Scholar

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inknoir

Guest
Hallo, ich würde gerne einen mittelalterlichen Scholaren von der Universität Bologna mit juristischem Hintergrund darstellen, ggf. als Vagant, damit es Lagertauglich wird. Ich habe zwar inzwischen einiges über Wirken und Werke der Professoren und ein wenig über das Leben der Studenten dort lesen können, allerdings so gut wie nichts zur Bekleidung der Studenten gefunden. Hier beispielsweise sind einige Abbildungen http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelalterliche_Universitaet Das dritte Bild zeigt angeblich Kopernikus, wie er in die deutsche "Nation" und damit als Student in Bologna aufgenommen wird. Die Bekleidung sieht einheitlich aus, jedoch sagt mir das als Laie wenig. Kann mir jemand fachkundiges die Kleidung auf dem Bild ein wenig erklären? Der Kollege hier http://de.wikipedia.org/wiki/Scholar trägt einiges, was ich gerne für die Darstellung verwenden würde (Wanderstab, Tasche) aber bei dem Ordenskleid handelt es sich um eine geistliche Komponente, die wohl nicht zu einem Studenten von Bologna passt. Zumindest habe ich es so verstanden, dass sich die Universität von Bologna insofern von anderen Universitäten unterscheidet, dass sie gerade nicht von der Kirche getragen wurde, sondern von den Studenten und Professoren selbst. Die Studenten haben die Professoren bezahlt und den Dekan der Universität gewählt, sodass mir eine Ordenstracht als unangemessen erscheint. Ach ja, die Quelle der Abbildung ist "A history of power in Europe" von Willem Pieter Blockmans. Wo das ursprüngliche Bild herkommt weiß ich leider genauso wenig wie bei dem Bild mit Kopernikus. Kennt jemand vielleicht noch Abbildungen nach denen ich mich richten kann oder hat sonstige Informationen zu dem Thema? Der Zeitraum meiner Darstellung wird sich wohl nach der Quellenlage richten, die juristische Fakultät in Bologna existiert bereits seit Anfang des 12.Jh, ab da kanns also losgehen... Potentiell wurde "mein" Scholar von einem der folgenden Glossatoren/Kommentatoren unterrichtet, da ich deren Lehrstoff bereits ein wenig kenne und dieser auch die Grundlage der Darstellung bildet (ansonsten habe ich nämlich noch herzlich wenig Ahnung vom Mittelalter): Irnerius http://de.wikipedia.org/wiki/Irnerius Azo http://de.wikipedia.org/wiki/Azo Accursius http://de.wikipedia.org/wiki/Accursius Bartolus http://de.wikipedia.org/wiki/Bartolus_de_Saxoferrato Baldus http://de.wikipedia.org/wiki/Baldus_de_Ubaldis Wenn man auf die italienische Ausgabe der jeweiligen Wikiseite geht, sieht man zu jedem der Professoren mindestens ein Bild. Das ist aber vermutlich nicht aussagekräftig für deren Studenten, oder? PS. :Wer bis hierhin gelesen hat bekommen einen Preis...tut mir leid, dass es so lang geworden ist :rolleyes:
 
Mal ohne nachgeschlagen zu haben ein paar Gedanken meinerseits - keine Garantie, ich lasse einfach überall mal "meines Wissens" weg und fabuliere drauf los (hoffentlich hört es sich nicht zu arrogant an, ich bin recht in Eile): Bologna wurde zwar nicht von "der Kirche" (im Sinne von "vom Ortsbischof") getragen, aber trotzdem waren man als Scholar dem Klerikerstand angehörig, wenn auch meist nur mit minimalen Weihen (Subdiakon/Diakon). Gerade Jura als Studium war im Hochmittelalter nicht nur weltliches, sondern auch geistliches Recht (bis in die Neuzeit war man Doktor beider Rechte). Schon weil mit dem Decretum gratiani und dem daraus hervorgehenden CIC das Kirchenrecht systematisch und zentral studierbar war, während weltliches Recht noch von Lehensrecht und Schöffen geprägt war. Damit sind so gut wie alle Studenten Geistliche, die beispielsweise die päpstlichen Vorschriften des Laterankonzils von 1215 zu halten hätten. In dieser Zeit hat man anscheinend versucht das Lotterleben der des 12. Jahrhunderts einzudämmen. Und ab den 1220ern nimmt der Einfluss der Dominikaner und Franziskaner auf die Universitäten (und ganz besonders Bologna) zu, so dass ab dieser Zeit Ordenskleid nie verkehrt ist. Vor den Reliefs, Grabplatten und Buchmalereien dieser Zeit sind Aussagen sowieso knifflig. Ich würde bei der Kleidung von einem modifizierten Hochmittelalterstandard (gute Anleitung: http://www.berwelf.de/artikel/anleitungen/kleidung1300.pdf) ausgehen, da außer bei einem Ordenskleid kaum eine eigene Berufsbekleidung anzunehmen ist: Bruche (Leinen), Beinlinge (Wolle), Wendeschuhe (Leder), Leibhemd (Leinen), eine knöchellange (weil nicht arbeitend und geistlich orientiert) Tunika mit möglichst engen Ärmeln (leichte Wolle), einen einfachen Gürtel (Leder). Und dann wird's interessant: Auf deinem Scholar- und Studenten-mit-Tonsur-Bild erkenne ich eindeutig Übergewänder, die man meist als Garnache(n) (Schnitt ungefähr wie hier: http://home.arcor.de/glanlaender/GLGewandung/Garnache/Garnache.html) bezeichnet. Mittlere bis schwere Wolle/Loden bietet sich an. Nicht dem Trugschluss verfallen, dass das zu warm wäre. Als Scholar war man entweder im freien Unterwegs und musste auf Regen vorbereitet sein, oder hockte in unbeheizten Studiensälen rum. In der Taverne kann man das Ding ja auch ausziehen. Anscheinend geht aber auch ein Gardecorps, was ich aber eher ins Französische und nach 1230 ansetzen würde. Möglicher Schnitt vgl. http://www.familia-ministerialis.de/gardecorps.html wobei ich bei der Variante die typischen Faltenlegung am Ärmelansatz vermisse. Gardecorps sollte dann schon gefüttert sein und ist einfach nen Zacken protziger als eine Garnach. Beides aber auf jeden Fall mit angenähter Kapuze und ohne Gürtel drüber. Wanderstab ist bestimmt nicht verkehrt, allerdings würde ich vom Modell Pilgerstab (der mit dem rundem Knopf am oberen Ende) absehen, um Verwechslungen zu vermeiden. Als Kopfbedeckung evtl. eine Bundhaube, die Kapuze des Obergewands oder eine Tonsur ;). Eine leinerne Umhängetasche Modell "Brotbeutel" und eine tönerne Wanderflasche wären angeraten. Wenn's etwas "post-vagantisch" sein darf: Ich hätte ein paar Bilder von Reliefs aus dem Museo civico medievale auf denen man die Kleidung von Studenten und Professoren in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts sehr gut erkennen kann. Im Endeffekt kommen nur geknöpfte Tunikaärmel, alles auf bodenlang verlängert, ausgefallenere Kopfbedeckungen und die eine oder andere Gugel dazu. Es bleibt bei Garnache, Gardecorps und Ordenshabiten als bestimmenden Kleidungsstücken. Als wirklich wandernder Vagant würde ich übrigens auf klerikale und damit günstige $toffe zurückgreifen. Braun, naturbraun, grau, anthrazit, evtl. naturweiß. Und ein Empfehlungsschreiben oder gar ein Diplom auf echtem Pergament zum vorzeigen wäre die absolute Krönung. Soweit von mir. P.S.: Die Abbildungen bei den zuletzt von dir verlinkten Herren sind alle mehrere Jahrhunderte nach ihrem Tod entstanden. Definit keine gute Vorlage. Das erste ist dagegen sehr gut und das Schlorabild scheint eine Abzeichnung aus einer Quelle des späten 13., frühen 14. Jahrhunderts zu sein. Also auch recht tauglich.
 
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Oh super, das hilft sehr. Damit rückt mein Wunsch, noch diesen Sommer in Gewandung das ein oder andere Lager zu besuchen in greifbare Nähe. Die Anleitung ist auch toll, und an den Bildern der Reliefs wäre ich ebenfalls interessiert. Vielen Dank! Sollte ich mal in Bamberg (oder du in Mainz) sein, gibts ein Bier :trink2 Hier mal, was mir an der Uni beigebracht wurde: Zum Rechtsstudium kann ich sagen, dass zunächst nur das Corpus Iuris Civilis (CIC) Grundlage des Studiums in Bologna war. Dieses ist bereits 535 n. Chr. unter Kaiser Iustinian inkraft getreten und war größtenteils nur eine Zusammenstellung noch älterer, wichtiger Römischer Rechtstexte. Es geriet durch den Untergang des Weströmischen Reiches bei "uns" jedoch mehr oder weniger in Vergessenheit und wurde nur noch in Oströmischen Gefilden gelehrt, wenn auch nicht wesentlich länger als bei uns. Erst mit der Entdeckung der "Littera Florentina" im 11.Jh. in Süditalien, einer Abschrift des CIC aus dem 6. Jahrhundert, lebte das Römische Recht wieder auf. Das Römische Recht war von sehr hoher Qualität und hatte gegenüber den damals herrschenden verschiedenen Einzelrechten (Partikularrechten) einige Vorteile. Mit ihm konnte die Idee des "translatio imperii", also eines fortgeführten Römischen Reiches begründet werden, was dem Kaiser die Gesetzgebungsbefugnis wieder zugesprochen hätte. Auch war es bereits sehr ausdifferenziert und bot kluge Lösungen für Rechtsprobleme an, die zu dieser Zeit (wieder) auftraten. Es ist erstmals durch Irnerius (ca. 1050-1125) in Bologna unterrichtet worden. Dabei wurde der Text vorgelesen bzw. diktiert und mit Glossen versehen. Diese Abschriften der aus verschiedenen Ländern stammenden Studenten sorgten für die Verbreitung des Textes. Als Glosse bezeichnet man kurze Kommentare und Erläuterungen die zwischen die Zeilen und an den Rand des eigentlichen Textes geschrieben wurden. Deshalb nennt man Irnerius und seine Nachfolger auch Glossatoren (aus Italien stammend). Später hat man eigenständige Kommentare zum Römischen Recht geschrieben, die Verfasser hießen dann entsprechend Kommentatoren (vorallem aus Frankreich stammend). Ursprünglich galt wohl "Ecclesia vivit lege romana", also die Kirche richtet sich nach dem Römischen Recht, auch in Abgrenzung zu ggf. vorhandenem Partikularrecht wie dem Germanischen Recht. Im Laufe der Zeit schuf die Kirche sukzessive in Form der päpstlichen Dekretalen und über Beschlüsse der Konzilien eigenes und vom Römischen abweichendes Recht. Das so entstandene Recht war aber alles andere als systematisch oder konsistent. Gratian war ein Mönch, der Mitte des 12.Jh. in Bologna gelebt und eine große Privatbibliothek mit wichtigen kirchlichen Rechtstexten besessen hat. Er kannte bereits das CIC und hat sich bei der Erstellung des Corpus Iuris Canonici (CICa) daran orientiert. Ebenso wie die Kompilatoren unter Kaiser Iustinian hat Gratian versucht, das Krichenrecht zu ordnen und Widersprüche auszuräumen. Andere Sammlungen von Kirchenrecht gab es zwar, die waren aber qualitativ minderwertig und sind deshalb verdrängt worden. Das CICa war keine abgeschlossene Sammlung und ist im Laufe der Zeit mehrfach um neue Bücher ergänzt worden. Die Glossatoren haben sich später dann auch dem CICa zugewandt, sodass es dann auch gemeinsam mit dem CIC unterrichtet wurde. Interessant ist, dass weder das CIC noch das CICa zur Zeit ihrer Entstehung so genannt wurden. Die Namensgebung erfolgte erst Jahrhunderte später. Das CICa wurde 1917 übrigens vom Codex Iuris Canonici abgelöst, das CIC "bereits" 1900 vom BGB. Zuvor war es jahrhunderte lang subsidiär (also nachrangig) gültig, wobei es erst nach Gründung des Reichskammergerichts 1495 wirklich Gesetzeskraft erlangte.
 
Ich bin gerade dabei mich einzulesen und habe dabei herausgefunden, dass die "licentia docendi" als Abschluss des Rechtsstudiums in Bologna vom Archidiakon erteilt wurde. D.h. selbst wenn das Kirchenrecht zu Beginn nicht gelehrt worden sein sollte, spricht vieles für deine Vermutung bzgl. der Ordenskleidung. Vielen Dank nochmal. Und frohe Ostern ^^
 

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