Leinen Untergewänder

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user3444

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Mir ist aufgefallen, dass fast überall steht, dass man ein leinernes Untergewand tragen sollte.. Bzw dass Untergewänder aus Leinen waren. Nun steht aber in dem Buch von Katrin Kania, wenn ich das richtig interpretiert habe, dass Untergwänder aus Leinen sehr teuer waren. Auch kann ich mir vorstellen, dass in den nordischen Ländern Leinen eher unpraktisch ist wegen der Kälte. Wächst dort überhaupt Flachs? Und die Missionare sollen, so wie ich es gelesen haben jedem der sich taufen lies ein feines leinen Untergewand geschenkt haben. Also muss es ja sehr wertvoll gewese sein oder selten? Wie war es im Frühmittelalter mit Leinengewändern und später im Hochmittelalter. Weiss da einer genaueres?
 
Hallo Rowena! Ich sag nur ein bisschen was zur Wikingerzeit im "Norden": Nur weil Leinenkleidung nicht so warm hält, wie Wolle, heißt das ja nicht, dass man, wenn man Leinen zur Verfügung hat, gar keine Wolle mehr trägt. Du hast ja schon gesagt, dass oft von Untergewändern gesprochen wird und da hat Leinen nun mal Vorteile gegenüber Wolle, egal wie kalt es draußen ist. Es ist oft und für viele angenehmer auf der Haut und lässt sich bedeutend leichter waschen und so fort als Wolle. Man "schützt" also sowohl den Körper vor der bösen Kratzewolle, als auch die Oberkleidung vor dem schmutzproduzieren Körper. ^^ Zur Verfügbarkeit kann man auf jeden Fall sagen, dass man Leinen hatte. In Birka findet sich das in den Gräbern zum Beispiel nicht selten. (den Erhaltungsbedingungen geschuldet, die mit der Tracht zusammenhängen, allerdings meist in Frauengräbern) Die Frage ist nun, wo es herkam. Dabei ist das Klima da oben und die eventuell begrenzt vorhandene Ackerfläche, die man nicht vergeuden will, wirklich ein relevanter Aspekt. Inga Hägg glaubt zum Beispiel (wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Bitte unter Vorbehalt lesen), dass zumindest von einer erwähnenswerten regionalen Leinenproduktion bei Birka zur Wikingerzeit noch nicht ausgegangen werden kann und es sich großteils um Importware handelt. Zumindest was das Rohmaterial angeht. Wieso sie das genau annimt, weiß ich allerdings nicht. Dass Textilimport überhaupt stattgefunden hat, wird klar durch entsprechendes Material, was dort oben nicht wachsen oder produziert werden könnte. Seide zum Beispiel. Auch manche Stoffqualitäten lassen laut Hägg auf Importe schließen. Also ist Leinen da oben gar nicht unbedingt die große Sensation. Wenn sicherlich auch nicht das Allerbilligste. Ein gestört überquellender Luxus war es aber, schätze ich persönlich, auch nicht. Nicht viel, aber vielleicht schon mal ein Anfang :)
 
Lein (Linum usitatissimum) Lein bzw. Flachs wurde in der Älteren Eisenzeit (500 v. Chr.) als Speisepflanze angebaut, wo man die ölhaltigen Samen in Brot und Grütze aβ. Die Samen konnten auch zu Leinöl gepresst und für Ölfarbe verwendet werden. Als Faserpflanze tauchte der Flachs erstmals auf um 400 n. Chr. auf - vermutlich war er aus Osteuropa eingeführt worden. Die Fasern der Flachsstängel wurden für die Textilherstellung genutzt, und der Faserflachs wurde in der Wikingerzeit eine wichtige Pflanze. Das Wort "usitatissimum" bedeutet "der sehr Nützliche" und bezieht sich auf die vielfäligen Verwendungszwecke des Flachses. (Quelle: Wikingermuseum Ribe) Auf Island lassen einige Ortsnamen wie Linakradair oder Linekrudalr darauf hindeuten, dass Flachs selbst dort angebaut wurde. Aber lokal begrenzt - hierzu können vielleicht ein paar Islandexperten mehr sagen. Ein Fund für ein Leinenkleid ist z.B. das Grab von Arnegunde (verst. 565/570 n.Chr.). In Birka III schreibt Agnes Geijer das sie (damals 1938 ) keinen Unterschied zwischen Leinen, Hanf und Nessel feststellen kann. Die Unterkleidung muss demnach nicht zwingend aus Leinen sein, Nessel und Hanf waren auch möglich. Zum Thema Nesselstoff: http://science.orf.at/stories/1705543/ (Quelle: ORF) - diese Fundlage habe ich nicht weiterverfolgt. Bronzezeit ist nicht meine Zeit. Der Link dient vielmehr als Verdeutlichung, dass nicht alles Leinen sein muss.
 
Die Verwendung von Leinen bzw. der Preis war sicherlich regional unterschiedlich, tatsächlich je nach Anbaubedingungen. Es gab jedoch auch "härene", also aus Tierhaaren gefertigte Leibhemden (mir fällt spontan allerdings nur ein Bußgewand ein; wobei es ja auch fein gesponnene, weiche Wollstoffe gibt). Die preisgünstigere Alternative zu Leinen: Hanf- oder Nesselstoffe.
 
Wobei man beim Einkauf heutiger Stoffe aufpassen muss: "Nessel" ist heutzutage fast immer aus Baumwolle.
 
Zum Thema Hanf statt Leinen übrigens auch noch spannend: in FrüMi-Fundberichten liest sich oft, dass eine Unterscheidung von Hanf und Leinen oft nur noch sehr schwer möglich ist. Und wenn, dann aufwendig und wohl zu teuer, als dass man flächendeckend alle Schnippsel testen würde und sich dabei auf Auswahlen beschränkt. Allerdings ist dennoch zu beobachten, dass bei den wirklich identifizierten Proben (zumindest Birka und Haithabu) Leinen stark dominiert, weshalb man vielleicht sagen kann, dass Leinen weiter verbreitet war als Hanf. Jetzt bräuchten wir jemanden, der was zu den Erhaltungsbedingungen sagen kann und ob Leinen vielleicht langsamer kaputt geht als Hanf. Wenn das nämlich der Fall wäre, ließe sich vom Verhältnis der übriggebliebenen Schnippsel natürlich wieder nicht so einfach auf ein damaliges Verbreitungsverhältnis schließen.
 
Die Moorleiche von Skjoldehamn trug ein Untergewand aus Wolle. Ob darunter noch ein Leinenhemd getragen wurde, ist mir nicht bekannt. Reste wurden m. W. nicht gefunden, andererseits zersetzt sich Leinen im Moor deutlich schneller, als Wolle. Ganz interessant dazu: http://www.expo-conv-svcs.com/Pennsic40/SkjoldehamnClassHandout.pdf (Quelle: SCA - Baronesses Catherine-Aimée, Gwynnyd and Iasmine of Roaring Wastes).
 
Wenn das passt, was Wikipedia zum Thema Lein sagt: http://de.wikipedia.org/wiki/Gemeiner_Lein dann braucht die Leinpflanze keinen besonderen Boden, und sie wurde (und wird) auch in Gegenden angebaut, die wegen ihrer klimatischen Bedingungen eher berüchtigt sind. Ich hatte das gerade gesucht, weil ich weiß, dass z.B. auf der Schwäbischen Alb Flachs sowohl angebaut als auch verarbeitet wurde. Und der Boden dort ist meist ziemlich ärmlich (und steinig dazu), das Klima ist eher rauh (regional unterschiedlich natürlich). Und im Frühmittelalter soll eine klimatische Hochphase geherrscht haben, es war also wärmer als heutzutage. Von daher sollte es möglich gewesen sein, zumindest in Süd- und Mittelskandinavien Flachs anzubauen. Ob sie es auch getan haben, ist die andere Frage.
 
Und im Frühmittelalter soll eine klimatische Hochphase geherrscht haben, es war also wärmer als heutzutage. Von daher sollte es möglich gewesen sein, zumindest in Süd- und Mittelskandinavien Flachs anzubauen. Ob sie es auch getan haben, ist die andere Frage.
Wenn ich das richtig im Kopf habe waren beispielsweise die Jahresmitteltemperaturwerte in Haithabu vor 1000 Jahren ca. +4° wärmer als heute. In den Archäobotanischen Funden sind auch recht viele Leinsamen enthalten. Bei den gefunden Stoffen sieht es dagegen eher mau aus mit Leinen, wobei man dazu auch sagen muss, dass sehr viele der Stofffunde Reste vom kalfatern waren. Vielleicht ist Wolle dazu einfach besser geeignet.
 
zum Nesselstoff in der Bronzezeit möchte ich noch Swanhilds Beitrag ergänzen: Nettle as a distinct Bronze Age textile plant http://www.nature.com/srep/2012/120928/srep00664/full/srep00664.html Quelle: http://www.nature.com/ der untersuchte Nesselstoff aus Dänemark hatte eine sehr gute Qualität und war damals offenbar ein Luxusgut, und dieses Textil war in der Steiermark hergestellt worden. Die Fasern für den Nesselstoff zu gewinnen ist wohl schwieriger als aus Flachs, weiß aber nicht mehr wo ich das gelesen habe. LG Therese
 
Wow vielen Dank. Das sind ja schonmal sehr viele Informationen. Mal sehen ob man aus diesen Ansätzen noch mehr heraus findet. Also wenn man zum Beispiel bei einer Frühmittelalterdarstellung nördlicher Raum annimt, dass ein Trägerrock von besser gestellten Frauen getragen wurde kann die Kombination Trägerrock und Leinen Unterkleid auf jeden Fall immer sehr gut passen. Bei einer einfachen Darstellung kann man einerseits annehmen, dass man doch auch günstiger an Leinen ran kommt (Leinen wurde im Norden sehr viel angebaut) oder auch fein gesponnene Wolle (günstiger Rohstoff aber fein gesponnen /krazt nicht eventuell Kammgarn?) oder Hanf (günstiger im Anbau?)? Im Hochmittelalter kann man sicherlich auch annehmen, dass Leinen noch teurer war als Wolle. Wenn man von den Templern aus geht, die so wie ich weiss (bitte korrigieren wenn nicht richtig) die günstigsten Sachen tragen sollten und sogar Wollene Untergewänder an hatten, dann kann man das doch eventuell übernehmen? Es sind auf jeden Fall interessante Ansätze :)
 
Fürs Hochmittelalter ist mir noch was eingefallen. In einem Text äußert sich ein Priester über die Not der armen Leute. Ihre Not sieht er daran, dass eine Frau kein Leinen besitzt für ihr Kind und sie ihr Haupt nicht damit bedecken kann. Ich meine der Text steht in "Alltagsleben im Mittelalter" von Arno Borst.
 
Dass im Hochmittelalter Leinen teurer gewesen sei als Wolle lässt sich so pauschal nicht sagen. Der Preis hingt von der Qualität des Stoffes ab und die wiederum von der Feinheit der Fäden. Freundliche Grüsse Gerald von Ameningen
 
Swanhild, den Text könnte man auch dahingehend interpretieren, dass die beschriebene Frau nicht einmal das Notwendigste hatte. In einem Buch, welches Leben in der hoch- und spätmittelalterlichen Stadt beschreibt, ist auszugsweise ein Brief einer Mutter an ihren abwesenden Gatten abgedruckt, in dem sie dem Ehemann die Not der schlecht verheirateten Tochter klagt, die es "ärger als eine Magd" getroffen habe: "Wenn sie ihr Kleid waschen will, so sitzt sie im Hemde. Wäscht sie aber das Hemd, so zieht sie die Wolle auf den bloßen Leib". Auch hier also ein Hinweis auf eine Mindestausstattung, die man als menschenwürdig erachtet (nämlich Wechselkleidung) und allenfalls indirekt ein Hinweis auf leinerne Unterkleidung.
 
Bei einer einfachen Darstellung kann man einerseits annehmen, dass man doch auch günstiger an Leinen ran kommt
Leinen setzt Landbesitz voraus - eine Fäche, die demzufolge nicht für den Anbau von Nahrung genutzt werden kann. Vom Anbau bis zum fertigen Textil sind es viele Arbeitsschritte (Raufen, Binden, Trocknen, Riffeln, Rösten, Dörren, Schlagen(Bleuen), Brechen, Schwingen, Hecheln, Flachs zu Zöpfen binden, Spinnen, Haspeln, Weben). Und genäht werden muss ja auch noch. Das Verarbeiten von Wolle erfordert hingegen nicht so viele Arbeitsschritte - (Schafschur, Wolle zupfen, Spinnen, Haspeln, Weben). Kleine sehr fein gewebte Leinentüchlein waren ein Zahlungsmittel wie Ibn Jakub von seiner Reise aus Prag (965) berichtet hat. Auch in Löddigsee sind einige dieser Leinentüchlein gefunden worden. Auch dies verdeutlicht den Wert von Leinen. Quellen: Arabische Berichte von Gesandten an germanische Fürstenhöfe aus dem 9. und 10. Jahrhundert von Georg Jacob Die Funde der jungslawischen Feuchtbodensiedlung von Parchim-Löddigsee, Kr. Parchim, Mecklenburg-Vorpommern von Dietlind Paddenberg Habe in einem Museum eine Flachsstrecke gesehen. Hier wurden fast alle Arbeitsschritte zur Herstellung von Leinen vorgeführt (mit Ausnahme der Aussaat und des Jätens). Aus 1 kg Rohfaser gewinnt man ganze 70 gr Faser(!) zur Herstellung von feinem Leinen. Das soll etwas alltägliches sein, was fast jeder unter seinem Wollkleid trug? Ich bezweifle es - lass mich aber gerne eines Besseren belehren. Gruß Britta
 
Da drum geht es mir :) Es gibt da so viele Aussagen, deshalb ist es interessant mal so viele Funde und Quellen zusammen zu finden.
 
Zusätzlich zu den von Dir genannten Arbeitsschritten beansprucht die Schafhaltung auch Land und vor allem ständigen Betreuung der Tiere das ganze Jahr hindurch - wirft aber unbestritten auch Fleisch, Milch und Käse ab. Nochmal: Die Feinheit bestimmt den Preis! Dass feines Leinen sehr teuer war, ist unbestritten. Aber feines Wolltuch eben auch. Solch feine Stoffe waren, je nach persönlichem Wohlstand, mehr oder eben weniger alltäglich. Und es gab aber auch sowohl grobes Leinen als auch grobe Wolle, die, je nach persönlicher Armut, eben mehr oder weniger alltäglich waren. Freundliche Grüsse Gerald von Ameningen
 
naja, Schafe leben nicht von Luft, "kämmen o.ä." mußt Du die Wolle auch, so´n Wollkleid ist nach dem Weben auch nicht fertig, üblicherweise wirds auch genäht ...., ach und, haspeln mußt Du den Faden auch, und nicht zu vergessen, das Lanolin auswaschen ist auch kein Geschenk Und Leinen: Flachs roden, trocknen, rotten, trocknen, brechen, hecheln, Puppe machen , spinnen, Haspeln , Weben,nähen. Troknen macht das Zeug alleine, rotten auch... also soo viel Mehraufwand ist das nicht mit Leinen, zumal ja die Schafe auh gehütet werden müssen, Winterfutter brauchen und ne ganze Menge Pflege... Ein Schaf heute bringt ~ (gegoogelt als Quelle) 4-7 kg Wolle, eine Schnucke (Quelle Mühle Großnimmerlage)http://www.muehle-grossmimmelage.de/html/body_heidschnucken-infos.html 1,8-3,5 kg, die Hälfte ~ ist verwertbare Wolle, damals allerdings von ziemlich zweifelhafter Qualität (mich juckts schon wieder überall). Die Fasern sind eben kürzer als bei Leinen/Hanf /Nessel. Also arbeitsmäßig, vom Flächenertrag/Flächenbindung usw nehmen die Fasern sich nicht viel. Von der Haltbarkeit her allerdings ne ganze Menge. Leinenbetttücher z.B. wurden in der Vergangenheit über Generationen vererbt ....
 
Zusätzlich zu den von Dir genannten Arbeitsschritten beansprucht die Schafhaltung auch Land ... (...)
Dazu ein kleiner Einwurf von mir: Vieh wurde früher nicht auf Privatgrundstücken eingepfercht gehalten, sondern in Herden mit Hirten auf der Allmende (mehr oder weniger wildes Land, dass für jeden zur Verfügung stand). Nur Äcker waren (mehr oder weniger) in Privatbesitz, da dieses Land bereits urbar gemacht wurde. Wie es bei den Wikingern im FrüMi genau aussah entzieht sich gedoch (noch? ;) ) meiner Kenntnis. Gruß Eli
 

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