Up Helly Aa, der Karneval der Wikinger

This site may earn a commission from merchant affiliate links, including eBay, Amazon, and others.

Tom

Well-known member
Registriert
27. Nov. 2014
Beiträge
4.972
Reaktionspunkte
293
Hallo ihr Lieben, in der Mainzer Allgemeinen Zeitung (und im Wiesbadener Kurier) war gestern folgender Artikel (viel Spaß beim lesen)! :D ;) Quelle: http://www.rhein-main-presse.de Up Helly Aa, der Karneval der Wikinger Shetlands Hauptstadt Lerwick feiert kurz und heftig/Versammlung um ein brennendes Schiff Beim abendlichen Ball wird die ganze Nacht hindurch getanzt. Maskierte und kostümierte Gruppen sorgen wie bei uns auf den Sitzungen für Stimmung. Fotos: Günter Schenk Vom 26.01.2008 Hoch schlagen die Flammen in den dunklen Himmel über Lerwick. In Shetlands Hauptstadt brennen Wochen harter Arbeit nieder. Ein fast zehn Meter langes Boot mit prunkvollem Bug und hohem Mast. "Haltet die Unerschrockenen in Ehren", tönt es dazu aus knapp 1000 Männerkehlen, "die edlen, kühnen Normannen, die Herrscher im stürmischen Meer". "The Norseman´s Home" heißt die Hymne, das Glaubensbekenntnis der Wikinger. Ein Loblied auf die tapferen Kämpfer von einst, deren Nachfahren sich jedes Jahr Ende Januar um ein brennendes Schiff versammeln. Zum Up Helly Aa, Lerwicks größtem Fest. Seit 1889 geht das so in der Metropole der Shetland Inseln, etwa 150 Kilometer nördlich der schottischen Küste in der Nordsee, inzwischen aber auch in einer Handvoll anderer Inselgemeinden. Die Wurzeln des Brauches aber reichen weiter zurück - in die Ära der Normannen, die mit Fackelläufen und Freudenfeuern die Rückkehr des Lichtes nach dem langen Winter feierten. Das Ende zwölf wilder Nächte, in denen das Volk Wotans wildes Heer unterwegs wähnte. Über Lerwicks Rathaus weht die Fahne mit dem Raben, Wotans Lieblingsvogel, das Banner der Insel-Narren. Gut 1000 sind es, organisiert in einem halben hundert Clubs. Squads heißen sie hier, Stadtteil- und Stammtischgruppen. Männer allesamt, denn für Frauen ist in Lerwicks närrischen Gesellschaften kein Platz. Jedes Jahr wählen sie einen aus ihren Reihen zum "Guizer Jarl", zum Repräsentanten eines Festes, das den Shetländern so wichtig ist wie Weihnachten und Ostern zusammen. Am letzten Dienstag im Januar darf er für einen Tag lang die Stadt symbolisch regieren. Mit Streitaxt und Brustpanzer, in einem handgeschmiedeten Wikinger-Kleid, das vor dem Festtag niemand zu Gesicht bekommen darf. Hinter Lerwicks Hafen, dem Tor zur Außenwelt, reiht sich ein Wall grauer Häuser, dahinter die Hauptstraße mit dem kleinen Marktplatz. In der einzigen Buchhandlung stehen Wanderführer aus Schottland neben Bildbänden aus Norwegen. Kein Wunder, schließlich ist es nach Trondheim näher als nach Edinburgh. Bis 1469 gehörte Shetland zu Dänemark, heute zu Schottland. Im Herzen aber sind hier alle Wikinger geblieben. Auch der Zimmervermieter in der Burgh Road, auf dessen Tisch die Flaggen Norwegens und Dänemarks neben der Ahnentafel stehen. "Ich dachte", erzählt Dave aus Glasgow in der Kneipe am Hafen, "mein letztes Stündchen hat geschlagen". Weit holen seine Arme aus, um zu beschreiben, wie die Fähre fast auf dem Rücken lag, die eine Gruppe seefester Männer und Frauen vom schottischen Aberdeen nach Lerwick schipperte. Schotten und Iren kommen zum Up Helly Aa besonders gern. "Ich habe schon viel darüber gesehen und gelesen, jetzt will ich selbst mal dabei sein", tröstet sich Dave über den Höllentrip mit der Fähre. Up Helly Aa markierte einst das Ende der zwölf wilden Nächte, das nach dem alten Julianischen Kalender, dem man auf den Shetlands bis ins 18. Jahrhundert folgte, Ende Januar war. In dieser Zeit ruhte gewöhnlich die Arbeit. Schon im Mittelalter sollen Vermummte zur Mittwinter-Wende unterwegs gewesen sein. "Das ganze Städtchen war in Aufruhr, den ganzen Tag wurden Hörner geblasen, Trommeln geschlagen, Kanonen abgefeuert, gelärmt, gefiedelt, getrunken und geschlagen", notierte ein Methodisten-Missionar 1824 in seinem Tagebuch. Um 1840 schleppte man erstmals brennende Teerfässer durch die Stadt, tauchten immer mehr kostümierte Burschen auf, deren Erscheinen gewöhnlich im kollektiven Besäufnis endete - oder in blutigen Auseinandersetzungen rivalisierender Maskengruppen. Mit Sonderstreifen suchten die Behörden dem Treiben Herr zu werden. Ohne Erfolg, so dass der Umgang mit den brennenden Fässern schließlich verboten wurde. Lerwicks Bildungsbürger leiteten die Reform der Feiern ein, legten den Festtermin für alle verbindlich auf den letzten Dienstag im Januar, führten die neue Festbezeichnung Up Helly Aa ein, organisierten geordnete Fackelzüge und beschlossen, sich stärker auf die Tradition der Wikinger zu besinnen. Dies war die Geburtsstunde der Galley, des Drachenbootes, das 1889 erstmals bei einem Umzug mitgeführt und anschließend verbrannt wurde. 1906 erschien "Guizer Jarl" auf der närrischen Bühne, der Chef der Wikinger-Truppe. Heute wird er gewöhnlich 15 Jahre im voraus in sein Amt gewählt. Damit er und seine Freunde genügend Zeit haben, auf den großen Tag hin zu sparen. Denn mindestens 1500 Euro kostet das Fest jeden in seiner Squad. Geld für Helme und Kostüme, die Handwerker über Wochen beschäftigen. Up Helly Aa, heißt es im Verkehrsbüro, "ist keine Touristen-Attraktion, sondern ein Fest, das wir uns selbst gegeben haben". Auf Nachfrage ist man natürlich froh, dass der Feiertag inzwischen auch im Winter für volle Betten sorgt, für bis auf den letzten Platz belegte Hotels und Gästebetten. Der Fremdenverkehr nämlich wird für die fast 30000 Insulaner als Einnahmequelle zunehmend wichtiger, seit Fischfang und Schafzucht immer weniger Menschen ernähren. Und auch das devisenbringende Öl, dem Shetland Straßen und Flugplätze verdankt, wird knapper. Abends ist großer Fackelzug. Fast 1000 Männer sind gekommen, verkleidet als Clowns oder römische Legionäre, als Bären oder Hasen. Jedes Jahr schlüpfen sie in neue Kostüme, um ihr Wikinger-Schiff in Zweier-Reihen durch Lerwick zu geleiten. Zu einem kleinen Sportplatz, wo sie ihre brennenden Fackeln in den Holzrumpf werfen. Zurück bleiben schließlich ein großer Haufen Asche und ein paar verkohlte Holzstücke. Für die Squads aber, die närrischen Gesellschaften, ist der Tag noch lange nicht zu Ende. Eine gute Stunde später trifft sich halb Lerwick in den Sälen der Stadt zu Tanz und Spiel. Zu Sketchen und Mini-Dramen, die von den Sorgen der Menschen erzählen. Wie die Büttenredner im rheinischen Karneval ziehen die Schotten dann gegen ihre Politiker zu Felde, machen mobil gegen neue Tunnelprojekte und andere Pläne, die dem Volk nicht passen. Im Ratssaal, der einmal jährlich den Narren gehört, ist Trinken öffentlich verboten, zumindest aus Flaschen. Die hat man deshalb in großen Taschen oder Rucksäcken in der Garderobe geparkt, wo man hin und wieder seinen Becher mit Whiskey oder Wodka nachfüllt. In den Pausen zwischen Liedern und Reden wird getanzt. Tänze, zu denen die Narren die Damen auffordern müssen. Denn Up Helly Aa war früher auch ein Heiratsmarkt. "Wer in dieser Nacht allein bleibt", heißt es in dazu Lerwick, "ist selbst dran schuld". Günter Schenk
 

Neueste Beiträge

Oben