Halb zog man ihn, halb sank er hin... Es dürfte nahezu unmöhlich sein, dass Karl mit seinen Beratern, seinen Günstlingen, seinen Paladinen, seinen Informanten, seiner Leibgarde und all den anderen Zuträgern von dem Plan des Papstes nichts geahnt haben soll. Und Kaiser, das ist offensichtlich, wäre er ja schon gerne gewesen. Ein dauerhaftes Bündnis mit der Kirche, das ist ebenso klar und durch das vorherige Handeln Karls und seiner Vor-Karolinger offensichtlich, hätte er auch gerne gehabt. Dass der Papst, dessen Stellung in Rom nicht problem~ und gefahrlos war, gerne den starken Franken an seiner Seite haben wollte, ja brauchte, steht auch fest. Wenn Karl also etwas indigniert erschien, dann wohl eher deshalb, weil er mehr oder weniger überrumpelt worden war, nach außen die Inititative vom Papst ausging, was ihn, den starken Macher und souveränen Herrn über alles, kränken musste. Verletzter Stolz also. Der Papst kam ihm wahrscheinich zuvor, was natürlich in dessen Kalkül lag. Denn so krönt er den Kaiser, andersrum hätte der Kaiser sich krönen lassen, was machtsymbolisch ein himmelweiter Unterschied ist. Aber die Krönung selbst, der Titel des römischen Kaisers, kam ihm mit Sicherheit nur mehr als recht, auch und gerade im Hinblick auf die byzantinische Konkurrenz. Denn das Verhältnis der beiden Europäischen Großmächte war nicht unbelastet. Einerseits brcuhte man sich gegenseitig, um den Rücken frei zu haben, andererseits gab es stellenweise massive Spannungen, auch territorial. Wollte Karl bei möglichen Verbündeten und kleineren Nationen punkten, wollte er respekteinflößender und wirksamer auftreten, dann war ein Titel unter dem der Konkurrenz nicht von Vorteil. Und außerdem bestand immer die Gefahr, dass Byzanz vielleicht den westlichen Rest diplomatisch oder militärisch schluckt, um das römische Reich wiederzubeleben, was ein zu starker Konkurrent geworden wäre, dessen Hegemonie man sich nicht hätte entziehen können. Das Frankenreich hätte dann die zweite Geige gespielt. So aber hatte Karl die legitime Hand auf dem römischen Rest. Selbst wenn er selbst diesen nur bedingt haben wollte, er war damit zumindest potentiellen dem oströmischen Zugriff entzogen. Fazit: Es spricht zu viel dafür, dass er den Titel über kurz oder lang brauchte und wollte. Ich halte die von Einhard kolportierte Version für einen propagandistischen Trick.