Die Entscheidung, welche Speisen denn nun "echt mittelalterlich" seien (und für welchen Zeitraum), kann nur getroffen werden, wenn man weiß, welche Nahrungsmittel denn im Mittelalter überhaupt belegt waren. Hier gibt es nicht nur Unterschiede was die regionale Verbreitung betrifft, sondern auch ein, zwei Jahrhunderte können darüber entscheiden, ob ein bestimmtes Nahrungsmittel, eine bestimmte Zubereitungsart bekannt ist oder nicht. Deshalb habe ich hier einige Nahrungsmittel aufgelistet mit der Angabe, ab wann sie (nach derzeitiger Forschung) dort und dort nachgewiesen wurden. Alle Angaben stammen aus dem Werk "Essen und Trinken im Mittelalter" von E. Schubert. Weizen / Roggen / Gerste / Hafer Seit dem Altertum ist Weizenhauptsächliches Brei-/Brotgetreide. In Nordeuropa, mit dem Aufkommen der Dreifelderweirtschaft und mit Beginn der Klimaverschlechterung im Hochmittelalter Verdrängung durch Gerste, Roggen, Hafer. Weizen bleibt Fernhandelsgut und Getreide für die Oberschicht ("Schönbrot" ). Dinkel Diese wärmeliebende Getreideart ist bis ins Hochmittelalter allgemein bekannt. Grünkern (gedarrter Dinkel) jedoch erst ab 14. Jahrhundert! Danach gerät Dinkel allmählich in Vergessenheit (Klimaverschlechterung). Nur in wenigen gegenden Shwabens wird durchgehend bis in die 1950er Jahre Dinkel angebaut. Mais Erst mit beginnender Neuzeit bekannt, größere Verwendung erst seit den Türkenkriegen ("Welschkorn", "Kukuruz" ). Gemüsemais ist bis in die späte Neuzeit nicht bekannt! Butter Als Brotaufstrich kaum bekannt, wird sie oft Breien und Suppen zugesetzt. Sie ist der besseren Haltbarkeit wegen meist gesalzen. Auch Butterschmalz ist seit Langem bekannt (Speisen werden "geschmälzt", damit ist die Verfeinerung mit Butterschmalz gemeint). Im Spätmittelalter wird Butter oft mit Zimt und Ingwer gewürzt. Milch Findet kaum Verwendung als Getränk oder Speisezusatz. Da sie sehr schlecht haltbar ist, verarbeitet man sie fast ausschließlich zu Butter oder Käse. Lediglich für Süßspeisen wird gelegentlich eine Art Kondensmilch vergestellt. Käse Ist schon im Frühmittelalter Exportgut und seit dem 12. Jhdt. tauchen zahlreiche regionale Käsespezialitäten in den Handelsbüchern auf. Es handelt sich meist um Hartkäse . Quark findet kaum Verwendung. Die bei der Käseherstellung anfallende Molke ist Getränk für Arme und Landarbeiter. Wurst und Schinken Stammt sowohl vom Rind als auch vom Schwein. Kochschinken und Brühwurst tauchen nicht in den Handelsbüchern auf. Die Metzgerprodukte dürften der besseren Haltbarkeit allesamt Hartwurst (hier sind viele Sorten belegt), Rauch- und Dürrfleisch sowie der schon im Hochmittelalter belegte Westfälische Schinken sein. Fisch Süßwasserfische und Krebse sind Fastenspeisen von regionaler Bedeutung. Es existieren klösterliche und fürstliche, aber auch städtische Fischzuchten. Auf dem Tisch der einfachen Leute landet Fisch jedoch selten, da auch das Binnenfischen aus Bächen etc. Herrschaftsrecht ist. Getrockneter Fisch ("Stockfisch" ) aus Norwegen ist ab dem Spätmittelalter dagegen billig zu haben und auch bei einfachen Leuten relativ häufig auf dem Speiseplan. Hering ist erst seit dem 13. Jahrhundert als Speisefisch nachgewiesen. Eingesalzen ist er Fernhandelsware und steht häufig auf dem Tisch der Oberschicht. Arme essen ihn kaum, da zu teuer. Obst Seit der Karolingerzeit werden Äpfel in großem Stil gezüchtet, große Sortenvielfalt. Allerdings stammen die ältesten heute erhältlichen Apfelsorten aus dem 17. Jhdt. Wir wissen also nicht, welche Äpfel Karl der Große aß. Kirschen (Süßkirschen) und Pflaumen sind ebenfalls seit der Römerzeit bekannt, die Birne aber erst seit dem 10. Jhdt. als Gartenobst nachgewiesen. Sauerkirschen sind seit dem Hohen Mittelalter nachgewiesen, allerdings in langsamer Süd-Nord-Verbreitung. Häufig wurden Kornelkirschen, in geringerem Maße auch Schlehen, genossen. Anfang des 14. Jhdt. gibt es massenhaft billige Importe an Rosinen und getrockneten Feigen; Rechnungen hierüber tauchen in Spitalen und Armenhäusern auf. Frisch werden hiesige Trauben nicht gegessen. Wildfrüchte dürften häufig auf dem Speisezettel gestanden haben. Allerdings gab es keine Johannis- oder Stachelbeeren und auch die heutige Gartenerdbeere war unbekannt, nicht aber die Walderdbeere. Gemüse Zwiebeln und Knoblauch sind seit dem Altertum bekannt, der Knoblauch gilt jedoch eher als Heilmittel. Erbsen gibt es als Kichererbse (selten) sowie als gewöhnliche grüne Erbse, die gelegentlich auch als Zuckerschote verzehrt wird. Bohnen sind noch die dicken Saubohnen, die Stangenbohne kommt im 16. Jhdt. aus Südamerika! Linsen sind ebenfalls seit der Antike bekannt, alle Hülsenfrüchte erreichen große Bedeutung aber erst mit Beginn der Dreifelderwirtschaft. Die Hülsenfrüchte wurden im Allgemeinen nicht frisch genossen, sondern bei Vollreife geerntet und dann getrocknet. Gurken und Kürbisse: Die im "Capitulare de villis" erwähnten Kürbisse sind nicht die heute bekannten, da diese aus der Neuen Welt stammen, sondern eine orientalische Koloquinthen- oder Gurkenart und sind allgemein kaum bekannt. Diesen am Ähnlichsten sind die heutigen Zucchini. Kohl gab es in vielen Sorten, auch als Brokkoli ("Bröckelkohl" ). Das Sauerlegen war die gebräuchlichste Konservierungsart. Außerdem gab es zahlreiche heute weniger bekannte Gemüsearten wie Pastinak, Gartenmelde, Grüner Fuchsschwanz, Ackersalat, Rapunzeln, Spinat, Giersch etc. Als Rohkost kam Gemüse nie auf den Tisch; meist wurde es als mehr oder weniger dicke Suppe gekocht oder dem Brei beigegeben. Die meisten heute verwendeten Kräuter waren bekannt, ebenso die Gewürze (außer denen aus Südamerika) und wurden auch in weniger begüterten Kreisen reichlich verzehrt (zB in Gewürzbrot, in Blutwurst etc.), da diese Leute meist nicht selbst kochten, sondern sich in Imbissen versorgten. Nüsse / Kerne Haselnüsse wachsen in ganz Europa wild und wurden von alters her zur Nahrung genutzt. Walnüsse, Mandeln und Esskastanien waren seit der Römerzeit in Europa bekannt und wachsen auch in Deutschland an klimatisch begünstigten Standorten. Es gab zB in Speyer ganze Mandelbaumplantagen! Man aß Nüsse so, presste sie zu Öl oder verwendete sie in Speisen (Mandelmich) und Backwerk. Kastanien wurden oft zu Mehl gemahlen. Ebenso dienten Eicheln und Bucheckern armen Leuten als Mehl- und Öllieferant. Süßungsmittel Rohrzucker war seit der Antike bekannt und wurde importiert; er unterlag starken preislichen Schwankungen. Man kannte ihn auch schon als Kandis, der besonders teuer war. Honig wurde zunächst von Wildbienen gewonnen, seit dem frühen Mittelalter entsteht die Kunst der Imkerei, deren Betreiber eigene Zünfte bilden. Um Bamberg wurde im Hochmittelalter im großen Stil Süßholz ("Honigwurz" ) angebaut, das als preiswertes Süßungsmittel für die Massen galt und aus dem auch Grundstoff für Arznei (Lakritz) gewonnen wurde.