeffekt mehr wert, als Spezialwissen.
 
Man kann das vielleicht an einem Beispiel festmachen. Zum Beispiel arbeite ich viel mit römischen Inschriften. Aber man muss heute kein Latein Genie sein, natürlich das gängiste kann man irgendwann, aber gerade bei den Titulaturen der Kaiser gibt es inzwischen Standartwerke in denen man nachschlagen kann, die einem auf einen Blick: die vollständige Titulatur auf Latein und die genaue Datierung. Ich studiere in Archäologie auch einen speziellen Fachbereich nämlich die Antike und selbst hier kann ich gar nicht alles aus 2500 Jahren Griechischer und Römischer Geschichte wissen. Aber das erste was uns beigebracht wurde ist, wo man nachschauen kann... Ganz Hilfreich ist es, wenn man Rezensionen zu Büchern lesen kann, diese findet man oft z.B. auf academia.edu und kann man dort auch ohne Anmeldung lesen. Das bringt einen oft zum Nachdenken und/oder neue Aspekte die man so nicht erwartet hat oder logische Gegenmeinungen bzw. wird auf veraltetes Wissen hingewiesen :) Gute Aufsätze findet man auch über http://opac.dainst.org/F? vom Deutschen Archäologischen Institut. Originale Lateinische und Griechische Quellen mit englischer Übersetzung z.B. bei Perseus: http://www.perseus.tufts.edu/hopper/ Nicht nur aus der Antike sondern auch aus anderen Epochen: http://www.perseus.tufts.edu/hopper/collections , selbst ich entdecke auf der Seite neues :groehl , vielleicht für die Wikis unter euch interessant, http://www.perseus.tufts.edu/hopper/collection?collection=Perseus:collection:Germanic
 

Neueste Beiträge

Oben